Tim Willocks - Das Sakrament

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    Über den Autor


    Tim Willocks ist eigentlich Psychologe. Vor Jahren hat er mehrere sehr erfolgreiche Thriller geschrieben. Dann entdeckte ihn der amerikanische Literaturagent von Ken Follett, der ihm auf unbegrenzte Zeit seine Villa zur Verfügung stellte, damit Tim Willocks ein Buch schrieb, das selbst "Die Säulen der Erde" in den Schatten stellen sollte.
    Willocks schreibt derzeit an einer Fortsetzung um Mattias Tannhäuser.


    Inhaltsangabe


    Die Insel Malta wird von den Türken belagert. Nur ein Mann, so scheint es, kann den Christen noch helfen: Der Deutsche Mattias Tannhäuser wurde als Zwölfjähriger von den Türken entführt und ist bei ihnen aufgewachsen. Er kennt ihre Kultur und ihre Waffen. Um ihn auf die Insel zu locken, schickt der Großmeister des Malteser Ordens die schöne Contessa Clara nach Sizilien, wo Tannhäuser mit einem jüdischen Freund erfolgreich Handel treibt. Schafft die Contessa es, Tannhäuser nach Malta zu locken, darf sie ihn auf die Insel begleiten, auf der ihr verlorener Sohn lebt. Doch kaum hat sich Tannhäuser entschieden, den Christen zu helfen, wird sein Haus zerstört, sein Freund gefoltert - die Inquisition ist ihm auf den Fersen. Der Inquisitor Ludovico versucht mit aller Macht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Was Tannhäuser auf Malta finden könnte, würde den Untergang der Inquisition bedeuten.


    Meine Meinung


    Der Titel dieses Romans – Das Sakrament – gibt auf dem ersten Blick nicht viel vom Inhalt des Buches preis. Erst zum Ende erschließt sich dem Leser, was der Buchtitel bedeuten könnte:
    Sacramentum wird von Tim Willocks mit Berufung gleichgesetzt, wendet man diese Definition auf die Personen des Romans an, so erkennt man, dass nahezu alle Figuren entweder ihrer persönlichen Berufung nachgehen oder auf der Suche nach ihr sind - einige finden sie, andere bleiben erfolglos.
    Die Hauptperson – Mattias Tannhäuser – ist auf der Suche, Comtessa Carla findet sie und der Inquisitor Ludovico lebt sie, um nur einige Charaktere zu nennen.
    Tim Willocks ist es unwahrscheinlich gut gelungen, diesen roten Faden sehr subtil durch sein gesamtes Buch zu ziehen.


    Aber nicht nur das hat der Autor aus meiner Sicht phantastisch gemacht.
    Am Beeindruckendsten finde ich sein Gespür für die Charaktere.
    Willocks schafft Menschen, die nicht nur glaubhaft und wunderbar facettenreich sind, sondern sich zudem auch noch, während einer recht kurzen Zeitspanne von etwa vier Monaten, weiterentwickeln. Und das absolut glaubwürdig und nachvollziehbar.


    Am meisten Eindruck hat Mattias Tannhäuser auf mich gemacht. So ist er auf der einen Seite ein sehr einfühlsamer, aber direkter Mann und auf der anderen Seite ist er ein grausamer, kaltblütiger Krieger, wenn es die Situation erfordert.
    Das gefällt mir sehr, denn so hat der Autor es geschafft, Mattias nicht nur eine Schwarz- oder Weiß-Färbung zu verpassen, sondern all seine Facetten hervorzuheben.
    Und das hat er nicht nur bei Tannhäuser geschafft, sondern bei all seinen Hauptfiguren!
    Auch die „Bösen“ haben noch menschliche, vielleicht sogar sympathische Züge und schaffen es zumindest für kleine Momente, dem Leser Mitleid zu entlocken.


    Tim Willocks stellt den Krieg sehr realistisch und greifbar dar, manchmal meinte ich, ich könnte Blut und Schweiß riechen, die Sonne auf meiner Haut spüren, Ängste und Sorgen wirklich empfinden.
    Aber auch die Kleinigkeiten und ruhigen Momente zwischen den Schlachten haben einen besonderen Platz in diesem Buch und werden von Willocks ebenso wunderbar gewürdigt.
    Er haucht nicht nur den Figuren, sondern auch den Tieren, der Natur und den Ereignissen greifbares Leben ein: Kopfkino aller erster Güte!


    Aufbau, Stil und Sprache fügen sich fast einzigartig zusammen.
    Gleich auf den ersten Seiten wird man gnadenlos und ohne Schonung mitten ins Geschehen „geworfen“ und erst auf der letzten Seite entlassen. Für jeden Tag gibt es ein eigenes Kapitel, das sowohl datiert als auch mit den Handlungsorten betitelt ist. Das gefiel mir sehr gut, bekommt man dadurch ein ganz eigenes Gefühl für den Ablauf des Krieges auf Malta.


    Es gibt keine „Stolpersteine“ beim Lesen, der Text liest sich wunderbar leicht und flüssig, ohne dabei zu simpel oder anspruchslos zu wirken. Langeweile kam nie auf, im Gegenteil, es ist ein wahrer Page-Turner!
    Die Dialoge kommen nie gestellt oder verkrampft rüber. Gerade die Gespräche zwischen Bors und Mattias vermitteln ein tiefgehendes Gefühl von Wärme und inniger Freundschaft.


    Da der Schauplatz dieses Romans das belagerte Malta ist, kommt der Leser nicht um ausführliche Schlachtszenen und detailliert beschriebene Grausamkeiten rum.
    Für sehr zart besaitete Leser, könnte es stellenweise vielleicht ein wenig zu grausam sein. Ich zähle mich eigentlich nicht dazu, doch musste auch ich ab und zu wirklich schlucken.
    Die letzten 70 Seiten hatten es für mich dann emotional noch mal so richtig in sich. Immer wieder hab ich geweint, geschluckt oder einen dicken Kloß im Hals gehabt und mit so mancher Entscheidung des Autors kann ich mich nicht anfreunden, auch wenn es so am realistischsten ist.


    Aber es gibt auch Kritik, wenn auch nicht viel:
    Einiges war mir persönlich ein wenig zu sehr vorhersehbar und die Spannung hätte sich sicherlich stellenweise noch erhöhen lassen, hätte der Autor ein paar Geheimnisse länger vor dem Leser bewahren können.
    Der Beginn wirkte zeitweise ein bisschen konstruiert und auch Mattias’ Frauenbesessenheit des Anfangs nervte mich manchmal.
    Diese Anlaufschwierigkeiten lösten sich im Laufe des Romans aber in Luft auf und machten Platz für ein wirklich wunderbares, sehr lesenswertes Buch!


    Bewertung


    9_10.png


    Links


    Leseprobe
    Interview auf der Histo-Couch

    Liebe Grüße<br />Melli

  • Hi Cait!


    Vielen Dank für die schöne und ausführliche Rezension! :smile:


    Allerdings bin ich gerade bei historischen Romanen dankbar, wenn irgendwo steht, in welchem Zeitraum der Roman spielt (auch wenn ich es mir im Groben denken kann) :zwinker: Beim Klicken auf den Link mit der Leseprobe habe ich herausgefunden, dass es um Malta im Jahr 1565 geht. Wollte das nur der Vollständigkeit halber angeführt haben.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Huch, ich hatte den Kopf so voll, als ich die Rezi geschrieben hab, dass ich das Datum völlig vergessen hab. Danke für den Nachtrag! :)

    Liebe Grüße<br />Melli