Victor Hugo - Die Elenden (5. Teil Jean Valjean, 1. bis 4. Buch)

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  • Hi!


    Heute war es so weit: Im 1. Buch habe ich tatsächlich ein paar Seiten überblättert - etwas, das ich sonst wirklich nie (!) tue. Aber ich hatte einfach keine Nerven mehr für Hugos Ausschweifungen. Das Kapitel "Die Toten haben Recht und die Lebenden nicht Unrecht" habe ich sozusagen spontan weggekürzt.


    1. Buch
    Eine blutige Angelegenheit, besonders gegen Ende. Aber es war ja abzusehen, dass die Aufständischen da nicht am Stück wieder rauskommen. Mir ist immer noch nicht ganz klar, weshalb sie eigentlich den Aufstand organisiert haben. Werde mal Wikipedia bemühen, aus dem Geschwafel über "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" werde ich nicht schlau. Irgend einen konkreten Anlass müsste es doch geben...
    Aus dem kleinen Gavroche bin ich übrigens bis zum Ende nicht schlau geworden, aber symphatisch war er mir.
    Die Szene, in der die Soldaten Enjolras zunächst nicht erschiessen, weil er so schön dasteht, finde ich zu dick aufgetragen. Beim Satz "Mir scheint, ich soll eine Blume erschiessen" kam wieder der hier :rollen: zum Zuge. Dieses Blümchen hatte immerhin in den Stunden zuvor nichts zu tun, als jede Menge Leute zu töten. Auch wenn man Gleiches nicht unbedingt mit Gleichem vergelten soll, so ist doch kaum anzunehmen, dass der Soldat, der diesen Ausspruch tut, Pazifist ist.
    Valjeans Plan ist mir immer noch nicht ganz klar. Dass er Javert laufen lassen würde, war mir klar. Aber wieso sagt er ihm, wo er zu finden ist? Hugo geizt weiter mit Erklärungen. Aber so wie ich ihn mittlerweile kenne, werden die sicher noch folgen.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • 4. Buch:
    Was Jean Valjean mit dem Laufenlassen von Javert wollte, ist mir immer noch nicht klar. Seine Reaktion konnte er wohl kaum voraussehen. Javerts Selbstmord war so konsequent wie sein ganzes Wesen. Dieses extreme schwarz/weiss-Denken (ein Richter hat immer Recht und ein Sträfling ist immer ein schlechter, unbelehrbarer Mensch) wirkt auf mich ein wenig unglaubwürdig. Zumal Javert ja kein ungebildeter Mensch ist, der einfach glaubt, was ihm andere erzählen. Natürlich hat er sich so ein einfaches Weltbild aufgebaut und natürlich ist er geschockt, als er merkt, dass er damit irrt. Was mich erstaunt, ist allerdings, dass er es nicht schon viel früher gemerkt hat, dass er nie fähig war, Grautöne wahrzunehmen. Dann wäre seine Kurzschlussreaktion auch nicht nötig gewesen...

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • 1. Buch
    So ganz kann die ABC-Truppe ihre philosophischen Neigungen nicht verbergen, da sie sich noch Gedanken über ihre Opfer machen, bevor sie sie erschießen. Ich dachte immer, das ist etwas, das man im Nahkampf auf keinen Fall machen sollte.


    Gavroche fordert seinen Schutzengel ganz schön heraus, als er die Barrikade verlässt, um draußen Patronen zu sammeln. Die Nationalgardisten verfehlen ihn zwar anfangs mehrfach, bevor sie ihn schließlich erschießen, aber das kommt mir bei aller Authentizität ziemlich unglaubwürdig vor.


    Ein kurzes, aber schönes Intermezzo ist die Beschreibung des Luxembourgparks in der Sonne, in dem keine Spur von Gewalt zu bemerken ist. Das macht den krassen Gegensatz zu den Kampfhandlungen erst richtig bewusst.


    2. Buch
    Darüber habe ich erstaunt den Kopf geschüttelt. Soll das eine 20-seitige Einleitung für das 3. Buch sein oder spielt die Kanalisation später nochmals eine Rolle?


    3. Buch
    Die Flucht Valjeans durch die Kanalisation erinnerte mich an Hugos Glöckner von Notre Dame. Anscheinend war das ein Thema, für das er sich erwärmen konnte. Dass Valjean ausgerechnet wieder an Thénardier gerät, hatte ich nicht erwartet, und dass Letzterer weder Valjean noch Marius erkennt, kommt mir eher unwahrscheinlich vor - Blut und Schlamm im Gesicht hin oder her.



    @ Alfa
    Nochmal zum 1. Buch: Warum es zu dem Aufstand kam, habe ich fast schon wieder vergessen (hing das nicht mit dem Begräbnis eines Generals zusammen?), aber die Schlagworte "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" brachte ich bisher immer mit dem Sturm auf die Bastille im Jahr 1789 in Verbindung.


    Warum Valjean Javert seine Adresse noch mitgeteilt hat, ist mir ebenfalls ein absolutes Rätsel. Damit hat es bestimmt noch etwas auf sich.



    Mir ist aufgefallen, dass Hugo außer Jean Valjean keine seiner Figuren mit Vor- und Nachnamen benennt. Ob er damit unbewusst zum Ausdruck bringt, dass Valjeans Charakter derjenige ist, mit dem er sich selbst am meisten identifiziert?

  • 1. Buch

    Beim Satz "Mir scheint, ich soll eine Blume erschiessen" kam wieder der hier :rollen: zum Zuge.


    :lol: Genau diesen Ausdruck machte ich auch. Hugo ist nicht besonders lustig beim (Be-)Schreiben. Eher auf unfreiwilliger Basis. Th. Mann zBsp ist da ganz anders.


    3. Buch

    Zitat


    Was Jean Valjean mit dem Laufenlassen von Javert wollte, ist mir immer noch nicht klar.


    Ich denke, Valjean hatte ebenso wie Marius mit seinem Leben abgeschlossen, weil er im Begriff war, Cosette zu verlieren.* Dass Javert hingegen so reagiert, hat mich wiederum verwundert. Sollte dieser Kerl etwa doch ein Herz o.ä. besitzen?
    Gewundert hat mich auch, daß Marius' Großvater noch lebt. War er denn nicht umgekippt, als Marius sein Haus beim 2. Mal verlassen hat. Also, ich hatte schon mit ihm abgeschlossen - von der Liste gestrichen.


    Die Beschreibung der Kanalisation fand ich überaus interessant. Die Verschmutzung ähnelt noch heute der von Brüssel, wo die Schweinerei ungefiltert in die Senne fällt. Also, alles gar nicht so weit hergegriffen.
    Die Flucht Valjeans durch derselben war eher langweilig.


    Die Aufstände fanden durch den Tod des Generals Lamarque statt. Es braucht nicht viel, der 1. Weltkrieg wurde durch einen Mann losgetreten, der aus dem Fenster "fiel".
    Die Beschreibung zu Lamarque findet man im 9. Buch des 4. Teils. In der Albatros-Ausgabe auf Seite 1177. Er wurde vom Volk geliebt, hielt die Freiheit hoch ... für die Elenden bestimmt eine letzte Hoffnung, der Misere zu entkommen. Hugo beschreibt die Aristokratie nicht sehr entgegenkommend, wie die Szene im Luxembourg-Park im 3.(?) Buch/5 Teil. zeigt. Da kann ich mir vorstellen, daß solche Leute wie Lamarque von der unteren Schicht sehr geschätzt werden.


    NACHTRAG: *Valjean denkt, nachdem er den Brief an Cosette gelesen hat, daß er Mitschuld am Tod von Marius hat. Für einen Menschen, der sonst keiner Fliege was zuleide tut, sicher unverzeihlich.


