Gabriel García Márquez - Hundert Jahre Einsamkeit

Es gibt 37 Antworten in diesem Thema, welches 9.553 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von knödelchen.

  • Hallöchen,


    hab dieses wundervolle Buch gestern zu Ende gelesen und bin vollends begeistert. Hab dann hier im Forum ein bisschen gestöbert und eine alte Leserunde dazu gefunden, die sich allerdings eher negativ dazu äußerte.
    Häufig war die Rede von 'perversen Männerfantasien' etc.
    Diesen Gedanken kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen, sondern fand das ganze Buch, v.a. die Passagen mit S.e.x.ualität eher satirisch, ironisch als pervers.


    Wie seht ihr das?
    Und wie hat euch das Buch allgemein gefallen?


    Liebe Grüße,


    mondpilz


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    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hallo!


    Meine Erinnerungen sind nur noch vage, da ich vor- und nachher auch andere Werke von García Márquez gelesen habe. Ich mag ihn und seinen magischen Realismus sehr - liegt aber vielleicht daran, dass ich ein Mann bin. :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ich habe das Buch vor einiger Zeit mal begonnen, bin aber nicht sehr weit gekommen, weil ich damit einfach nicht warm geworden bin.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo mondpilz (netter Nick übrigens :smile:),


    es ist schon einige Jahre her, aber ich habe "Hundert Jahre Einsamkeit" noch in sehr guter Erinnerung. Mir hat dieses Ineinanderfließen von Realität und "Übersinnlichem" sehr gut gefallen. An die "Männerfantasien" kann ich mich gar nicht so erinnern :redface:, die haben bei mir also keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.


    Wenn ich mich recht erinnere, hat im Klassikerforum auch mal eine Leserunde dazu stattgefunden, in der die Meinungen auch gemischt waren.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Ich habe das Buch vor ca. 1 Jahr im Klassikerforum im Rahmen einer Leserunde gelesen. Ich war voller Erwartung und Vorfreude - war es doch mein 1. Marquez und habe ich so viel Gutes über ihn gehört.


    Leider entpuppte sich das Buch mehr als Qual. Keine Frage - sprachlich auf höchstem Niveau - doch handlungsmäßig fiel es mir sehr schwer, einen roten Faden festzustellen bzw. zu verfolgen. Der Gleichklang sämtlicher Namen verwirrte mich, es wimmelte nur so von "Aurelianos" u.ä. Erst im Nachhinein habe ich festgestellt, dass es belanglos ist, wie die Leute zueinander verwandt sind.


    Mir fehlten auch die philosophischen Kenntnisse, die man wohl braucht, um die übersinnliche Ebene dieses Buches erfassen zu können.


    Allerdings bin ich auch bei meinem 2. Garcia Marquez Versuch "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" kläglich gescheitert. Der Autor dürfte nichts sein für mich :rollen:

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative


  • Häufig war die Rede von 'perversen Männerfantasien' etc.
    Diesen Gedanken kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen, sondern fand das ganze Buch, v.a. die Passagen mit S.e.x.ualität eher satirisch, ironisch als pervers.


    Nun ja, ich verstehe, dass man Marquez maßlos übertriebene Schilderungen als satirisch oder ironisch ansehen kann, gerade weil sie so übertrieben waren. Ich hatte allerdings beim Lesen den Eindruck, dass er das ernst meinte.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hundert Jahre Einsamkeit ist eines der besten Bücher der Weltliteratur. Allein dieser erste Satz mit den "Steinen, so groß wie prähistorische Eier" - diese Art der Sprache ist wunderbar und zieht sich durch das ganze Buch.


    Ich kann mich da an keine Männerphantasien erinnern. Die kommen v.a. in "Erinnerung an meine traurigen Huren" vor, ein wirklich langweiliges und schlecht geschriebenes Buch.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • @klassikfreund:
    Kleine Gedächtnisauffrischung:
    Einer der Buendias ist so gut bestückt, dass die Huren ihn für den Geschlechtsverkehr bezahlen.
    Wenn die Gleichsetzung Riesenpimmel=Riesenbefriedigung (für die Frau!), sowie Huren, die ihre Freier bezahlen, nicht die Bezeichnung "Männerphantasien" verdienen...

