Victor Hugo - Die Elenden (5. Teil Jean Valjean, 5. bis 9. Buch)

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  • Ich nähere mich langsam dem Ende des Buches und muss gestehen, dass ich fast ein wenig froh darüber bin. Für ein Einzelwerk ist es doch etwas lang(atmig).

    6. Buch

    Nachdem Marius und Cosette verheiratet sind, drückt Jean Valjean das schlechte Gewissen. Es ist interessant zu lesen, wie er mit sich ringt und argumentiert, ob er seine Vergangenheit nun offenbaren soll oder nicht. So viel Integrität findet man selten in einem Menschen. Eigentlich sollte längst Gras über die Sache gewachsen sein und selbst wenn nicht, hat er sich doch längst rehabilitiert, gemessen an dem Tatbestand, der ihm damals auf die Galeere brachte.


    7. Buch
    Valjean hat entschieden, vor Marius reinen Tisch zu machen und stößt auf wenig Verständnis. Leider stellt Marius die wesentlichen Fragen nicht, die Aufklärung über die tatsächlichen Hinter- und Beweggründe Valjeans bringen würden, und Valjean wiederum erzählt zu wenig. Wenn man bedenkt, dass es beiden letztendlich um Cosette geht, finde ich es seltsam, dass sie so wenig dafür tun, die Unklarheiten zu beseitigen. Schließlich müssen sie davon ausgehen, dass sie den Rest ihres Lebens eine Familie sind. Diese Handlungsweise kommt mir ziemlich unglaubwürdig vor. Oder war man zu dieser Zeit noch derart zurückhaltend?

  • Oh Schreck, hier wollte ich doch eigentlich auch noch was schreiben...


    [quote author=Doris]
    7. Buch
    Leider stellt Marius die wesentlichen Fragen nicht, die Aufklärung über die tatsächlichen Hinter- und Beweggründe Valjeans bringen würden, und Valjean wiederum erzählt zu wenig.[/quote]


    Zu Valjeans Verhalten gibt es ja dann später noch eine Erklärung aus seinem Munde, aber naja...


    [quote author=Doris]
    Oder war man zu dieser Zeit noch derart zurückhaltend?[/quote]


    Das glaube ich mittlerweile nicht mehr. Ich glaube viel eher, das Hugo hier die Dramatik nochmal steigern wollte (wenn du das Buch zu Ende gelesen hast, wirst du wissen, weshalb...)




    9. Buch
    Zum Ende hin wurde es mir doch gar ein wenig zu dramatisch, auch wenn Victor Hugo zum Schluss wirklich für alle Charaktere noch einen versöhnlichen Abschluss gefunden hat. Man kann im Alter Jean Valjeans zwar schon wegen des Verlusts eines geliebten Menschen sterben, aber dieses "man sieht sich im letzten Stündchen nochmal" war mir dann doch ein wenig zu dick aufgetragen. Vor allem, weil Valjean noch die Kraft hat, einen riesigen Vortrag zu halten. Kann ja schon sein, aber eben: Zu dramatisch, das Ganze. Wie sandhofer schon schrieb: Solche Szenen würden heute nicht mal mehr in einem Groschenroman durchgehen.


    Ein Schlussfazit zum Buch habe ich in meiner Rezi geschrieben.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich habe fertig!


    8. Buch
    Cosette erscheint mir nach ihrer Hochzeit etwas übertrieben kokett. Ist das nur der Überschwang? Außerdem vergisst sie ihren Ziehvater nach meinem Empfinden etwas zu schnell. Im normalen Leben ließe mich das an ihrer Zuneigung zu ihm zweifeln. Andernfalls hätte sie sich bestimmt durchgesetzt gegen ihren frischgebackenen Ehemann, der aus seiner Abneigung gegen Jean Valjean keinen Hehl mehr macht.
    Und - Ironie des Schicksals - nun schleicht Valjean um Cosette herum wie seinerzeit Marius. Sehr gut gefiel mir der Vergleich mit dem Undank der Natur am Ende des 1. Kapitels. Auch wenn es bitter ist für Valjean, so passiert es immer wieder.


    9. Buch
    Thenardier kommt nun doch vergleichsweise glimpflich davon. Marius gehen die Augen auf und Valjean gehen sie zu. Cosette darf ihre Erbschaft mit gutem Gewissen behalten... Am Schluss bekam ich den Eindruck, dass Hugo es eilig hatte, seinen Roman zu beenden. Das 8. und 9. Buch sind sehr straff geschrieben und die Ereignisse folgen Schlag auf Schlag; ein krasser Gegensatz zu den vorherigen Geschehnissen. Auch wenn es spannend geschrieben ist, passt es nicht so recht ins Gesamtbild.


    Mein Fazit: Les Misérables ist eine Erzählung, die auch um einiges kürzer sein dürfte. Die Ausflüge in die Geschichte Frankreichs sind ohne weitere Vorkenntnisse etwas schwer zu verstehen. Ich frage mich, ob viele Leser mit dem Buch wirklich zufrieden gestellt werden, da es für reine Trivialliteratur zu spezifisch wird und andererseits Leser, die mehr historische Fakten erwarten, enttäuscht sein werden. Von mir gibts dafür 3ratten


    Liebe Grüße
    Doris

  • Geschafft!


    Hugo ist es in den letzten Kapiteln gelungen, mich noch einmal gehörig zu überraschen und auch zu ergreifen. So übertrieben rührselig das Ende eigentlich war, so hat es doch auf mich wie gewünscht gewirkt. Er trägt sehr dick auf, eigentlich zu dick, aber trotzdem... Einfach ergreifend.


    Eigentlich hatte ich nach Marius Genesung ein langes Happy End erwartet. Ich dachte mir, dass bei Hugos ausschweifendem Erzählstil 100 Seiten für ein Happy End gerade so ausreichend Platz bieten würden, aber so kam es nun wirklich nicht.
    Auch hier schwenkte meine Meinung über das Buch ständig hin und her. Eigentlich ging mir Valjean mit seinen Gewissensbissen auf die Nerven und ich fand seine Reaktion ebenso übertrieben wie die von Marius (auch wenn sich da einiges erklärte), aber gleichzeitig traf mich sein im Prinzip selbstverschuldetes Leiden geradewegs ins Herz. Diese allmählich abnehmende Pendelbewegung - puh. Hugo versteht es wirklich, Leiden eindrucksvoll zu gestalten.


    Und dann bietet dieses schlichte letzte Kapitel Auf dem Friedhof Père-Lachaise... einen leicht wehmutsvollen und mich mit dem Buch weiter versöhnenden Abschluss.



    Insgesamt bot mir dieses Buch ein sehr abwechselndes Leseerlebnis: teils nahezu unerträglich spannend, dann äußerst ergreifend, immer wieder unendlich langweilend, manchmal auch ärgernd. Manche der Exkurse gefielen mir gut, andere weniger, und viele habe ich wegen mangelnder Vorkenntnisse schlicht und einfach nicht verstanden. Auch die eigentliche Handlung hat mich stellenweise gelangweilt, an anderen Stellen war sie mir zu übertrieben und manchmal hat sie mich nahezu zu Tränen gerührt. So ist es schwer, ein abschließendes Urteil zu fällen; es gab ebenso hervorragende wie miserable Stellen. Auf jeden Fall hätte das Buch kürzer sein dürfen, wobei ich mir allerdings nicht einfach die Exkurse gestrichen wünsche, sondern eine gleichmäßige Straffung des gesamten Buches - Handlung wie Exkurse - für wünschenswert halte.
    3ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • So, ich hab vor zwei Tagen auch endlich "Die Elenden" durch. :klatschen:
    Und mich hat der Roman mal wieder begeistert, wenn auch nicht mehr so sehr wie beim ersten Mal. Es war aber einfach genial wie Victor Hugo es schaffte die vielen Einzelschicksale miteinander zu verweben. (zu allererst natürlich Jean Valjean, Fantine, Cosette und Javert. Aber auch Herr Fauchevelent, Vater Mabeuf, Gavroche, Enjolras und die anderen Aufständischen, Eponine und und und...) Sie alle haben ihren eigenen Platz in der Geschichte und doch sind sie alle irgendwie miteinander verwoben und münden zum Ende in einen einzigen Punkt. Und durch diese Komplexität scheint es als wäre die Geschichte aus dem echten Leben gegriffen, obwohl sie natürlich reine Fiktion, ja schon fast eine Lüge ist. Der Autor will uns weiß machen diese Personen hätten real existiert, will uns zum Narren halten, sagt Vargas Llosa in seinem Werk "Victor Hugo und die Versuchung des Unmöglichen". Tja, dies mag stimmen, doch mich störte es wenig. DOch half mir "Die Elenden" damals vor anderthalb Jahren, als ich ihn zum ersten mal las, dass ich mich ein ganze Stückchen weniger Elend fühlte.
    Zu meinen Lieblingsszenen zählt ganz klar die Stelle in der Marius die sterbende Eponine hinter den Barrikaden auf seinem Schoß hält. Schon früh merkte ich, dass sie an Marius interessiert war. Doch das sie am Ende so für in aufopferte (auch wenn es teils aus egoisischen Gründen geschah) hat mich doch tief beeindruckt. Und Jean Valjean dem ich versuchte nachzueifern, es aber mittlerweile aufgegeben habe, da dies unmöglich ist.
    Tja, Vicor Hugo hat wirklich etwas geschafft was unmöglich ist. Seine Personen sind teilweise so hoch idealisiert, das sie unrealistisch wirken. Aber gut, er ist nicht ohne Grund der Anführer der französischen Romantik.
    Die vielen Abschweifungen, die hier ja oft sehr stark kritisiert wurden fand ich nicht so störend. Was allerdings wohl daran liegen kann, dass in meiner Ausgabe beinahe alle herausgenommen wurden.
    Ansonsten war es für mich wieder ein fantastischer Roman dem ich jeden nur wärmstens empfehlen kann.
    Von mir 5ratten


    Grüße Thomas

    [b] "Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Go