    4. Buch
    Habe ich gerade beendet und versteh die Leute im Buch nicht. Bei so schwachen Gemüter frage ich mich, wie die es geschafft haben, so alt zu werden. :rollen:
    So, und nun wird aber geschlafen ... :zwinker:


    Gruß,
    dumbler

    Einmal editiert, zuletzt von dumbler ()

  • 4. Buch
    Javert empfindet sich selbst als widerwärtig, weil er plötzlich Gnade gegenüber Valjean walten lässt. In gewissem Sinn bleibt er mit dem Selbstmord seinen Prinzipien treu, dass man einem Sträfling entweder nicht oder nur dann hilft, wenn man die Konsequenzen (sprich: eigene Bestrafung) erträgt. Dass er sich selbst mit dem Tod bestraft, passt für mich nicht zu seinem Charakter. Ich hatte eine raffiniertere Lösung erwartet.

  • Zitat

    Was Jean Valjean mit dem Laufenlassen von Javert wollte, ist mir immer noch nicht klar.


    Dabei ist es doch so leicht. Zu Anfang drei Zitate:
    So lebte er still, beruhigt und hoffnungsvoll, nur nach zwei Dingen trachtend: seinen Namen zu verbergen und fromm zu leben, den Menschen zu entrinnen und zu Gott zurückzukehren 1.Teil, 7.Buch, III
    Vergessen Sie nie, dass Sie mir versprochen haben, dieses Geld zu verwenden, um ein ehrlicher Mensch zu werden. 1. Teil, 2.Buch, XII
    Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe Ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Gott. 1.Teil, 2.Buch, XII
    Durch Myriel Bienvenue ist Valjean zum guten Menschen geworden und durch die unendliche Liebe, die er durch den Bischof erfahren hat, war für ihn der Bischof fast wie ein Heiliger, dessen Idealen er nacheiferte. Und dies sind christliche Ideale. Ob Valjean die Bibel gelesen hat und somit das Gebot "Du sollst nicht töten" kennt ist fraglich. Doch die Nächstenliebe, wie sie der Bischof ausübte, war ihm wohl sehr wichtig, wie es an vielen Stellen des Buches gezeigt wird.
    Wenn er an diesem Abend (war es zu dem Zeitpunkt schon Abend?? Sorry, bin noch net an der Stelle^^), Javert erschossen hätte, hätte er gegen all seine Ideale und Überzeugung gehandelt. Wie gesagt, der Bischof sagte ihm er solle Gutes tun, und den Polizisten zu erschießen ist garantiert nicht gut. Das er sich dadurch wieder in Gefahr begibt ist natürlich klar. Aber er war sich sicher, dass Gott nicht diesen Schritt von ihm gewollt hätte.


    Grüße Thomas

    [b] "Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Go

  • Ich kann Deine Gedankengänge nachvollziehen. Aber warum sagt Valjean Javert seine Adresse? Will Gott damit Javert auf die Probe stellen?


    LG
    Doris

  • Zitat

    Aber warum sagt Valjean Javert seine Adresse? Will Gott damit Javert auf die Probe stellen?


    Leider bin ich wie gesagt noch nicht soweit, kenne also nicht mehr genau die Zusammenhänge. Meine Meinung warum Valjean ihm seine Adresse gibt ist wie folgt: Valjean ist auf die Barickaden, um Marius zu retten und somit Cosette und ihn zusammen zubringen. Im Roman wird oft erwähnt, dass Cosette sein Ein und Alles ist und nach der Hochzeit, als er Cosette nicht mehr sehen durfte, merkt man ja wie Valjean im wahrsten Sinne des Wortes dahinvegetiert. Gut, zu dem Zeitpunkt als er mit Javert zu seinem Haus fuhr wusste er es noch nicht, aber er ahnte es sicher. Um Cosette glücklich zu machen und das war das einzige das für ihn zählte musste er sie loslassen. Ich glaube genauso wirds auch im Roman beschrieben. Dies war Grund Nummer 1: Ohne Cosette machte sein Leben keinen Sinn mehr und es war ihm dann wohl auch egal was mit ihm geschieht. Grund Nummer 2: Ich glaube bei der Szene wo er noch Herr Madeleine war und das Selbstgespräch führte, ob er den falsch erkannten Valjean retten oder die Tochter Fantines holen soll, kam es vor. Er glaubt das er seiner Strafe (die Galeeren) nicht entrinne kann. Es ist eine Strafe vor der er wegrennen kann, aber wie weit er auch kommt, dieser Strafe kann er nicht entkommen. Ihm scheint es auch ein gerechter Ausleich für die schöne Zeit mit Cosette. So scheint er sich dieser nun freiwillig hinzugeben.

    [b] "Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Go

  • Ich habe die Situation ebenfalls so eingeschätzt, dass Valjean alles tut, um Cosette glücklich zu wissen. Auch dass er fühlt, dass er seinem Schicksal nicht entgehen kann, leuchtet mir ein. Aber dann kann er doch, sobald Cosette ihren Marius geehelicht hat, hingehen und sich selbst stellen? Wenn ich mir diese Ungewissheit vorstelle, der er sich aussetzt - kommt Javert nun und verhaftet ihn oder nicht? Für mich wäre das nichts. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

  • 1. Buch:


    Heute war es so weit: Im 1. Buch habe ich tatsächlich ein paar Seiten überblättert - etwas, das ich sonst wirklich nie (!) tue. Aber ich hatte einfach keine Nerven mehr für Hugos Ausschweifungen. Das Kapitel "Die Toten haben Recht und die Lebenden nicht Unrecht" habe ich sozusagen spontan weggekürzt.


    Böse Alfa! :zwinker: Ich habe das Kapitel gehorsam von Anfang bis Ende gelesen - frage mich nur nicht, was drin steht :rollen: , mein Gehirn scheint sich während der Lektüre unbemerkt abgeschaltet zu haben.



    1. Buch
    Dass er Javert laufen lassen würde, war mir klar. Aber wieso sagt er ihm, wo er zu finden ist?


    Das ist mir auch ein Rätsel. Es erinnerte mich an die Szene bei Thenardier, als er sich erst befreit und eine Waffe organisiert (den Schürhaken), allen Angst einjagt, nur um den Schürhaken dann doch wieder wegzuwerfen und sich ihnen widerstandslos auszuliefern. Mir scheint, er hat einen geheimen Todeswunsch.


    Die Vision des perfekten 20. Jahrhunderts im 5. Kap. fand ich bitter: dann wird es keinen Krieg mehr geben, keine Kämpfe zwischen den Religionen, keinen Hunger, kein Elend, keine Prostution, man wird glücklich sein -> ganz so kam es leider nicht :rollen: . Aber auch hier zeigt sich deutlich wie schon an anderen Stellen, Hugos Fortschrittsglaube, sein Vertrauen auf eine bessere Zukunft.


    Das 16. Kapitel (Gavroches kleine Brüder im Park) hat mich wieder sehr ergriffen. Ja, ja, Hugo geht nicht gerade subtil vor, er trägt sehr dick auf, aber auf mich wirkt sein soziales Pathos tief. Gerade die Beschreibungen des Elends mancher unschuldiger (oder auch schuldiger) Figuren und die Gefühllosigkeit und (manchmal unbewusste) Grausamkeit der Bessergestellten macht das Buch für mich lesenswert.


    Dass Gavroche sterben würde, hatte ich mir zwar gedacht, aber trotzdem hat es mir um ihn leid getan. Auch in der Art seines Tod zeigt sich deutlich, dass das Leben ein Abenteuer für ihn war: er "spielt" mit den feindlichen Soldaten, fordert sie heraus und kann sich wohl nicht wirklich vorstellen, dass ihn dies sein Leben kosten könnte.
    Ich kann sein Verhalten besser verstehen, als das einiger anderer Aufständischer, die sich nicht (wie Enjolras) so gut wie möglich schützen, sondern anscheinend der Meinung sind, zu noch größeren Helden zu werden, wenn sie dem Feind eine größtmögliche Zielscheibe bieten :rollen: .


    Noch 210 Seiten. *Seufz* Wirklich Spaß macht mir die Lektüre nicht, aber auf der Zielgeraden werde ich nicht aufgeben.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Die allgemeine Beschreibung der Kloaken von Paris im 2. Buch hat mir gefallen, wenn sie auch etwas lang war (man braucht mir nicht 5 mal erzählen, wie viel Scheiße als Dünger wert ist - ich verstehe das auch beim ersten Mal), aber Valjeans Wanderung durch dieselben hat mich eher gelangweilt. Ich konnte einfach nicht mit ihm mitfiebern.


    Javerts Ende im 4. Buch hat mich ehrlich gesagt überrascht, ich fand es aber logisch. Javert mit seinem ganz einfachen schwarz-weißen Weltbild kann den Zwiespalt, in den er geraten ist, (ums Verrecken, wollte ich gerade schreiben :zwinker: ) nicht lösen. Entweder wird er ein schlechterer Mensch als ein Galeerensträfling oder er macht sich vor dem Gesetz schuldig, beides Situationen, die für ihn unerträglich sind. Da bleibt ihm als Ausweg (und gleichzeitig als Strafe für sein "Vergehen") nur der Tod.
    Ganz allgemein hat es mich überrascht, eine wie kleine Rolle Javert im Buch eigentlich spielt. Ich hatte angenommen, im Zentrum des Buches stünde der "Zweikampf" zwischen Valjean und Javert, Gejagtem und Jäger, aber so tauchte Javert ja nur alle paar Jahre mal auf.


    Und wieso ergibt sich Valjean? Ich denke auch, dass er des Versteckens und der Angst vor der Entdeckung einfach müde ist, jetzt, wo ihm klar geworden ist, dass seine traute Zweisamkeit mit Cosette ein Ende nehmen wird. Allerdings finde ich seinen Entschluss arg verfrüht, zumindest wenn ihm, wie ich annehme, weiterhin Cosettes Wohl am Herzen liegt. Es ist ja äußerst unklar, ob Marius (der potentielle neue Beschützer Cosettes) überleben wird. Sollte er sterben (oder nach seiner Genesung nichts mehr von Cosette wissen wollen), stünde sie ja ganz alleine da, ohne Geld (das zu dem Zeitpunkt noch sicher im Wald vergraben ist), und vor allem ohne Lebenstauglichkeit. Sie hat ja ein unglaublich behütetes Leben geführt und von den Realitäten des Lebens nur sehr wenig Ahnung. Wo Gavroche sich aus so so gut wie allen misslichen Situationen zu retten weiß, habe ich Schwierigkeiten, dies auch von Cosette anzunehmen. Sie wäre auf Gedeih und Verderb der Gnade anderer, vermutlich weniger netter, Menschen ausgeliefert. Ein Ende wie das ihrer Mutter schwebt mir vor.
    Wie kann Valjean diese Gefahr mit seinem unglaublich empfindlichen Gewissen vereinbaren? Nein, nach vollzogener Hochzeit könnte ich das akzeptieren, aber so habe ich doch den Eindruck, dass er seinen Idealen untreu wird und seinem Egoismus nachgibt, ohne an Cosette zu denken. Ich kann seine Entscheidung eigentlich gut nachvollziehen, aber dadurch ist er "gefallen".

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • [quote author=Saltanah]Das 16. Kapitel (Gavroches kleine Brüder im Park) hat mich wieder sehr ergriffen. Ja, ja, Hugo geht nicht gerade subtil vor, er trägt sehr dick auf, aber auf mich wirkt sein soziales Pathos tief. Gerade die Beschreibungen des Elends mancher unschuldiger (oder auch schuldiger) Figuren und die Gefühllosigkeit und (manchmal unbewusste) Grausamkeit der Bessergestellten macht das Buch für mich lesenswert.[/quote]


    Genauso geht es mir auch. Eigentlich seltsam, da ich auch der Meinung bin, dass er eigentlich zu dick aufträgt. Aber das Elend von kleinen Kindern und von Tieren (also von den unschuldigsten aller Wesen) zieht halt immer... Ich habe mich beim Lesen des Kapitels auch dabei erwischt, wie ich gehofft habe, dass die Jungen das Brot vor dem Schwan erwischen, damit sie wenigstens etwas zu essen haben.
    Aber es stimmt schon: Solche Passagen (etwa auch die, in der Cosette in den Wald zum Wasserholen gehen muss) gehören für mich zu den am schönsten zu lesenden im Buch.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.