Viola Alvarez - Die Nebel des Morgens

Es gibt 28 Antworten in diesem Thema, welches 11.650 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Grevinna.

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    Inhalt
    Europa im späten 5. Jahrhundert. Ein nordländischer Skalde wird von zwei Soldaten aus Island entführt und nach Süden verschleppt. Der trotzige Verstummte ist Bryndt Högnisson, der Einzige, der die Wahrheit kennt - die Wahrheit über die namenlose Tragödie im Hunnenland. Den Untergang der Nibelungen.


    Lt. einer Amazon-Rezi wird die Geschichte aus der Sicht von Brunhilds und Hagens Sohn erzählt.
    Das Buch mit dem tollen Cover ist im August erschienen, kennt das schon jemand?


    :winken:

  • Hallo Seychella,


    ich bin auch schon über das Buch gestolpert und werde im November eine Autorenlesung im Rahmen eines Nibelungenabends dazu besuchen. Bin schon sehr gespannt...

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    Verlag: Edition Lübbe
    ISBN: 3-7857-1580-3
    Seiten: 699
    Ausgabe: Hardcover
    Preis: € 22,95
    ET: 08.2006


    Europa im frühen siebten Jahrhundert


    Ein nordländischer Skalde wird von zwei Soldaten aus Island entführt und nach Süden verschleppt. Der Mann ist anscheinend verrückt, er hat seit zwei Jahren kein einziges Wort mehr gesprochen. Aber für den Auftraggeber dieser Entführung, einen machtgierigen, aber minderen Burgunderkönig am Rhein, ist er wertvoller als pures Gold. Denn der trotzige Verstummte ist Bryndt Högnisson, das Kind von Brynhild, der Königin von den Inseln, und ihrem heimlichen Geliebten: Hagen von Tonje.
    Bryndt ist der Einzige, der die Wahrheit kennt – die Wahrheit über die namenlose Tragödie im Hunnenland.
    In berührenden Bildern und einer wunderbaren Sprache erzählt Viola Alvarez die Geschichte hinter der Geschichte: Ein Mann und eine Frau, die mit einer verzehrenden, verbotenen Liebe ein ganzes Volk in den Untergang reißen. Und ein Sohn, der versucht, hinter all den Erinnerungen eine Wahrheit für sein Leben zu finden...


    Meine Meinung


    „Die Nebel des Morgens“ ist stilistisch, sprachlich, erzählerisch und inhaltlich ein ganz besonders, vielleicht sogar außergewöhnliches Buch.
    Viola Alvarez erzählt nicht einfach die Nibelungen-Sage nach, sondern versucht, diesen Mythos neu zu erzählen. Sie selbst sagt: „Grundsätzlich versucht der Roman ja eine Geschichte zu erzählen, die sich erst nachher in die bekannte Legende verwandelt haben könnte.“ (http://www.buechereule.de, 10.02.2007) Und das ist ihr absolut glaubwürdig gelungen.
    Sie räumt auf mit der gängigen Mythologie, zeigt genial auf, aus welchen Ereignissen ihrer Version das Sagenhafte entstanden sein könnte. Es macht unheimlich viel Spaß, als Kenner der Legende diese kleinen Hinweise zu entdecken und zustimmend nicken zu können – ja, so könnte es sich zugetragen haben.
    Die Rollen von Held und Bösewicht werden hier neu verteilt, was sehr interessant war.


    Viola Alvarez hat einen in sich sehr schlüssigen, realistischen Roman geschrieben, der nicht nur Liebhaber der Nibelungen begeistern wird. Von der ersten Seite an ist der Roman absolut spannend und faszinierend. Ihre Sprache ist sehr intensiv, fast schon poetisch schön und lässt den Leser in eine andere Welt, in eine andere Zeit abtauchen.


    Erzählerisch ist der Roman für mich sagenhaft, im doppelten Sinne. Viola Alvarez’ Erzähler Bryndt – ein Nachfahre der Nibelungen - beschreibt die Ereignisse mit allen Facetten seines Charakters, seiner Herkunft, seiner Lebenserfahrung, seiner eigenen Erinnerung. So wirkt die Geschichte nicht nur realistischer und lebendiger, sondern auch sehr emotional und humorvoll, aber auch abstoßend und erschreckend.

