Leo Tolstoi - Krieg und Frieden (Buch 2 - Teil 1)

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  • Zurück in Russland.


    Ich mache mir immer größere Sorgen über die Rostows. Schon früher wurde ja erwähnt, dass sie finanziell nicht so gut dastehen, wie es wünschenswert wäre. Aber nicht, dass sie daraus die Konsequenzen ziehen und etwas sparsamer leben würden - oh nein, statt dessen wird weiter Geld geliehen und verprasst. (Kap. 2)


    Kap. 2-6:
    Über Pierre kann ich nur den Kopf schütteln. Zwar ist er nicht unsympathisch, aber einfach ein schwacher, sehr leicht beeinflussbarer, naiver Charakter. Er will und kann nicht glauben, dass seine Frau ihn betrügt, und es braucht sowohl anonyme Breife als auch äußerste Provokation (und natürlich reichlich Alkohol), um ihn zum Handeln zu bewegen. Dann reagiert er so, wie er glaubt, dass es in dieser Situation von ihm erwartet wird und fordert Dolochow zum Duell heraus.
    Glaubt ihr eigentlich, dass Dolochow ihn bewusst so weit provoziert hat, die Herausforderung vorhergesehen und erwünscht hat, um Pierre auf "akzeptierte" Art und Weise töten zu können und Helene so zu einem riesigen Erbe zu verhelfen, von dem dann sicher auch einiges für ihn abfallen würde? Ich könnte mir das durchaus vorstellen; Dolochow traue ich viel mieses zu.
    Um so mehr freute es mich, dass das Duell nicht wie vorgesehen verläuft, obwohl Pierre noch nie eine Pistole in der Hand hatte und seinen Gegner, kurzsichtig wie er ist, kaum sehen konnte. Glück für ihn, Pech für Dolochow.


    Kap. 2 & 3:
    Wunderbar, die Reaktion der Gesellschaft auf die Niederlage bei Austerlitz! Erst einmal Schweigen, bis die tonangebenden Leute eine offizielle Deutung gefunden haben, sie einen passenden Sündenbock (den im vorigen Buch einen guten Eindruck machenden Kutuzow) identifizieren, und ebenso einen "Helden" (ausgerechnet Bagration) küren. Tolstois ironische Sicht auf die völlig unangemessenen Reaktionen der Zivilbevölkerung gefällt mir sehr gut.


    Kap. 9:
    Lises Tod bei der Entbindung hat mich gar nicht überrascht.


