Bernhard Schlink - Die Enkelin

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    Titel: Die Enkelin

    Autor: Bernhard Schlink


    Allgemein:

    368 S.; Diogenes, 2021


    Inhalt:

    Sommer 1964: Birgit, eine Studentin aus Ostdeutschland und Kaspar ein Student aus dem Westen verlieben sich. Sie fliegt mit seiner Hilfe. Nach ihrem Tod viele Jahre später, entdeckt Kaspar als mittlerweile siebzigjährige das große Geheimnis seiner Frau: Sie hatte vor ihrer Flucht eine Tochter zur Welt gebracht und diese in der DDR zurück gelassen. Kaspar beschließt die nun erwachsene Tochter zu finden. Wenigstens das möchte er für Birgit tun können. Doch Svenja ist wenig begeistert. Im Grunde hat sie kein Interesse an einer Bekanntschafft. Doch ihre vierzehnjährige Tochter ist hell auf begeistert von diesem neuen Großvater der plötzlich in ihr Leben getreten ist. Kaspar bemüht sich trotz der Differenzen mit der völkischen Gesinnung von Svenja und ihrem Mann, einen Zugang zur Enkelin herzustellen. Zwei fremde Welten die sich nur schwer mit einander vereinbaren lassen. Und doch fühlen sich beide miteinander verbunden...


    Meine Meinung:
    Ein Stückweit mag wohl auch meine Erwartungshaltung schuld daran sein, aber mir gefiel "Die Enkelin" nur bedingt. Für mich liegt das vor allem auch daran, das Schlink sich meiner Meinung nach zu sehr in Klischees verliert. Diese Klischees beziehen sich vor allem auf die Ostdeutschen Figuren rund um die titelgebende Enkelin. Fast schon unvermeidlich ist die Familie von Birgits Tochter ausgerechnet rechtsradikal eingestellt (wenn man bedenkt das Birgit aus der DDR kam irgendwie auch ein weiterer Gegensatz der übertrieben wirkt). Das heißt nicht, das es nicht ein Problem ist, aber ich finde das man über Ostdeutschland auch differenzierter schreiben kann und sollte. Ich finde nicht, das es zur Debatte beiträgt, wenn man "Ostdeutschland" auf diesen Aspekt reduziert. Zu Mal man damit sowieso verdeckt, das wir hier ein Problem das wir in der gesamten BRD haben auf einen Teil des Landes verschiebt. Mir persönlich war das einfach viel zu plakativ.


    Ich habe mich aber ohnehin eher für das Leben von Birgit interessiert. Ich hätte mir da wohl mehr Einblicke gewünscht. So richtig überzeugend fand ich nämlich Birgits Gründe die DDR zu verlassen nicht. Oberflächlich war da ihre große Liebe zu Kaspar, aber so richtig ihre Entscheidung war das Ganze ja nicht unbedingt. Sie läuft vor ihrem Leben dort meiner Meinung nach vor allem davon, um auch ihre Schwangerschaft und ihre alte Liebschaft hinter sich zu lassen. Einzig die Geheimnisse die Birgit vor Kaspar hat und wie es dazu kommt, das er erst nach ihrem Tod davon erfährt, fand ich sehr glaubwürdig und überzeugend dargestellt.
    Diese Ambivalenzen fand ich eigentlich insgesamt recht interessannt, weil es zeigt, das die Antworten auf viele Fragen eben nicht so leicht in schwarz oder weiß einzuteilen sind. Ich hätte mir hier mehr Ansätze gewünscht. Die scheinen zwar hi und da durch - etwa Svenjas Situation in der Familie ihres Vaters und ihre Heimerfahrungen in der DDR.- aber bleiben leider ein kleiner Aspekt nebenbei.

    Der Roman beleuchtet eher, wie Kaspar durch Birgits Tod plötzlich die Chance hat, eine neue Familie zu finden. Mir persönlich fehlte da ehrlich gesagt etwas Substanz. Ich konnte mit diesem eher Emotionalen Zugang wenig anfangen. Auch wenn der Roman an einer Stelle eine Wendung nimmt, die mir gut gefiel, da Schlink es zumindest hier schafft, nicht ein moralisches Klischee abzudriften. Immerhin. Auch gut fand ich das Kaspar sich wirklich bemüht, mit der Familie aus zu kommen obwohl sie so weit weg von seinem Weltbild sind.


    Für mich hätte der Roman aber wohl besser funktioniert, wenn er sich stärker mit der DDR Geschichte auseinander gesetzt hätte. Wenn man den Roman unter diesem Punkt lesen möchte, wird man meiner Meinung nach eher enttäuscht.

    Von mir gibt es daher: 3ratten

  • Gebundene Ausgabe: 368 Seiten

    Verlag: Diogenes (27. Oktober 2021)

    ISBN-13: 978-3257071818

    Preis: 25,00 €

    auch als E-Book erhältlich


    Berührende Begegnung


    Inhalt:

    Kaspar verhilft seiner ostdeutschen Freundin Birgit zur Flucht. Alles könnte so schön sein, doch Birgit trägt schwer an einer Last. Erst nach ihrem Tod erfährt Kaspar davon und macht sich auf, um Birgits unvollendeten Weg weiterzugehen. In einer völkischen Gemeinschaft findet er eine Enkelin, die ihm schnell ans Herz wächst, die er aber nicht aus ihrer Umgebung herauslösen darf. Ganz sachte entspinnt sich eine wunderbare Freundschaft.


    Meine Meinung:

    Anfangs konnte Bernhard Schlink mich nicht gleich abholen. Die Geschichte der Flucht und der entstehenden Liebe zwischen Kaspar und Birgit fesselten mich nur wenig. Die Erzählung erschien mir zu verzettelt.


    Die titelgebende Enkelin erscheint praktisch erst in der zweiten Hälfte des Buches. Ab hier war ich nun endlich ganz dabei. Mir gefiel die sanfte Annäherung zwischen zwei Menschen, die sich gerade erst kennenlernten und doch relativ offen füreinander sind, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Welten kommen. Kaspars Bemühungen um die vierzehnjährige Sigrun berührten mich sehr. Gespannt verfolgte ich, wie sich die beiden einander annähern und hoffte mit ihnen auf ein gutes Ende.


    Bernhard Schlinks Schreibstil ist dabei leicht zu lesen und trotzdem etwas Besonderes.


    ★★★★☆

  • Mir hat es auch gefallen!


    Ja, es ist ein ganz besonderes Erbe, mit dem sich Kaspar nach dem plötzlichen Tod seiner Frau konfrontiert sieht: sie, der er Mitte der 1960er Jahre zur Flucht aus der DDR verhalf, hatte eine Tochter. Die allerdings in die Untiefen rechter Gesinnung abgetaucht ist und, als Kaspar sie nach langer Suche findet, auch kein Interesse hat, daraus wieder aufzutauchen.


    Doch sie hat selbst ein Kind, eine knapp fünfzehn Jahre alte Tochter namens Sigrun, die in ihrem bisherigen Leben nur völkische Gesinnung und rechtes Gedankengut mitbekommen hat und - wie könnte es anders sein - davon vollkommen überzeugt ist.


    Dennoch schafft es Kaspar, ihre Eltern - der Vater ist um Längen schlimmer, also völkischer und "rechter" als die Mutter, davon zu überzeugen, Sigrun in den Ferien zu ihm zu lassen. Und zwar mit schnödem Mammon, der auch in völkischen Kreisen seinen Reiz hat.


    Sowohl für Kaspar als auch für Sigrun bedeuten diese Besuche das Kennenlernen einer vollkommen neuen Welt, in der es zunächst kaum Gemeinsamkeiten gibt. Doch - überraschend für Kaspar - erfolgt eine Annäherung über klassische Musik.


    Zerbrechlich allerdings, wie bald klar wird. Ein Roman, der zwei vollkommen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen Deutschlands einander gegenüber stellt: einen immer noch eher links orientierten Intellektuellen der 1960er Jahre und einem lange nach der Wiedervereinigung geborenen Mädchen, das nur die Kreise der Neurechten kennt und sich darin bisher wohlgefühlt hat.


    Mir hat gefallen, dass Bernhard Schlink in diesem Roman krumme Wege geht. Es gibt überraschende Gegenüberstellungen, Aburteilungen erfolgen auf beiden Seiten, wobei aber immer klar bleibt, auf welcher davon der Autor selbst steht. Auch wenn ich ab und an über ein - kleines - Klischee stolperte, habe ich den Roman mit großem Gewinn gelesen - denn ich bekomme niemals genug von verschiedenen Sichtweisen auf Deutschland und dies ist eine durchaus besondere! Gewissermaßen in der Tradition des "Vorlesers", aber beide Romane sind Kinder ihrer jeweiligen Entstehungszeit und damit völlig unterschiedlich!

    4ratten

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Wie gewonnen, so zerronnen...


    Bernhard Schlink hat mich schon mit diversen Geschichten begeistern können und auch auf diese war ich sehr gespannt und ich bekam wie immer mehr als ich erwartet hatte.


    In der Geschichte geht es um Kaspar, der seine Frau verliert. In ihren Unterlagen deckt er ein Geheimnis auf, denn sie hat eine Tochter. Er begibt sich auf die Suche. Was wird er finden? Wird er sie finden und wird sie überhaupt Kontakt haben wollen?


    Der Roman startet direkt mit einem Paukenschlag, denn Ehefrau Birgit stirbt. Da musste ich schlucken und dachte mir: das wird wohl eine Achterbahnfahrt der Gefühle und so kommt es dann auch.


    Der Roman ist in drei Teile gegliedert. Wir erleben die Vergangenheit, in der sich Birgit und Kaspar kennenlernen, sowie die Gegenwart in der Tochter und Enkelin auf den vermeintlichen Großvater treffen. Jeder Part ist für sich spannend und berührend.


    Schlink hat mich vor allem ergriffen mit dem nüchtern beschriebenen Rechtsextremismus. Hier hätte ich gern die betroffenen Protagonisten geschüttelt und ihnen die Augen geöffnet. Es kam sehr gut rüber wie verblendet man sein kann, wenn man nichts anderes kennt und dies als Wahrheit ansieht.


    Dem Autor gelingt es zudem darzustellen, dass das Leben eben selten eitel Sonnenschein ist und dass eben auch Partner vor einander Geheimnisse haben können.


    Für mich eine intensive Geschichte, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Gute Unterhaltung, die auch zum Nachdenken anregt.


    Fazit: Ein berührender Roman über die Wege von Familienbanden, den ich nur wärmstens empfehlen kann. Klasse!


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Ich finde, dass man dem Roman durchaus brauchbare Ansätze im Umgang mit Kindern übernehmen kann. Der Stiefopa versteht es gut, die Enkelin auf seine Seite zu ziehen. Es ist schon eine knifflige Situation, einem Kind Geborgenheit und Spaß zu vermitteln ohne mit den Ansichten der Eltern zu kollidieren.