Ray Bradbury. Der Lesethread

Es gibt 127 Antworten in diesem Thema, welches 13.278 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aeria.

  • Dank Firiath konnte ich nun "Das große Feuer" lesen :winken:. Was für eine abgedrehte Geschichte :breitgrins:. So viel Augenzwinkern und liebevolle Seitenhiebe hätte ich dem Autor gar nicht zugetraut. Da muss ganz viel eigene Erfahrung drinstecken! Hat er sich auch versteckt, als seine Töchter verliebt durch die Gegend schwebten?


    Außerdem habe ich "Die goldenen Äpfel der Sonne" herausgesucht und gelesen. Wissenschaftlich gesehen ist diese Erzählung völliger Unsinn, und wenn man nicht schafft, sich von diesem Unsinn zu lösen, bleibt einem der Text im Halse stecken. Ich habe ein paar Minuten gebraucht, aber dann konnte ich mich auf die Handlung einlassen. Es ist eine schöne Geschichte über Entdeckungen, Grenzen und Möglichkeiten, die wohl noch eine Weile nachhallen wird.


    "Geisterfahrt", 1960

    Ein Mann fährt in einem Studebaker durch die Straßen von Green Town. Sein Gesicht ist von einer schwarzen Kapuze verdeckt. Wie kann er also etwas sehen? Natürlich erregt er viel Aufmerksamkeit. Quint, der Ich-Erzähler, ca. 13 Jahre alt, ist fasziniert von dem Fremden. Er bringt den Studebaker-Fahrer zu sich nach Hause, weil dieser eine Bleibe sucht und Quints Großeltern Zimmer vermieten. Der Kapuzenmann heißt Phil Dunlop (Quint nennt ihm Mr. Mysterious) und ist Autoverkäufer. Weil er so eine seltsame Figur abgibt und zudem einen tollen Wagen fährt, findet er sofort Kunden.

    Er erzählt Quint, als dieser fragt, dass er ein entstelltes Gesicht hat und die Kapuze seit Jahren trägt. Er weiß nicht einmal mehr, wie lange.


    Das ist eine sehr merkwürdige Geschichte, die mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet. Vielleicht sollte man das Ganze nicht wörtlich nehmen, aber ich kann die möglicherweise vorhandenen Anspielungen auf irgendwelche Dinge/Werke/Ereignisse nicht erkennen. Der Schluss ist ebenfalls unerklärlich. Ist Mr. Mysterious jetzt entstellt oder nicht? Kann er wirklich die Wände hochkrabbeln wie eine Fliege oder ist Quints Phantasie mit ihm durchgegangen? Mit einem Wort: hä?

    Sehr mysteriös.


    ***

    Aeria

  • Nach einem schönen Vorwort von Bradbury selbst geht es in meinem nächsten Band "S is for Space" gleich mit einer richtig guten Geschichte los.


    Stunde null - Zero hour (1947)

    (bereits in "Der illustrierte Mann" veröffentlicht)


    Kinder spielen auf der Straße, das Mädchen Mink ist eines von ihnen. Wie es erzählt wird, stell ich mir eine typische amerikanisch Vorstadtsiedlung vor, Einfamilienhäuser mit Veranda und Grünfläche davor, eine Straße die durch den Ort geht. Es ist ein typisches 50-er Jahre Bilderbuch-Setting, mit dem Unterschied daß es Raumschiffe gibt und Vakuum-Aufzüge, sowas wie einen automatischen Speisenzubereiter, außerdem fühlen sich die Einwohner der Erde vollkommen sicher und unangreifbar. Mir kommt das Ganze ein bisschen vor wie in diesem "SF"-Comic den es früher gab, "The Jetsons" .

    Im Laufe der Erzählung über das Spiel der Kinder, die kurz mal ins Haus kommen, Dinge holen, draußen etwas bauen, plötzlich Fremdwörter wie "Triangel" und "hexagonal" oder "Dimension" benutzen, während sie ihren Müttern von ihrem tollen neuen Spiel "Invasion" erzählen und mit unsichtbaren Freunden sprechen, ahnt man als Leser schon, daß sich da etwas anbahnt was die Eltern nicht erkennen. Sie hören ihren Kindern nicht richtig zu, tun alles als Spiel ab und sind mit ihren eigenen Dingen beschäftigt. Minks Mutter lächelt und lacht immer nur nachsichtig bei Minks ehrlichen Berichten über ihr Tun, selbst als diese beim Hinausgehen meint: "Mom, sie tun dir bestimmt nicht sehr schlimm weh, wirklich !"

    In Mink's Mutter formt sich unausgesprochen eine Befürchtung, sie denkt über die Kinder nach, sogar darüber, daß man sich angewöhnt wegzuhören und ob einem die Kinder jemals die ganze Regeln und Vebote verzeihen würden, denen sie sich zu fügen haben.

    Der Verdacht wird hartnäckiger als sie mit einer weiter entfernt lebenden Freundin telefoniert, deren Kinder genauso eifrig das selbe Spiel auf der Straße spielen, ebenfalls mit einem unsichtbaren Freund namens "Drill" sprechen und die selben Dinge zu Hause berichten.

    Sie ahnt was kommen wird, aber es ist so unvorstellbar, daß sie diese immer deutlichere Ahnung nicht wahr haben will, bis es zu spät ist.


    Eine durch und durch großartige Geschichte mit Gänsehaut-Garantie! :thumbup:

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    2 Mal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Ich habe in meinem Regal tatsächlich weitere Bradbury-Bände gefunden *händereib*. "Die goldenen Äpfel der Sonne" ist auch dabei!


    Firiath "Stunde null" klingt so großartig, ich werde alle Bände danach durchsuchen :stillgestanden:


    Doch bis auf weiteres lese ich "Geisterfahrt" und die heutige Geschichte heißt: "Was wohl aus Sally geworden ist?" (1947).


    Der Ich-Erzähler Charlie hört in der Bar den Song "Was wohl aus Sally geworden ist?" und erinnert sich an seine erste Freundin, die auch Sally hieß. Der Gedanke, sie wiederzusehen, lässt ihn nicht mehr los. Es sind Jahrzehnte vergangen und er weiß nicht, wo er mit der Suche anfangen soll. Während er sucht, werden ihm einige Dinge über sich selbst klar, nämlich, dass er als junger Mann ein selbstverliebter Mistkerl war. Er kann sich nicht erklären, warum Sally ihn geliebt hat, wo er doch nichts für sie getan hat.

    Als er sie endlich ausfindig macht, hat er eine gealterte verbrauchte Frau vor sich, die mit Mann und sechs Kindern in einer heruntergekommenen Wohnung lebt. Seine Enttäuschung ist so groß, dass er sich nicht zu erkennen gibt. Sie jedoch glaubt ihn wiederzuerkennen, fragt ihn, ob er Charlie sei. Er verneint es.

    Anschließend geht er wieder in die Bar. Er überlegt, wie Sally wohl heute wäre, hätten sie beide geheiratet, und dass sie dann nicht zu so einer Matrone mutiert wäre.

    Er tut ihm leid, dass er den schönen Traum von seiner ersten Liebe mit diesem Treffen kaputt gemacht hat.


    Diese Geschichte hat mir wirklich sehr gut gefallen. Sie ist von Bedauern durchdrungen, auf eine sehr leise Art. Schön.


    Kurz die Augen verdreht habe ich bei Charlies Vorstellung von weiblichem Glück. (Sinngemäß) denkt er: Bestimmt ist sie glücklich, hat fünf Kinder und einen Mann, der eine gute Arbeit hat und täglich pünktlich zu Hause ist.

    Dass eine Frau auch ohne Mann und fünf Kinder glücklich sein kann, ist ihm (Bradbury) hoffentlich im späteren Leben klar geworden :sonne:


    ***

    Aeria

  • "Es verändert sich nichts", 1997


    Der Ich-Erzähler stöbert gerne in einer verstaubten Buchhandlung nach Schätzen. Eines Tages stößt er auf Jahrbücher aus verschiedenen Jahren und Städten, in denen die gleichen Schulabsolventen fotografiert wurden. Er lässt sich die aktuellen Jahrbücher aus dem ganzen Land schicken und entdeckt auch dort, dass sich die Gesichter immer wiederholen. Er entdeckt auch sein eigenes Foto, in ganz alten Jahrbüchern sowie in den ganz frischen. Der Erzähler rast nach Roswell, wo sein "neues Ich" gerade den Schulabschluss feiert, und wird von diesem für den verstorbenen Vater gehalten.


    Der Anfang dieser Geschichte liest sich faszinierend. Was ist des Rätsels Lösung? Wieso gibt es auf Fotos immer dieselben Menschen? In der Mitte der Geschichte scheint der Autor die falsche Ausfahrt zu nehmen, denn ich habe nicht verstanden, wohin er wollte. Der Erzähler beginnt zu philosophieren und an dieser Stelle ist irgendwie die Luft raus. Der Schluss klingt gar nach etwas, das man unter dem Einfluss von inhalierten Substanzen schreiben würde.

    Findet sich hier jemand, der mir diese Geschichte erklärt? Ich will ja nicht dumm sterben.


    ***

    Aeria

  • "Der Mann" - "The Man" ( 1951? da auch schon in "Der illustrierte Mann" enthalten)


    Eine Gruppe Raumfahrer landet auf einem Planeten am Rand einer Stadt und erwartet Begeisterung und ein Empfangskommando. Als dieses ausbleibt ist besonders Captain Hart sehr verärgert, schickt seinen ersten Offizier Martin los um nachzusehen was los wäre in dem Ort. Dieser, zunächst ebenfalls irritiert, kommt zurück und berichtet, daß tags zuvor ein Fremder auf den Planeten gekommen wäre, jemand auf den die Bevölkerung dieses Planeten bereits seit sehr langer Zeit gewartet hätte, der wiese ist und gütig und deshalb sei niemand an ihrem Erscheinen interessiert. Auch Martin wirkt verändert, ist völlig eingenommen von dem was er in der Stadt von dem Fremden gehört hat und versucht den Captain davon zu überzeugen, daß ihr Hiersein nun tatsächlich völlig nebensächlich ist, angesichts des Erscheinen des Fremden.

    Der Captain wird nun noch ärgerlicher, schimpft und versucht der Sache nun selbst auf den Grund zu gehen. Er hört sich in der Stadt um und auch er bekommt die Geschichten über den wiesen Fremden zu hören, der gar Wunder getan hat.

    Während Martin den Geschichten glaubt, versucht Captain Hart fast schon fanatisch die Bevölkerung und den Bürgermeister davon zu überzeugen daß sie einem Betrüger aufgesessen sind, er vermutet gar, es wäre einer der Kapitäne, der anderen Raummissionen die unterwegs wäre um mit den Bewohnern auf diesem Planeten Handel zu treiben, bald stellt sich aber heraus, daß dies nicht sein kann, denn die anderen Raumschiffe sind verunglückt.

    Als Hart erkennt, daß all die Geschichten über die Weisheit und Güte des Fremden und über die Wunder wahr sein könnten, will er Beweise und will diesen Mann sehen. Bedroht gar den Bürgermeister, dieser antwortet aber nur mit dem Hinweis: "Jeder findet ihn auf seine Weise". Hart interpretiert das völlig anders als Martin und ihr Wege trennen sich.


    Die Geschichte thematisiert die Fähigkeit zum Glauben, den Unterschied zwischen Glauben und Beweis, spielt mit dem Gedanken daß Messias ein Reisender durch Raum und Zeit sein könnte und das die Fähigkeit zum Glauben eine innere Bereitshaft erfordert.


    Nebenbei:

    Mein innerer Soundrack dazu, der sich geradezu aufgedrängt hat: "A Spaceman came travelling" von Chris de Burgh-Fan , aber das Lied mochte ich schon immer.



    ***


    Aeria

    Jaja, die Tiefen des SuB :buchalarm: , schon immer wieder erstaunlich was man dort findet wenn man nur lang genug sucht :breitgrins:


    Schön daß Du noch fündig geworden bist und sogar "Die goldenen Äpfel..." dort gefunden hast. "Stunde null" ist in meinem inneren Ranking der bisher gelesenen Geschichten auch sehr weit nach oben gewandert (und bisher hatte ich ja noch keine wirklich schlechte oder unverständliche dabei, nur gute, bessere und phantastische). Mag auch daran liegen daß ich bisher nur frühe Geschichten gelesen habe.


    EDIT:

    Finally ! "Captain Kirk" war heute wirklich im All ! 90 Jahre alt hat er dafür werden müssen und er war sichtlich bewegt als er wieder zurück auf der Erde war.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    4 Mal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Es lebe der Captain!


    Ich habe mich heute für eine ganz kurze Erzählung entschieden, "Madame et Monsieur Shill", 1997.


    Andre, ein junger Künstler in Paris, wird von einem Restaurantbesitzer eingeladen, in seinem Lokal zu speisen - in Gesellschaft einer umwerfend schönen jungen Frau. Der Restaurantbesitzer will so mehr Kunden anlocken. Jeder, der am Restaurant vorbeigeht und das schöne Paar sieht, wird es sich näher ansehen wollen. Es klappt tatsächlich, die Kunden rennen ihm die Tür ein. Nach ein paar Wochen kann Andre es nicht mehr aushalten und gesteht der schönen jungen Frau seine Liebe. Sie jedoch weist ihn ab. Am nächsten Tag erscheint sie nicht, der Restaurantbesitzer ist stinksauer und befielt Andre, sie zu finden.

    Monatelang durchstreift der Künstler Paris, und endlich entdeckt er sie. Sie isst in Gesellschaft eines anderen Mannes in einem Lokal und erkennt Andre nicht wieder.


    Traurigkeit, Sehnsucht, Zurückweisung und Flüchtigkeit kommen in dieser Geschichte vor. Spontan würde ich sagen, dass sie mir sehr gefallen hat, aber andererseits ist sie so flüchtig wie das Thema der Erzählung, und vielleicht werde ich sie schon morgen vergessen haben. Mir scheint, Bradbury hat hier ein Märchen geschrieben.


    ***

    Aeria

  • "Alter Köter im Straßenstaub", 1974


    Das ist laut Nachwort eine wahre Geschichte.

    1945 machte Bradbury mit einem Freund eine Mexiko-Reise. Sie besuchten dort einen Wanderzirkus.

    Er beschreibt die Umgebung, die Zirkusnummern, die Personen so detailliert, dass man meint, selbst dort gewesen zu sein. Besonders beeindruckt hat den jungen Ray offenbar die Zirkusartistin, die lebensgefährliche Tricks vorführte. Lebensgefährlich, weil das Zirkuszelt zusammenzubrechen droht, die Geräte aus dem letzten Jahrhundert zu stammen scheinen, das Kamel, auf dem die Artistin reiten soll, einfach umfällt und sie fast zerquetscht. Es passieren lauter Katastrophen und Beinahe-Katastrophen.

    Diese. Geschichte. ist. großartig! Der Autor hat genau hingesehen, nichts ausgelassen, selbst unappetitliche Dinge beschrieben. Der Erzählstil ist hier einfach zum Verlieben. Es ist viel Augenzwinkern dabei, manchmal scheinen die Vorgänge im Zelt ans Absurde zu grenzen und Bradbury hat genau diese Szenen hervorgehoben.

    Wo sind meine Sticker?


    Was ich mich immer frage, wenn irgendwo ein Zirkus erwähnt wird oder ich irgendwo ein Plakat sehe: Was finden die Menschen bloß an dieser Veranstaltung? Ich konnte das schon als Kind nicht verstehen und verstehe es jetzt als Erwachsene noch viel weniger. Clowns - was soll an denen bitteschön lustig sein? Arme Tiere, die elend zugrunde gehen, wie sie nicht artgerecht gehalten werden. (Ich habe, glaube ich, jede einzelne Petition zum Wildtierverbot in Zirkussen unterschrieben, die mir über den Weg gelaufen ist.) Jongleure, die mit Bällchen herumspielen... Ist nicht meins.


    ***

    Aeria

  • Hier kann ich nahtlos anschließen, den ein Zirkus findet auch in der nächsten Geschichte Erwähnung.


    "Auf den Schwingen der Zeit - Time in Thy Flight" (1953)


    Ein Lehrer macht mit 3 seiner Schüler eine Exkursion in einer Zeitmaschine um Ihnen die irrationalen und abscheulichen Gepflogenheiten der Vergangenheit zu zeigen. Die Kinder die ihn begleiten kommen aus einer rein konformistischen, rein auf Logik und Rationalität basierenden Gesellschaft, sie tragen die gleiche Kleidung, die selbe Frisur, sehen sehr ähnlich aus, obwohl sie nicht miteinander verwandt sind, geben sich sehr ernst und erwachsen. Sie sind von ihrem Lehrer angehalten die Kinder des Jahre 1928 genau zu beobachten, natürlich mit der unausgesprochenen Vorgabe dies alles nüchtern und verurteilend zu sehen.


    Sie begleiten also die Kinder die sie entdecken und die zum Zug laufen, denn ein Zirkus kommt in die Stadt.


    "Das... muß ... ein Zirkus sein!" Janet zitterte.
    "Meinst Du wirklich? Was wurde denn aus denen?

    Dasselbe wie mit Weihnachten, nehme ich an. Sind einfach verschwunden, vor langer Zeit."


    Sie sehen sich die Vorstellung an, sind gleichermaßen fasziniert wie angewidert, ersteres geben sie vor dem Lehrer natürlich nicht zu. Sie zeigen sich verwundert über die älteren Leute welche die Kinder begleiten und Vater und Mutter genannt werden und daß die Kinder viel lächeln und lachen, wie manisch-depressive. Sie fragen was "Sommerferien" sind,denn sie haben eine viel vernünftigere staatlich geförderte Sommerarbeit für Kinder.


    Die Kinder der Zukunft sehen zum ersten Mal in ihrem Leben ein Feuerwek, sehen Kinder tanzen, spielen und mit Wunderkerzen ihre Namen in die Luft schreiben, bewundern Kürbislaternen und maskierte Kinder zu Halloween. Die ganz Zeit sagen sie brav was Ihr Lehrer hören will, wie sinnlos und dumm dies alles ist, wie gut es ist in ihrer Zukunft zu leben, während sie die fröhlichen und unbeschwerten Kinder beobachten und ihr Herz sich allmählich erinnert, was es bedeuten könnte ein Kind zu sein.


    Am Ende der Geschichte kehren nicht alle Zukunftskinder in ihre Welt zurück... - bezeichnend ist, daß dies dem Lehrer scheinbar völlig egal ist, die individuelle Person scheint auch nicht mehr wichtig zu sein in seiner Zukunft.


    ***


    Ein Zitat (aus Feuersäule) zum Übergang von einer Geschichte in die nächste:


    "Diese Dummheit! Diese grässliche, tollpatschige, dahersülzende Dummheit! So etwas hatte er noch nicht erlebt. Die Kinder ohne einen einzigen Funken Fantasie zu erziehen! Wo blieb der Spaß ein Kind zu sein, wenn man sich gar nichts mehr vorstellte?"



    ***



    "Feuersäule - Pillar of Fire" (1948)


    "Er kam voller Hass aus der Erde. Hass war sein Vater; Hass war seine Mutter."


    Die ist der erste Satz dieser etwas längeren Geschichte in 5 Kapiteln. Wer da so voller Hass aus der Erde steigt ist William Lantry, geboren 1898, gestorben 1933, aus der Erde gestiegen 2349 und in einer Welt als Untoter wandernd, die keine Angst mehr kennt, keine Morde, keine Lügen, keine Kirchen, keinen Glauben, keine Friedhöfe.

    Er ist der letzte Tote den es auf der Welt noch gegeben hatte, denn er lag auf dem letzten Friedhof der aus historischen Gründen noch existierte und der nur nun aufgelassen werden sollte; die letzten Skelette sollten verbrannt werden.


    Jeder Mensch der stirbt (den den Tod als solchen gibt es noch) wird in dieser Zukunft wenige Stunden nach seinem Tod sofort in einer Verbrennungsanlage die kathedralenartig in der Mitte jeder Stadt steht verbrannt. Auch in dieser Geschichte ist in der Gesellschaft der Zukunft kein Raum mehr für Glauben oder Aberglauben, nicht für Phantasie und für Träume, es gibt nur noch Logik und Vernunft, es gibt keine Gruseln, keine Angst und keine Verbrechen mehr, die Menschen fühlen sich absolut sicher, bei Tag und während der Nacht. Es fand im Laufe dieser Zukunft eine große Bücherverbrennung statt, in der alle phantastischen Werke verbrannt wurden. Dies alles findet Lantry nach und nach heraus, während er an seinen Plänen schmiedet wieder Tote in die Welt zu bringen.


    Anfangs also noch auf einem Rachefeldzug beginnt der einsame Untote Lantry aber langsam an dieser neuen Welt zu verzweifeln ...


    Zitat:

    "Ich bin Poe, dachte er. Ich bin alles, was von Edgar Allan Poe geblieben ist, und ich bin alles, was von Ambrose Bierce und einem Mann namens Lovecraft blieb. Ich bin eine graue Fledermaus in der Nacht mit scharfen Zähnen, ich bin das Geheimnis eines steinernen Monster. Ich bin Osiris, Baal und Seth... ich bin das Haus Usher... ich bin ein tanzendes Skelett, ich bin ein Sarg, ein Leichentuch, ...... All diese Dinge bin ich. ... Solange ich lebte, lebten auch sie. "


    ***


    Beide Geschichten erzählen im Grundmotiv von der Entzauberung der Welt, von dem Verlust der Phantasie, der Vorstellungskraft und des Glaubens in einer immer rationaleren Welt. Die Ausarbeitung dieser friedlichen, aber auch eher gefühlskalten Zukunft erinnerte mich beim Lesen ein bisschen an "Rückkehr von den Sternen" von Stanislaw Lem.


    Besonders "Pillar of Fire", eine Hommage an das Phantastik-Genre in der Literaur, vor allem an Edgar Allen Poe , wird mir sicherlich länger in Erinnerung bleiben. Den anfangs wütend aus dem Grab emporgestiegenen, am Ende verzweifelt resignierenden Untoten William Lantry vergißt man nicht so schnell.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    8 Mal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Am Freitag habe ich "Einer im Regen" (1950) gelesen, in meinen Augen eine der schönsten Geschichten von Bradbury überhaupt.

    Es ist eine un-phantastische Erzählung, wie die meisten in "Geisterfahrt"

    Ein Mann kehrt an den Ort zurück, an dem er als Kind mit der Familie Urlaub gemacht hatte. Seiner Frau Linda gefällt dies und das nicht, alles ist ihr zu primitiv. Dauernd regnet es, im Cottage gibt es kein Badezimmer. Im Restaurant ist das Essen auch nicht mehr das, was es mal war, die Musik und die Musiker wirken von vorgestern. Aber er (der keinen Namen hat) sieht die Dinge so, wie sie früher waren, erinnert sich an den Spaß, den er mit seinen Freunden hatte, selbst im Regen spielten sie ausgelassen. Er bemerkt ein paar Kinder, denen es genauso geht wie ihm damals, und er ist glücklich.

    Ich hab einen Kloß im Hals. Wenn Bradbury uns nur diese eine Geschichte hinterlassen hätte, wäre er trotzdem auf ewig in die Literaturgeschichte eingegangen, zumindest was mich angeht.

    :anbet:


    "Der Spiegel" (1950) erzählt von Zwillingsschwestern, die, inzwischen 40, alles gleich machen. Sie frisieren sich gleich, ziehen sich gleich an, gehen nur zu zweit spazieren. Ihnen wurden von klein auf glänzende Partien vorausgesagt, doch daraus ist nichts geworden. Sie sind nicht bereit, Nicht-Zwillinge als Ehemänner zu akzeptieren. Das Sagen hat Coral, die 9 Minuten älter ist als Julia. Julia fühlt sich nur als Spiegel ihrer älteren Schwester. Und eines Tages hat sie genug davon. Sie färbt sich die Haare, kauft sich ein neues Kleid, geht allein aus dem Haus. Das hat es in der Stadt noch nie gegeben und entsprechend zerreißen sich die Nachbarn die Mäuler. Julia treibt es soweit, dass Coral die Nase voll hat und auszieht, in der Hoffnung, die jüngere Schwester werde sie schon bald anflehen zurückzukommen. Doch das tut Julia nicht. Im Gegenteil - sie heiratet einen Mann ohne Zwillingsbruder!

    Eine wunderbar geschriebene, märchenhaft geratene Erzählung. Sie zeigt, dass man nicht den Erwartungen einer anderen Person entsprechen muss, sondern versuchen sollte, man selbst zu sein.


    "Ende des Sommers", 1948

    Hattie ist eine 35jährige Lehrerin, die sich, wie es sich gehört, selbst zu Hause zugeknöpft gibt. Sie trägt hochgeschlossene langweilige Kleider, einen strengen Haarknoten und keine Schminke. In einer Septembernacht befreit sie sich aus diesem Kokon und verwandelt sich in eine ganz andere Frau. Sie schminkt sich, löst ihr Haar, zieht ein verführerisches Kleid an und tanzt barfuss durch die Straßen der Stadt. Sie folgt einem jungen Eisenbahnangestellten, den sie bereits öfter beobachtet hat. Er bemerkt sie, und beide finden sich an einem stillen und dunklen Plätzchen wieder. Am nächsten Morgen ist Hattie wie immer lehrerinnenhaft gekleidet, ohne die Spur von Lippenstift auf den Lippen. Ihre Familie ahnt jedoch, dass etwas nicht stimmt, denn Hattie ist sehr spät dran und es scheint ihr nichts auszumachen.

    Wieder eine Geschichte über einen Ausbruch. Sie verblasst neben den beiden obigen Erzählungen, aber für sich allein genommen ist auch sie schön.


    Etwas zu wagen, auch sich herausgehen, zu versuchen die Person zu werden, die man sein kann - das seinen für Bradbury wichtige Themen gewesen zu sein. Ich finde das sehr motivierend :blume:


    ***

    Aeria

  • Aeria

    Von Robert Sheckley hab ich glaub ich noch nichts gelesen, hab allerdings ein Kurzgeschichten-Bändchen auf dem SuB. Die von Dir erwähnte Geschichte ist aber nicht dabei.


    "Einer im Regen" hab ich heute gleich noch gelesen, weil es Dir so gut gefallen hat. Ist wirklich eine schöne Geschichte, berührend, melancholisch, sehr atmosphärisch.

    Die letzten Sätze sind genial, da steckt wirklich viel drin, nicht nur daß er sich erinnert, sich einfach freut wieder an dem Ort seiner Kindheit zu sein, den Düften und Bildern seiner Erinnerung nachspürt. Es ist auch Wehmut dabei, in dem Moment, als er die Kinder draußen sieht, wäre er lieber wieder dort draußen gewesen, mit der kindlichen Imagination wie es dort drin für die Erwachsenen sein musste und nicht in seiner Realität, die, mit nassen Füssen und einer nicht ganz so begeisterten Frau mit ebenfalls nassen Füßen, dieser Vorstellung von damals nicht so ganz standhält.8)

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Heute war "Donner am Morgen" dran, Schreibjahr 1947.

    Die Geschichte beginnt mit der Beschreibung der schlafenden Stadt. Alles ist so ruhig wie es nur sein kann. Es ist dunkel und friedlich. Dann kommt die Straßenreinigung, ein Metallungetüm, das sich den Müll des Tages einverleibt. Der Fahrer heißt Roland Britt und er ist ist seinem Element. Seine Maschine saugt Dreck ein und erwischt auch eine große Ratte. Kurze Zeit später hört Britt aus dem Inneren des Müllwagens einen Schrei. Jemand behauptet, sich dort für die Nacht verkrochen zu haben und möchte nun herausgelassen werden. Britt ist sehr skeptisch, denn ein Mensch kann nicht so einfach ins Innere gelangen. Die Stimme fleht und wettert und verspricht Britt u. a. Geld. Der macht einfach weiter, kehrt die Straßen und kippt den Müll schließlich an der Müllkippe aus. Bald darauf sieht er einen der Stadtjungen, der sich oft hier herumtreibt und nach Schätzen im Müll sucht. Er schleppt eine große tote Ratte mit sich herum.


    Tja. Wäre Bradbury nur bei der schlafenden Stadt geblieben, wäre die Geschichte toll geworden. Als die Stimme aus dem Inneren der Maschine ertönt, ahnt man als Leser*in schon, wer oder was das sein könnte. Aber Britt weiß das nicht. Er stellt sich dumm oder ist es vielleicht wirklich. Niemand kann dort rein und basta, dann öffne ich auch nicht. Wenn's wirklich einen Menschen erwischt hat, sein Pech, selbst Schuld. Äh... Ein wahrer Menschenfreund, würde ich sagen. Britt ist selbst wie seine Maschine, unerbittlich und unmenschlich.


    Diese Erzählung hat mich kalt gelassen, dabei war der Anfang schön. Schade.


    ***

    Aeria

  • Komm in meinen Keller - Come into my cellar (1962)


    Die Geschichte erinnert mich sehr an "Stunde Null", die erste in diesem Band.

    Die Kinder in einer Vorstadtnachbarschaft begeistern sich plötzlich fürs Pilze züchten im Keller, jede Menge Eilpakte werden ausgeliefert und die eßbaren Pilze wachsen ungewöhnlich schnell. Die Nachbarin kämpft gegen diese Art Pilz in ihrem Garten, für sie sind sie die reinste Gartenplage. In der direkten Nachbarschaft der Familie geschehen kleine seltsam Dinge, die anfangs gar nicht richtig auffallen, erst in der Summe erscheinen sie seltsam. Nach und nach bringt der Vater der Familie die kleinen eigenartigen Ereignisse in Verbindung und entwickelt einen schauerlichen Verdacht, den allerdings niemand ernst nimmt. Am Ende der Geschichte geht der Mann mit dem Namen Fortnum in den dunklen Keller zu seinem Sohn, es bleibt offen was dann geschieht.


    Auch in der Geschichte baut sich ein leiser Grusel auf, passt gut zum nahenden Halloween. :hexe:

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • "Der höchste Ast am Baum", 1997


    Der Erzähler Douglas erinnert sich an seine Schulzeit. Er und seine Schulkameraden mobbten vor 40 Jahren einen neuen Mitschüler namens Harry. Harry war klüger als alle anderen und das konnten sie ihm nicht nachsehen. Eines Tages fingen sie ihn ein, zerrten ihm die Hose vom Leib und warfen sie auf einen Baum auf dem Schulgelände. Harry kletterte hoch und holte die Hose. Statt jedoch wieder abzusteigen, pinkelte er von oben seine Widersacher voll.

    In all den Jahren muss Douglas immer wieder an jenen Vorfall denken. Harry war am nächsten Tag verschwunden, so dass sich niemand mehr bei ihm entschuldigen konnte. Doch nun, Jahrzehnte später, treffen sich beide zufällig in Chicago. Es zeigt sich, dass auch Harry nichts vergessen hat.


    Dafür, dass es eine der neueren Geschichten ist, hat sie mir erstaunlich gut gefallen. Bradbury hat es geschafft, das Bedauern und das schlechte Gewissen seines Ich-Erzählers gut rüberzubringen. Mobbing ist übel, es zerstört Leben. Bradbury erzählt zunächst aus der Sicht eines Jugendlichen, für den alles ein großer Spaß war. Dann kommt die Erkenntnis, dass es falsch war, und schließlich das unauslöschbare schlechte Gewissen. Es liegt wie ein Gewicht auf Douglas' Schultern. Selbst Jahrzehnte später kann er Harry nicht in die Augen sehen. Erstaunlich, wie Bradbury es schafft, auf so wenigen Seiten die Charakterentwicklung seiner Figur so glaubwürdig darzustellen.


    Firiath

    Von Sheckley habe ich "Der widerspenstige Planet" hier stehen (irgendwo im Forum gibt es auch eine Rezi).

    Die "Jenseits-Corporation" kann man aber einzeln als eBook kaufen:


    Kaufen* bei

    Amazon
    * Werbe/Affiliate-Link





    ***

    Aeria

  • "Die Frau ist ein Picknick auf Beinen", 1997


    Okeeee... Was schreib ich denn jetzt über diese seltsame Geschichte?

    Die Handlung spielt in Irland, in einer kleinen Stadt unweit von Dublin. In einem Pub unterhalten sich angetrunkene Kerle über ihr nicht vorhandenes S.e.x.-Leben. Nirgends kann man mit 'ner Frau hin, überall sind Augen! Die Ehefrauen und der Pfarrer beobachten jeden! Übel! Sie erzählen sich eine Geschichte aus der Gegend - angeblich ist eine Frau bei einem pikanten Treffen mit ihrem Möchtegern-Liebhaber im Moor fast umgekommen. Da hat einer der Pubbesucher eine zündende Idee: Sie radeln jetzt alle in den Sumpf und suchen eine feste Stelle, an der man sich bei trockenem Wetter mit einer willigen Frau vergnügen könnte. Als sie dabei sind, den Boden zu testen, erscheint der Pfarrer und es gibt ein Donnerwetter.


    Himmelarschundfestesschuhwerk, was ist denn das?! Erstens, der Titel der Erzählung, da war wohl jemand im Suff. Zweitens, die Handlung, hier vielleicht ebenfalls. Ich habe beim Lesen geschwankt zwischen Belustigung und Facepalm. Die Vorstellung von trinkfesten Iren, die auf der Suche nach einem Liebesnest sind, ist einfach zum Kullern. Ihre Vorstellung von Frauen ist von vorgestern. In welchem Jahr die Geschichte spielt, ist nicht erwähnt, aber es scheinen die 50er zu sein, vielleicht noch früher. Es sei denn, in Irland ist die Zeit stehengeblieben.


    Die Idee hat mich nicht umgehauen, aber die augenzwinkernde Art, wie Bradbury sie erzählt, hat was. Alle seine Irland-Geschichten sind ein wenig schräg. Was hat er dort bloß alles erlebt?


    ***

    Aeria

  • "Jungfer Wiedererstanden", 1997


    Ein verheirateter Mann trifft sich immer dienstags mit seiner Geliebten. An einem Donnerstag ruft sie ihn an und will ihm unbedingt etwas erzählen. Als er eintrifft, berichtet sie, dass sie der katholischen Kirche beigetreten ist und sich daher nicht mehr mit ihm treffen wird, weil es eine Sünde ist. Sie streiten sich und er geht wieder.


    Hm. Das ist weniger als der Durchschnitt, ein Lücken- bzw. Seitenfüller vielleicht. Außer Streit und Vorwürfen gibt es hier nichts. Von ihm erfahren wir nicht einmal den Namen. Aus dem Gespräch geht hervor, dass sie ihm etwas bedeutet hat. Offenbar ist sie erst in die nächste Kirche gegangen, nachdem der Mann sich geweigert hat, für sie seine Familie zu verlassen. Er ist eifersüchtig, weil sie sich mit dem Pfarrer getroffen hat. Sie würde ihn gern wiedersehen, aber nur bei einem Essen oder ähnlichem. Ihm reicht das natürlich nicht und er lehnt ab.


    Diese Erzählung hinterlässt keine Spuren in meinem Leseleben.


    ***

    Aeria

  • Die letzten beiden Kurzgeschichten aus "Geisterfahrt" habe ich gestern und heute gelesen.


    "Mr. Bleich", 1950


    Ein Raumschiff ist unterwegs zum Mars, wo es seit einem halben Jahr eine Kolonie gibt. Der Borddoktor wird zu einem sehr seltsamen Passagier gerufen, der sich Mr. Bleich nennt und entsprechend aussieht, bleich und eingefallen. Er ist ein blinder Passagier und redet wirres Zeug. Unter anderem, dass es ihn seit Anbeginn der Menschheit gibt. Wenn es ihn nicht gäbe, wären die Menschen unsterblich. Kurz darauf beobachtet die Besatzung, sie die ferne Erde explodiert. Mr. Bleich bittet den Arzt, ihm den Kommandanten zu schicken, damit er, Mr. Bleich, Nahrung zu sich nehmen kann, denn er müsse ja die Reise irgendwie überleben. Der Arzt erzählt dem Kapitän, der Kranke habe eine ansteckende Krankheit und alle sollen sich von ihm fernhalten.


    Nur ein Wort zu dieser Geschichte: Hä?

    Ich habe selten so etwas Unverständliches gelesen. Erst dachte ich, dass Mr. Bleich ein Vampir ist. Die Idee hätte mir gefallen, so ein Vampir auf dem Weg zum Mars, nett. Aber was der Fremde denn nun ist, habe ich nicht verstanden. Gevatter Tod persönlich?


    "Der Vogel, der aus der Uhr kommt", 1997


    Ein paar Hausfrauen zerreißen sich die Mäuler über die neue Nachbarin, Kit Random. Die ist Künstlerin, alleinstehend und passt überhaupt nicht in die anständige Gegend. Die Männer in der Straße sind von ihr fasziniert, denn bei ihr können sie Spiele spielen, durch den Garten hüpfen und schaukeln. Bald lösen sie sich vollständig von ihren Familien.


    Die armen Männer... Ihre Frauen wollen sie immer bloß unterbuttern, zwingen sie, Rasen zu mähen und andere blöden Sachen zu machen. Natürlich sind die Männer Feuer und Flamme, als die junge Nachbarin ihnen anbietet, mit ihnen Ball zu spielen. Sie lässt sie sogar bei den Spielen gewinnen, die Gute.

    Ist Kit Random der andere Name von Mary Poppins? Nur, dass ihre Kinder halt alle bereits etwas älter sind. Oder was habe ich hier gerade gelesen?

    Hätte ich diese Geschichte bei Bradbury als erstes gelesen, hätte ich wohl nicht weitergemacht.


    Ich hatte gehofft, dass "Geisterfahrt" mit einer starken Geschichte endet, aber nix da. Diese beiden letzten sind eine Enttäuschung.


    Dieses Leseprojekt werde ich jetzt ein paar Wochen ruhen lassen :schnarch:, denn ich möchte erstmal kein neues Bradbury-Buch anfangen. Demnächst startet die Leserunde zu "Piranesi", und ich will mich nur auf Susanna Clarke konzentrieren. Sobald ich damit durch bin, kommt der nächste Bradbury, zum Glück habe ich eine Menge seiner Bücher hier im Regal.


    ***
    Aeria

  • "Der Kokon - Chrysalis" - 1946


    Drei Wissenschaftler beobachten in einer Art Forschungslabor mitten in einer Wüste einen vierten Wissenschaftler der eine eigenartige "Krankheit" hat. Er liegt insektengleich in einer Hülle oder Kruste, sein Herz schlägt nur noch alle paar Minuten, überhaupt sind sämtliche Körperfunktionen verändert. Die ganze Geschichte spinnt sich um die Vorstellungen die sich die Drei von dem manchen was da geschieht. Rockwell hofft enthusiastisch auf eine Art Supermensch, will sich durch die Entdeckung auch selbst profilieren, Hartley hat Angst und will "es" töten, McGuire ist relativ neutral, unterstützt aber Rockwell und beobachtet ansonsten.

    Smith, der erkrankte Wissenschaftler, liegt einfach nur auf dem Labortisch und verändert sich in seinem Kokon. Inzwischen erkennt auch Hartley an sich Anzeichen der Erkrankung.


    Die Geschichte lebt von der Spannung was denn nun eigentlich mit Smith genau passiert. Anfangs erinnerte mich manches ein bisschen an Kafkas Verwandlung, aber das kommt wahrscheinlich hauptsächlich von der Insekten-Analogie. Das Ende lies mich lächeln.


    Eine etwas längere, gute Geschichte, mit einem schönen Ende :thumbup:


    ***


    Ich bin jetzt mit "S is for Space" fertig und werde wohl als nächstes dann "Halloween" von Bradbury lesen. Insgesamt werd ich mit den Kurzgeschichten hier auch langsamer werden, weil ich im November ein paar andere Leseprojekte laufen hab und mir außerdem momentan sowieso die Zeit etwas davonläuft. Aber ich denk ich werd schon weiterlesen und ab und zu eine Geschichte aus einem der anderen Bände die ich noch hier hab lesen.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



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    "Das Kind von morgen" / "I Sing the Body Electric!"

    1969


    1. "Das Kilimandscharo-Projekt" / "The Kilimanjaro Device", 1965

    2. "Die schreckliche Feuersbrunst drüben im Landhaus" / "The Terrible Conflagration up at the Place", 1969

    3. "Das Kind von morgen" / "Tommorow's Child", 1948

    4. "Die Frauen" / "The Woman", 1948

    5. "Das Motel "Zum erleuchteten Huhn" / "The Inspired Chicken Motel", 1969

    6. "In den Wind von Gettysburg" / "Downwind from Gettysburg", 1969

    7. "Ja, wir treffen uns am Wasser" / "Yes, We'll Gather at the River", 1969

    8. "Der kalte und der warme Wind" / "The Cold Wind and the Warm", 1964

    9. "Anruf nachts, R-Gespräch" / "Night Call, Collect", 1949

    10. "Der Fluch des Neuen" / "The Haunting of the New", 1969

    11. "Ich singe den Leib, den elektrischen!" / "I Sing the Body Electric!", 1969

    12. "Der Ausgrabungstag" / "The Tombling Day", 1952

    13. "Die Freunde von Nicholas Nickleby sind auch meine Freunde" / "Any Friend of Nicholas Nickleby's is a Friend of Mine", 1966

    14. "Kraftpaket" / "Heavy-Set", 1964

    15. "Der Mann im Rorschach-Hemd" / "The Man in the Rorschach Shirt", 1966

    16. "Heinrich der Neunte" / "Henry the Ninth", 1969

    17. "Die verschwundene Marsstadt" / "The Lost City of Mars", 1967

    18. "Christus Apollo", 1969 (nicht in meiner Ausgabe enthalten)


    Die deutschen Titel habe ich von Phantastik-Couch.de geklaut.


    Meine russische Ausgabe heißt wie die erste Kurzgeschichte, "Die Kilimandscharo-Maschine". Morgen geht's los!


    Wer ist dabei?


    ***

    Aeria

  • Ich bin zwar selbst nicht dabei, aber ich werde wieder interessiert mitlesen und mich dabei auf "The Golden Apples of the Sun freuen", das ich im Laufe des Jahres zu lesen gedenke :) Danke noch mal, dass Ihr mich dazu inspiriert habt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen