Daniel Kehlmann - Die Vermessung der Welt

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  • Hi!


    Wieso? Wir sind sehr on topic: Wir vermessen gerade die Welt anhand der Spuren grosser Gelehrter und Autoren. :clown:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Wieso? Wir sind sehr on topic: Wir vermessen gerade die Welt anhand der Spuren grosser Gelehrter und Autoren. :clown:


    Was mich nicht daran hindern wird, diesen Dialog in den nächsten Tagen abzutrennen :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • *rauskram*


    Hallo,


    ich bin gestern mit dem Buch fertig geworden und bin mir immernoch nicht sicher, ob ich es mag.
    Ich hatte bewußt eure Kommentare vorher nicht gelesen, da ich gern dazu tendiere, daraus
    Rückschlüsse zu ziehen :redface:


    Was mir relativ schnell unangenehm aufgestoßen ist, war die ständige indirekte Rede. Irgendwie mag
    ich das nicht :rollen:


    Ich hätte mir gewünscht, dass kürzere Lebensabschnitte der beiden beleuchtet werden.So bleibt alles
    etwas flach. Und wie oben schon geschrieben wurde, gehen auch die philosophischen Gedanken nicht
    besonders in die Tiefe.
    Das ganze Buch bleibt einfach an der Oberfläche :sauer:
    Auch wenn ich solche Bücher ab und an brauche - DAS ist nicht das richtige Thema dazu :rollen:

    LG<br />Anne

  • Hallo!


    Hier kann man nachlesen, wie die Welt auf den Bestseller reagiert. Jedenfalls die 7 Teile für die der Roman übersetzt wurde. :smile:


    Gruß,
    Conny

  • Mir hat das Buch gut gefallen, das mag aber auch an der Einstellung gelegen haben, mit der ich herangegangen bin und die maßgeblich auch vom Umfang beeinflußt wurde. Daher war mir nämlich z. B. klar, daß es keine erschöpfenden Biographien von Humboldt und/oder Gauß geben würde, genausowenig wie ich tiefschürfende philosophische Abhandlungen erwartet habe (dann hätte ich es vermutlich auch gar nicht zur Hand genommen :breitgrins:). Einige "Anekdoten" kannte ich schon aus anderen Quellen - wie z. B. Gauß' Trick mit den 50 * 101. Über Humboldt und insbesondere seine Südamerikareise gab es vor ein paar Jahren eine sehenswerte Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn, in deren Folge ich mir seine Beschreibung der Reise in die Äquinoktial-Gegenden des Neuen Kontinents (damals gerade frisch vom Insel-Verlag wieder aufgelegt) gekauft und - bislang leider nur in Auszügen - gelesen habe.
    Interessant fand ich vor allem das Wechselspiel, das sich aus der Betrachtung dieser so gegensätzlichen Lebensläufe, die doch dem gleichen oder wenigstens einem sehr ähnlichen Ziel dienten, ergab. Aber während Humboldt den experimentellen und "begreifenden" Ansatz wählte, tat Gauß dieses im abstrakten Raum der Mathematik. Das war bei aller Knappheit durchaus amüsant zu lesen.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Vorweg:
    Ich bin niemand, der die Bestsellerliste zur Hand nimmt, in die Buchhandlung geht und dann eins nach dem anderen abhakt. Bei Bestsellern bin ich generell misstrauischer als bei anderen Büchern, weil man gleich das Gefühl hat da wurde nur wieder etwas übertrieben hochgelobt und dann von vielen gekauft.
    Ich weigere mich aber auch nicht ein Buch zu kaufen, das auf der Bestsellerliste steht, nur weil es eben viele gelesen bzw. gekauft haben. Aus Erfahrung muss ich mir selbst eingestehen, dass mir "Mainstream"-Bücher manchmal gefallen, nicht immer, aber ab und zu schon. Ich sehe mich deswegen nicht als weniger anspruchsvoll als Leser, die Bestseller meiden. Aber mit meinen fast achtzehn Jahren bin ich wahrscheinlich unerfahrener als die meisten; und vielleicht ändere ich meine Meinung auch noch.


    Beim ersten Lesen hat mir "Die Vermessung der Welt" jedenfalls gut gefallen. Ich habe nicht allzu viel erwartet, bin aber auch nicht mit einer negativen Einstellung an das Buch herangegangen. Ich habe einmal laut gelacht, ansonsten viel geschmunzelt. Es ist bestimmt nicht das beste oder lustigste Buch des Jahres - oder was ihm sonst noch so nachgesagt wird. Aber es hat mich gut unterhalten.

