Melanie Metzenthin - Als wir an die Zukunft glaubten

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    Das Leben in Hamburg, als es schwerer nicht sein konnte


    Ella ist jung und hat ihre eigenen Pläne. Sie möchte studieren und Ärztin werden, aber erst muss der Bruder seinen beruflichen Werdegang fortsetzen. Ella muss die Familie finanziell unterstützen. Für sie heißt es nun erst mal die Ausbildung zur Krankenschwester machen und somit Geld verdienen. Schon ihre Mutter hat als Krankenschwester in Hamburg gearbeitet. Doch Ella will mehr. Aber dann ergreifen die Nazis die Macht und einem Studium ist sie entfernter den je, ihr Antrag auf einen Studienplatz wird abgelehnt. Die Familie hat aber auch noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen und der jüngste Sohn Fredi versucht alles, um die Familie vor Schaden zu bewahren. Er arbeitet bei der Mordkommission in Hamburg und ist dabei, Karriere zu machen. An der Gestapo kommt er dabei nicht vorbei. Fredi beginnt seine ganz eigenen Pläne zu schmieden und in die Tat ums zusetzten.


    Dieser dritte Teil von „Die Hafenschwester“ beginnt im Jahre 1923 und erzählt von der Inflation und der ganzen Situation in Hamburg und im Rest von Deutschland. Das Buch erzählt aber auch die Geschichte der Krankenschwester Martha und ihrer Familie weiter. Eindrucksvoll schildert die Autorin Melanie Metzenthin von den Ereignissen dieser Zeit. Das Leben der Menschen wird lebendig. Gerade für die Frauen bringen die 20er-Jahre so viel Freiheit. Die Hoffnung auf ein gleichberechtigtes Leben mit den Männern ist gegenwärtig. Für Ella ist es eine Katastrophe, dass die finanzielle Lage der Familie es ihr unmöglich macht, ihren Traum zu leben. Mir haben diese Schilderung gut gefallen. Ich konnte durchaus mit Ella mitfühlen, aber auch die andere Seite ihrer Brüder verstehen und nachvollziehen. Die Autorin hat es gut verstanden, das Leben in dieser Zeit zu schildern.


    Dann geht es im zweiten Teil weiter mit dem Dritten Reich und das Leben wird schwerer. Auch hier schildert die Autorin glaubwürdig von dem Leben in dieser Zeit. Ihre Protagonisten haben einiges zu bewältigen und das Schicksal macht auch nicht vor ihnen halt. Die Jahre des Krieges werden ebenfalls noch geschildert und wecken Emotionen. Überhaupt konnte mich Melanie Metzenthin mit diesem dritten Band von „Die Hafenschwester“ fesseln. Ich habe die 700 Seiten in nur wenigen Tagen gelesen und mochte das Buch eigentlich nicht aus der Hand legen. Sie hat ihren Charakteren Leben eingehaucht und mich als Leserin an dem Leben ihrer Protagonisten teilhaben lassen.


    Zudem ist der historische Hintergrund gut in Szene gesetzt worden. Die Schilderungen der Ereignisse sind der Autorin wirklich gut gelungen. Es ist deutlich zu spüren, wie intensiv Melanie Metzenthin sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Diesen schweren Hintergrund dann mit ihrer fiktiven Geschichte der Krankenschwester Martha und ihre Familie zu verbinden, ist ihr gelungen. In ihrem Nachwort klärt sie noch einmal Fiktion und Wahrheit und erzählt davon, wie sie zu dieser Geschichte von Martha gekommen ist.


    Fazit:


    „Als wir an die Zukunft glaubten“ ist ein gelungener Abschluss dieser einfühlsamen Trilogie. Das Leben von Martha und ihrer Familie hat mich einige Zeit lang begleitet und es hat Spaß gemacht von ihrem Leben, ihren Wünschen und Träumen und von ihrer Familie zu lesen. Auch wenn die Zeiten für sie nicht immer einfach waren, waren sie doch wunderbar zu lesen.


    5ratten

  • Abschlussband der Hafenschwester-Trilogie


    Hamburg in den 1920er Jahren: Der erste Weltkrieg liegt hinter der Familie Studt, aber während der ersten Wirtschaftskrise in diesem Jahrzehnt haben sie all ihre Ersparnisse verloren. Die Familie muss zusammenhalten, daher stellt Ella, die Tochter von Martha und Paul, ihren großen Traum vom Medizinstudium vorerst zurück, um die Familie zu unterstützen.


    Ihr Bruder Rudi, der mit seiner offenen und manchmal auch vorlauten Art im Vorgängerband mich oftmals belustigt hat und dadurch im Gedächtnis geblieben ist, macht im vorliegenden Buch eine nicht so schöne Wandlung durch. Er fühlt sich von seiner Familie nicht verstanden und während seine Eltern und seine Schwester den Gürtel enger schnallen, damit sie die Wohnung halten können, führt er als Student in ausschweifendes Partyleben. Als er in ernstzunehmende Schwierigkeiten gerät, kann er zwar auf seine Familie zählen, jedoch entzweit ihn sein anschließendes Verhältnis immer mehr von ihr.


    Ella möchte unbedingt Ärztin werden, um dieses Ziel zu erreichen, muss sie härter arbeiten als die männlichen Anwärter für das Medizinstudium. Glücklicherweise gibt es Ärzte, die sie unterstützen, wo sie nur können, aber gegen die Dummheit ihres Bruders Rudi können diese auch nichts ausrichten, der Ella mit seinem Verhalten alle Chancen zu nehmen droht. Dass sie zunehmen eine große Wut auf ihren Bruder verspürt, ist für mich jedenfalls absolut nachvollziehbar.


    Alfred oder Fredi, der ruhigere Spross der Studt-Familie, macht dagegen eine erstaunliche Entwicklung durch. Er meistert erfolgreich seine Ausbildung bei der Mordkommission, wie er es sich immer gewünscht hat, aber als er fertig ist, kommen die Nazis an die Macht und es beginnt ein anderer Wind innerhalb der Polizei zu wehen. Fredi liebt seinen Beruf und will ihn nicht aufgeben, auch wenn er mit der Ideologie der Nazis nichts anfangen hat. Da schließt er mit der Gestapo einen gefährlichen Pakt, der ihn den Kopf kosten kann. Fredis Mut und gespielte Kaltblütigkeit hat mich immer wieder erstaunt, aber gleichzeitig habe ich gefürchtet, ob er dieses doppelte Spiel über all die Jahre bis 1945 durchhalten kann, da es auch eine enorme psychische Belastung darstellte. Ich denke, ohne Henny an seiner Seite wäre es deutlich schwerer geworden.

    Henny, Fredis erste Liebe, deren größter Wunsch es ist, mit Fredi eine Familie zu gründen und im Haushalt glücklich zu werden – ich gebe zu, ich habe ein wenig bei diesen altbackenen Vorstellungen die Augen gerollt und dabei die junge Frau völlig unterschätzt, die über einen messerscharfen Verstand verfügt und in allen Situationen die Nerven behält.


    Der Fokus im dritten Band liegt diesmal mehr auf dem Leben der drei Kinder von Martha und Paul, aber natürlich kommen auch die Eltern nicht zu kurz. Aber auch all die anderen liebgewonnenen Charaktere wie Moritz, Marthas Bruder und seine Familie oder Milli haben ihren Auftritt. Der Zeitraum dieses Buches umfasst mehr als 20 Jahre, leider bleibt es dabei nicht aus, dass einige Charaktere das Ende des Buches nicht mehr erleben, manche friedlich, manche tragisch.


    Das versöhnliche Ende dieser tollen Reihe hat mir nochmal richtig gut gefallen, vor allem weil es dem Titel dieses dritten Bandes voll gerecht wird.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Karin

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    Melanie Metzenthin: Die Hafenschwester. Als wir an die Zukunft glaubten, Roman, Band 3 von 3, München 2021, Diana Verlag, ISBN 978-3-453-29246-8, Klappenbroschur, 703 Seiten, Format: 13,7 x 5,5 x 20,7 cm, Buch: EUR 15,00 (D), EUR 15,50 (A), Kindle: EUR 11,99. Auch als Hörbuch lieferbar.


    Die Kinder der Hafenschwester

    Der dritte und letzte Band der Hafenschwester-Reihe beginnt im Jahr 1923 und endet 1955. Es geht hier weniger um die Helden der beiden Vorgängerbände – die Hamburger Krankenschwester und engagierte Sozialdemokratin Martha Studt und ihren Mann, den kriegsversehrten Ingenieur Paul -, sondern um deren drei Kinder.


    Die Werte, die man Rudolf, Alfred und Ella Studt daheim vorgelebt hat, sind nicht kompatibel mit dem aufkommenden politischen Zeitgeist. Wie die drei versuchen zu überleben, ohne ihre Ideale zu verraten und inwieweit ihnen das gelingt, schildert dieser Roman.


    Die 700 Seiten sind ein ganz schöner Brocken, aber es ist so viel los in dieser Geschichte, dass man sich ruckzuck durchgefräst hat und am Schluss denkt: Ach, schon zu Ende? Schade!


    Rudi fühlt sich zurückgesetzt

    Darum geht’s: Irgendwie scheint Rudi, das älteste der Studt-Kinder, nie verkraftet zu haben, dass ihn seine jüngeren Geschwister als „Prinz“ entthront haben. Permanent fühlt er sich zurückgesetzt und zu kurz gekommen und hat den Eindruck, der langweilige Fredi und die hübsche Ella würden bevorzugt.


    Das führt zu einem handfesten Skandal und Rudi muss die Uni verlassen.


    In Berlin könnte er weiterstudieren, allerdings fehlen seinen Eltern dafür die nötigen finanziellen Mittel. Es sei denn, sie gäben Rudi das Geld, das sie für Ellas Medizinstudium zur Seite gelegt haben und er würde es ihr zurückzahlen, sobald er etwas verdient. Dann könnte sie studieren. Um diese Wartezeit zu überbrücken, könnte sie ja eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. Um des lieben Familienfriedens willen stimmt Ella zähneknirschend zu, bezweifelt aber, dass das klappt.


    Gleichberechtigung? Nö.

    Der mittlere Bruder, Fredi, will zum Glück nicht studieren. Er schlägt die Polizeilaufbahn ein, lernt die Näherin Henny kennen und schmiedet alsbald Heiratspläne. Weil Fredi auf Hochzeit und Hausstand spart, muss er daheim auch kein Kostgeld abgeben – im Gegensatz zu Ella. Sie subventioniert quasi das Leben ihrer Brüder. Ihre Familie redet zwar viel von Gleichberechtigung, aber an der praktischen Umsetzung hapert’s.


    Fassungslos staunend erlebt Fredi mit, wie Kollegen, die er bislang für ganz normal und anständig gehalten hat, auf einmal krude rassistische Thesen vertreten. Er findet das abstoßend, ist aber so schlau, das für sich zu behalten. Anwalt Rudi dagegen hält sich für unbesiegbar und legt sich mit Leuten von der NSDAP an. Dies und die Tatsache, dass er mit einer Schauspielerin jüdischer Abstammung liiert ist ruft die SA auf den Plan.


    Ein Pakt mit dem Teufel

    Rudi landet in KZ und um ihn zu befreien, geht Fredi einen Pakt mit dem Teufel ein.


    Ein todsicherer Plan

    Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis Fredis politisches Doppelleben auffliegt. Und bei Verrat versteht die Partei keinen Spaß. Doch Cousine Lilli, hart und pragmatisch wie ihre Mutter, hat einen angeblich todsicheren Plan. Und der sollte besser schnell funktionieren ...!


    Ja, die Homo sapiense sind schon sehr unzulänglich! Aus Gedankenlosigkeit und Egoismus fügen sie einander Schaden zu (Rudi/Ella), aus Dummheit oder Naivität gefährden sie sich und andere (Rudis Schwiegereltern, Fredis Nachbar und vor allem der Musiker Siegmund Bromberg, der viel zu weltfremd ist, um zu erkennen, was für seine Retter und ihn auf dem Spiel steht). Und es fällt ihnen schwer, zu verstehen, dass der alte Freund, der nette Kollege, der liebevolle Familienvater oder der charmante Liebhaber auch zu unfassbaren Gräueltaten fähig ist. Wie die „helle“ und die „dunkle“ Seite eines Menschen nebeneinander existieren können, ist auch kaum zu begreifen.


    Wird alles immer schlimmer?

    Auch die Menschen, die für eine gute und gerechte Sache eintreten, sehen sich auf einmal zu Aktionen genötigt, die denen der Gegenseite an Brutalität und Grausamkeit kaum nachstehen. Wir verstehen warum es Martha und ihrer Familie zunehmend schwer fällt, an eine bessere Zukunft zu glauben.


    „Immer, wenn ich glaubte, das Leben wird besser und einfacher, wurde alles noch schrecklicher.“ – „Ja“, sagte Moritz. „Aber irgendwann wird es wieder besser.“ (Seite 569)

    Doch nicht für alle tritt diese Prophezeiung von Marthas altem Freund ein.


    Manche Passagen sind schwer zu ertragen. Die KZ- und Folterszenen, zum Beispiel oder die Bombardierung der Stadt, aber darum kommt man bei diesem Thema einfach nicht herum. Die inneren und äußeren Konflikte und die Entwicklung der Figuren sind überaus spannend. Und wie aus stinknormalen Leuten Folterknechte und noch Schlimmeres werden konnten, sehen wir hier auch.


    Kleine Leute in schwierigen Zeiten

    „(...) Ich hatte mir vorgenommen, anhand von Marthas Familiengeschichte ein zeitgeschichtliches Bild von der Weimarer Republik über die Schrecken des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs bis zum Beginn des Wirtschaftswunders zu zeichnen“, schreibt die Autorin im Nachwort. „Meine Protagonisten stehen für viele kleine Leute, die in schwierigen Zeiten das Richtige getan haben.“ (Seite 698)


    Dieses Vorhaben ist der Autorin geglückt. Ich werde die Familie Studt vermissen: die lebenskluge Martha, die unerschütterliche Li-Ming, den gewieften Fredi und seine lange unterschätzte Frau sowie so unverzichtbare Nebenfiguren wie den schlitzohrigen Geschäftsmann Joseph Kellermann. Und natürlich Papagei Lora. Die Trauung von Fredi und Henny hat der Vogel ja zu einem schönen Spektakel gemacht!


    Die Autorin

    Melanie Metzenthin lebt in Hamburg, arbeitet als Fachärztin für Psychiatrie und wurde mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet. Mit der Vergangenheit ihrer Heimatstadt fühlt sie sich ebenso verbunden wie mit der Geschichte der Medizin, was in vielen ihrer Romane zum Ausdruck kommt. »Die Hafenschwester. Als wir an die Zukunft glaubten« ist der dritte Band einer Serie um die Krankenschwester Martha.