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • @klassikfreund:
    Kleine Gedächtnisauffrischung:
    Einer der Buendias ist so gut bestückt, dass die Huren ihn für den Geschlechtsverkehr bezahlen.
    Wenn die Gleichsetzung Riesenpimmel=Riesenbefriedigung (für die Frau!), sowie Huren, die ihre Freier bezahlen, nicht die Bezeichnung "Männerphantasien" verdienen...


    Danke für die Gedächtnisauffrischung. Dennoch sind es nur Einzelszenen, das Buch ist nicht p.o.r.n.o.grafisch angelegt. Dass Marquez solche Phantasien hat, zeigt er ja auch mit seinem neuesten Buch. Die Reduktion auf dieses Thema wird dem Buch überhaupt nicht gerecht.


    Gruß, Thomas

  • Hallo zusammen!


    Dass Marquez solche Phantasien hat, [...]


    Hat Márquez der (Privat-)Mann solche Phantasien oder spielt der Autor Márquez damit, dass v.a. seine lateinamerikanischen Geschlechtsgenossen solche Phantasien haben bzw. ihnen nachgesagt wird, sie hätten solche Phantasien?


    Das ist nicht dasselbe, und ehrlich gesagt masse ich mir kein Urteil an, auch wenn ich persönlich zu zweiter Meinung tendiere ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • @klassikfreund:
    Kleine Gedächtnisauffrischung:
    Einer der Buendias ist so gut bestückt, dass die Huren ihn für den Geschlechtsverkehr bezahlen.
    Wenn die Gleichsetzung Riesenpimmel=Riesenbefriedigung (für die Frau!), sowie Huren, die ihre Freier bezahlen, nicht die Bezeichnung "Männerphantasien" verdienen...


    Ach ja, diese Stelle war das :pling: Gibt es in "Der Pate" nicht auch einen derart gut Ausgestatteten (der aber deshalb im Bordell extra mehr zahlen muss :breitgrins:)? Naja, ist ja auch irgendwie ein Männerroman...


    Grüße
    Manjula

  • Hallo!


    [quote author=Saltanah]
    Nun ja, ich verstehe, dass man Marquez maßlos übertriebene Schilderungen als satirisch oder ironisch ansehen kann, gerade weil sie so übertrieben waren. Ich hatte allerdings beim Lesen den Eindruck, dass er das ernst meinte.
    [/quote]



    Einer der Buendias ist so gut bestückt, dass die Huren ihn für den Geschlechtsverkehr bezahlen.
    Wenn die Gleichsetzung Riesenpimmel=Riesenbefriedigung (für die Frau!), sowie Huren, die ihre Freier bezahlen, nicht die Bezeichnung "Männerphantasien" verdienen...


    Ernst meinen? Im Zusammenhang mit dem Roman? Als ernstgemeinte Metapher für eine bestimmte Verhaltensweise: Selbstverständlich. Aber unausgesprochen steht da: Frauenfeindliche Männerphantasie (des Autors) bezüglich überdimensionalisierter Geschlechtsorgane. Eine derartige Interpretation sagt nichts über das Buch, einiges aber über die Interpretin aus.


    Wenn Marquez sich in diesem Buch in all seinen Buendias wiederfinden würde, hätte er so manches zu tun. Er wäre ein verhinderter Kosmologe und Geometer (denn der Dynastiebegründer vergräbt sich mit allerlei Gerät in seinem Laboratorium, um die Umwelt mit seiner unsinnigen(!) Feststellung "Die Erde ist rund wie eine Orange" zu verstören), er müsste Hinrichtungs- und Militärphantasien haben, ungeheuer verfressen sein (einer der "Segundos" beweist - Marquez' Neigungen(??) - durch Fressorgien) u. v. m. Es gibt ca. 25 männliche Buendias, viele mit etwas phantastischen Neigungen - aber ausgerechnet in einer hat sich Marquez dargestellt. Wie gesagt: Mir dünkt, dass diese Feststellung mehr über die Feststellende aussagt als über das Buch.


    Denn dieses ist m. E. eines der schönsten und gelungendsten dieses "phantastischen Realismus", vergleichbar vielleicht mit Vargas Llosas "Der Krieg am Ende der Welt" (ein Werk, das allerdings eine geschichtliche Grundlage besitzt) oder "Tante Julia und der Kunstschreiber", ein ebenfalls phantastisches, metaphern- und allegorienreiches Werk. Und Marquez gelingt in diesem Buch auch die Gradwanderung zwischen Realismus und Fiktion auf beeindruckende Weise, denn gerade solche Bücher laufen Gefahr, in diverse esoterische Fettnäpfchen zu treten. Manchmal wohl auch absichtlich, um den Verkaufserfolg zu befördern.


    Grüße


    s.

  • Oh, entschuldige :anbet: , entschuldige :anbet: , entschuldige :anbet: , dass ich es gewagt habe, ein von dir hochgeschätztes Buch zu kritisieren. Wird nie wieder vorkommen. :anbet: :anbet: :anbet:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!


    Es war mitnichten die Hochschätzung des Buches, die mich auf deinen Beitrag antworten ließ. Sondern deine Beschränkung auf ein körperliches Merkmal eines Mitgliedes einer riesigen Familie, die an unzähligen Seltsamkeiten (auch körperlicher Natur) keinen Mangel leidet. Zu alledem die implizite Unterstellung, dass in genau diesem Merkmal sich der Autor gefunden hätte. Ich kann darin auch keine "Kritik" deinerseits im Sinne einer Beurteilung des Buches erkennen, sondern eine - zumindest auf mich - seltsam wirkende, selektive Betrachtungsweise.


    Vielleicht hätte ich es bei der Feststellung des Klassikerfreundes belassen sollen, die ich unterschreiben kann: "Die Reduktion auf dieses Thema wird dem Buch überhaupt nicht gerecht."


    Grüße


    s.

  • Nur stellt mein Beitrag mitnichten eine umfassende Bewertung des gesamten Buches dar, sondern war eine zielgerichtete Antwort an Thomas, der sich an keine "Männerphantasien" erinnern konnte. Also habe ich ihm ein Beispiel dafür geliefert, und mich nicht zu Marquez' hervorragenden Stil geäußert und auch nicht die Fressattacken eines anderen Buendia thematisiert.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Ich habe das Buch schon vor Jahren gelesen, war vermutlich zu jung um das ganze Werk zu erfassen und habe heute nur noch eine vage Erinnerung daran. Ich weiß aber, daß es mir sehr gut gefallen hat und es sehr atmospährisch war. Ich sollte es definitiv ein zweites Mal lesen.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Ach, dieses Buch, dieses Buch... Nein, das lese ich nicht zu Ende. Aber ich fühlte mich genötigt, den Protagonisten zu erklären, weshalb nicht.


    Offener Brief an die Familie Buendía


    Liebe Familie Buendía


    Ich glaube, wir hätten unter anderen Umständen gute Freunde werden können, aber ihr habt leider alle einen an der Klatsche. Zugegeben, dafür könnt ihr nichts. Was ihr seid und was ihr tut habt ihr alles euerm Schöpfer mit dem klangvollen Namen Gabriel García Márquez zu verdanken. Er hat für euch sogar den Literatur-Nobelpreis erhalten, was mich misstrauischer hätte machen sollen.


    Es gibt nämlich zwei Arten von Leuten, die Bücher schreiben. Diejenigen, die das Schreiben in erster Linie als kreatives Handwerk verstehen. Wollen wir sie Schriftsteller nennen. Und dann gibt es noch die, die das Schreiben in erster Linie für eine Kunstform halten. Wollen wir sie Literaten nennen. In beiden Kategorien gibt es Talentierte und, nun ja, andere. Euer Erfinder scheint mir in der Kategorie der Literaten einer der talentierten Sorte zu sein. Eine wunderbare Sprache und sehr schöne Bilder zeugen davon, dass der Mann mit Worten umgehen kann. Deshalb habe ich es auch geschafft, eure Geschichte etwa bis in die Hälfte zu verfolgen.


    Jetzt muss ich euch leider verlassen, denn euer Erfinder hat mit euch das gemacht, was Literaten ihren Figuren schon fast standardmässig antun: zuspitzen, schleifen und mit einer Unmenge von symbolischem Verhalten versehen. So lange, bis darin kein glaubwürdiger Mensch mehr zu erkennen ist. Derart verunstaltet müsst ihr die verrücktesten Dinge tun, wie etwa jahrelang an einem Kastanienbaum angekettet sein und von der Familie gefüttert werden, nicht wahr, lieber José Arcadio? Oder euern Nachkommen immer wieder dieselben Namen geben, damit man nachher nicht mehr weiss, welcher José Arcadio jetzt im vorangegangenen Satz gemeint war. Und fast jeder von euch hat eine Neigung zu Inzest. Wer weiss, vielleicht steht das für euren Erfinder symbolisch für Korruption und Vetternwirtschaft im realen Südamerika?


    Ich kann es nicht wissen und ohne Sekundärliteratur werde ich es auch nicht herausfinden. Das ist schade, denn ich bin der Meinung, dass ein Buch, egal wie viel tiefere Bedeutung sich noch darin verbergen mag, auch so verstanden werden muss. Nur aus sich selber. Und, liebe Buendías, das ist bei eurer Geschichte kaum der Fall. In euerm Dorf geht es zu wie aus einer Kombination zwischen Jahrmarkt und Knastausflug und keinen stört es, weil alle zu sehr mit ihren eigenen, wirren Problemen beschäftigt scheinen. Da können sich Halbwüchsige zu Dorfkönigen aufschwingen und willkürlich Leute erschiessen. Da kann eine Frau ihren Mann töten und keinen interessiert es, weil sie sich danach in ihr Haus zurückzieht und einfach nicht mehr raus kommt. Gut, man könnte einwenden, sie sässe in dem Moment ja bereits im Gefängnis, wozu also noch die Aufregung?


    Findet ihr das nicht auch ein wenig seltsam? Wahrscheinlich nicht, ihr kennt ja kein normales Leben. Lasst euch einfach so viel gesagt sein: Im richtigen Leben hättet ihr vielleicht auch ein kleines Dorf für euch. Mit einem grossen Zaun rundrum und ganz viel lieben Menschen, die sich Pfleger nennen. Es gäbe sicher auch Bücher in dem Dorf. Lustige, traurige, spannende, dicke, dünne – eine grosse Palette. Und vielleicht würde einer von euch eines Tages ein Buch zur Hand nehmen, dessen Autor sehr gelobt wird. Eines, das einen Preis gewonnen hat, also ein ausgezeichnetes Buch. Die Erwartungen wären vielleicht nicht allzu hoch, weil man ja doch nie weiss, was es zwischen den Buchdeckeln zu entdecken gibt. Der lesende Buendía würde also anfangen und nach den ersten Seiten denken: «Schönes Buch, aber ein bisschen seltsam». Ein paar Kapitel später würde er sich fragen, ob hier noch irgendwo eine Geschichte zu erwarten sei und nicht bloss eine Aneinanderreihung von Episoden. Wiederum ein Kapitel später ist diese Hoffnung aufgegeben, was ja nicht so schlimm ist. Es ist schliesslich immer noch ein schönes Buch. Aber so langsam fangen die Protagonisten an zu nerven und der lesende Buendía fragt sich, was er hier eigentlich tut. Schliesslich haben die Pfleger ja noch viele andere Bücher. Aber er ist ein zäher Kerl und will sich bis zum Ende durchbeissen, auch wenn ihm sein Instinkt sagt, dass es ein grausiger Kampf ohne Sieger sein wird. Der Buendía hält durch und liest das Buch, um es dann aus lauter Wut aufzuessen. (Eine solche Aktion würde jedenfalls zu einem richtigen Buendía passen.)


    Seht ihr, genau in dem Punkt unterscheiden wir uns. Ich habe mich nicht durchgebissen, sondern das einzig Vernünftige in einer solchen Situation getan: das Buch für (ziemlich sicher) immer zugeklappt. Es tut mir Leid für euch, so uninteressant wart ihr nicht. Aber nach 200 Seiten weiss ich alles, was ich über euch je zu wissen brauche: Nämlich dass wir, wie eingangs erwähnt, niemals Freunde werden.


    In diesem Sinne wünsche ich euch alles Gute (ihr könnts wirklich brauchen, glaubt mir!) auf euern weiteren Wegen, die ihr ohne mich beschreiten werdet.


    Adiós.


    Alfa Romea


    PS: Ich lege euch aus meiner Bewertungstüte noch 3 von 10 Punkten bei. Was ihr damit macht, überlasse ich vollständig euch.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.