    :leserin: : &quot;Was ist Leben?&quot; - Erwin Schrödinger

  • Kathrin89: Ich bin auch vorsichtig mit Büchern, die auf irgendwelchen Bestsellerlisten stehen/standen. Hab' die Erfahrung gemacht, daß ich gerade von diesen Büchern meistens zuviel erwartet habe, und dann hinterher sehr enttäuscht war. (Ich werde nie verstehen, was alle an der Päpstin so toll fanden.)


    "Die Vermessung der Welt" habe ich mir gekauft, weil mehrere Kollegen so davon geschwärmt haben. Denn eigentlich hätten mich Titel und Covergestaltung eher in die andere Richtung des Buchladens laufen lassen. :smile: Aber da es mir empfohlen wurde habe ich mich doch rangewagt. Ich hatte es an einem Tag durch. Ich bin begeistert. Es ist einfach herrlich geschrieben. Die beiden Wissenschaftler werden so drollig dargestellt, daß ich stellenweise tatsächlich laut auflachen mußte. Es stimmt einen aber auch nachdenklich, wenn man sich vor Augen führt, daß diese Menschen - was zwischenmenschliche Beziehungen betrifft - ziemlich versagt haben. Naja, was heißt versagt ... sie waren einfach nicht fähig dazu.
    In meinen Augen ein sehr gutes Buch, das ich gerne weiterempfehlen werde.

  • Klappentext:
    Gegen Ende des 18. Jahrhunderts machen sich zwei junge Deutsche an die Vermessung der Welt.
    Der eine, Alexander von Humboldt, kämpft sich durch Urwald und Steppe, befährt den Orinoko, erprobt Gifte im Selbstversuch, zählt die Kopfläuse der Eingeborenen, kriecht in Erdlöcher, besteigt Vulkane und begegnet Seeungeheuern und Menschenfressern.
    Der andere, Mathematiker und Astronom Carl Friedrich Gauß, der sein Leben nicht ohne Frauen verbringen kann und doch sogar in der Hochzeitsnacht aus dem Bett springt, um eine Formel zu notieren - er beweist auch im heimischen Göttingen, dass der Raum sich krümmt.
    Alt, berühmt und auch ein wenig sonderbar geworden, treffen sich die beiden 1828 in Berlin. Doch kaum steigt Gauß aus seiner Kutsche, sind sie schon tief verstrickt in die politischen Wirren Deutschlands nach dem Sturz Napoleons.


    Autor:
    Daniel Kehlmann wurde 1975 in München geboren und lebt seit 1981 in Wien, wo er Philosophie und Literaturwissenschaft studierte. Für seine Romane und Erzählungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.


    Meinung:
    Ich hätte mir das Buch wahrscheinlich nicht selber gekauft, weil zum einen hochgejubelte Bestsellerbücher oft nicht meinen Geschmack treffen, zum anderen aber auch weil ich einfach zu geizig bin, für ein gerade mal 300 Seiten starkes Buch 20 € hinzulegen. Aber ich bin nicht drumherum gekommen, weil ich es geschenkt bekommen habe. Vorsichtshalber habe ich es auf meine SLW 07 Liste gesetzt, damit ich es auch wirklich lese.
    Am Anfang war ich überrascht, wie gut es mit gefällt. Ich habe schnell in den Schreibstil hereingefunden, fand es stellenweise sehr humorvoll und es hat mich neugierig auf die beiden Wissenschaftler gemacht, die ich vorher zwar vom Namen her kannte, aber über deren Werk ich nicht besonders informiert war.
    Aber umso weiter ich las umso öfter ertappte ich mich dabei, dass ich mir wünschte, bald durch zu sein. Teilweise wurden mir die mathematischen Erklärungen von Gauß zu detailliert und auch die Beschreibungen von Humboldt zu langatmig.
    Wenn ich eine Biographie lese, ist das in Ordnung, dann habe ich auch Lust, mich darauf einzulassen, aber in einen Roman hatte es einfach den Effekt, dass ich mich gelangweilt habe.
    Auch hätte ich mir vom Zusammentreffen der beiden mehr erwartet.