    Ihre Figuren empfinde ich äußerst gelungen, sind sie nicht nur äußerlich sehr unterschiedlich, sondern auch vom Charakter her unglaublich facettenreich und bleiben nicht starr, sondern verändern sich im Laufe der Jahre, ihrer Erfahrungen. Und für alle charakterlichen Eigenschaften ihrer Figuren hat Viola Alvarez auch noch psychologische Erklärungen für den Leser, die sich aus den prägendsten Erfahrungen der Hauptfiguren leicht herauslesen lassen.


    Ich bin restlos begeistert von diesem Roman, der sich eindeutig von vielen anderen historischen Roman nicht nur sprachlich abhebt. Er wird sicherlich zu meinen Lesehighlights 2007 gehören und ich bin mir sicher, dass ich ihn irgendwann noch einmal lesen werde!


    Meine Bewertung


    5ratten

    Liebe Grüße<br />Melli

  • Hallo Cait,


    Deine Rezi hört sich wirklich klasse an. Ich freue mich schon auf die Leserunde :klatschen:.


    Wer sich dazu übrigens noch anmelden möchte: Hier geht´s lang :winken:...


    Liebe Grüße
    Bianca

  • Und die erste Leserunden-Teilnehmerin liefert ihre Rezension ab... :winken:


    Schon die Aufmachung des Buches hat mir sehr gefallen, das stimmungsvoller Cover hatte es mir ja schon länger angetan. Zudem gab es noch Stammbäume, eine Karte - und nicht zu vergessen dieses tolle glatte Papier.


    Mein erster Roman von Viola Alvarez, ich hatte schon viel gutes gehört - und doch hat mich ihr Stil überrascht, er ist etwas besonderes. Es kam mir eher vor wie die mündliche Überlieferung eines Skalden, und nicht wie ein Buch. Dieser Eindruck entstand durch die persönliche Ansprache, öfter auch durch eine Ausdrucksweise die ich nicht in einem Buch vermutet hätte, durch die andauernde leicht melancholische Atmosphäre und auch durch die zu Beginn erfolgte Vorstellung der Ahnenreihen.
    Die Autorin beherrscht auch die Kunst, manche Figuren nur durch ein paar Sätze lebendig werden zu lassen. Dazu kommt der Humor, z.B. die Beschreibungen des Christentums aus der Sicht eines Heiden (wie den Gründen, für die ein Mann verehrt wurde) oder Frau Uotes Bestreben, ihre Tochter mittels der Beschreibung ihrer geheimen Kammer und dem passenden Schlüssel auf die Hochzeitsnacht vorzubereiten. :)


    Es gab auch viele traurig-schöne emotionale Szenen, bei denen mir das Herz aufging - ich aber gleichzeitig :heul: könnte. Und eine Menge toller Beschreibungen, die ich einfach noch einmal (oder zweimal) lesen musste, um sie richtig zu verinnerlichen. Weise und einfühlsame Momente genauso wie traurige Stellen, in denen mit wenigen Worten der Gemütszustand einer Person bildhaft dargestellt wurde.
    Die Figuren wurden sehr vielschichtig dargestellt - es gab keine flachen Charaktere und kein reines Gut oder Böse. Die Personen waren sehr menschlich, und ich konnte ihre Beweggründe meistens gut nachvollziehen.


    Das tragische Ende kann natürlich keiner ändern, obwohl es mich gefühlsmäßig doch sehr erwischt hat. Was in jedem Fall für die Personen und die Erzählkunst spricht. Und dann gibt es noch Bryndt - in den Momenten, in denen er im Vordergrund steht und von seiner Vergangenheit erzählt, wird die Geschichte für mich noch dichter und emotionaler. Und seine Ausdrucksweise, einfach nur schön - z.B. sein Bezug zum Wind und die Beschreibung der verschiedenen Flüsse.
    Und er hinterlässt der Welt ein großes letztes Wort - und ein Vermächtnis, welches mich zum Nachdenken angeregt hat. Genauso wie die unterschiedliche Darstellung der beiden Familien.
    Es war für mich ein Buch für Herz und Kopf - und sicher nicht mein letztes von Viola Alvarez.

  • Und schon ein Buch mehr auf der Wunschliste.... :breitgrins:
    Ich war von "Das Herz des Königs" schon so begeistert und das klingt ja nun auch klasse!
    Danke für die Rezi!