    Kap. 12-14:
    Spätestens hier zeigt sich Dolochow als Oberbösewicht. Aus Rache dafür, dass die weiterhin in Nikolai verliebte Sonja ihn abweist, verwickelt er seinen "Freund" (zumindest hält Nikolai ihn dafür) in ein Kartenspiel und gewinnt ihm eine riesige Summe ab - und natürlich betrügt er dabei, davon bin ich überzeugt. Schade, dass ich nicht weiß, wie viel 43000 Rubel heutzutage in Euro wert wären; es muss sich aber um einen enormen Betrag handeln, wenn an bedenkt, dass Rostow normalerweise 10000 Rubel pro Jahr von seinem Vater bekommt, und davon sehr gut leben kann, und er auch mit 2000 Rubel/Jahr klar kommt.
    Liest jemand von euch übrigens eine kommentierte Ausgabe, in der vielleicht steht, welches Kartenspiel sie spielen? Nicht dass das wichtig wäre, aber interessieren würde es mich schon.
    Habt ihr das Ende des 14. Kap. auch so aufgefasst, dass Dolochow bereit ist, auf seinen Gewinn zu verzichten, wenn er statt dessen Sonja bekommt? Ich hatte den Eindruck, dass er Nikolai diesen "Tausch" vorschlagen wollte, der aber dies im Keim erstickt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,
    ich habe jetzt den 1. Teil des zweiten Buches beendet und dieser Teil hat mir sehr gut gefallen. Er hat mich gefesselt und ich habe mitgefühlt.
    Pierre tut mir leid, denn ich denke er ist ein guter Mensch. Zu sehen ist das schon daran, daß er zwar wütend ist auf Dolochow und Elena, sich aber relativ lange beherrscht, wie man beim Dinner sehen kann. Ich glaube ich wäre schon vorher ausgerastet. Das mit dem Duell, war meines Erachtens einfach der Funke der das Fass zum explodieren brachte, denn irgendwann kann auch der gutmütigste nicht mehr einstecken. Auch ich bin froh, daß das Duell für ihn gut ausgegangen ist. Mann kann seinen Charakter sehr gut daran erkennen, daß er nicht nur Elena und Dolochow die Schuld gibt, sondern auch sich selbst, weil er eine Frau geheiratet hat, die er eigentlich nicht ausreichend oder sogar überhaupt nicht liebt.
    Elena, diese blöde Kuh, zeigt ihr wahres Gesicht und ich glaube ihr kein Wort (das sie keine Affäre mit Dolochow hat).
    Man bekommt dann doch Zweifel ob Dolochow so ein schlechter Mensch ist, wenn er aus Nikolaijs Sicht beschrieben wird, aber Sorry, wer nur zum Spaß auf ein Pferd schießt, bei stimmt was nicht im Oberstübchen.
    Letztendlich wird der erste Eindruck von Dolochow bestätigt, als er Nikolaij versucht und es ja auch teilweise schafft in den Ruin zu treiben. Dolochow kann nicht verlieren. Beim Kartenspiel betrügt er, und wenn er von Menschen zurückgewiesen wird, dann rächt er sich und zwar auf ganz miese Weise.
    Natascha hat anscheinend eine gute Menschenkenntnis, denn sie hat ihn ja im Gespräch mit Nikolaij, bezüglich des Duells, richtig eingeschätzt.
    Was ich nicht verstehen kann, wenn man kein Geld zur Verfügung hat, es dann auch noch zu verspielen. Auch kann ich nicht verstehen, wie sich ein erwachsener Mensch auf so offensichtlich subtile Weise (ich weiß offensichtlich und subtil widerspricht sich jetzt, aber ich weiß nicht wie ich es besser erklären könnte), zu etwas übereden läßt, daß man gar nicht will, weil schon der gesunde Menschenverstand einem sagt, daß es absoluter Schwachsinn ist. Mal wieder der dumme falsche Stolz. Kann man nicht einfach sagen:"Weißt Du was, rutsch' mir doch einfach den Buckel 'runter" und gehen. Ich glaube jedoch, als Nikolaij anfing zu spielen er immer noch die Hoffnung hatte, daß Dolochow sein Freund ist und sich kein Mensch so abrupt verändern kann.
    Ich bin mir nicht sicher, ob Dolochow Nikolaij einenn Tausch anbieten wollte (Sonja/Geld), aber ich hatte eher das Gefühl, daß Dolochow ganz klar zu erkennen geben wollte, warum das Spiel so läuft und das man mit ihm nicht so umgeht.
    Was ein Arschloch. (Sorry, aber eine andere Bezeichnung wäre zu mild)
    Der Vater von Nikolaij ist ein ganz netter Mensch und den Vater von Andrej finde ich eigentlich immer noch nicht so schlimm. Klar er ist oft wütend und cholerisch, aber ich glaube er ist sehr ehrlich und gehört zu den Menschen, die wenn sie lieben, mit ganzem Herzen und beständig lieben. Ich glaube er versteckt hinter seiner brüsken Art, sein Herz und seine Seele.
    Ich muß sagen, daß mir der Tod Lisa's jetzt gar nicht so nahe gegangen ist, aber sie wurde auch von Anfang an, nicht so sehr in die Geschichte involviert, so daß es fast schon absehbar war, das sie eines von Tolstois Bauernopfern ist.
    Ich freue mich jetzt richtig weiter zu lesen, denn dieser Teil des Buches hat mir richtig Spaß gemacht. Ähm, habe ich glaube schon am Anfang erwähnt, aber egal.
    Bis im nächsten Teil, Tina :winken:


  • Auch kann ich nicht verstehen, wie sich ein erwachsener Mensch auf so offensichtlich subtile Weise (ich weiß offensichtlich und subtil widerspricht sich jetzt, aber ich weiß nicht wie ich es besser erklären könnte), zu etwas übereden läßt, daß man gar nicht will, weil schon der gesunde Menschenverstand einem sagt, daß es absoluter Schwachsinn ist.


    Tust du nie etwas wider besseren Wissens? :zwinker: Mir passiert das schon ab und zu, und von daher kann ich den Mechanismus nachvollziehen.
    Das gleiche passierte übrigens auch Pierre mit seiner Eheschließung. Er war sich ja durchaus bewusst, dass Hélène keine geeignete Ehefrau abgeben würde und sagte sich mehrfach, er müsse sich von ihr fernhalten. Trotzdem ist er jetzt mit ihr verheiratet. Es gibt auch weitere Episoden dieser Art in diesem Buch, ich komme aber gerade auf kein Beispiel. Jedenfalls wunderte ich mich mehrmals darüber, dass Tolstoi so viele willensschwache Charaktere beschreibt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Tust du nie etwas wider besseren Wissens? :zwinker:


    Klar, ich handele oft wider besseren Wissens, aber dann in Situationen, bei denen ich die Folgen abschätzen kann, sprich es macht für mich einen Unterschied eine interessante Erfahrung zu machen und auf die Nase zu fallen, oder mich dabei seelisch oder wirtschaftlich zu ruinieren. In der Beziehung bin ich absoluter Schisser und sehr konservativ. Wenn allerdings die absehbaren Folgen eines Fehlverhaltens, erträglich sind und vielleicht nur mit etwas Blamage einhergehen, dann neige ich schon 'mal dazu auch etwas wider besseren Wissens zu tun. :redface: O.K. Saltanah, Du hast mich geoutet. :breitgrins:
    Passiert mir übrigens ganz oft beim Fotografieren. Ich sehe ein Motiv, finde es sehr ansprechend, will es auf Film festhalten, weiß aber eigentlich ganz genau, daß es mit dem Film, dem Objektiv, der Belichtungszeit in Kombination mit der Blende und den Lichtverhältnissen ohne Stativ einfach nur Scheiße aussehen wird. Was mache ich? Ich fotografiere es und wenn ich den entwickelten Film in der Hand habe, dann sage ich in schönster Regelmäßigkeit zu mir: "Blöde Kuh, hast' es doch gewußt, es geht in die Hose und nur wegen Dir werden sich physikalische Gegebenheiten nicht für ein besch... Foto ändern. :pling:"
    Hat diese Erfahrung einen Lerneffekt auf mich? Nö. :zunge: Ich benutze jetzt nur öfter die Digitalkamera um mich direkt von dem Mist zu überzeugen, den ich da fabriziere. Da tut's einem wenigstens nicht leid um den teuren Film.
    Sorry, war jetzt absolut OT. Werde mich bessern. :engel:


    Tina

  • Hallo,


    mit diesem recht kurzen Teil bin ich nun auch durch.


    Pierre und Andrei haben in gewisser Weise das gleiche Problem: Sie können nicht mit anderen über ihre Gefühle sprechen. Pierre frisst seine Wut in sich herein, bis er irgendwann einmal explodiert, aber das hilft ihm auch nicht weiter. Darüber hinaus kommt er allerdings auch mit dem Leben selbst nicht zurecht, er bräuchte mal jemanden, der ihm zeigt, wo's langgeht. Andrei scheint durch den Tod seiner Frau sehr traurig zu sein, was er aber für sich behält. Immerhin hat er jetzt wohl eingesehen, dass man auch in der Familie Anerkennung finden kann, statt nur durch Ruhm im Krieg.


    Zitat von "Saltanah"

    Habt ihr das Ende des 14. Kap. auch so aufgefasst, dass Dolochow bereit ist, auf seinen Gewinn zu verzichten, wenn er statt dessen Sonja bekommt? Ich hatte den Eindruck, dass er Nikolai diesen "Tausch" vorschlagen wollte, der aber dies im Keim erstickt.


    Ich habe es wie Tina so verstanden, dass Dolochow sich rächen und deshalb ganz deutlich machen wollte, weshalb er Nikolai abgezockt hat. Ob er sich auch noch an Pierre rächt?


    Zitat von "Saltanah"

    Liest jemand von euch übrigens eine kommentierte Ausgabe, in der vielleicht steht, welches Kartenspiel sie spielen? Nicht dass das wichtig wäre, aber interessieren würde es mich schon.


    In meinem Kommentar steht darüber nichts, aber ich würde sagen, es handelt sich um Pharo - in Deutschland ist (war) es auch unter "Meine Tante, Deine Tante" bekannt. Das ist ein im 18. und im beginnenden 19. Jahrhundert in Europa weit verbreitetes simples Glücksspiel. Pharo-Regeln aus Wikipedia
    In vornehmen Kreisen wurde zu dieser Zeit das altehrwürdige L'Hombre und Boston gespielt. Boston ist eine Whist-Variante, die im 1. Teil mehrfach kurz erwähnt wurde.


    Zitat von "tina"

    Was ich nicht verstehen kann, wenn man kein Geld zur Verfügung hat, es dann auch noch zu verspielen.


    Das kann ich sehr gut nachvollziehen! Nikolais Motiv ist ja auch, seinen Verlust wettzumachen, in dem er weiterspielt und immer größere Einsätze bringt. Auch heute gibt es ja haufenweise Leute, die Lotto spielen, obwohl sie genau wissen, dass sie auf lange Sicht verlieren werden, da der Staat einen großen Anteil der Einsätze kassiert. Und je häufiger man verliert, desto größer ist die Verlockung weiterzumachen, da man ja mit einem einzigen Einsatz theoretisch den Hauptgewinn machen kann.


    P.S.: Wo seid ihr denn? Bin ich der einzige, der noch liest?

    [size=9px]Paul ist 24 Jahre alt. Er ist doppelt so alt, wie Thomas war, als Paul so alt war, wie Thomas heute ist. Wie alt ist Thomas ?[/size]

  • Hi,
    ich bin noch da, aber ich habe nach dem 2. Buch einen kleinen Durchhänger und muß erst mal etwas anderes lesen. Ausserdem habe ich festgestellt, daß in meiner Ausgabe ganze Teile und Kapitel fehlen. Das ärgert mich, denn in dem Buch ist an keiner Stelle erwähnt, daß es gekürzt ist. :grmpf: Ich habe es nur daran gemerkt, daß Saltanah von Vorkommnissen schrieb, die es bei mir überhaupt nicht gibt.
    Ich kann schon nachvollziehen, warum jemand weiterspielt, wenn er schon viel verlohren hat, aber ich meinte auch eher, wenn ich Geld habe, daß ich brauche, dann fange ich erst gar nicht damit an und habe dann auch genug Selbstbewußtsein und Stärke mich nicht von so einem Idioten bequatschen zu lassen.


    Tina :winken:

  • Hi!
    So bin jetzt auch mit diesem Teil durch. Dieser Teil hat mir wieder besonders gut gefallen, da er komplett in Russland spielt.


    Bei Pierre kann ich mich schwer entscheiden ob ich ihn sympathisch finde oder nicht. Bei manchen Dingen kann ich seine Handlungen und Gefühle nachvollziehen, bei anderen wieder nicht. Bin auf alle Fälle froh, dass er im Duell "gewonnen" hat. Dolochow ist mir richtig unsympathisch geworden, in der öffentlichen Welt ist er der harte Typ und Tunichtgut und in Wirklichkeit fast ein Muttersöhnchen mit ganz wenigen echten Freunden.


    Der Tod von Lisa ist mir auch nicht wirklich nahegegangen. Sie ist wie schon beschrieben, eher eine Nebencharakter gewesen, der nicht wirklich in das Hauptgeschen verwickelt war. Ich bin sehr froh, dass Andrej wieder hier ist und überlebt hat. (Hab ich da was im vorigen Teil überlesen, oder stimmt es, dass auch der Leser bis zu dem Zeitpunkt wo Andrej wieder zu seinem Vater und seiner Frau zurückkehrt nicht wusste, ob er überlebt hat oder nicht?)


    Ich kann nicht wirklich verstehen wieso Nikolai sich so von Dolochow hat aufstacheln lassen und so eine immense Summe verspielt hat über die er ja selbst zum Zeitpunkt des Spiels nichtmal verfügt hat. Es ist schon richtig, dass man manchmal Dinge gegen seinen Willen tut von selbst, aber das war find ich dann trotzdem zu viel. Ich habe das auch so wie Tina verstanden, dass Dolochow Nikolai einen Handel anbieten wollte, also Schulden erlassen, dafür darf Dolochow Sonja heiraten, aber Nikolai hat schon nach dem Wort "Sonja" erkannt, was Dolochow aussprechen wollte und hat diese Idee sofort im Keim erstickt.


    LG Cynthrax

  • [quote author=Cynthrax]
    Hab ich da was im vorigen Teil überlesen, oder stimmt es, dass auch der Leser bis zu dem Zeitpunkt wo Andrej wieder zu seinem Vater und seiner Frau zurückkehrt nicht wusste, ob er überlebt hat oder nicht?[/quote]


    Du hast nichts überlesen. Andrej wurde für tot gehalten, der alte Fürst hatte ja sogar die Nachricht von Kutusow persönlich bekommen. Nur Lisa allein hatte keine Ahnung.


    ***
    Aeria