    Fazit: Das Buch hat mich stellenweise gut unterhalten und es hat dafür gesorgt, dass ich jetzt zwei Biographien über Gauß und Humboldt besitze auf die ich mich sehr freue. Ansonsten finde ich die Lobeshymne auf dieses Buch völlig überzogen und ich bin froh, keine 20 € dafür bezahlt zu haben :zwinker:


    3ratten

  • Zwei kluge Köpfe stehen im Mittelpunkt des Romans, die beide im Deutschland des frühen 19. Jahrhunderts auf ihre Weise die Welt vermessen wollen - und die verschiedener kaum sein könnten.


    Carl Friedrich Gauß, ein verschrobener Einzelgänger, der am liebsten keinen Fuß vor die Tür setzt und aus einfachen Verhältnissen stammt, fiel schon als Kind durch seine rasche Auffassungsgabe auf, fühlte sich zeitlebens den meisten anderen Menschen geistig weit überlegen und lebt eigentlich nur für seine Formeln und Berechnungsmodelle, die als Mathematiker und Astronom sein Lebensinhalt sind.


    Alexander von Humboldt stammt aus einer adeligen Familie, erhielt eine erstklassige naturwissenschaftliche Ausbildung (während seinem Bruder geisteswissenschaftliche Bildung zuteil wurde) und ist neugierig und offen, was die Welt alles zu bieten hat. Auf einer Entdeckungsreise nach Südamerika befährt er mit Einheimischen den Orinoco, begegnet wilden Tieren und alten Kultstätten und trotzt diversen Gefahren.


    Als alte Männer treffen die beiden in Berlin zusammen, wo das politische Geschehen sie einholt...


    Diese beiden so unterschiedlichen Männer porträtiert Daniel Kehlmann mit Witz und Tiefgang und streift hier und da wissenschaftliche Themen und die damaligen Vorstellungen über Zusammenhänge in der Natur, was sich natürlich wesentlich interessanter liest als trockene Abhandlungen.


    Am besten gefielen mir die Passagen über die Lebensgeschichte der beiden Forscher. Die Verflechtungen mit der deutschen Geschichte zum Schluss hin passten für mich nur bedingt ins Bild, und ich hätte gerade gegen Ende lieber noch etwas mehr über die beiden Männer gelesen als über die Wirren der damals aktuellen politischen Lage.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Am besten gefielen mir die Passagen über die Lebensgeschichte der beiden Forscher. Die Verflechtungen mit der deutschen Geschichte zum Schluss hin passten für mich nur bedingt ins Bild, und ich hätte gerade gegen Ende lieber noch etwas mehr über die beiden Männer gelesen als über die Wirren der damals aktuellen politischen Lage.


    Zum Schluss hat der Autor für mich ein soweit nicht-übles Buch völlig vermasselt. Die Idee, die beiden zusammenzuführen, wäre so blöd nicht gewesen - aber er macht nichts draus ... er macht nichts draus ... :heul:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Zum Schluss hat der Autor für mich ein soweit nicht-übles Buch völlig vermasselt. Die Idee, die beiden zusammenzuführen, wäre so blöd nicht gewesen - aber er macht nichts draus ... er macht nichts draus ... :heul:


    Deine Kritik am Schluss hatte ich beim Lesen schon im Hinterkopf und muss Dir nach abgeschlossener Lektüre wirklich recht geben.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich bin etwas zwiegespalten bei diesem Buch. Der leise Humor gefiel mir gut; schade, dass er gegen Ende hin immer mehr versandete. Der Stil - etwas ungewöhnlich, aber dennoch gut zu lesen. Spannend fand ich den Bericht über Humboldts Expedition, der gerne auch ausführlicher hätte ausfallen dürfen. Ich grüble allerdings immer noch nach, warum von allen Zeitgenossen ausgerechnet Gauß als Gegenpart (ohne Funktion) ausgewählt wurde, warum sich die beiden erst so spät trafen und was das eigentlich bewirken sollte.


    Trotzdem hat die Lektüre Spaß gemacht. Mir gefällt der Gedanke, dass es eine Zeit gab, in der man durch die Welt reisen und immer noch etwas Neues entdecken konnte. 4ratten


    Zu guter Letzt hat mich das Buch animiert, meine Humboldt-Biografie aus dem SUB zu ziehen und wenigstens schon einmal durchzublättern.


    Gruß
    Doris

  • Zitat

    Ich glaube, dass man Kehlmanns Buch doch nicht als historischen Roman lesen sollte. Es ist wirklich eine Parabel über die Vermessbarkeit der Welt - als solche leider arg vorhersehbar


    Hallo sandhofer,
    im Wesentlichen stimme ich deiner Beurteilung des Buches zu. Für mich ist es eine Fleißarbeit, gut recherchiert, geschickt komponiert und insgesamt so geschrieben, dass es zum Humbold-Jubiläum rechtzeitig monatelang die Bestenliste anführte und jede Menge Preise bei den Bildungsbeflissenen einbrachte für den Autor. Als Bestenlisten-Hasser, der in der Regel derart hochgepuschte Bücher meidet, um sich ihnen erst dann zuzuwenden, falls überhaupt, wenn sie als Taschenbücher oder im Ramsch ihr wahres Gesicht zeigen müssen, hat mich leider der Rummel doch gepackt und ich erstand die teure Taschenbuchausgabe. Nach den ersten Kapiteln wird die Vorhersehbarkeit des Inhalts und des Stils quälend und erstickt das Interesse am Lesen. Mir schoben sich immer wieder Müdigkeitsphasen zwischen die Lektüre. Wenn Gauss dann noch, ach wie prophetisch, neuere Technologien vorhersieht, das öfter wiederholt wird, wird's noch monotoner. Man ahnt, was für ein interessanter Typ der Humbuldt gewesen sein muss und bekommt vielleicht Lust darauf, seine Werke im Original zu lesen. (Dass der Alexander schwul war, traut sich Kehlmann nicht mitzuteilen, der Leser muss es erahnen. Bloß nichts direkt sagen oder benennen!)
    Aber, als weiterer Kritikpunkt, was soll uns diese Parabel aufs Weltvermessen aus dem 19. Jahrhundert, in dem die Wissenschaften ja erst richtig zur Hochform aufliefen heute? Ich vermisse bei der Lektüre so etwas wie eine persönliche Sprache, eine existentielle Wucht, mit der ein Mensch mir etwas vermitteln will, etwas Schönes, Anregendes, Provokatives, Aufregendes. Statt dessen perfekte Hausaufgabenerfüllung, die auch promt mit lauter Einsern belohnt wird. Nein, das ist mir zu kalt, zu perfekt, zu sehr gedrechselt und durchgestaltet, zu distanziert (weswegen die Konjuntivitis nervt), die ein anderer Autor , Jörg Uwe Sauer, besser und angemessener zu nutzen wusste, so dass sich sein Buch mit großem Gewinn lesen lässt.


    Sauer, Jörg Uwe Uniklinik
    (Taschenbuch)
    Preise & Preisvergleich: 7,90 € - 8,95 €


    Ein anderer vorzüglicher und auch historischer Roman wäre etwa der Roman "Grabbes letzter Sommer" von Thomas Valentin, in dem der verzweifelte Grabbe den Leser wirklich packt.


    VALENTIN, Thomas:
    Grabbes letzte Sommer.
    Roman. Ullstein, Bln., 1980. 205 S.



    Kurz: Kehlmanns Buch ist mir zu dröge, zu bildungsbeflissen, zu bemüht. Dagegen liest sich Uwe Tellkamps "Eisvogel" mit ganz anderer Wucht.


    Uwe Tellkamp: Der Eisvogel. Roman.
    Berlin: Rowohlt Berlin Verlag 2005.
    ISBN 3-87134-522-9.
    318 Seiten.
    EURO 19,90 (inzwischen billiger als Taschenbuch)


    Alle drei Bücher, die ich angeführt habe, scheine mir um ein Vielfaches besser als der Kehlmann-Roman.


    Güße


    geronemo

  • Die Art und Weise, in der das Buch geschrieben ist, hat mir sehr gut gefallen. Es ist ein recht trockener Erzählstil, der jedoch viele Situationen trotz mancher Tragik noch lustiger wirken lässt.
    Sehr gefehlt hingegen hat mir an der Geschichte eine gewisse Spannung. Ich habe an so gut wie keine Stelle mitgefiebert oder mich gefragt, wie das Ganze wohl weitergehen könnte. Daher kam nach der Hälfte des Buches ein bißchen Langeweile auf. Meiner Meinung nach fehlt der Geschichte ein Ziel, worauf alles hinauslaufen kann. Die gesamte Geschichte plätschert im immer gleichbleibenden Erzählton ohne Auf und Abs vor sich hin bis die beiden Protagonisten scheinbar zu alt geworden sind um etwas Erzählenswertes über sie zu schreiben.

  • Da muss ich aber nun doch widersprechen:


    Die Geschichte hat sehr wohl ein Ziel, allerdings liegt das nicht in den beschriebenen Personen, sondern in der beschriebenen Zeit. Das Buch erweckt zwar den Eindruck eine Art Romanbiographie zu sein, ist das aber meiner Ansicht nach gar nicht. Es ist auf gewisse Weise ein historischer Roman, der einen ganz bestimmten Punkt in der Zeit der Aufklärung beschreibt: nämlich den Punkt an dem die Befreiung des Menschen, die dann seine Selbstbestimmheit mit sich brachte, zur Entzauberung der Welt führte. Gauß zeigt das ja ganz deutlich. Um die Welt zu erkennen und sie auf eine bloße Ansammlung von Zahlen zu reduzieren, bedarf es keiner Reisen mehr. Humboldt muß das schmerzlich erfahren, als er später in Rußland ist: es wird ohne Sinn und Verstand, ohne Abenteuer einfach nur noch gesammelt und katalogisiert. Was nicht in das Schema paßt (der Stein, den sein Assistent an sich nimmt), läßt man verschwinden.


    Liest man das Buch unter diesem Gesichtpunkt, ist das weder eine "Fleißarbeit", die nur für die "Bildungsbeflissenen" (wer soll das eigentlich sein?) von Interesse ist, noch langweilig. Von der Thematik her ähnelt der Roman dann eher Wolfram Fleischhauers "Das Buch, in dem die Welt verschwand". Nur hat sich Kehlmann halt zweier berühmter Forscher als Figuren bedient, um sein Thema zu vermitteln. Die Einordnung als Doppelbiographie ist meiner Meinung nach auch schon deswegen falsch, weil dafür die Personen gar nicht umfassend genug dargestellt werden. Sie sind mehr Platzhalter für Geisteshaltungen als Held. Und dann ist ihr Zusammentreffen in Berlin auch nicht "vermasselt" sondern eine Begegnung der Ideen (@ sandhofer: wobei sich mir die Frage stellt, was denn ein anderer Autor daraus hätte mach sollen?).


    Ich denke, im Ergebnis muß man sich daher von der vordergründig erzählten Geschichte lösen und das Buch als eine Erzählung über einen Wendepunkt in der Geistesgeschichte betrachten. Und als solches finde ich es sehr gelungen.

  • Und dann ist ihr Zusammentreffen in Berlin auch nicht "vermasselt" sondern eine Begegnung der Ideen


    Das hätte es wohl sein sollen. In Tat und Wahrheit wird da ein bisschen halbgar Halbrevolutionär-Politisches eingebacken und die beiden Protagonisten verkommen zu Randfiguren ...


    (@ sandhofer: wobei sich mir die Frage stellt, was denn ein anderer Autor daraus hätte mach sollen?).


    Nichts. Das Thema hätte von Anfang an im Orkus der nie geschriebenen Bücher landen sollen ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Und wieso hätte es das? :rollen:


    Eine recht einheitlich begeisterte Literaturkritik ist also schlicht verblendet und läßt sich von einem Autor plump um den Finger wickeln?

    Einmal editiert, zuletzt von Tyrone Slothrop ()

  • Und wieso hätte es das? :rollen:


    Weil es, von der Ausgangsidee (Stubengelehrter vs. Weltreisender) abgesehen, nichts bringt, aus dem sich Kapital schlagen liesse. Und die Ausgangsidee ist nach spätestens 4 Kapiteln ausgelutscht. Den Rest des Buches kann man sich dann schenken.


    Eine recht einheitlich begeisterte Literaturkritik ist also schlicht verblendet und läßt sich von einem Autor plump um den Finger wickeln?


    Das ist das Argument der US-amerikanischen Werbung: Das Produkt muss gut sein, weil es schon Millionen gekauft haben und davon begeistert sind. Ich nenn's auch gerne das Fliegen-Argument: Fresst Sch...e, Millionen von Fliegen können sich nicht irren ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)