Miguel de Cervantes - Don Quijote

Es gibt 32 Antworten in diesem Thema, welches 13.432 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Zank.

  • Wer kennt ihn nicht, den Ritter von der traurigen Gestalt? Wem kommt nicht als erstes ein hagerer Mann auf einem klapprigen Pferd in den Sinn, ausgerüstet mit Speer und Barbierschüssel und einem Bauern als Begleitung? Und doch, wer weiß Bescheid um sein vollständiges Schicksal, abgesehen von bruchstückhaften Episoden wie zBsp den berühmten Kampf gegen Windmühlen?


    Ein Junker verbringt jede freie Minute mit der Lektüre von Ritterromanen, bis er seinen Verstand verliert und das Geschlecht der „fahrenden Ritter“ wieder aufleben lassen möchte. Dabei versucht er alles so zu tun, wie in diesen Romanen beschrieben. Zunächst benötigt er einen Knappen, da doch alle ihm bekannten Ritter Knappen in Anspruch nehmen und so fragt er seinen Nachbarn Sancho Panza, der erst zustimmt, als Don Quijote ihm eine Statthalterschaft verspricht. Des Weiteren bräuchte er eine anbetungswürdige Prinzessin, wobei er an eine Bauerstochter denkt, ihren Namen ein wenig verändert und sie fortan Lucinea del Toboso nennt. Nun begibt er sich auf die Suche nach Abenteuer, die ihm in schöner Regelmäßigkeit über den Weg laufen.
    In den ersten Stunden seiner Wanderschaft kommt er an eine Burg, davor warten bereits die Burgfräulein und empfangen ihn mit kokettem Augenaufschlag. Vom König des Hauses lässt er sich zum Ritter schlagen. Sanchos Meinung, die Burg sei lediglich eine Schenke und die Frauen nichts weiter als Dirnen kann ihn nicht überzeugen. Überhaupt scheint DQ Probleme zu haben mit der Unterscheidung von Schein und Wirklichkeit. Dieses Problem verschafft ihm jedoch Zugang zu allerlei Abenteuer, die er meist mit Kratzern hinter sich bringt …


    Mit viel Witz und noch mehr Phantasie lässt Cervantes seinen Helden durch die Geschichte wandern. Sofern die Gespräche sich nicht um das Rittertum beschränken, verblüfft DQ uns sogar mit Weisheit und Intelligenz. Besonders tritt dies im zweiten Teil hervor, er scheint erwachsener und reifer geworden. Und manchmal hat DQ mit den Auftritten von Sancho zu kämpfen, der ihm sehr gerne die Show stiehlt. Er wirft gerne mit Sprichwörter um sich, die im Zusammenhang mit dem Gespräch keinen Sinn ergeben, klagt und jammert unentwegt, handelt nur für seinen Vorteil. Wenn man eine kommentierte Ausgabe besitzt (die ich unbedingt anrate!!) erkennt man Anspielungen und ironische Seitenhiebe zu den Geschehnissen der damaligen Zeit. Neben der Geschichte finden noch etliche Novellen und Gedichte Platz.
    Nach der Veröffentlichung des ersten Teils erschien ein inoffizieller zweiter Teil von einem unbekannten Schreiber auf dem Markt. Dieser Autor bzw Buch gilt auch als Gegenstand in Cervantes’ zweitem Teil. Sehr gelungen, wie ich finde!


    dumbler


    5ratten

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    Einmal editiert, zuletzt von dumbler ()

  • Was über das Buch der Bücher gabs bis jetzt noch keinen eigenen Thread? Danke für die Rezi dumbler. Bin im moment grad an Buch 1, kam aber in der letzten Zeit nicht mehr viel zum Lesen. Aber bis auf die etwas komplizierte Vorrede ist eigentlich alles sehr gut geschrieben, und wirklich schön und flüssig zu lesen.


    Zitat


    Wenn man eine kommentierte Ausgabe besitzt (die ich unbedingt anrate!!) erkennt man Anspielungen und ironische Seitenhiebe zu den Geschehnissen der damaligen Zeit. Neben der Geschichte finden noch etliche Novellen und Gedichte Platz.


    Werd ich mich nachher mal genauer drüber informieren, wenn ich das Buch denn tiefer interpretieren will. Jedenfalls hat das Prinzip ja heute noch seine Gültigkeit. Eine schöne Anspielung fand ich auch, wo sie da all diese Bücher verbrannten und dann auch ein Werk von Cervantes unter die Lupe nahmen.


    Wie auch immer werde mich jetzt wieder mit dem alten Junker und seinem treuen Knappen beschäftigen, ein kleines Feedback meinerseits gibts nach dem ersten Buch.

  • So, hab den Thread ganz vergessen. Bin schon seit 2 Wochen fertig (mit dem ersten Buch, jetzt les ich zuerst noch was anderes, bevor ich das zweite Buch anfangen werde), aber hab dazu noch kein Feedback geschrieben. Nun denn;


    Kann dumbler eigentlich nur zustimmen, ich würde das Buch jedem empfehlen. Zwar ist es schon etwas gewöhnungsbedürftig, denn es ist weniger ein "Buch" als vielmehr eine Chronik, oder ein Tagebuch in der auktoralen Perspektive, denn es wird wirklich alles und jede Kleinigkeit festgehalten. Doch wenn man sich darauf einlässt, erlebt man dafür ein schönes Abenteuer rund um einen wunderlichen Ritter. Besoners gefallen haben mir die Besuche in der "verzauberten" Schenke, wo schliesslich ein Puzzle (bestehend aus verschiedenen Lebensgeschichten) auf wundervolle Weise vollendet wird. Und es erscheint nicht Klischeereich, da es sich eben um eine verzauberte Burg handelt, und dort alles auf wundersamste Weise geschieht. Es macht einfach einen Heidenspass mit Don Quijote und seinem etwas dümmlichen Knappen Sancho auf Abenteuerreisen zu gehen.


    Meine Bewertung: 5ratten


    Eine detailiertere und abschliessende Kritik gibts, sobald ich das zweite Buch auch gelesne habe.

  • Du hast recht, man sollte schon ein anderes Buch zwischen den Bänden einschieben, ansonsten könnte ich mir vorstellen, die Abenteuer seien zuviel des Guten und man wird dessen überdrüssig. Ähnlich wie beim Dekamerone, den man besser auch nicht am Stück lesen sollte.


    Gruß,
    dumbler

  • Darf ich fragen, welche Ausgaben ihr besitzt?


    Da ich das Buch demnächst (d.h. in den nächsten ein, zwei Monaten - spätestens) lesen möchte bzw. sollte oder gar muss, ich mich aber noch nicht entschieden habe, welche Ausgabe (momentan favorisiere ich die dtv), könnt ihr mir vielleicht weiterhelfen.

  • Hallo Mira,
    Ich besitze eine alte Ausgabe vom Aufbau-Verlag, die es einmal billig bei Jokers gab. Nach der Lektüre etlicher Meinungen und Rezensionen würde ich die Übersetzung von Braunfels empfehlen, da mir scheint, diese ist lesbarer als Tiecks Übersetzung. Nachgeprüft hab ich es aber nicht und kann dies nur anhand der Rezensionen vermuten.


    Gruß,
    dumbler

  • Hallo dumbler,


    schön, dass du diese Lücke mal geschlossen hast! "Don Quijote" habe ich vor einigen Jahren (es war wohl noch im alten Jahrtausend) mit großem Genuss und viel Spaß gelesen.
    "Don Quijote" ist übrigens eine interessante Form des pikaresken Romans. Der Schelm ist hier nicht Don Quijote selbst (oder allenfalls wider Willen, da käme es auf die Beweisführung an), sondern Sancho Pansa, dem ja auch fast der gesamte zweite Teil des Romans gewidmet ist, wo er dann als bauernschlauer fiktiver Statthalter so weise Entscheidungen trifft, dass diejenigen, die ihn eigentlich nur zur Belustigung in diese Funktion gesetzt haben, ein ums andere Mal von seinen Einfällen überrascht werden.


    Ich habe am Ende sehr um den traurigen Ritter getrauert. Natürlich ist es auch und nicht zuletzt lustig, wie Don Quijote sich an Amadís von Gallien orientiert und immer nur das Gute will, dabei Löwen und Sträflinge befreit, und von einer Abreibung und einer Demütigung in die nächste läuft. Das Faszinierende ist, dass er es nicht merkt, dass seine eigene Realität um so vieles stärker ist, dass sie alle "objektive" Realität für ihn irrelevant macht. Das ist doch auch eine schöne Parabel auf das menschliche Wirken im Allgemeinen. Ist ein Leben nicht genau dann für die meisten geglückt, wenn sie vor sich selbst sagen können: Ich habe immer nur Gutes getan? Und ist es wichtiger, das sagen zu können oder einem überpersonalen "Guten" nachzueifern? Und der Anhänger welcher Handlungsmaxime ist am Ende glücklicher?
    Mich macht Cervantes nicht zuletzt auf dieser Ebene immer sehr nachdenklich.


    Herzlich, B.

    Einmal editiert, zuletzt von Bartlebooth ()

  • Ich habe Don Quijote vor einigen Jahren gelesen und auch wenn dieses dicke Buch zuweilen mal einige kleinere Längen hat, habe ich es doch sehr gerne und mit großer Freude gelesen.


    Fasziniert hat mich, daß das ein sehr altes Buch ist - man muß ja wohl sagen, es steht ja eigentlich am Anfang der neuzeitlichen Literaturentwicklung, und dabei doch gar keinen Staub angesetzt hat. Das liegt für mich daran, daß es ein Thema aufgreift, was zu den unvergänglichsten Themen der Weltlitaratur gehört, dem Verfall einer Person in einer Scheinwelt.


    Das waren zu Cervantes Zeiten die Ritterromane. Nun - Ritterromane sind zu unserer Zeit vielleicht weniger beliebt, aber Scheinwelten hat auch unser Zeitalter in Menge anzubieten. Man denke an die Faszination durch den Adel ( die auch heute noch durchaus virulent ist, Moliere hat dem Bürger als Edelmann - auf seine Weise duchaus auch ein Don Qixote - ein Denkmal gesetzt, man denke an Science Fiction, man denke an Leute, die sich als Germanen oder sonstwas verkleiden und alte Welt spielen).


    Nein, das Thema dieses Romans, obwohl er Jahrhunderte alt ist, ist absolut aktuell! Und immer wieder wenn da mal wieder ein Jugendlicher durchdreht und nach Rambomanier seine Lebensprobleme in den Griff zu bekommen versucht, wird doch gleich wieder eine Diskussion geführt über die Verführung Jugendlicher durch Gewaltvideos, über Filme, über Computerspiele usw., die dem Jugendlichen eine Scheinwelt suggerieren, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.


    Diese Diskussion könnte sich jederzeit am Don Quijote aufhängen, in dieser Hinsicht hat er nichts von seiner Aktualität verloren und das macht eben die Qualität eines Klassikers aus, daß er eigentlich keinen Staub angesetzt hat.


    Gruß Martin

    Einmal editiert, zuletzt von Marlino ()

  • Zitat

    Das liegt für mich daran, daß es ein Thema aufgreift, was zu den unvergänglichsten Themen der Weltlitaratur gehört, dem Verfall einer Person in einer Scheinwelt.


    Inwiefern "verfällt" Don Quijote denn? Er erwirbt sich doch im Gegenteil Lebenssinn und sogar Anerkennung.


    Zitat

    (...) in dieser Hinsicht hat er nichts von seiner Aktualität verloren und das macht eben die Qualität eines Klassikers aus, daß er eigentlich keinen Staub angesetzt hat.


    Die vermeintlich unverwüstliche "Aktualität" eines Titels als Waagscheide für seine Qualifikation als "Klassiker" gehört wohl zu den unausrottbarsten Vorurteilen. Es ist im Gegenteil so, dass ein "Klassiker" etwas sehr Typisches haben muss, um als solcher zu gelten. Die "ewigen Themen" kann ich mit mittelmäßiger Mühe so gut wie in jeden Text reinlesen.


    Herzlich, B.

  • Lieber Bartlebooth,


    der Begriff "Aktualität" war für mich vielleicht nicht glücklich gewählt, er ist ein bißchen platt. Die Aktualität ist auch gar nicht wichtig, was aber schon wichtig ist, sich in einem Stück Literatur spiegeln zu können.


    Du schreibst, daß ein Klassiker schon etwas sehr typisches haben muß um als solcher zu gelten. Ich denke nur, daß die unverwüstliche Frische eines echten Klassikers eben darauf beruht, daß da ein großer Autor ein großes Thema zum ersten mal beackert. Und daraus entsteht dann auch etwas großes, denn alles was später kommt ist einfach nur Kopie. Es kann diese ursprüngliche Frische nie mehr erreichen. Oder gibt es etwa einen Vorgänger des Don Quijote von einem mittelmäßigeren Autor, das in Vergessenheit geraten ist? Oder gibt es einen Vorgänger von Molieres Tartuffe?


    Ich will das jetzt überhaupt verallgemeinern; es gibt sicher auch Fälle, wo ein Autor ein altbekanntes Thema nimmt und etwas großartiges daraus macht. Aber dieses Phänomen "ursprünglicher Frische" gibt es sicher schon.


    Gruß Martin

  • Hallo Martin,


    Zitat von "Marlino"

    Ich denke nur, daß die unverwüstliche Frische eines echten Klassikers eben darauf beruht, daß da ein großer Autor ein großes Thema zum ersten mal beackert.


    Das denke ich nicht. Was wäre denn das große beackerte Thema im Tartuffe? Betrügerei? Bigotterie? Was im Don Quijote? Das Lesen? Die Phantasie? Die Gerechtigkeit?
    Behandlungen dieser Themen hast du, seit es schriftliche Zeugnisse gibt.
    Das Besondere an einem Klassiker ist, dass er (oft auch erst im Nachhinein) zu einem Muster seines Genres, seiner Zeit etc. wird. Michel Foucault hat den Don Quijote z.B. als besonders einleuchtendes Beispiel für die vorklassische* Form zu denken angeführt und diese Passage war eine der wenigen, die mir bei der Erstlektüre der "Ordnung der Dinge" auf Anhieb eingeleuchtet hat ;-). Ob ein einzelner Leser etwas als "zeitlos" empfindet, ist wohl nicht zuletzt von seinen persönlichen Überzeugungen abhängig, die ja von Person zu Person immerhin ein bisschen differieren ;-).


    Noch viel interessanter finde ich aber meine erste Frage nach dem "Verfall einer Person", den ich im Don Quijote gerade nicht sehe. Das würde mich doch sehr interessieren, was dich zu dieser doch sehr pessimistischen Einschätzung treibt, die mir so ganz ohne Beispiel gar nicht einleuchtet.


    Herzlich, B.


    *"vorklassisch" ist hier als literaturgeschichtlicher Begriff gemeint: Die Zeit vor der (französischen) Klassik, also vor dem 17. Jahrhundert.

  • Lieber Bartlebooth,


    das komische am Don Quijote, diesem unsterblichen Klassiker, ist eigentlich die Intention des Autors. Die Intention des Autors ist absolut auf die eigene Zeit bezogen. Man hat bei manchen Äußerungen Cervantes wirklich den Eindruck, als sei die eigentliche Intention des Autors die, sozusagen ein "Pamphlet" gegen die zu seiner Zeit grassierende Ritterromanseuche zu schreiben. Man möchte da manchmal dem Cervantes geradezu zurufen: Mensch, Cervantes, stell doch Dein Licht nicht so unter den Scheffel, was Du da geschaffen hast, ist doch keine Polemik gegen den Ritterroman, es ist doch etwas viel größeres!


    Tartuffe ist hier natürlich offtopic. Aber meinst Du tatsächlich, daß es Behandlungen des Themas auch zu früheren Zeiten gegeben hat? Das glaube ich kaum. Mein Gott, das Thema des Tartuffe war schon ungeheuer gewagt zu seiner Zeit, die katholische Kirche hat alles versucht, dieses Stück zu verhindern, was ihr dann nur für eine Zeit gelang. Bitte mache Dir mal klar, daß es den öffentlichen Atheismus erst in der Zeit des vorrevolitionären Frankreich gab ( Diderot war glaube ich der erste). In einer de facto totalitären christlichen Gesellschaft kann das Thema der Bigotterie aber eigentlich gar nicht öffentlich gemacht werden! Denn es zum Thema zu machen, daß es so etwas wie einen vorgetäuschten Glauben gibt, der die religiösen Gefühle anderer nur ausnutzt, selber aber durchaus ungläubig ist, würde ein Zugeständnis an den Unglauben bedeuten ( den es doch eigentlich gar nicht gibt und geben kann). Kein Wunder, daß die katholische Kirche angesichts dieses Stückes nervös wurde.


    Im Falle des Cervantes bin ich leider nicht genug informiert. Ich weiß zum Beispiel nicht, wann denn diese Ritterromane, die Cervantes angreift erschienen sind. Vorstellbar erscheint mir, daß sie zu Cervantes Zeiten selber schon "ältere Literatur" war, die demgemäß einen gewissen Nimbus hatte. Es war dies vielleicht eine Zeit, in der etwas altes, daß zudem "gedruckt" war, schon nicht mehr in Frage gestellt wurde. Es war dies vielleicht auch eine Zeit, in der der Begriff der "Trivialliteratur" wohl noch nicht erfunden war, obwohl diese "altehrwürdigen" Ritterromane, geadelt durch die Veröffentlichung eben vermutlich genau dies waren.


    Gruß Martin

  • Hallo Martin,


    über die Intention des Autors kann ich dir nichts sagen, die ist aber für eine ästhetische Verortung des Textes auch nicht von zentraler Relevanz.
    Eine Skepsis gegenüber dem Lesen gab es bereits im höfischen Roman (etwa bei Chrétien). Ich glaube nicht, dass du emphatisch von einer "grassierenden Ritterromanseuche" im 16. Jhdt. ausgehen solltest.


    Zitat

    Mein Gott, das Thema des Tartuffe war schon ungeheuer gewagt zu seiner Zeit, die katholische Kirche hat alles versucht, dieses Stück zu verhindern, was ihr dann nur für eine Zeit gelang. Bitte mache Dir mal klar, daß es den öffentlichen Atheismus erst in der Zeit des vorrevolitionären Frankreich gab ( Diderot war glaube ich der erste).


    Das ist interessant und so kommen wir bei unserer gewohnt etwas schwierigeren Verständigung ;) bestimmt weiter: Wolltest du nicht eigentlich die Zeitlosigkeit des "Tartuffe" unermauern? Was du sichtbar tust, ist aber, ihn in einen historischen Kontext einzuordnen. Mir ist die Kontroverse um den "Tartuffe" bekannt, ich weiß, dass er, obwohl Molière ihn sogar noch einmal umschrieb, von der Kirche geächtet wurde und lange nicht aufgeführt werden durfte - unter Androhung empfindlichster Strafen.
    D.h. du entwirfst ein historisches Panorama, in dem das Stück natürlich eine Vorreiterrolle hatte. Aber wenn du von den "Themen" sprichst, die darin zum ersten Mal behandelt worden seien, kannst du nicht gut mit der historischen Situation argumentieren. Angriffe gegen die Kirche und gegen bigottes Verhalten gab es selbstverständlich auch schon vor dem 17. Jahrhundert. Zum Klassiker ist Molière aber auch nicht geworden, weil er sich als erster gegen die Kirche gewandt hat, sondern aus literarästhetischen Erwägungen, zu denen in diesem Fall auch die gesellschaftskritische Funktion der Komödie gehört, die Molière zum Programm erhob.


    Aber wir sollten diese Diskussion nicht anhand von Molière, sondern in diesem Ordner lieber anhand von Cervantes führen, für den aber äquivalent gilt: er hat nicht als erster das Lesen als Laster thematisiert (s.o.).


    Schade, dass du die Frage nach dem "Verfall" immer noch nicht beantwortet hast ;-).


    Herzlich, B.

  • Inhalt:


    Schließlich versenkte er sich so tief in seine Bücher, daß ihm die Nächte vom Zwielicht bis zum Zwielicht und die Tage von der Dämmerung bis zur Dämmerung über dem Lesen hingingen; und so, vom wenigen Schlafen und vom vielen Lesen, trocknete ihm das Hirn so aus, daß er zuletzt den Verstand verlor. Die Phantasie füllte sich ihm mit allem an, was er in den Büchern las, so mit Verzauberungen wie mit Kämpfen, Waffengängen, Herausforderungen, Wunden, süßem Gekose, Liebschaften, Seestürmen und unmöglichen Narreteien.


    Don Quijote beschließt also als fahrender Ritter durch das Land zu ziehen und rüstet sich mit allem aus, was ein Ritter braucht: ein edles Ross (sein Reitgaul, den er Rosinante nennt), ein Schildknappe (der Bauer Sancho Pansa), eine Angebetete (die Bauerstocher, die er Dulcinea von Toboso nennt) und eine Rüstung. Auf seinen Abenteuern verwechselt er so ziemlich alles, was es zu verwechseln gibt: Windmühlen mit Riesen, Barbierschüsseln mit Ritterhelmen, Wirtstöchter mit Prinzessinen und Dirnen mit Edeldamen. Dabei stolpert er von einem Unglück ins nächste und lässt dabei Parallelen zum Autor erkennen, der auch nicht gerade vom Schicksal gesegnet war. Er scheint vom Pech verfolgt und wird bei jeder Gelegenheit zu Brei gehauen. Auch seinem Schildknappen Sancho Pansa ergeht es nicht besser, der auch als einziger an die Hirngespinste seines Herrn, des Ritters von der traurigen Gestalt, glaubt, da Don Quijote ihm eine Insul versprochen hat.



    Meine Meinung:
    Die Geschichte ist witzig, der Stil ist gut verständlich und kurzweilig, die Figuren sind gut ausgearbeitet und facettenreich. Ich habe mich die ersten 350 Seiten wirklich köstlich amüsiert!
    ABER: Das Buch ist dann nicht aus, sondern es folgen noch einmal 750 Seiten, auf denen es in dieser Art weitergeht. Ich verstehe wirklich nicht, warum manche Autoren diesen Hang zur Ausschweifung haben. Würde man die eine oder andere Figur mit der ein oder anderen kapitelübergreifenden Lebensgeschichte streichen und auch die ein oder andere Prügelei auslassen, so hätte man ein geniales Werk mit ca. 450 Seiten, ohne großartig etwas verpasst zu haben. Ich finde es wirklich sehr schade, dass ich diesen Roman nicht in den Himmel loben kann (denn das hätte er z.T. wirklich verdient), aber ab einem gewissen Zeitpunkt musste ich mich wirklich durchkämpfen und all das Vergnügen des ersten Drittels war Vergessen angesichts der Langeweile der letzten beiden.


    Liebe Grüße,


    mondpilz

  • Hi!


    Inhalt:
    Don Quijote ist ein spanischer Landjunker des 17. Jahrhunderts und nicht ganz auf der Höhe seiner Zeit. Durch das Lesen von Ritterromanen verfällt er nämlich in Wahn und Mittelalter. Er fühlt sich berufen, als fahrender Ritter durch die Lande zu ziehen und alles Unrecht, das ihm begegnet, auszumerzen. Als Begleiter und Schildknappen erwählt er sich den dummen, aber ehrlichen Bauern Sancho Pansa. Da Don Quijote Junggeselle ist und alle Ritter in seinen Roman ständig verliebt sind, erfindet er sich gleich noch ein edles Fräulein, um dessentwillen er in den Kampf gegen das Böse zieht: Dulcinea von Toboso.


    Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt: Das erste Buch erschien 1605, das zweite zehn Jahre später. Während im ersten Teil nebst den Abenteuern Don Quijotes noch ganz andere Geschichten eingeflochten werden, verzichtete Cervantes bei Teil zwei auf solche Einschübe und verfolgt dort nur die Geschichte des Ritters von der traurigen Gestalt (wie Don Quijote auch genannt wird) und Sancho Pansa.


    Meine Meinung:
    Zuerst einmal möchte ich vorausschicken, dass es für mich nicht einfach ist, ein 400 Jahre altes Buch zu rezensieren. Das Buch kommt stilistisch und erzählerisch aus einer ganz anderen Welt und deshalb ist es schwierig, da irgendwelche Massstäbe anzulegen. Es fehlt mir vor allem auch der Vergleich zu anderen Büchern aus dieser Zeit, um es richtig einordnen zu können. Allerdings lässt sich «Don Quijote» auch heute noch gut lesen, wenn man ein wenig Zeit und Ausdauer mitbringt.
    Don Quijote war für mich ein überraschendes Buch. Wie viele andere Leute, die es nicht gelesen habe, war mir vor allem der mittlerweile sprichwörtliche Kampf gegen die Windmühlen präsent. Dieser findet auch tatsächlich statt – auf den ersten 100 Seiten und dort nimmt er gerade mal knapp eineinhalb Seiten ein. Ich war gespannt, womit Cervantes die restlichen 1000 Seiten gefüllt hatte.


    Zunächst einmal mit allerlei Geschichten, die sich aber im Laufe der Zeit (mit Variationen) wiederholen. Es sind vor allem Don Quijotes Ausfahrten und was dabei schief geht. Meist setzt es dabei Prügel für ihn oder Sancho ab und auf eine wirkliche Heldentat des fahrenden Ritters wartet man vergebens. Zum anderen gibt es vor allem im ersten Teil eingeflochtene Liebesgeschichten von gewöhnlichen Menschen mit aussergewöhnlichen Schicksalen. Diese Einschübe sind äusserst unterhaltsam und ein echtes Highlight im ersten Teil.
    Auffallend langsam ist das Erzähltempo. Es geht recht schleppend voran, weil nach jedem bestandenen Abenteuer noch eine umfassende Analyse desselben folgt – meist in Form eines Monologes, wo Don Quijote oder Sancho Pansa ihre Meinung zum Erlebten und was man darauf für Lehren ziehen kann, zum Besten geben. Auch vor Abenteuern werden gerne Vorträge gehalten, vor allem Don Quijote doziert gerne zu allen möglichen Themen und schwankt dabei immer zwischen Genie und Wahnsinn mit seinen Ein- und Ansichten.


    Die etwas repetitive Story und die teils genialen, teils hanebüchenen Ausführungen der Protagonisten machten es für mich nicht einfach, dieses Buch am Stück zu lesen. «Don Quijote» kann man auch gut zur Seite legen und dazwischen etwas anderes lesen, die Story ist nie so kompliziert, dass man den Faden verlieren würde. Was es lesenswert macht, ist die Reichhaltigkeit. In «Don Quijote» steckt viel mehr als nur die vordergründige Geschichte vom wahnsinnigen Junker und seinem dümmlichen Begleiter. Es ist eine Satire, eine Liebesgeschichte, ein Sammelsurium von Geschichten und Geschichtchen und eine grossartige Erzählung, in der vieles nur angedeutet oder zwischen den Zeilen geschrieben wird. Es steckt sehr viel Material zum Nachdenken in diesem umfangreichen Wälzer.


    Fazit:
    Wer schon immer mal wissen wollte, was denn eigentlich in «Don Quijote» so gut ist, dass man es auch 400 Jahre nach Erscheinen noch liest, soll sich unbedingt selber ein Bild davon machen – es lohnt sich.


    Gruss


    Alfa Romea


    PS: Das Buch ist geradezu ideal für eine Leserunde, da so viel Diskussionsstoff darin steckt. Ich musste es aufgrund der SLW-Regeln ausserhalb der Leserunde, die am 5. Juli startet, lesen. Aber ich werde dort sicher gerne reinschauen, wenn es so weit ist.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hi gretchen!


    Ich habe die Ausgabe von Albatros/Patmos:


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    Diese Ausgabe ist sehr preiswert, enthält aber keine Anmerkungen/Kommentare. Es ist einfach "nur" Don Quijote, versehen mit Illustrationen. Für mich hat das gut funktioniert, ein paar Häppchen Hintergrundwissen habe ich mir noch auf Wikipedia geholt. Aber wenn man natürlich (fast) jede Andeutung mitbekommen und verstehen will, muss man schon zu einer kommentierten Ausgabe greifen.


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hi gretchen!


    Ich habe die Ausgabe von Albatros/Patmos:


    Sherlock Holmes sh.gif schliesst messerscharf: Also noch dieselbe wie vorgestern - im Buchvorschlagsthread:



    Hi gretchen!


    Ich habe Don Quijote grade in dieser Ausgabe von Patmos


    scnr smile.gif

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()