  • So, ich habe das Buch auch schon seit einigen Tagen beendet und habe eine ähnliche Meinung wie Cait und Seychella, wobei mir persönlich "Das Herz des Königs" noch eine Spur besser gefallen hat, aber ich kann nicht sagen, woran es liegen könnte. Hier also Meine Meinung:


    Was gibt es schöneres als ein dünn aussehendes Hardcover, dass dann doch 700 Seiten inklusive Lesebändchen aufweist und zudem noch einen Stammbaum und eine Landkarte? Höchstens so ein ähnliches Wunderwerk, allerdings mit mehr als 700 Seiten! Auch wenn es das Buch als Taschenbuch noch nicht gibt, wenn ein Hardcover so wunderschön gestaltet ist, dann würde sich für mich die Frage auch gar nicht erst stellen, ob ich das Taschenbuch oder das Hardcover kaufen soll … manche Bücher muss man einfach als Hardcover haben.


    Ich muss gestehen, dass ich an das Buch mit nur sehr geringem Wissen über die Nibelungen-Sage herangetreten bin, mein Wissen diesbezüglich endet mit Siegfried und dem Drachen, dem wortwörtlichen Blutbad und dem Lindenblatt. Insofern konnte ich die Geschichte wie sie Viola Alvarez erzählt unvoreingenommen auf mich wirken lassen und haben das Buch von der ersten bis zur letzten Seite genossen.


    Bezüglich der Figuren gefällt mir sehr gut, dass sie, trotz der voreingenommenen Haltung des Erzählers gegenüber seinen Mitspielern, trotzdem nicht schwarz-weiß gemalt/ beschrieben sind. Man weiß zwar, wie Bryndt darüber denkt, aber ansonsten sind die Figuren sehr fascettenreich und irgendwie kann man mit ihnen allen mitfühlen, mit Siegfried, mit Gunther, mit Krimhild…jeder hat sein Päckchen zu tragen, seine eigene Geschichte, und wirklich böse kann man denjenigen, die Bryndt so sehr hasst nicht wirklich sein. Aber auch die Geschichte von Brynhilds Familie, die Bryndt uns am Anfang erzählt ist wunderbar, Brynhilds Ahnen haben es mir angetan. Sie sind so viel lebendiger und spannender als die Familie von Gunther, bei ihnen hätte ich noch länger verweilen können.


    Der Held des Buches ist Hagen von Tronje, der bereits etwas ältere Ratgeber von König Gunther und der heimliche Herrscher von Worms. Hagen hat sich direkt in mein Herz gespielt und ist so auch zu meinem Helden geworden. Wie schreibt Viola Alvarez so schön "Manche Könige brauchen weder einen Titel noch ein Land, um zu sein wer sie sind."


    Wie bereits in ihrem Roman „Das Herz des Königs“ verzaubert Viola Alvarez mich als Leserin total mit dieser Geschichte, der tiefen Emotionalität und ihrem Erzählstil: das Buch ist von Anfang an sehr emotional, irgendwie spüre ich immer eine gewisse Melancholie und Traurigkeit, auch an den Stellen, wo ich eigentlich vor mich hingrinse. Grundsätzlich finde ich, dass sich das alles wie ein großes langes Märchen liest, die Sprache passt für mich einfach zu der Tatsache, dass hier eine Legende erzählt wird. Wunderschön! Jeder zweite Satz bringt mich zum jubeln, seufzen, lachen, grinsen oder auch zum weinen. Das sind dann zwar keine tiefen Schluchz-Szenen, aber die ein oder andere einsame Träne kullert bei mir schon mal auch bei einzelnen Sätzen. Ich finde es übrigens bemerkenswert, dass ich in einem Buch, das eine tragische Liebesgeschichte erzählt, mehr, lauter und herzlicher lachen kann, als bei einem Buch wie „Die Bibel nach Biff“. Ich glaube zudem, dass es kaum ein Buch gibt, bei dem sich meine Gefühlsausbrüche so häufig und extrem von einer Sekunde auf die nächste ändern.


    Es ist für mich ein Buch, dass ich kaum aus der Hand legen kann, ich will die Andeutungen verstehen, ich will einfach die ganze Geschichte kennen, so wie sie uns hier erzählt wird. Und dabei verzichte ich auch gerne auf ein paar Stunden Schlaf, ich muss mich regelrecht zwingen, das Licht auszumachen.


