Hallie Rubenhold - The Five. Das Leben der Frauen, die von Jack the Ripper ermordet wurden

Es gibt 47 Antworten in diesem Thema, welches 4.155 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

  • Ach ja, hab ich vergessen 5ratten und viel mehr Ratten :breitgrins:

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 91


    Gesamt seit März 2007: 1012

  • Anne

    Auf jedenfall vielen Dank, das Du das Buch hier vorgestellt hast! Da ist es auf meiner Wunschliste auf jedenfall ein gutes Stück weiter nach oben gerutscht. Finde es richtig erschreckend, das wirklich einfach niemand von allen Autor*innen der letzten Jahre mal hinterfragt hat, ob das, was über die Frauen bekannt ist wirklich so stimmt. Letzendlich ist es schon so, im Fokus steht normalerweise Jack the Ripper und wer er wohl war. Nicht aber die Frauen, die er mutmaßlich ermordet hat (es gibt ja Fälle, bei denen man gar nicht so sicher sein kann, das er der Täter war).

  • Finde es richtig erschreckend, das wirklich einfach niemand von allen Autor*innen der letzten Jahre mal hinterfragt hat

    Gern geschehen.

    Da sprichst Du ein wichtiges Thema an. Im Endeffekt ist es ein Wirtschaftszweig, mit dem heute noch Geld verdient wird.

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  • Anne

    Das stimmt. Es ist ja quasi eine Marke geworden.

    Ich habe z.B. ein Heftchen das da heißt: Jack the Ripper Walk. Damit kann man selbstständig durch White Chapel und die Mordplätze besuchen.

    Gleichzeitig ist es ja schon so, das sich der Umgang mit Täter und Opfer nicht groß verändert hat. Über die Opfer von Jack Unterweger spricht niemand, bei den Marylin Manson Morden wird nur seine Sektenartige Gruppe in den Blick genommen und so weiter und so fort. Das ist natürlich für die Gerichtsverhandlungen ein Blickwinkel der auch nötig ist,weil es da ja dann um die Tat geht. Aber in der allgemeinen Wahrnehmung entsteht durch diesen medial verstärkten Blickwinkel ja schon eine Schieflage.


    Ich mag True Crime und ich beschäftige mich sehr oft mit ziemlich grausamen Morden. Trotzdem gibt es dahingehend definitiv auch ein langsames Umdenken und das finde ich richtig so. Es geht mir persönlich darum vor allem eine ausgeglichene Betrachtung zu haben. Mich interessieren Morde und ihre Hintergründe, aber ich möchte trotzdem auch, das die Opfer solcher Taten genauso viel Raum bekommen.


    Ich habe selbst das Buch von Patricia Cornwall zu Jack the Ripper gelesen (sie geht darin davon aus, das der Maler Walter Sitler der Täter ist) und schon damals ist mir die Zur- Schaustellung der ermordeten Frauen aufgefallen...

  • und schon damals ist mir die Zur- Schaustellung der ermordeten Frauen aufgefallen...

    Das findet man in diesem Buch absolut nicht. Dass die Opfer so gar nicht wahrgenommen werden, spricht die Autorin im Buch auch an, besonders noch einmal gegen Ende.

    Was ich heutzutage so perfide finde, ist ja, dass Täter alles möglich gemacht wird. Sie gehen evtl. in den Knast, bekommen ihre Entziehungskur oder ein Antiaggressionstraining, haben dort vielleicht auch sonstige Unterstützung. Und das Opfer muss sich dies alles erkämpfen. Oder bin ich da einem Irrtum aufgesessen?

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  • Anne

    Ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Z.B. ist die psychiatrische Unterbringung mancher Täter ja kein Spaziergang. Sondern dient dem Schutz der Gesellschaft und ist auch Arbeit. Auch die Therapiesitzungen sind anstrengend.

    Und ich finde es schon auch wichtig, das im Gefängnis Täter nicht nur einfach weggesperrt werden. Das ist nicht Sinn des Ganzen. Auch wenn so manche Täter zum Glück für uns alle Sicherungsverwahrung erhalten. (Übrigens nicht zwangsläufig nur Mörder. Es gibt auch andere Tatbestände die eine Sicherungsverwahrung nach sich ziehen können). Anders sieht es Strafrechtlich aus. Da finde ich schon, das z.B. Vergewaltigung härter bestraft werden sollte, weil die psychischen Folgen für die Betroffenen ein Leben andauern können. Ich finde das sollte schon irgendwie mit eingebunden werden in die Rechtsprechung.

    Dennoch gelten auch für ihn weiterhin die Grundrechte und das ist auch richtig so.

    Ansonsten stellt man sich das Gefängnis wohl gerne mal viel zu sehr wie Urlaub vor... Das ist es eben nicht. Da ist eine Monotonie im Ganzen die man nicht unterschätzen darf. Das macht etwas mit Dir und deiner Psyche. Um Dich herum nur Menschen die ebenfalls schwere Straftaten begangen haben...

    Antiagressionstraining kann übrigens auch Opferschutz bedeuten - nur mal so nebenbei gesagt.


    Dennoch bin ich auch der Meinung das Opfer viel zu wenig Unterstützung durch den Staat bekommen und das finde ich falsch. Meiner Meinung nach ist es ein Fehler, das stattdessen Vereine diese Aufgabe übernehmen müssen, weil es keine sonstigen Ansprechpartner*innen gibt. Die Arbeit dieser Organisationen ist großartig, aber wäre eben nicht nötig, wenn der Staat hier Gelder ausschütten würde um zu gewährleisten, das z.B. eine psychische Betreuung stattfindet z.B. ist das durchaus auch schon im Gericht bei einer Zeugenaussage wichtig.


    Trotzdem würde ich es nicht miteinander vergleichen. Das gegeneinander aufzurechnen macht denke ich wenig Sinn. Auch wenn das im ersten Moment nahe zu liegen scheint.

  • Dass die Täter Hilfe haben sollen, ist in Ordnung. Ich möchte da nichts aufrechnen. Ich finde es nur nicht in Ordnung, dass Opfer oft dafür kämpfen müssen, Unterstützung zu bekommen.

    Wie Du schreibst, es kann nicht sein, dass die von Vereinen kommen muss. Die Politik zieht sich ja aus vielem zurück, ob es bei Gesundheit, Bildung und und und ist. Schulische Mittel, die von Fördervereinen finanziert werden - ach, das würde jetzt alles zu weit führen.


    Ich bin auf jeden Fall gespannt, was Du berichten wirst, wenn Du das Buch irgendwann liest.

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  • Wir sind nun auch durch mit unserer kleinen Leserunde zu dem Buch und ich kann mich nur anschließen: Wer nur einen Hauch Interesse an Jack the Ripper, Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert oder auch Frauenrechten an, sollte dieses Buch lesen.


    Wir begleiten mit Rubenhold die einzelnen Frauen, die spätere Opfer des Whitechapel-Mörders werden sollen und es ist einfach so unfassbar traurig. Mitanzusehen, wie manchmal nur ein kleiner Schicksalsschlag ausreicht, um das Leben komplett aus der Bahn zu werfen, sodass sie dem Alkohol verfallen, auf der Straße leben müssen und einfach eingegrenzte Frauen werden. Und über einigen wurde der Pech-Eimer komplett ausgekippt. Es hat mir das Herz gebrochen.


    Der Fakt, der bei mir ganz besonders hängen geblieben ist: Nur eine von ihnen, Mary Kelly, arbeitete nachweislich zur Zeit des Mordes tatsächlich als Prostituierte, eine andere, Elizabeth Stride, war zumindest vorher Prostituierte gewesen. Und das finde ich deshalb so krass, weil JtR ja immer als der Prostituiertenmörder gilt. Nope, vermutlich haben die Frauen einfach nur auf den Straßen geschlafen, weil sie mittellos waren, als sie ermorden wurden.


    Das sagt halt so viel aus über das Ansehen der Frauen im 19. Jahrhundert, die aufgrund von Alkoholsucht, Scheidung, etc. nicht mehr ihrer Rolle als Frau gerecht werden konnten. Obdachlos? Prostituierte? Alkoholikerin? Alleinstehend? Es war quasi alles eins. Dass dieses Narrativ so lange überdauern kann, hat mich ziemlich schockiert.


    Ich habe nun schon Kritik gelesen, dass Rubenhold wohl sehr subjektiv an ihre Quellen ging und durchaus auch mal Dinge auslassen soll, die nicht in ihr Bild passen. Ich weiß nicht, inwiefern das stimmt. Aber wenn wir uns mal bewusst machen, dass es über diese Frauen kaum Aufzeichnungen gibt, ist natürlich klar, dass auch ein bisschen was an Spekulation dabei ist. Aber nichtsdestotrotz finde ich sehr bewundernswert, was die Autorin alles zusammengesammelt hat. So wie einen Lesebrief in einer großen Zeitung, in der eine Frau über den Alkoholkonsum ihrer Schwester berichtet – und diese Schwester wiederum ist später eine der JtR-Opfer. Oder Fotos der Kinder von Annie Chapman, auf denen zu erkennen ist, dass sie vermutlich am Fetalen Alkoholsyndrom litten, was wiederum vieles über Chapmans Leben bestätigt.


    Eine Lektüre, die noch lange nachhallen wird. Ich hoffe, dass dieses Buch noch viele Lesende findet!

    :tipp:

    ~ The world is quiet here ~

  • Mir hast Du auf jeden Fall jetzt NOCH mehr Appetit auf das Buch gemacht, als ich eh schon hatte. Danke für Deine Eindrücke!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Cookie

    Ich denke es ist auf jedenfall mal ein Anfang sich mit den Frauen zu beschäftigen und vielleicht geht ja dann mal wieder jemand an die Quellen, das wäre ja auch schön :)

    Auch wenn es mich natürlich interessieren würde, was die Autorin da wohl weggelassen hat *g* Ich gehe aber mal davon aus, das sie als Historikerin schon weiß, wie man mit Quellen umgeht.

  • HoldenCaulfield ich finde es auch sehr schön, dass das Thema so vielleicht noch einmal angegangen wird, und eben nicht mit Fokus auf Jack the Ripper. Von mir aus auch bitte mehr davon.


    Ich dachte als Historikerin beim Lesen auch manches Mal, wo zur Hölle wohl diese und jene Info herkommt. Es ist schon echt Wahnsinn, wie sehr sie ins Detail gehen kann mit wenigen Quellen. Dass dann auch die Kritiken kommen, ist klar. Was dran ist, dass sie bewusst Infos z. B. aus Zeitungsartikeln weglässt – das war einer der Vorwürfe – weiß ich nicht. Aber trotzdem: Ich bin sehr beeindruckt von ihrer Recherche.


    Es gibt übrigens auch einen Podcast, ich habe allerdings noch nicht reingehört: Bad Women: The Ripper Retold.

    ~ The world is quiet here ~

  • Cookie  Anne

    Endlich lese ich das Buch auch. Und bin schon sehr beeindruckt, gleichzeitig fällt mir aber auch auf, das die Quellenangaben schon sehr merkwürdig sind irgendwie. Also sie hat zwar eine riesige Literaturliste, aber wenn man mal genauer schaut, so richtige Angaben wo sie welche Info her hat (vor allem was die Quellenangaben aus den Archiven angeht...) fehlt mir da schon...


    Nach wie vor finde ich es gut, dass sie den Fokus auf die Frauen legt und ich hoffe schon sehr, das es hierfür noch weitere Forschung geben wird. Eben auch weil die Quellenfrage für mich hier nicht abschließend geklärt ist. Trotzdem ein Anfang ist gemacht und ich finde es generell interessant, das hier zum ersten Mal so öffentlich hinterfragt wurde, welches Leben die ermordeten Frauen wirklich gelebt hatten. Gerade der Punkt, das es der Gesellschaft so schön in den Kram passte, das die Morde angeblich nichts mit ihr zu tun hatten, finde ich sehr interessant und als Ansatzpunkt sehr wichtig, um auch die Ermittlungen der damaligen Zeit, sowie auch die Presseberichte besser zu verstehen.


    Valentine

    Immer diese Themen die mich nicht interessieren :err:

  • Das ging ja jetzt schnell, HoldenCaulfield . Ich habe wahrscheinlich einen unbedarfteren Blick auf die Quellen und war fast erschlagen von der Menge.

    Danke für Deine Zusammenfassung.

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  • Anne

    Ich bin noch nicht fertig, wollte aber meine ersten Gedanken mal teilen.

    Dabei sind es sogar noch wenig Quellen, wenn ich das mit manch andren Büchern aus dem Studium vergleiche. Klar, das Buch ist eher für ein allgemeines Puplikum geschrieben, das ist sicher auch der Grund, warum manche Quellenangabe eher schwammig bleibt.


    Spannend finde ich übrigens den Hinweis, das die Autorin ein Buch über die Frauen um Dr. Crippen herum schreiben wird. Oder ist das mittlerweile schon erschienen?

    (Ich lese das Buch in englisch)

  • Spannend finde ich übrigens den Hinweis, das die Autorin ein Buch über die Frauen um Dr. Crippen herum schreiben wird. Oder ist das mittlerweile schon erschienen?

    Laut unserem DNB-Katalog nicht. Aber ich habe noch ein anderes auf Deutsch von ihr gefunden:

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    Das habe ich mir gleich mal runtergeladen.


    Weiterhin gutes Lesen.

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  • Spannend finde ich übrigens den Hinweis, das die Autorin ein Buch über die Frauen um Dr. Crippen herum schreiben wird. Oder ist das mittlerweile schon erschienen?

    Darüber konnte ich nichts finden. Ich habe noch The Covent Garden Ladies von ihr gehört, das war auch großartig.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein