Dorothée Letessier - Die Reise nach Paimpol

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    Die Bretagne scheint hier nicht gut wegzukommen, zumindest hat Maryvonne keine gute Meinung von ihr, als sie in Paimpol ankommt. Aber vielleicht ändert sich das ja noch. Ich berichte mal ein wenig über das Buch.


    Was für ein Einstieg:


    "Ich ersticke, ich gehe ein wenig Luft schnappen. Bis bald, ich umarme dich. Maryvonne."

    Ich frage mich, ob es richtig war, diesen Zettel auf den Tisch zu legen. Eigentlich bin ich nicht rechenschaftspflichtig. Aber dennoch! Man lebt zusammen, dasselbe Haus, dieselbe Arbeit, dasselbe Bett, dasselbe Kind, man schuldet sich gewisse Informationen...


    Maryvonne hält es kaum noch aus. Sie steckt voller Wut. Auf die psychische Marter des Fabrikalltags, auf die freundlicheren Fesseln des Familienalltags. Ihre einmal heftige Liebe, ihre Empfindungsfähigkeit sind ihr abhanden gekommen.

    Sie unterdrückt ihre Wut, dabei möchte sie doch schreien. Und sie platzt fast - oh, dieser Abschnitt ist so toll geschrieben. Und sitz plötzlich im Bus nach Paimpol. Sie fährt weg. Der Bus braucht zwei Stunden; sie hat Zeit zum Nachdenken.

    Maryvonne arbeitet am Fließband im Akkord. Ihr Körper ist kaputt:


    Im Akkord an einer Maschine zu arbeiten heißt, daß man sich verkrampft, selbst wenn ein Sitz aus Holz oder Eisen da ist, auf dem man hockt. Der Körper wird steif, weil er ständig mißhandelt wird. Erstarrt in der Haltung, die sich am besten dem Rhythmus anpaßt und die Unbequemlichkeit noch am erträglichsten macht, vermengen unsere Muskeln, unsere Nerven sich mit der Härte des Werkstoffs und der Geschwindigkeit der Maschinen. Sekundenlang weiß man nicht, ob die Maschine die Bewegung steuert oder die Bewegung die Maschine. Alles schwimmt im Öl. Am Ende begreift man nicht mehr, woher die Erschöpfung kommt. - S. 14


    Glücklicherweise hat sie einen zu niedrigen Blutdruck, wie ihr Arzt feststellt, von dem sie sich eine Krankschreibung erhoffte. Die bekommt man nicht so schnell: zu teuer für die Arbeitgeber, für die Sozialversicherung, für den Staat, für die Nation-als-Ganzes. Er rät ihr, sich eine andere Arbeit zu suchen. Wie denn - als Ungelernte.

    Dem Mann passt es nicht. Er gönnt der Frau nicht die Ruhe, die sie braucht. Wenn sie schon zu Hause ist, kann sie doch einkaufen und den Haushalt schmeißen.


    Sie möchte lachen, sich ihm nähern, ihn berühren, ihn küssen, miteinander reden - er wendet sich ab. Eine kalte Ehe.


    Als sie in Paimpol ankommt, erfahren wir ihre Sicht über die Bretagne, die sich im Sommer zur Hure mache, vom Geld der Touristen lebt und sich an Baulöwen und Marktschreier verkauft. Niemand ist hier willkommen.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

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    Gesamt seit März 2007: 1012

  • Hm, klingt jetzt nicht, als würde es mich besonders reizen, nicht nur, weil ich ihre Sicht auf die Gegend überhaupt nicht teile, sondern auch, weil der Stil zumindest in den zitierten Auszügen nicht mein Fall ist.


    Aber danke für Deine Eindrücke!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Der letzte Abschnitt deckt sich mit Sicherheit nicht mit dem Erleben der Bretagne meinerseits - die BretonInnen sind ein aufgeschlossenes Völkchen, was sie mit den SaarländerInnen (den meisten jedenfalls^^) wohl gemeinsam haben könnten...


    Aber der Alltag von Maryvonne ist schon sehr hart; da steckt viel Sozialkritik (zu früherer Zeit) drin. ET im Original war 1981, wie ich gerade gesehen hab. Also nicht allzu alt. Die Probleme Ungelernter und die Ausbeutung derselben aber schon.

    Ich habe ein Expl. bei amazon im Warenkorb - wunderbar und nicht zu teuer ;) (alter Familienspruch ^^)

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Aber der Alltag von Maryvonne ist schon sehr hart; da steckt viel Sozialkritik (zu früherer Zeit) drin.

    Absolut.


    Ich verrate mal weiter nichts, da es nur ein dünnes Büchlein ist.

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