    Bewertung:
    1-
    5ratten


    lg
    kathrin

  • Zum Inhalt ist ja schon genug gesagt, das wiederhole ich dann mal nicht :zwinker:


    Meine Meinung: Die Nibelungengeschichte ist mir in verschiedenen Fassungen vertraut, daher hatte mich eine neue Perspektive interessiert und diesbezüglich wurde ich keinesfalls enttäuscht! Obwohl die Handlung ja im großen und ganzen feststand, gab es immer wieder überraschende Wendungen und "Einlagen" (ich sag nur: Duos :breitgrins:). Die Charaktere kamen sehr plastisch daher, Sprache und Stil waren für meinen Geschmack sehr passend und haben mir gut gefallen – bis auf die Stellen, an denen Bryndt als Erzähler zurücktritt, wie ich dann auch in den entsprechenden Threads angemerkt habe.
    Und obwohl das alles sehr gut zusammenpaßte, habe ich mit – für mich unverhältnismäßig großen – Lücken gelesen, so daß ich mich gefragt habe, woran das gelegen hat. Gut, es gab einfach auch äußere Einflüsse, die mich manchen Abend davon abgehalten haben, aber das allein war es nicht. Ich hätte schon manches Mal zu diesem statt zu einem anderen Buch greifen können und habe es nicht getan. Ich bin mir nicht genau über die Gründe im klaren. Lag es an meiner Kenntnis der grundsätzlichen Handlung? Das glaube ich eher nicht, dafür gab es zu viele neue Details. An den Personen? Eigentlich auch nicht, es gab einige, die ich nicht besonders leiden mochte (was aber ein grundsätzliches Interesse an ihnen und ihren Handlungen nicht ausschließt!), und andere, die ich sehr gerne mochte (vor allem Hagen). Am ehesten trifft wohl zu, daß mir der langsame und leicht melancholische Erzählfluß derzeit nicht entgegenkam, mir hat etwas "Drive" gefehlt. Das ist aber kein grundsätzliches Problem (ich kann mich auch auf dergleichen eigentlich gut einstellen und tue das auch gerne), aber dafür war es wohl einfach der falsche Lesezeitpunkt. Ich werde das Buch also später noch einmal lesen, um es völlig zu genießen.


    Vor diesem Hintergrund fällt mir eine Punktewertung etwas schwer, denn einerseits kann ich das Buch ja nicht für meine "Leselaune" verantwortlich machen, andererseits weiß ich nicht, wie ich es unter anderen Umständen wirklich beurteilt hätte. Daher orientiere ich mich erst einmal an meinem gegenwärtigen Gefühl. Wenn ich noch einmal gelesen habe, kann ich die Einschätzung ja noch korrigieren.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hier auch meine Meinung zu diesem tollen Buch :klatschen:.


    Wir befinden uns im Europa des späten fünften Jahrhunderts. Ein nordländischer Skalde wird entführt und verschleppt. Er erzählt dem Leser eine Geschichte, die spannender kaum sein könnte. Schließlich handelt es sich bei dem Entführten um Bryndt Högnisson, Kind von Brynhild und Hagen von Tronje...


    Schon bei der äußeren Betrachtung des Buchs bekam ich Lust zum Lesen. Der Einband ist von einem außergewöhnlich strukturierten Papier, das Coverbild fast mystisch (was ein wenig im Gegensatz zu der Bezeichnung "Historischer Roman" steht, die der Verlag dem Buch zuordnet). Schlägt man das Buch auf, findet man sogleich den Stammbaum der Hauptpersonen, was beim Lesen insbesondere bei den fremdländisch klingenden Namen eine große Hilfe ist. Ganz hinten findet sich außerdem eine Karte, die dem Leser deutlich macht, wo genau man sich während der Handlung befindet.


    Erzählt wird die Geschichte von Bryndt, der die Handlung und auch die Personen aus seiner ganz persönlichen Sicht sieht und ihnen somit richtig Leben einhaucht. Die handelnden Personen werden alle ausführlich eingeführt, meist über mehrere Generationen und jede wird so facettenreich dargestellt, dass sie mit allen Macken und Liebenswürdigkeiten absolut glaubwürdig wirken. Außerdem entwickeln sie sich ständig weiter, keine bleibt plump, hölzern oder stets gleich und vorhersehbar. Besonders gut gefielen mir die Dialoge, die stets einen leisen trockenen Humor hatten, der mich oft beim Lesen lächeln ließ. Generell ist die Sprache, der sich die Autorin bedient, einfach wundervoll poetisch und flüssig, man möchte immer weiter und weiter lesen und immer tiefer in die Welt der Nibelungen eintauchen. Die Handlung an sich erschien mir sehr spannend, obwohl sie mir natürlich in Kenntnis der Saga bekannt war. Da Frau Alvarez aber nicht einfach die Nibelungensaga nacherzählt, sondern sie vollkommen neu gestaltet, konnte ich vieles aus anderen Blickwinkeln sehen, was ich als sehr reizvoll empfand. Mir persönlich gefällt diese Erzählung besser als das, was ich vorher in dieser Richtung gelesen habe. Die Bezeichnung "Historischer Roman" finde ich in diesem Zusammenhang allerdings nicht sehr passend. Natürlich erscheint alles im mittelalterlichen Gewand, was ich auch beim Lesen richtig vor Augen hatte, aber historische Details sucht man vergebens. Dafür findet man aber ein wunderbares Buch, das sicherlich viele Leser, nicht nur ausgesprochene Nibelungen-Liebhaber, in seinen Bann ziehen wird.


    Mein Fazit:
    Nachdem ich schon von "Wer gab Dir, Liebe, die Gewalt" absolut begeistert war, gesellt sich nun auch "Die Nebel des Morgens" zu meinen absoluten Lieblingsbüchern. Ein absoluter Lesetipp!


    5ratten

  • Ich war ja auch in der Leserunde angemeldet und bin mit dem Buch überhaupt nicht warm geworden, so dass ich es abbrechen musste.


    Wollte mal fragen, ob die anderen Bücher (die ich halt thematisch auch sehr interessant finde) in einem ähnlichen Schreibstil geschrieben sind, oder ob diese große Distanz zu den Protagonisten nur in diesem Buch aufgekommen ist?

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Und nun auch mein Fazit:


    Da ich mich sehr für alte Legenden, Mystik und Historisches interessiere, bin ich auf das Buch "Die Nebel des Morgens" von Viola Alvarez gestoßen. Es wanderte sofort auf meinen Wunschzettel, da mich die Thematik der Nibelungensage schon lange fasziniert. Ich habe schon einiges zu dem Thema gelesen, aber die Beschreibung des Buches, dass es sich hier um eine neue Sicht handelt, hat mich neugierig gemacht. Ich habe vorher noch kein Buch von Frau Alvarez gelesen und war daher auch sehr auf Ihren Schreibstil gespannt, von dem ich im Forum schon einiges gehört hatte. Meine Erwartungen waren also entsprechend hoch...


    ...und sie wurden in keinster Weise enttäuscht. Schon von Anfang an hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, einen Film zu sehen, so plastisch und realistisch ist die Handlung beschrieben. Starke, vielschichtige Charaktere, Spannung und Emotionen gepaart mit wohl dosierten Portionen an feinem Humor und ein Fundus an Zitaten, über die man noch lange nachdenkt, machten das Lesen zu einem absoluten Hochgenuss. Frau Alvarez hat einen wunderschönen Erzählstil, bildhaft, poetisch und leise. Einige Leser, die schon mehr Bücher von Frau Alvarez gelesen haben, haben ja bereits angemerkt, dass man ihre Bücher nicht mal schnell zwischendurch lesen kann. Das kann ich nur bestätigen. Ihre Sprache ist sehr intensiv und für den Genuss des Buches sollte man sich Zeit nehmen. Leider war mir das nicht vergönnt, ich konnte das Buch leider nur scheibchenweise lesen und mit längeren Pausen. Das habe ich als sehr schade empfunden, aber das Buch verdient es auf jeden Fall, nochmal gelesen zu werden. Für mich war es definitiv ein Highlight des Jahres und ich werde mit Sicherheit auch die anderen Bücher von Viola Alvarez lesen.


    Zur Handlung selbst: Das Versprechen einer neuen Sicht der Nibelungensage wurde bestätigt. So könnten die Geschehnisse gewesen sein, die dann zur Sage führten. Keine Drachen, keine Zwerge, keine Tarnkappe - und das fand ich sehr sympathisch, denn somit war die Handlung sehr realistisch und glaubwürdig. Die Stimmungen des Buches wechselten zwischen wütend, optimistisch, heiter und melancholisch. Ich hatte an mehreren Stellen das Bedürfnis, einfach Halt! zu rufen, da man die Handlung als solches ja doch kennt und man weiß, dass die Personen in ihr Verderben rennen, unaufhaltsam. Interessant für mich war vor allem die Geschichte hinter den einzelnen Personen, die Erklärung, warum diese so sind, wie sie sind - daher gibt es auch keinen strahlenden Helden oder schlimmen Bösewicht. Kennt man die Geschichte, kann man das Wesen und die Handlungswesen nachvollziehen und es gibt kein Schwarz oder Weiß.


    Meine Bewertung: 5ratten

  • Hallo Weratundrina!



    Wollte mal fragen, ob die anderen Bücher (die ich halt thematisch auch sehr interessant finde) in einem ähnlichen Schreibstil geschrieben sind, oder ob diese große Distanz zu den Protagonisten nur in diesem Buch aufgekommen ist?


    Ja, der Schreibstil ist auch bei den übrigen Büchern sehr ähnlich. Für mich persönlich macht es die Bücher reizvoll, aber in Deinem Fall würde ich dann wohl doch eher abraten...


    Gruss
    Bianca

  • Oh, vielen Dank für Deine Antwort! :winken:
    Dann verzichte ich wohl besser auf die anderen Bücher!

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Hallo,


    ich habe auch gerade dieses wundervolle Buch beendet. Ich bin genau wie die meisten anderen hier absolut begeistert von Viola Alvarez Stil. Auch ich kannte mich nicht besonders mit der Geschichte der Nibelungen aus und habe mit der Geschichte hier ziemliches Neuland betreten. Musste das Buch dann aber immer wieder unterbrechen um mich im Internet über die Nibelungen schlau zu machen. Viola Alvarez hat die Geschichte einfach wundervoll neu erzählt, sich an die "Fakten" gehalten aber alles neu gedeutet. Und dies alles so gut, dass man eigentlich nur denken kann: Wenn überhaupt, kann es nur so gewesen sein.


    Auch wenn es schon etwas her ist möchte ich noch etwas zu Weratundrinas Frage schreiben. Vielleicht liest du es ja noch.
    Ich persönlich habe den Roman über Walther von der Vogelweide etwas anders empfunden. Vom Schreibstil her. Ich kann es ein bisschen verstehen wenn du von der Distanz zu den Protagonisten redest. Ich hatte bei "Die Nebel des Morgens" auch anfangs etwas Schwierigkeiten eine Nähe zu den Figuren aufzubauen. Ich fand die Geschichte zwar sehr interessant und die Sprache von Alvarez außergewöhnlich gut, aber die Distanz blieb irgendwie. Ich habe für die ersten ca. 300 Seiten ca. eine Woche gebraucht und den Rest dann in 2 Tagen verschlungen. Die Zeit habe ich gebraucht um ein richtigen Bezug aufzubauen.


    Bei "Wer gab dir, Liebe, die Gewalt" war diese Nähe zu den Protagonisten sofort da. Ich habe dort mehr gelacht mehr geweint und einfach viel mehr gelitten und mitgefühlt. Das soll jetzt die Qualität von "Die Nebel des Morgens" nicht schmälern, nur ich denke wenn dir die Nibelungen nicht so lagen, solltest du ruhig mal einen Versuch mit dem Walther-Roman machen.


    Trotzdem gibt es für "Die Nebel des Morgens" natürlich auch
    5ratten


    Viola Alvarez ist für mich die Entdeckung 2007 :anbet:


    LG
    Flor

    Einmal editiert, zuletzt von Flor ()

  • Dem hab ich gar nichts mehr hinzuzufügen, ausser dass "Die Nebel des Morgens" eigentlich kein historischer Roman ist, sondern genau wie "Das Herz des Königs" eine wundervolle Sagenadaption.


    Darf ich trotzdem 5ratten vrgeben? :redface:

  • Der Nibelungen-/Wälsungenstoff fasziniert mich seit meiner Jugend, ich habe fast alles zu diesem Thema gelesen, ob Roman oder Sachbuch, aber ich habe noch nie eine Sagenadaption gelesen, die mir so ans Herz gegangen ist, wie Die Nebel des Morgens (außer vielleicht Die Feuer von Troja von MZB, aber das ist wieder eine andere Geschichte). Frau Alvarez' Schreibstil hat mich schon in Das Herz des Königs völlig überzeugt und mitgerissen. Der Leser wird durch ein Wechselbad der Gefühle gejagt: mal wunderbar beschreibend und melancholisch, dann wieder komisch bis zum Slapstick; diese Mischung beherrscht Frau Alvarez meisterhaft.


    Natürlich ist es schwierig eine Geschichte zu erzählen, die jeder kennt, ohne wiederzukäuen. Das hat mich sehr neugierig gemacht. Viola Alvarez erzählt die Geschichte ohne Pathos und zeichnet ein wunderbar stimmungsvolles Bild einer unruhigen Zeit, der Zeit der Völkerwanderung. Das Römische Reich zerbricht, die alten Sitten und Gebräuche werden durch den neuen Glauben und die damit verbundenen Lebensregeln abgelöst. Die Menschen sind orientierungslos. Diese großen geschichtlichen Umwälzungen ziehen sich auch durch das Schicksal der handelnden Personen: die Sachsen und Hunnen vor der Tür, das noch ungefestigte Christentum und der eigentlich noch fest verwurzelte Glaube an die alten Götter, Bekehrungsversuche und erste Bestrafungsaktionen. Das ist stimmig erzählt.


    Als wohltuend empfand ich das Fehlen jeder Magie, die natürlich in einer Sage vorkommen darf, hier aber nur gestört hätte. Drache, Zwerg und Tarnkappe sind letztlich nur Aufschneidereien eines allzu selbstverliebten Recken, dem in Worms langweilig ist und der ein wenig Garn spinnt.


    Ich gebe zu, dass meine Sympathien in allen Büchern, die ich gelesen habe, auf Seiten Brynhilds lagen, die so ungeheuerlich betrogen worden war. Diesem Betrug gibt Viola Alvarez eine ganz neue Dimension, die mich stark berührt hat. Der Gürtel bekommt hier eine ganz andere Bedeutung: nicht das Kraftsymbol eines muskelbepackten Mannweibs sondern neben dem Ring mit dem Wolfshaar die einzige Verbindung einer einsamen, gebrochenen Frau, eingesperrt und isoliert, zu ihrer Heimat und ihrer Familie, zu ihrem früheren glücklichen Leben in Freiheit.
    Die Beschreibung von Brynhilds Ahnenreihe hat mir sehr gut gefallen und macht deutlich, wie Brynhild die Frau werden konnte, die sie war, als Siegfried für Gunther um sie warb. Umso schmerzhafter der Schnitt, als ihr dämmerte, was man ihr angetan hatte.
    Auch dem "grimmigen" Hagen galten immer meine Sympathien, weil er so ambivalent ist; die einzige Figur, die auch im Nibelungenlied Kontrast aufweist, während die anderen Personen flach bleiben. Hier lernt man den düsteren, im alten Glauben verhafteten Mann mit dem ausgeprägten Gefühl zur Pflichterfüllung noch von einer ganz anderen Seite kennen und diese Seite ist absolut glaubwürdig.


    Ein wirklich gutes Buch, für das ich 5ratten vergebe. Mein :tipp: des Monats Januar.

    Einmal editiert, zuletzt von qantaqa ()

  • Hi!


    Da es schon soviele gute Rezis gibt nur was kurzes von mir:


    Anfangs hatte ich Probleme mich in die Geschichte einzufinden, es plätscherte so dahin und war fast schon langweilig. Aber dann, als Siegfried an den Hof kommt, geht die Geschichte richtig los und nimmt ordentlich Fahrt auf. Spätestens da war ich völlig im Sog der Sage. Jetzt wo ich das Buch zu Ende gelesen habe, spüre ich dieses kleine Loch, was bei mir bestimmte Bücher hinterlassen. Bücher, deren Figuren mir ans Herz gewachsen sind, mit denen ich mich identifiziert habe, mit denen ich getrauert, geliebt, geweint, gelacht habe.
    Ich bin froh, dass ich mich durchgekämpft habe, denn es hat sich so sehr gelohnt.


    5ratten

  • In einem Käfig schleppt man ihn durch die Lande, um ihn am Ende vor den Mann zu bringen, den er seit seiner Kindheit hasst: Bryndt Högnisson, den letzten Nachfahren der Nibelungen, den einzigen, der noch weiß, was damals, vor 40 Jahren, wirklich geschehen ist am Hof von König Gunther.


    Gunther, ein weichlicher Schwächling, hat nach dem Tode seines Vaters notgedrungen den Thron bestiegen, stets angeleitet und beraten von Hagen, der ihn, seine Brüder und Generationen von anderen Jungen in Kampf und Strategie unterwiesen hatte. Hagen, der Einäugige, der Undurchsichtige, dessen Vergangenheit nebelhaft ist und der nie zu lachen scheint, ist derjenige, der in Wahrheit sämtliche Fäden in der Hand hält bei den zahlreichen Kämpfen mit benachbarten und verfeindeten Stämmen.


    Hoch im Norden wächst derweil als Nachfahrin der legendären Urmutter Yenka mit den blauen Zähnen Brynhild auf, eine junge Frau mit unglaublicher Kraft und Kampfeslust, die Heiratskandidaten danach beurteilt, ob sie sie im Baumstammwerfen besiegen kann. Ihr hat man bei ihrer Geburt prophezeit, dass eine Reise übers Meer zu ihrem Verhängnis werden würde.


    Eines Tages taucht an Gunthers Hof Siegfried auf, eine faszinierende Gestalt, die alle in ihren Bann schlägt, nicht zuletzt Gunthers Schwester Krimhild, die ihr Leben bisher abgeschieden im Frauentrakt verbracht hat. Man schickt ihn eines Tages nach Norden, um einen Waffenhandel für Gunther abzuschließen und ihm im Gegenzug eine Braut mitzubringen - und so beginnt, was eines Tages tragisch enden wird.


    Viola Alvarez tut in diesem Roman erneut, worauf sie sich wunderbar versteht: sie zäumt eine altbekannte Sage von hinten auf. Hier ist nicht Jung Siegfried der strahlende Ritter und Held und Hagen der finstere Bösewicht, sondern er wirkt ein bisschen suspekt und oberflächlich, während Hagen bei aller Düsternis als kluger Stratege und Lehrer dargestellt wird, der trotz seiner harten Schale auch zu tiefer Liebe imstande ist. Brynhild ist keine schwerterfuchtelnde Walküre und Krimhild nicht die Lieblichkeit in Person.


    Die Sympathien sind demnach etwas anders verteilt, als man es von der Nibelungensage her kennt, und gerade deshalb macht es Freude, diese Geschichte unter anderen Vorzeichen zu lesen. Allerdings nicht von Anfang an - diesmal fiel es mir relativ schwer, mich in das Buch einzufinden, da es, wie bei den Skalden üblich, erst einmal mit einer längeren Ahnenreihe losgeht, zu der man natürlich nur schwerlich eine Beziehung aufbauen kann, und mir zudem die Sprache zuerst als ein merkwürdiger Mix aus altertümelnd und flapsig erschien.


    Sobald aber die Handlung richtig in Fahrt kommt und man zu den Geschehnissen vordringt, die man aus der Sage kennt, sind diese Startschwierigkeiten Nebensache, und man taucht in eine Welt aus Intrigen und Machtspielchen ein, in der Liebe eigentlich Nebensache ist und am Ende doch der Auslöser für das blutige Ende. Bei den Kampfszenen nimmt Viola Alvarez kein Blatt vor den Mund, da rollen einige Köpfe und spritzt das Blut, allzu zimperlich sollte man beim Lesen nicht unbedingt sein. Allzu breiten Raum nehmen diese Bilder jedoch zum Glück nicht ein. Was mir auch gefallen hat, war der Verzicht auf sämtliche märchenhaften Elemente. Zwerge und Tarnkappen werden nur mal am Rande erwähnt und als Phantastereien abgetan.


    Wer Lust hat auf einen ungewöhnlichen historischen Roman, der weitab von abgedroschenen Frauen in Hosenrollen und heißen Liebesszenen liegt und mit Klischees höchstens ein wenig spielt, ist bei Alvarez stets an der richtigen Adresse, und so kann ich auch dieses Buch trotz der Probleme am Anfang guten Gewissens empfehlen.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo miteinander,


    dass das Buch toll ist, merkt man schon daran, dass ich seit über einem Jahr einen Suchauftrag dafür im Tauschticket laufen habe, und es wurde in der Zeit nicht angeboten. Ich werde es mir wohl doch im Laden kaufen müssen. :smile:


    Viele Grüße von Annabas :winken: