Ray Bradbury. Der Lesethread

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  • Gestern war ich im Kino ("Dune"!!!) und habe hier nichts schreiben können. Gelesen habe ich aber sehr wohl, nämlich die Erzählung "Das Ende vom Anfang".


    Die Kurzgeschichte beginnt mit Rasenmähen. Ein Mann mäht den Rasen in seinem Garten, ist aber nicht recht bei der Sache. Seine Frau ruft ihn und kurz darauf sitzen sie zusammen auf der Veranda. Aus ihrem Gespräch geht hervor, dass ihr Sohn Robert in wenigen Minuten mit einem Raumschiff ins All starten wird, um irgendwo dort draußen eine Raumstation zu bauen. Das Ehepaar versichert sich alle paar Minuten gegenseitig, dass sicher alles gut gehen wird. Dann sehen sie, wie das Schiff in der Ferne startet.


    Nur sehr kurz, aber so viel Inhalt! Ich möchte schon wieder "Wow!" sagen. Die Überlegungen des Ehemannes, Bob, über die Zeit, in der wir leben, und über die Zeit, die mit dem Aufbruch ins All beginnt, sind schlicht und zugleich voller tiefer Bedeutung. Die nervöse Spannung , die beide verspüren, ist auch für den Leser spürbar.


    Firiath

    Ja, ich bin über den Sammelband auch sehr froh. Hoffentlich komme ich bei den Titeln der Geschichten nicht durcheinander, denn es steht nirgends der englische Originaltitel dabei. Von dem aktuellen Leseband "Medizin für Melancholie" gibt es eine deutsche Übersetzung, da kann ich mir die Titel schamlos klauen.


    Ich bin sonst auch nicht gerade eine begeisterte Kurzgeschichenleserin :verlegen:, aber inzwischen freue ich mich auf meine tägliche Portion Bradbury. (Ich lese die Erzählungen auch aus praktischen Gründen: ich will mehr über die Struktur dieser Textart lernen. Fast nach jeder gelesenen Geschichte denke ich: Ach so? So kann man's also auch schreiben?)


    Valentine

    Wir kriegen dich noch soweit, dass du mitmachst :zunge:


    Jetzt gehe ich erstmal die heutige Geschichte lesen, die ist überraschenderweise ziemlich lang.


    ***

    Aeria

  • Ich habe mich für eine kürzere Geschichte entschieden, die lange lese ich dann am Wochenende.


    "Fiebertraum"

    Kennt jemand hier die Erzählung von Stephen King, "Omi"? Dort geht es um einen kleinen Jungen, der mit seiner bettlägerigen Oma allein im Haus ist. Er hat furchtbare Angst vor ihr. Eine großartige Geschichte mit Gänsehautgarantie.

    "Fiebertraum" wird ebenfalls aus der Sicht eines Jungen erzählt. Auch er hat Angst, weil er in einem Albtraum gefangen ist. Dieser Text kann sich durchaus mit King messen. In beiden Fällen beobachten wir die Handlung aus der Sicht eines Kindes in einer Extremsituation.

    Der 13jährige Charles ist krank. Der Arzt vermutet Scharlach und eine Erkältung, aber Charles glaubt ihm nicht. Er fühlt, wie sich sein Arm verändert, sich plötzlich fremd anfühlt. Der Arzt und die Eltern halten das für die Auswirkung des schweren Fiebers. Dann verändert sich auch der andere Arm, anschließend die Beine. Charles glaubt, dass die Krankheit, also die Kolonie von Bakterien, die in ihm wütet, sich verselbständigt hat, und seinen Körper übernehmen will. Als die unheimliche Hitze seinen Kopf erreicht, glaubt Charles zu sterben.

    Am nächsten Tag ist er gesund, wirkt aber verändert, ernster. Er will unbedingt unter Menschen, die er berühren kann.


    Es wird nicht klar, ob mit dem Jungen tatsächlich etwas Unheimliches geschehen ist, ob tatsächlich nur noch eine nachgebildete Hülle von ihm existiert. Das macht die Geschichte noch viel schauriger.


    ***

    Aeria

  • "En la noche" (1935)


    Die Geschichte ist ziemlich amüsant. Grundkonstellation ist in etwa die klassische "10 Leute schlafen in einer Hütte, einer schnarcht. Was geschieht, der Schnarcher schläft weiter, alle andern treffen sich frUher oder später außerhalb der Hütte" :breitgrins: Nur hier ist die Hütte ein Mehrfamilienhaus, hellhörig, beengt und Mrs. Navarrez jammert und schreit den ganzten Tag rum und weint nach ihrem "Joe" , der in den Krieg ziehen mußte.

    Nach und nach treffen sich jede Nacht praktisch alle Bewohner auf der Veranda oder im Gang. Nichts was sie unternehmen hilft. Alle sind völlig entnervt, bis Mr. Villanazul erwähnt, daß es schade ist daß es praktisch nur Familienväter gibt in diesem Haus, man bräuchte einen Jungesellen.

    Zitat:

    Er ließ diesen Satz wie einen kalten Stein in einen tiefen Brunnen fallen. Er ließ ihn aufklatschen, so daß die kleinen Wellen sich sanft ausbreiteten. Alle seufzten.

    Nun, da es aber keinen gibt ....; ich denke man ahnt worauf es hinausaufen könnte.


    Das alles ist so witzig, leicht überzeichnet erzählt, ich mußte wirklich lachen. Mir gefiel auch die Erzählperspektive sehr, zuerst die verzweifelten Hausbewohner im Gang, im Treppenhaus, auf der Veranda, man spürt förmlich wie totmüde sie alle sind. Später als die Lösung in Sicht ist, erfährt man auch nur was die anderne Hausbewohner mitbekommen. Man sieht sie förmlich lauschen und hoffen, daß endlich Ruhe einkehrt im Haus. Die Wohnung der klagenden Mrs. Navarrez betritt man als Leser nie.


    ***


    Aeria

    Sogar mir als schriftstellerisch völlig unbedarfen Nur-Leser fällt auf wie sehr Bradbury die Erzählperspektive, den Tonfall und den Aufbau in seinen verschiedenen Kurzgeschichten variiert. in jder Geschichte erzeugte er eine andere Stimmung, verwendet andere Stilmittel, mal heiter, mal ernst, man hat das Gefühl es hat ihm auch Spaß gemacht da herumzuexperimentiern. Auch inhaltlich hat er eine unglaubliche Bandbreite.


    Ah ! "Dune" , ja da wollen wir auch noch rein, evtl. schon nächste Woche, spätestens übernächste. Hat er die gefallen? Ich hab vor Jahren die ersten 3 Bücher gelesen, kenn auch den alten Film und bin echt gespannt auf diese Neuverfilmung.


    "Fiebertraum" klingt ja echt gruslig, da läuft mir ja beim Lesen der Beschreibung schon die Gänsehaut! "Omi" kenn ich nicht, ich les kaum Stephen King.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • Firiath

    "Dune" fand ich bombastisch. Selbst wenn man die Geschichte nicht mag, der Film lohnt sich schon allein wegen der gewaltigen Bilder.


    Gestern habe ich "Der Eheretter" gelesen. In meiner russischen Ausgabe ist es eine Retterin, aber sei's drum.

    In der Geschichte geht es um ein Bett. Ein altes Bett, dessen Federn schon die Konturen der Schlafenden angenommen haben. Das Kopfteil besteht aus feinen Kupferröhrchen, die "singen", wenn man sie berührt. Ein Ehepaar streitet sich in diesem Bett. Er liebt das Bett, denn es ist ein Familienerbstück, in dem schon viele erfolgreiche Familienmitglieder gezeugt worden sind. Sie mag es nicht, wünscht sich ein Bett wie das der Nachbarin. In diesem Bett könne sie nicht schwanger werden. Am nächsten Tag geht der Ehemann ein neues Bett kaufen und erfährt beim Heimkommen, dass seine Frau nun doch in anderen Umständen ist. Die Freude ist groß! Das alte Bett bleibt, denn es gilt, weitere erfolgreiche Familienmitglieder zu zeugen.


    Eine sehr gemütliche Geschichte! Da möchte man sofort ins Bett und sich in die Decke kuscheln.


    "Der wunderbare Eiskrem-Anzug"

    Die längste Kurzgeschichte in diesem Band, sie hat gut 40 Seiten, und liest sich weg wie nichts.

    Es geht um sechs junge Mexikaner, die sich einen wunderbaren eiskremfarbenen Anzug kaufen. Einzeln können sie sich ihn nicht leisten, aber alle zusammen schon. Sie beschließen, dass jeder von ihnen den Anzug einmal wöchentlich tragen darf. Um zu testen, welche Wirkung der Anzug auf ihre Umgebung hat, macht jeder von ihnen einen halbstündigen Ausflug. Jeder kehrt verändert zurück. Sie sind arm, teilweise arbeitslos, und auf der Straße so gut wie unsichtbar. Der Anzug macht sie sichtbar. Doch natürlich gibt es einen unter ihnen, der in Schwierigkeiten gerät.


    Kleider machen Leute, das ist wahr. Aber nur zum Teil. Wie Martinez, einer der jungen Männer, feststellt, ist Kleidung nicht alles. Der Anzug hilft ihm, seine Angebetete anzusprechen, aber erstaunlicherweise ist ihr der Anzug egal.


    Diese Geschichte versprüht viel positive Energie, sehr schön :blume:


    ***

    Aeria

  • "Die Stadt, wo niemand ausstieg"


    Der Ich-Erzähler unterhält sich im Zug mit einem Handelsvertreter-Kollegen über Städte, wo nie jemand aussteigt, und will plötzlich genau das tun. Er wartet, bis der Zug in einem verschlafenen Städtchen hält und steigt aus. Am Bahnhof sieht er einen alten Mann, der schon Jahre dort zu sitzen scheint. Als er die Stadt erkundet, begegnet er dem Alten immer wieder. Sie kommen ins Gespräch und beim Reden entfernen sie sich immer weiter vom Stadtrand. Der Alte sagt, er habe auf jemanden wie diesen Handelsvertreter gewartet. Er möchte seinen seit Jahren angestauten Hass und Frust in einem Mord an einem Unbekannten entladen. Der Ich-Erzähler erwidert, das sei auch sein eigener Plan. Aus dieser Patt-Situation gibt es nur einen Ausweg: die beiden trennen sich und gehen ihrer Wege.


    Es wird nicht ganz klar, ob der Alte die Wahrheit sagt, vielleicht will er den Fremden durch das Mordgerede nur vertreiben. Aber der Ich-Erzähler glaubt ihm, denn an einem Ort wie diesem kann man nur mit Ärger rechnen.

    Mir hat die Atmosphäre gut gefallen, man kann den Staub fühlen, die Luft vor Hitze flimmern sehen. Die Handlung an sich ist okay, Bradbury hat spannendere Geschichten.


    ***
    Aeria

  • Das große Schwarz-Weiß-Spiel (The big Black and White Game, 1945)


    In der Geschichte geht es um ein offensichtlich alljährlich stattfindendes Baseballspiel innerhalb einer Hotelanlage zwischen schwarzen Bediensteten eines Hotels und weißen Hotelgästen. Abends findet dann als weiteres jährliches Highlight für alle auch noch eine große Tanzveranstaltung statt. Diese Party wird offensichtlich von Angestellten auf ihre Art organisiert, kann aber auch von den weißen Hotelgästen besucht werden.

    Erzählt wird die ganze Geschichte und das Baseballspiel aus der Sicht von Douglas, eines weißen Jungen, der mit seiner Mutter auf der Tribüne sitzt. Der Junge kennt einen der schwarzen Spieler, "Big Poe", und mag ihn sehr gern. Der Junge beobachet alles sehr genau. Auf der Tribüne sitzen weiße Frauen und Zuschauer und schwarze Frauen und Zuschauer klar getrennt, auf verschiedenen Seiten des Feldes.


    Zunächst ein an der Oberfläche fröhliches Ereignis für alle Beteiligten, schiebt sich der latente, aber permanent vorhandene Rassismus an die Oberfläche, zugespitzt in Form eines weißen Spielers, Jimmie Cosner, der foult, dies aber störrisch abstreitet, sich überhaupt unmöglich verhält und auch sehr schnell deutlich rassistisch äußert. Die schwarze Mannschaft ist spielerisch überlegen, bleibt ruhig und spielt weiter, Absprachen zwischen den Spielern werden nur über Blickkontakt getroffen.

    Überhaupt machen die weißen Spieler auf dem Feld eine schlechte Figur, sind untrainiert und blasiert.

    Der weiße Schiedsrichter ist allerdings absolut unparteiisch, was Jimmie Cosner, den Foul-Spieler noch mehr anstachelt. Dies führt zum Aufheizen der untergründig von Anfang an schwierigen Situation auf dem Spielfeld zwischen den Spielern, aber auch auf den Zuschauerrängen, man spürt förmlich wie der "Dampfkochtopf" Druck gewinnt und die Geschichte auf einen Höhepunkt hinstrebt, der Bradbury auf überraschende Art und Weise mit , einem bei diesem Thema, erstaunlicher Leichtigkeit gelingt.


    Für Kenner des Spiels und dessen Regeln (wozu ich mich absolut nicht zähle), dürfte die Geschichte über die detaillierte und sehr ausführliche Beschreibung des Spielablaufs noch mehr zu bieten haben.


    Insgesamt eine diskussionswürdige, einprägsame Erzählung, die den latenten Rassismus der Zeit klar thematisiert und anprangert und dafür einen interessanten Rahmen bietet, die aber (wie eigentlich alles Geschriebene) aus der Zeit ihrer Entstehung heraus gelesen werden sollte. Früher übliche Begrifflichkeiten und Beschreibungen würden so heute nicht mehr verwendet werden.


    Da mich die Geschichte beschäftigt hat, mir auch das ein oder andere unklar war, hab ich noch ein wenig recherchiert und diese interessante Publikation dazu gefunden. Ray Bradbury hat ein ähnliches Spiel als Kind offensichtlich selbst miterlebt und in dieser Geschichte verarbeitet.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • "Der Duft von Sarsaparilla"


    William Finch verschwindet immer wieder für Stunden auf dem Dachboden. Angeblich räumt er dort auf, doch seine Frau Cora hört von oben keine Geräusche.

    Eines Tages kommt er beschwingt in die Küche und erzählt ihr, wie toll die Vergangenheit doch war. Alles war bunter und aufregender. Sie hält ihn für verrückt. Als er an einem der folgenden Tage seltsam gekleidet vom Dachboden steigt und behauptet, den Anzug in einer der Kisten gefunden zu haben, ist Cora außer sich. William aber scheint sich in eine Fantasie hineingesteigert zu haben. Er berichtet begeistert von den tollen Zeiten, die sie beiden vor 40 Jahren gehabt haben, wie die Welt ausgesehen und gerochen hat. In seinen Augen besteht die Vergangenheit aus einem immerwährenden Sommer.

    Sie streiten sich den halben Abend. Am nächsten Tag ruft er sie von oben und bittet sie, mit ihm in den Sommer zu gehen. Sie lehnt ab und er verschwindet. Als Cora den Dachboden betritt, findet sie ein Fenster, das in einen hellen Sommertag führt. Sie traut sich jedoch nicht, hindurchzugehen.


    Das war wieder sehr schön. William Finch beschreibt den Dachboden als einen Ort voll konzentrierter Zeit. Hier stehen Kisten herum, in denen unzählige Dinge aus vergangenen Zeiten aufbewahrt werden. Alle diese Dinge waren mal für jemanden wichtig, alle führen in die "gute alte Zeit". Er folgt dem Ruf ohne zu zögern.

    Seine Frau ergreift die Gelegenheit nicht, obwohl sie sich, nachdem sie durch das magische Fenster gesehen hat, den ewigen Sommer vorstellen kann. Sie verpasst die Chance, etwas Neues und Wunderbares zu erleben.


    Immer wieder erstaunlich, wie Bradbury auf nur wenigen Seiten ganze Welten entstehen lässt.


    ***

    Aeria

  • "Ikaros Montgolfier Wright", 1956


    Diese Erzählung wird von Hardy Kettlitz in "Ray Bradbury. Poet des Raketenzeitalters" nachdrücklich empfohlen. Deshalb war ich natürlich sehr neugierig auf den Text.


    Jedediah Prentiss schläft unruhig. Am nächsten Tag soll er in einer Rakete zum Mond starten. Im Traum durchlebt er die Sternstunden des Fliegens: Er ist Ikarus, er ist Montgolfier und Wright. Er fühlt Federn auf seiner Haut, wird von seinem Vater in Gestalt des Daedalus gesegnet, dann sieht er den Heißluftballon der Montgolfiers vor sich und schließlich den Aeroplan der Gebrüder Wright.

    Als er geweckt wird, nennt er sich Ikarus Montgolfier Wright.


    Die Geschichte ist ein wenig wirr, wenn auch poetisch erzählt. Sie muss sich "setzen", um sie richtig zu würdigen.

    Geschrieben hat Bradbury diese Erzählung ein Jahr vor dem Sputnik-Start. Ich könnte mir vorstellen, dass damals eine allgemeine Aufbruchstimmung herrschte. Die Sterne lockten und waren ganz nah. Wann haben wir das verloren?


    ***

    Aeria

  • "Ein Donnerkrachen" (Sound of Thunder, 1952)


    Eckels, seines Zeichen passionierter Großwildjäger hat schon alles geschossen was es so zu schießen gibt und interessiert sich jetzt für das Angebot eines Zeitreise-Safari-Unternehmens. Wir befinden uns in einem Amerika kurz vor einer wichtigen politischen Wahl in der Zukunft 2055, Zeitreisen ist möglich. Allerdings mit dem Wissen das nichts, absolut gar nichts in der Vergangenheit verändert werden darf, daß selbst kleine Veränderungen Konsequenzen haben können. Hauptaufgabe dieses Safari-Unternehmens ist bereits im Vorfeld zu schießende Dinosaurier zu finden die sowieso sterben würden.

    Eine Safari wird gebucht und das Jagd-Team reist zurück in die Zeit der großen Dinosaurer, Eckels interessiert sich - wie soll's auch anders sein - für den Tyrannosaurus Rex. Er will das größte je lebende Raubtier töten.

    Es entspinnt sich bei der Einweisung des Klienten und bei der Reise ein Gespräch über Zeitreisen im Allgemeinen und die Bedingungen und Regeln. Während des ganzen Vorhabens wird ein großer Aufwand betrieben um dem Klienten das Töten zu ermöglichen, ohne irgendetwas in der Vergangenheit zu verändert und möglichst ohne selbst getötet zu werden natürlich.
    Eckels ist überwältigt als er den Tyrannosaurus sieht, verliert die Nerven, Dinge gehen schief und er verläßt den vorgegebenen Pfad. Die Situation und die Stimmung zwischen den Beteiligten eskaliert, scheint aber auf den ersten Blick nicht völlig desaströs; letztlich reisen alle zurück (oder wenn man so will, vorwärts) in ihre Zeit. Die Spannung entsteht unter anderem durch die Ungewißheit in welche Zukunft sie reisen. Ist es diejenige die sie kennen?


    "Jurrasic Park" meets "Dr. Who", ein Schuß "Die vergessene Welt" von Conan Doyle ist auch dabei. Eine Geschichte, die sich mit der Problematik von Zeitreisen und der Auswirkung von kleinsten Veränderungen befaßt.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Firiath

    Auf diese Geschichte freue ich mich schon sehr. Ich muss mal sehen, in welchem Band sie steckt und dann lese ich sie sofort. Bei Kettlitz habe ich gelesen, dass der Begriff "Schmetterlingseffekt" wahrscheinlich auf diese Erzählung zurückgeht.


    "Das Toupet" ist aus 1958 und erzählt von Andrew Lemon, der ein Problem mit seinem Aussehen hat. Auf der Stirn hat er eine münzgroße Delle. Ganz zu Beginn der Geschichte packt er ein Päckchen aus, in dem sich ein Toupet befindet. Wenn er das Haarteil aufsetzt, ist die Delle nicht mehr zu sehen, so dass Lemon sich gleich viel besser fühlt. Dann wartet er auf seine junge Nachbarin Naomi, mit der der bereits oft den Abend verbracht hat. Sie sitzen dann auf der Veranda und unterhalten sich. Das ist für ihn der Höhepunkt des Tages. Am Toupetabend klopft er (ohne Toupet) bei ihr und, weil er so verlegen ist, beginnt er von seiner Delle zu erzählen. Seine erste Frau habe ihn mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen. Warum? Das wisse er nicht, sie müsse durchgedreht sein. Je länger er erzählt, desto verschlossener wird Naomi. Er macht ihr einen Heiratsantrag, und sie antwortet sehr reserviert, sie müsse nachdenken. Lemon geht und kommt kurz darauf mit dem Toupet zurück. Seine Angebetete öffnet ihm nicht einmal die Tür, sondern guckt durch einen Spalt und sagt, sie könne die Delle trotzdem sehen.


    Show, dont' tell! Die Figur des Andrew Lemon entsteht durch seine Handlungen und Worte. Bradbury muss ihn nicht lang und breit beschreiben. Schon nach einigen Sätzen, die Lemon zu Naomi Fremwell sagt, beginnt man zu begreifen, was für ein Mensch er ist. Naomi merkt das ebenfalls und zieht sich zurück. Lemon jedoch plappert weiter, ohne zu ahnen, dass er sich um Kopf und Kragen redet. Das ist fast schon ein bisschen zum Fremdschämen.

    Die Moral von der Geschicht' ist wohl, dass man seine Fehler durch keine Toupets der Welt verbergen kann. Hat mir sehr gut gefallen!


    ***

    Aeria

  • sandhofer

    Ich bin immer ein bisschen unsicher ob ich wirklich alles bzw. auch das Ende in meine Zusammenfassungen schreiben soll, entscheide diese Frage beinahe jedesmal neu wenn ich hier einen Eintrag schreibe. Wenn ich das Gefühl habe, ich würde einem Erstleser der Geschichte zu viel nehmen wenn ich hier die Auflösung reinschreibe, versuche ich mich meist drumrum zu mogeln.


    Aeria

    Wie siehst Du das für diesen Thread? Manchmal finde ich es wirklich schwierig über die Geschichten zu schreiben, einerseits möchte ich gern meine Gedanken und Überlegungen mitteilen, oft haben die Geschichten ja mehrere Ebenen, andererseits möchte ich einem Erstleser nicht die Freude nehmen all das selbst zu entdecken.


    Ich recherchiere nach Lesen der Geschichte auch gern noch etwas hinterher und was den von Dir genannten Effekt anbelangt hab ich bei Wiki das hier entdeckt:

    Die Geschichte liest sich erstmal, zwar flott aber auch nicht super überraschend, wirkt aber durchaus noch nach.


    In dem ganzen Zusammenhang hab ich mehrmals an ein kürzlich entdecktes Video gedacht - es ist relativ lang, lohnt sich aber : Balancing



    Mein Sub hat übrigens nach längerem Suchen noch eine drittes Bradbury-Kurzgeschichten-Buch zu Tage gefördert, heißt "Schneller als das Auge" . Ich kann also noch eine ganze Weile mitmachen, wobei ich mittlerweile auch schon am überlegen bin ob ich mir eine Gesamtausgabe auf Englisch zulegen sollte, dann könnte ich teilweise Geschichten von Dir mitlesen, wenn sie mich grad anlachen.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • "Dunkel waren sie und goldäugig", 1949


    Die Handlung spielt auf dem Mars. Die Familie Bittering flieht mit rund 1000 anderen Menschen vor dem drohenden Atomkrieg auf den Mars. Familienvater Harry ist unruhig, er fühlt sich nicht wohl auf dem Mars und würde am liebsten sofort wieder umkehren. Doch die Familie baut sich ein kleines Häuschen und alle gehen ihren Beschäftigungen nach. Kurze Zeit später erreicht sie die Nachricht, dass auf der Erde der Atomkrieg stattgefunden hat, so dass es kein Zurück mehr gibt. Fast zeitgleich entdeckt Harry, dass sich die Pflanzen im Garten verändern, die Kuh plötzlich drei Hörner hat und ihm alte marsianische Begriffe einfallen, von denen er keine Ahnung haben sollte. Die Marsianer sind nämlich schon seit Jahrtausenden ausgestorben bzw. verschwunden, und haben nur ihre Städte und weitläufige Villen in der Wildnis zurückgelassen. Harry hat Angst vor den Veränderungen und beginnt mit dem Bau einer Rakete, um seine Familie wieder zur Erde zu fliegen.

    Während er herumbastelt, gehen die Veränderungen weiter. Seine Kinder nennen sich anders, das Aussehen der Familienmitglieder und der Stadtbewohner wird fremdartiger. Der Bau der Rakete verliert von Tag zu Tag immer weiter an Bedeutung. Schließlich verlassen die Bewohner die Stadt und ziehen, goldäugig und dunkehläutig, in die Wildnis.

    Einige Jahre später landen wieder Menschen auf dem Mars. Von den früheren Siedlern fehlt jede Spur, aber in den Hügeln leben friedliche Marsianer.


    Bei dieser Geschichte habe ich zwischen Belustigung und Anerkennung geschwankt. Belustigung, weil diese Marsgeschichte so naiv ist wie nur irgendwas. Vermutlich, weil sie ausgerechnet auf dem Mars spielt. Ein anderer, erdähnlicher Planet, hätte mich nicht ständig die Augen verdrehen lassen. Ich weiß, man sollte das alles nicht wörtlich nehmen, es ist eine Allegorie, aber trotzdem, es ist putzig. (Ich überlege gerade, ob meine eigene Marsgeschichte "Ares" irgendwann in naher Zukunft so naiv rüberkommen wird.)

    Anerkennung empfinde ich, weil diese ca. 30seitige Geschichte wieder sehr gut geschrieben ist. Harrys Ängste sind nachvollziehbar, die stetige Veränderung unheimlich. Man kann den Wind, von dem ständig die Rede ist, fast fühlen.

    Ich muss mir die "Mars-Chroniken" nochmal vornehmen, um mehr von solchen Geschichten zu lesen.


    [Nachtrag: Gerade nochmal im Buch von Hardy Kettlitz geblättert. Er sagt: "Diese Geschichte ist eine der poetischsten, die Bradbury je geschrieben hat." Ich bin nicht zu 100 % seiner Meinung. Sie hat mir gefallen und sie ist tatsächlich schön geschrieben, aber sie kommt nicht in meine Top 10.]


    Firiath

    Ich habe kein Problem mit Spoilern bei der Besprechung einer Kurzgeschichte. Ob ich spoilere oder nicht, hängt davon ab, wie unerwartet ich den Schluss empfinde, oder einfach davon, ob ich gerade Lust aufs Tippen habe 8).


    ***

    Aeria

  • Die Geschichte von gestern war "Das Lächeln", 1952.


    Eine lange Menschenschlange hat sich gebildet, alle warten, dass sie an die Reihe kommen, um vor etwas auszuspucken. Die meisten sind zerlumpte Männer, aber unter ihnen ist auch ein Junge, Tom. Alle unterhalten sich über die schlechte alte Zeit und sind froh dort zu sein, wo sie gerade sind. Als Tom endlich sieht, wovor er ausspucken soll, kann er es nicht. Denn das Objekt ist das Gemälde einer Frau mit einem schönen Lächeln. Noch während er starrt, kommt der Befehl, das Gemälde zu zerstören. Alle stürmen los, um es zu zerfetzen, auch Tom. Er ergattert ein Stück der Leinwand und rennt nach Hause. Auf dem Leinwandstück ist das Lächeln und Tom fühlt sich glücklich.


    Am Anfang versteht man überhaupt nichts, aber Bradbury erklärt die Welt mit wenigen Dialogen und Beschreibungen. Es ist offenbar das Jahr 2061 und eine Katastrophe hat stattgefunden, vermutlich ein globaler Krieg. Die Menschen haben jeden Mechanismus, jede Fabrik und jeden Kulturgegenstand aus Wut und Frust vernichtet. Das Gemälde der Mona Lisa ist eines der letzten Stücke, die der Zerstörung bisher haben entgehen können. Doch nun muss es auch dran glauben.

    Aber es gibt auch Hoffnung, eine kleine Andeutung nur, dass noch nicht alles in der Seele der Menschen kaputt ist.


    Wow. Höchst beeindruckend!


    ***

    Aeria

  • "Die erste Nacht der Fastenzeit", 1956


    Diese Erzählung ist nach Bradburys Irland-Aufenthalt entstanden. Der Ich-Erzähler, vermutlich Bradbury selbst, arbeitet in der Nähe von Dublin an einem Drehbuch. Jeden Abend besucht er den Leiter des Filmprojekts. Gefahren wird er von Nick.

    Nick lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Seine Fahrweise ist langsam und sicher. Am Tag vor der Fastenzeit erzählt er Ray, dass er die nächsten Wochen aufs Rauchen verzichten wird. Doch am nächsten Tag raucht er trotzdem weiter. Dafür fährt er halsbrecherisch. Schon zieht das Leben vor Rays geistigem Auge vorbei, so eine mörderische Fahrweise hat er noch nicht erlebt, schon gar nicht bei Nick.

    Es stellt sich heraus, dass Nick in der Fastenzeit auf Alkohol verzichtet statt auf Zigaretten. Vorsichtig fährt er nur, wenn er bis oben voll mit Alk ist. Ray gibt ihm ein großzügiges Trinkgeld und bittet ihn, vor der nächsten Fahrt eine Flasche Hochprozentigen zu leeren.


    Okay, eigentlich ist das nicht witzig. Ich hab trotzdem gelacht, verklagt mich doch. Die Trinkfestigkeit der Iren ist legendär und Bradbury hat daraus eine nette kleine Geschichte gemacht.


    ***

    Aeria

  • "Die große weite Welt da drüben - The Great Wide World Over There" (1952)


    Cora und Tom, ein älteres Ehepaar lebt fern eines größeren Ortes auf dem Land mitten im amerikanischen Nirgendwo, vermutlich in den 50-ern, zur Entstehungszeit der Geschichte. Benji, Coras Neffe soll den Sommer bei Ihnen verbringen und die Geschichte setzte mit Coras Vorfreude auf diesen Besuch ein. Im Gegensatz zu ihrem Mann Tom, der wohl alles gut findet wie es ist, träumt Cora von Zeit zu Zeit von der Welt "dort draußen" und Benji bringt für sie ein wenig dieser Welt zu ihr nach Hause. Das Ehepaar bekommt nie Post, vor allem auch weil sie beide nicht lesen können und schreiben könnnen. Benji kann beides und den Sommer über nutzt Cora dieses Fähigkeit Benji's um ihn Briefe schreiben zu lassen und auch welche zu bekommen, mehrheitlich Werbeflyer die man sich schicken lassen kann. Das erste Mal kommt das Postauto zu ihrem Haus gefahren. Für Cora fühlt es sich an als ob die Welt zu ihr nach Hause kommt. Aber jeder Sommer endet und mit Benjis Rückkehr nach Hause, zieht sich auch "die Welt" wieder aus Coras Umfeld zurück.


    Eine Geschichte über das Leben in Abgeschiedenheit und was es heißt Analphabet zu sein. Schade das Cora die Zeit in der Benji bei ihr war nicht genutzt hat um Lesen und Schreiben von ihm zu lernen. Vielleicht hätte sie Benji dann auch besser kennengelernt, sie hat ihn "benutzt" wie einen Sekretär, war ausschließlich fixiert auf seine Fähigkeit Lesen und Schreiben zu können und niemand hat sich im Grunde für ihn interessiert, das hat mir für den Jungen leid getan.



    Aeria

    Hab "Dune" inzwischen auch gesehen und stimme Dir zu, tolle Bilder und es wurde sehr auf Details geachtet, hat mir gut gefallen. Ich fand das erste Buch damals recht gut, hab dann auch noch Bd. 2 und 3 gelesen. Zu den weiteren Bänden konnte ich mich dann nicht mehr aufraffen.


    ***


    EDIT: Aeria

    Ich habe "Das Lächeln" in meinem TB "S is for Space" gefunden und gleich noch gelesen. Was wir eine beeindruckende und bedrückende Geschichte! Und es fallen einem ja Situationen der Weltgeschichte ein in der Bücher verbrannt, Kulturgut zerstört und verfemt wurde und wird .... - aber wie Du auch schon schon geschrieben hast: Ja es gibt noch Hoffnung in dieser Geschichte und wie ich kürzlich als Zitat von Matt Haig gelesen habe: "Nichts ist stärker als eine kleine Hoffnung die nicht aufgibt!" :)


    Gerade noch gesehen daß eine deiner letzten gelesen Geschichte "Dunkel waren sie und goldäugig" + "Ikarus Montgolfier Wright" auch in der "S is for Space"-Sammlung mit drin ist, das les ich dann auch die Tage noch zeitnah mit Dir.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    8 Mal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • "Zeit zum Aufbruch", 1956


    Ein alter Mann packt seine Sachen und will das Haus verlassen. Er hat im National Geographic gelesen, dass es primitive Stämme in der Wildnis gibt, deren Mitglieder, wenn sie den Tod nahen spüren, weggehen, um alleine zu sterben. Seine Frau beginnt herumzukeifen, als sie begreift, was er vorhat. Sie erinnert ihn an all seine früheren Schnapsideen, die er aus dem Magazin hat. Alle waren sie nach einigen Tagen wieder Geschichte.

    Er geht, kehrt aber nach ein paar Stunden kleinlaut zurück. Auf dem Tisch wartet das Essen auf ihn.


    Eine amüsante kleine Erzählung über Trugbilder und unstillbare Sehnsuchten. Die Charaktere sind wieder sehr gut geworden, trotz des überschaubaren Umfangs. Wirklich nett!


    "Der ganze Sommer an einem Tag", 1954


    Das ist sie. Die Kurzgeschichte, nach der ich seit über 30 Jahren Ausschau halte. Ich wusste nicht, von wem sie ist. Ich habe den Text als Teenie gelesen und im Laufe der Zeit haben sich falsche Erinnerungsfragmente eingeschlichen. Das Ereigniss hat sich in meinem Kopf ein wenig verfälscht, aber die spannungsgeladene Atmosphäre ist hängengeblieben. Diese Kurzgeschichte hat zu meiner eigenen, "Im Regen", geführt. Verrückt!


    Die Handlung spielt auf der Venus. Eine Schulklasse aus neunjährigen Kindern wartet auf die Sonne. Auf der Venus regnet es nämlich sieben Jahre am Stück. Nur alle sieben Jahre ist für zwei Stunden die Sonne zu sehen. Wenn die Kinder die Sonne als Zweijährige erlebt haben, so wissen sie nichts mehr davon. Es ist also das erste Mal, dass sie es bewusst erleben. Ein Mädchen in der Klasse ist anders. Es kommt von der Erde und ist eine Außenseiterin. Margo hat versucht, den anderen Kindern die Sonne zu erklären, doch niemand wollte ihr glauben. Als alle gespannt auf die Stunde Null warten, gerät Margo mit einem Mitschüler aneinander und die Kinder sperren sie in einen Schrank. Als die Sonne rauskommt, toben sie alle draußen herum, drehen fast durch vor Freude. Als der Regen wieder einsetzt, fällt ihnen Margo ein, und sie haben ein schlechtes Gewissen.


    Eine traurige Geschichte! Man möchte die Gören schütteln, weil sie Margo die Sonne verweigern. Das arme Mädchen :traurig:


    In meinem Kopf haben sich zwei Geschichten "verkantet", "Der ferne Regenbogen" von den Strugazkis und diese Kurzgeschichte. Mir war immer, als warteten die Kinder auf einem verregneten Planeten auf die Evakuierung. Weil ich mich an den Rest nicht erinnern konnte, habe ich selber eine Regengeschichte geschrieben. Gut, dass ich jetzt klarer sehe!


    ***

    Aeria


    P. S.

    Firiath

    Ich bin gespannt, wie du "Ikarus Montgolfier Wright" findest.

  • "Das Geschenk", 1952


    An Weihnachten 2052 reist eine Familie zum Mars. Am Raumhafen müssen die Eltern das Geschenk für ihren Sohn zurücklassen sowie ein Tannenbäumchen mit weißen Lichtern. Der kleine Junge freut sich auf die Bescherung und den Weihnachtsbaum und die Eltern sind ratlos. Schließlich hat der Vater eine Idee. Er führt seinen Sohn in eine leere Kajüte und zum Bullauge. Hinter dem Glas sind Milliarden Sterne zu sehen.


    Meine Güte, das ist so herzallerliebst, dass ich fast angefangen habe zu schniefen. Die Erzählung hat nur 4,5 Seiten, ist aber wirklich wunderschön. Hier kommt auf jeden Fall ein Sticker rein, damit ich die Geschichte später wiederfinde. Ich werde sie an Weihnachten noch einmal lesen.


    ***

    Aeria

  • "Der große Zusammenstoß vom letzten Montag", 1958


    Ein verletzter Mann kommt in den Pub gestolpert und ruft etwas von einem Unfall. Sofort strömen die Gäste hinaus, um sich das Ganze anzusehen und eventuelle weitere Verletzte zu bergen. Nur ein Gast, ein Amerikaner, wundert sich, dass er keinen Krach gehört hat. Ein alter Mann beruhigt hin und sagt, Geräusche von Unfällen seien hier nicht zu hören. Dann wird ein weiterer Verletzter hineingetragen, leicht verletzt nur, aber hackedicht. Die Pubgäste schleppen auch die Unfallfahrzeuge herbei. Es handelt sich um zwei uralte Fahrräder, richtige Ungetüme. Der Amerikaner kommt aus dem Staunen nicht heraus.


    Wieder eine Geschichte über trinkfeste Iren, sehr schräg. Aus schrulligen Figuren und reichlich Whiskey kann man offenbar immer etwas Amüsantes zusammenschreiben.

    Bradbury muss in Irland eine wilde Zeit gehabt haben.


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    Aeria

  • "Die kleinen Mäuse", 1955


    Beim Lesen dieser Erzählung hatte ich ein ganz übles Déjá-vu.

    Es geht um ein Ehepaar, das einen Anbau ihres Hauses an ein mexikanisches Ehepaar vermietet hat. Der Ich-Erzähler und seine Frau wundern sich über das Verhalten der Mieter. Diese machen nie ein Geräusch, kochen nicht, vermeiden jeden Kontakt zu anderen. Sie gehen arbeiten, huschen nach der Arbeit still durch die Tür und den ganzen Abend lang hört man keinen Ton. In der ganzen Wohnung leuchtet nur eine kleine blaue Glühbirne. Sie sind unauffällig wie kleine graue Mäuse. Eines Tages bricht im Nachbarhaus ein Feuer aus und der Ich-Erzähler stürmt in die Wohnung seiner Mieter, weil er einen Funkenflug vermutet und nach Brandherden suchen will. Die Mexikaner wollen ihn nicht reinlassen, die Wohnung aber auch nicht verlassen. Der Ich-Erzähler findet in jedem Zimmer ganze Sammlungen leerer Flaschen. Am nächsten Tag ziehen die Mieter aus.


    In einer meiner Kurzgeschichten geht es auch um sehr merkwürdige Hausbewohner. Ich bin mir aber zu 100 % sicher, dass ich "Die kleinen Mäuse" heute zum ersten Mal gelesen habe. Zu der Idee meiner KG hat mich meine direkte Nachbarschaft inspiriert, vielleicht haben die Nachbarn Bradbury gelesen! 8)

    Bradbury klärt uns nicht auf, was das für merkwürdige Menschen sind, was es mit den Flaschen auf sich hat (hätte ich gerne gewusst!) und was das Ganze überhaupt soll. Sein Ich-Erzähler stellt auch keine Vermutungen an, sondern wundert sich bloß.


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    Aeria