Svenja Gräfen - Radikale Selbstfürsorge. Jetzt!

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  • Radikale Selbstfürsorge. Jetzt! Eine feministische Perspektive von Svenja Gräfen. Mit Illustrationen von Slinga Illustration


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    Der Klappentext sagt:

    Der Ursprung radikaler Selbstfürsorge liegt dort, wo auch gesellschaftlicher Wandel beginnt – bei dir, bei mir, bei uns.


    Svenja Gräfen hielt Self-Care lange für egoistisch, unsolidarisch und ein falsches Versprechen der milliardenschweren Wellness-Industrie. Zeit für ein Update: Denn Selbstfürsorge ist weder Produkt noch Luxus, sondern zugänglich für jede*n und eine Basis, um auch für andere da sein zu können. In diesem Buch erzählt die Autorin von eigenen Strategien und Erfahrungen. Sie macht deutlich, warum Self-Care gerade jetzt so wichtig ist – und weshalb Selbstfürsorge und Feminismus einander nicht widersprechen, sondern zusammengehören.


    Meine Meinung:

    Da Valentine mich gebeten hatte, zu erzählen, wie es mir gefallen hat, versuche ich hier mal ein paar Gedanken zum Buch aufzuschreiben. Als sehr sensibler, introvertierter Mensch ist Selbstfürsorge kein Fremdwort für mich, um irgendwie durch den Alltag zu kommen. Aber ich bin kein Fan von Schwurbel, daher klang das Buch total super, von dem so ziemlich jede*r in meinem Umfeld gerade schwärmt. Leider, leider bin ich damit allerdings überhaupt nicht warm geworden, weshalb es mir auch schwer fällt, ein bisschen was dazu zu schreiben.


    Es liegt offensichtlich an mir, nicht an dir, Buch. Aber eins nach dem anderen:


    Svenja Gräfen versucht zu erklären, warum Selbstfürsorge zum einen gar nichts Egoistisches ist, sondern wichtig, damit gerade auch die, die sich engagieren und Dinge verändern wollen, nicht bei ihrem Aktivismus auf der Strecke bleiben. Zum anderen hat ihrer Meinung nach Selbstfürsorge wenig mit all dem Wellness zu tun, den wir so kaufen und buchen können. In den einzelnen Kapiteln geht es zum Beispiel um Sprache und Gedanken, also wie Sprache unsere Glaubenssätze formt; es geht um Grenzen und darum, dass wir sie setzen; es geht um Stress, Schlaf und Erholungspausen, um nur ein paar herauszupicken.


    Durchaus okaye und interessante Punkte, leider war mir das alles zu oberflächlich. Die Autorin erzählt hauptsächlich von ihren eigenen Erfahrungen und das war mir bei diesem Thema viel zu subjektiv. Das kam bei mir auch deshalb nicht so gut an, weil sich ihre Erfahrungen wenig mit meinen decken. Ziemlich schnell habe ich nämlich gemerkt, dass meine Notfall-Self-Care-Methoden hier ordentlich gedisst werden. Zum Beispiel: Mein geliebtes Lavendelöl, das mich persönlich seit Jahren zuverlässig durch schwierigste Zeiten begleitet, hat sogar eine eigene Illustration von Slinga bekommen und Gräfen schreibt: „Kaufte mir zur Beruhigung Lavendelöl und hasste mich selbst dafür noch ein bisschen mehr, so eine bist du jetzt, oh mein Gott, Lavendelöl.“ Na schönen Dank auch. So geht es dann weiter mit Räucherstäbchen (this Räucherhexe here is not amused) und Meditation und Yoga und ... Jedenfalls fühlte ich mich beim Lesen dieses Buches zum Thema Selbstfürsorge immer wieder richtig schlecht.


    Wenn mich eine Sache durch die letzten Monate gebracht hat, ist es Yoga. Und ich wartete schon gespannt, wann das Kapitel kommt, in dem mir erklärt wird, dass auch das alles gar nicht so toll ist, wie immer alle denken. Und das kam dann auch. Ja, ich gehöre zu denen, die der Autorin ihr Bullshit-Bingo füllen, indem sie Dinge sagen wie: „Seitdem ich Yoga praktiziere, bin ich ein neuer Mensch!“ und daraufhin würde sie mir dann erzählen, dass das kulturelle und spirituelle Aneignung ist und ich das am besten noch einmal überdenken sollte. Auch wenn mir als Yoga-Praktizierende das nicht neu ist, fühlte ich mich in den Tagen nach der Lektüre echt schlecht dabei, dass ich als weiße Frau hier in meiner ruhigen Wohnung sitzen kann und anderen Kulturen diese Technik klaue. Na ja, immerhin mache es alleine zuhause und bezahle nicht noch andere weiße, privilegierte Frauen für ihre kulturelle Übergriffigkeit – ich hoffe, das macht es ein klein wenig weniger schlimm. (Das war nun etwas zynisch, aber ja, so ging es mir nach dem Lesen).


    Und auch beim Thema Meditation scheinen wir beide komplett andere Erfahrungen gemacht zu haben. Für sie ist es „keine Magie!“ (richtig!), es frustriert sie, weil sie sich mit einer „nicht erfolgreichen“ Meditation unter Druck setzt und es ihr danach mindestens genauso schlecht geht, wie vorher. Was mir fehlt: a) das muss man üben, üben, üben und b) es gibt in diesem Buch exakt null (wissenschaftlichen) Hintergrund dazu. Wie funktioniert das (also vermutlich – weil das Gehirn ist ja komplex und so)? Was macht das mit uns? Wie kann man das anfangen? Stattdessen weiß ich jetzt, dass das für sie nichts ist und sie lieber Dinge kaputt macht, damit es ihr besser geht. Völlig okay, aber dann weiß ich eben auch wieder: Dieses Buch ist anscheinend für andere Leute geschrieben, nicht für mich.


    Zwar kommt dann auch hier irgendwann der Hinweis, dass jede*r selbst herausfinden muss, was guttut und vielleicht sind das Meditationen, aber bis dahin hätte ich ehrlich gesagt wenig Lust darauf, etwas von dem vorher Besprochenen auszuprobieren.


    Was ich nun eigentlich sagen will:

    Für mich war das Buch leider absolut nix. Mir fehlten zu allen Punkten Hintergründe, so war es mehr ein Bericht darüber, was ihr hilft und was nicht, und ein paar lose Gedanken dazu. Auch das Thema Aktivismus kam mir viel zu kurz. Vielleicht ist das Buch daher ganz gut für Selbstfürsorge-Anfänger*innen geeignet? Wobei ich wiederum schade fände, dass sie nach diesem Buch viele coole Techniken, die anderen durchaus sehr gut helfen (pchallo) vermutlich gar nicht erst mit der Kneifzange anfassen würden.


    Was bleibt ist: setze Grenzen, Schlaf so viel du schlafen musst, fühle Gefühle und es ist nicht schlimm, auch mal Pause vom eigenen Aktivismus zu machen, um sich zu erholen.


    Aber die Illustrationen von Slinga sind super.

    ~ The world is quiet here ~

  • Danke für Deine Eindrücke!


    Das klingt dann auch eher nach einem Buch, über das ich mich ärgern würde, als nach einem, das ich lesen will.


    Ich finde es doof, wenn man das, was anderen hilft, schlecht macht. Klar ist es immer subjektiv, was einem persönlich hilft, aber man kann das ja auch einfach mal alles für sich stehen lassen. Lass Dir Dein Yoga bitte nicht vermiesen!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen