Reinhold Messner - Antarktis. Himmel und Hölle zugleich

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    Dies ist keine Rezension, ich würde aber gerne ein bisschen was zu dem Buch schreiben. Ich lese es gerade auf dem Smartphone. Meinen Beitrag in der gemütlichen Lesestube kopiere ich mal hierher und fahre gleich fort:


    Ich habe meine Pläne im Büro umgestoßen und lese am Handy von Reinhold Messner "Antarktis". Ich wusste von ihm bisher nur, dass er Berge bestiegen hat. Von daher war ich ganz überrascht, als ich dieses Buch entdeckte. Alleine die Vorstellung, zu zweit 90 Tage durch Schnee, Sturm und Eis wandern zu wollen, brrr.

    Interessant finde ich seine Gedanken. Seine Überlegungen zu Himmel und Hölle einerseits in der Antarktis, andererseits in uns drinnen. Er plädiert dafür, die Antarktis in Ruhe zu lassen, sie war der Beweis dafür, dass die Welt ursprünglich das Paradies war. Und der Mensch mit seiner Technik bringt die Hölle dorthin: "Die Maschine ist der Anfang des Ruins einer jeden Landschaft."

    Deshalb sind die beiden Männer, er wandert mit Arved Fuchs, auf Skiern unterwegs. Und doch hinterlassen sie etwas von ihrer Ausrüstung, nicht mit Absicht, aber es bleibt nicht aus.


    Mir ist unverständlich, dass viele Menschen seine Lust am Laufen, des Unterwegsseins, als Krankheit abtun. Dromomanie (zwanghafter Trieb wegzulaufen) nennen es die Fachleute. Welchen psychologischen Begriff gibt es denn für mich als Stubenhocker? Wenn wir davon ausgehen, dass wir alle unterschiedlich sind in dem, was wir tun und mögen, warum wird sein Tun nicht einfach als normal hingenommen? Weil die meisten es nicht verstehen?

    Messner selbst nennt sein Unterwegssein auch zwanghaft, weil er ein Leben am Schreibtisch nicht aushalten würde. Warum kann es aber für ihn halt nicht einfach normal sein, nicht sesshaft zu sein. Und es ist ja auch kein Weglaufen, er hat sich und der Familie ein Heim geschaffen, zu dem er immer wieder zurückkommt.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 91


    Gesamt seit März 2007: 1012

  • Messner ist der Trainiertere der beiden. Ihm kommt auch zugute, dass seine Füße kleiner sind (1970 wurden ihm die Zehen amputiert). Arved hat arge Schwierigkeiten mit dem Schuhwerk. Seine Füße sind kaputt, voll blutiger Blasen, er hat wahnsinnige Schmerzen.

    Messner alleine könnte viel flotter vorwärts kommen. Sie müssen täglich sechs Stunden marschieren, um den Plan einzuhalten. Er muss Arved motivieren, darf aber nicht grob oder ungeduldig werden. Respekt und Toleranz sind oberstes Gebot.


    Reinhold Messner staunt selbst bei dem Gedanken, dass nicht alle Träume realisiert werden müssen. So erging es mir vor ein paar Jahren auch.

    Mein Lebenstraum war immer, etwas mit Büchern zu arbeiten. Damit mein Geld zu verdienen. Selbstständig oder als Arbeitnehmerin. Den habe ich dann hier in Ostfriesland mal begraben.

    Das war immer der Traum, an den ich auch dachte, wenn es mir mal nicht so gut ging. Der mir immer ein Hochgefühl gab. Wenn sich dieser Traum erfüllen sollte, an was denke ich dann.

    Also ist es, zumindest für mich, gut, einen Traum zu haben, der sich nicht verwirklicht. Einen, in den ich mich mal fallenlassen kann, wenn es nötig ist.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


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    Einmal editiert, zuletzt von Anne ()

  • Mir ist unverständlich, dass viele Menschen seine Lust am Laufen, des Unterwegsseins, als Krankheit abtun. Dromomanie (zwanghafter Trieb wegzulaufen) nennen es die Fachleute.

    Das wird generell bei vielen Menschen, die sich abseits von dem, was gerne als normal angesehen wird, bewegen.:rolleyes:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich bin gerade sehr bewegt von Deinen sehr persönlichen Zeilen und Gedanken zum Buch, liebe Anne <3


    Ja, was wären wir ohne unsere Träume?

    Ich habe großen Respekt vor den Leistungen als Bergsteiger von Reinhold Messner, aber mit dieser Sportart habe ich eben so überhaupt nichts "am Hut" (ebenso beeindruckt bin ich z.B. von Schwimmern, z.B. von Howard Jones, der schon zweimal von England nach Frankreich durch den Ärmelkanal geschwommen ist ;))


    Auch ich weiß, dass sich eben nicht alle Träume verwirklichen lassen, die man mal hatte (und auch in meinem Fall immer noch hat) wie z.B. ein Häuschen in der Normandie oder der Bretagne, ganz in der Nähe des Atlantiks, den ich noch viel mehr mag als das Mittelmeer (oder auch die Nord- oder Ostsee)...... :titanic:


    Mir ist z.B. auch schon vor Jahren aufgefallen, dass viele Schriftsteller teils in der Heimat, teils z.B. in Südfrankreich oder sonstwo wohnen. Das würde mir auch sehr gefallen, auch wenn es "nur" ein Wunschtraum ist...


    Beim Thema "Träume" assoziiere ich immer gleich einen Leitgedanken, den ich seit Jahrzehnten habe (und natürlich in einem Buch gelesen habe)


    "Nicht träumen sollt ihr euer Leben, erleben sollt ihr, was ihr träumt!

    (Otto Roquette)


    und - gerade nachgegoogelt: Roquette unterrichtete am Polytechnicum Darmstadt (heute TU Darmstadt) und ist auf dem alten Friedhof beigesetzt worden (1896).

    Also an eben jenem Ort, an dem ich annähernd mein halbes Leben verbracht habe :))

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    Einmal editiert, zuletzt von Sagota ()

  • Anne


    "Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen - ich schulde ihnen noch

    - mein Leben"


    (hat mir eine Freundin in meine Sprüchekladde geschrieben, vor ca. 43 Jahren...)

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Reinhold Messner ist einer der bekanntesten Bergsteiger der Welt. Gemeinsam mit Peter Habeler erreichte er als erster Mensch ohne Zuhilfenahme von künstlichem Sauerstoff den Gipfel des Mount Everest und war auch der Erste, der alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestieg. Den Nanga Parbat und den Mount Evererst hat er als Erster im Alleingang ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Im Winter 1989/1990 durchquerte er gemeinsam mit dem Arved Fuchs die Antarktis.

    Zu dieser Zeit war eine solche Expedition eine Neuheit. Besonders, weil Messner und Fuchs "by fair means" unterwegs sein wollten. Sie verzichteten auf Schlittenhunde und zogen ihre Ausrüstung selbst. Mittlerweile gab es unzählige Expeditionen dieser Art, ob am Süd- oder am Nordpol. Fast ist man versucht zu sagen, dass es nichts Besonderes mehr ist, aber eben nur fast. Denn die extremen Regionen unserer Erde sind nur dann nichts Besonderes, wenn man sich mit allen Bequemlichkeiten dorthin transportieren lässt.

    Ich habe einige Berichte von Reinhold Messner gelesen und gesehen und weiß daher, dass er mir nicht uneingeschränkt gefällt. Nicht als Sportler, da sind seine Leistungen unbestritten. Aber oft gefällt mir die Art nicht, wie er die Dinge erzählt.

    So auch in diesem Buch. Dass Reinhold Messner gleich zu Anfang an klar macht, dass er eben seinen Weg geht, gehen muss, kann ich verstehen. Es braucht extreme Menschen, um extreme Leistungen zu erbringen. Dass er aber allen anderen, die eine andere Lebensplanung haben, nicht nur das Verständnis dafür abspricht sondern auch andeutet, dass diese Menschen zu dumm sind, um ihn zu verstehen, fand ich schon arrogant. Er erwartet Verständnis, hat selbst aber nur wenig davon. Diese Einstellung ist etwas, was ich immer wieder an ihm erlebt habe, wenn ich ihn im Fernsehen gesehen habe.

    Warum habe ich trotzdem dieses Buch gelesen? Zum einen, weil mich die Expedition interessiert hat. Zum anderen aber auch, weil ich Reinhold Messner trotz meiner Kritikpunkte schätze und seine Berichte immer spannend finde.

    Ich fand die Paarung Messner/Fuchs ungewöhnlich. Die Beiden kannten sich nicht im Vorfeld, sondern Messner hat ihn als Partner gewählt, weil Arved Fuchs sehr erfolgreich am Nordpol unterwegs war. Ich weiß nicht genau, was Reinhold Messner von seinem Partner erwartet hat, aber ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass diese Erwartungen enttäuscht wurden.

    Große Teile des Berichts war Kritik. Arved Fuchs ging zu langsam und musste angetrieben werden. Hätte man diese ständige Spannung verhindern können, wenn sich die beiden Männer im Vorfeld besser über den jeweils anderen informiert hätten? Dann war Arved Fuchs zu still und hat Messner gerade morgens nicht ausreichend motivieren können. Zumindest hat er aber im Zelt eine gemütliche Atmosphäre schaffen können. Das hat Messner so oft betont, dass es eher wie weitere Kritik klang als etwas Positives.

    Je länger die beiden Männer unterwegs waren, desto mehr wurde von Spannungen gesprochen. Dabei hat Messner sich als den Schaffer und Fuchs als denjenigen hingestellt, der seinen Teil nicht beigetragen hat. Ich hätte gerne dessen Seite gelesen, aber nach Ende der Expedition waren die Beiden so zerstritten, dass er keinen Beitrag zum Buch geleistet hat.

    Wenn zwei Alphamänner gemeinsam auf eine Expedition gehen, kann das gutgehen. Aber es muss nicht und wie das aussehen kann, hat Messner in seinem Buch eindrucksvoll gezeigt. Dabei ist leider das zu kurz gekommen, auf das ich gehofft habe, nämlich der Bericht über das wie. Es ist ein Buch hauptsächlich über Reinhold Messner und nur wenig über die Antarktis. Eines, das meine Vorurteile wieder ein wenig bestätigt hat.

    1ratte

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Über diese Expedition weiß ich nichts aus Sicht von Fuchs, aber ich habe ihn in letzter Zeit immer mal im Interview gehört und fand, dass er da angenehm bescheiden rüberkommt ... kann schon sein, dass die beiden Charaktere einfach viel zu unterschiedlich sind, als dass das hätte funktionieren können.


    Irgendwie hat es für mich auch meistens ein Geschmäckle, wenn jemand in seinem Buch eine andere Person so dermaßen miesmacht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Er ist ein sehr routinierter Erzähler und bedient sich in seinen Büchern (und auch in den Reportagen, die ich mit ihm gesehen habe), oft der gleichen Formulierungen, um den Fokus auf sich zu lenken. Das wirkt immer ein bisschen von oben herab, gerade wenn er über Teilnehmer gemeinsamer Unternehmungen erzählt.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.