Richard Powers - Das Echo der Erinnerung

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    Klappentext:


    Ein verschlafener Ort in der Mitte der USA, eine halbe Million Kraniche, die jedes Jahr auf einem tausend Meilen langen Zug nach Norden hier Rast machen, eine Landstraße in einer Februarnacht. Mark überschlägt sich mit seinem Auto und kommt noch einmal davon. Allerdings ist nichts mehr so wie davor. Seine Schwester versucht alles, um sein Leben wieder herzustellen und wird von ihrem eigenen dabei eingeholt.


    In einem Roman voller Spannung erforscht Richard Powers, was Familien im Innersten zusammenhält: das zerbrechliche Geflecht aus Gefühl und Erinnerung. Die ergreifende Geschichte eines Geschwisterpaares und ein Panorama des heutigen Amerikas vereinen sich im neuen gewaltigen Roman des Bestsellerautors.


    Meine Meinung:


    Richard Powers verwebt in diesem Roman viele verschiedene Geschichten miteinander. Einmal die Geschichte von Mark, der nach dem Unfall nicht mehr das Gefühl der Vertrautheit für seine Schwester empfindet und daher überzeugt ist, sie wäre ausgetauscht worden. Er sei das Objekt einer riesigen Verschwörung. Auch Karins Geschichte, und die ihrer beider Familie, wird erzählt. Die Suche nach dem Hergang des Unfalls zieht sich ebenfalls durch das ganze Buch. Dazu kommt die Geschichte des Neurologen, der plötzlich mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat. Nebenbei gibt es noch den Kampf einer Naturschutzgesellschaft, die den Kranichen ihren Lebensraum bewahren will. Außerdem erfährt man viel über das menschliche Gehirn und welche Auswirkungen Schäden haben können. Dies bleibt allerdings recht oberflächlich, es gibt viele interessante Beispiele, aber keine nähere Erläuterung dazu.


    Anfangs konnte mich das Buch gar nicht fesseln, erst als die neurologischen Aspekte auftauchten wurde es für mich spannender. Was den Unfall angeht wurde ich zu lange im Dunkeln gelassen und verlor einfach das Interesse daran. Marks und Karins Familiengeschichte emfpand ich irgendwann eher als nervig, es wurde zu sehr auf den immer selben Punkten herumgeritten. Die Geschichte um den Neurologen war wesentlich interessanter.


    Es ist kein Buch, das man einfach mal nebenbei liest, es fordert einiges an Aufmerksamkeit. Es hat auch einige Längen. Insgesamt war es interessant und ich bereue die Lektüre keineswegs, aber es reizt mich nicht ein weiteres Buch des Autors zu lesen.


    3ratten

  • Den 20.02.2002 wird Karin Schluter wohl nie vergessen. An diesem Tag kam ihr Bruder Mark unter rätselhaften Umständen mit seinem heißgeliebten Truck von der Straße ab und erlitt schwere Verletzungen. Nach einigen Tagen im Koma erwacht er wieder, doch die Freude darüber ist getrübt durch Symptome des seltenen Capgras-Syndroms. Obwohl Marks Erinnerungs- und Denkvermögen nach und nach zurückkehren, ist er nicht mehr in der Lage, seine Schwester wiederzuerkennen, und hält sie für eine Fremde, eine Agentin, die man anstelle seiner Schwester eingeschleust hat.


    Nach einer schweren Kindheit mit einem Vater, der sich erfolglos an allen möglichen Geschäften versuchte, und einer überreligiösen Mutter, und dem Tod der Eltern ist Mark alles, was Karin von ihrer Familie geblieben ist. Dass er sie nur noch für eine, wenn auch verdammt gute, Imitation hält und ihr gegenüber Aggressionen entwickelt, bringt Karin schier zur Verzweiflung, hat sie doch sogar ihre Arbeit aufgegeben, um ganz für ihn dasein zu können, während er sein Vertrauen ganz Barbara schenkt, einer ungewöhnlichen Schwesternhelferin, die ihn betreut.


    Karins einzige Stütze ist Daniel, der früher einmal Marks bester Freund war, bis es zu einem plötzlichen Bruch kam, scheinbar völlig unbegründet. Und eines Tages wagt sie es, an den Neurowissenschaftler Gerald Weber zu schreiben, der sich durch populärwissenschaftliche Bücher mit packenden Fallgeschichten der seltsamsten neurologischen Störungen einen Namen gemacht hat.


    Obwohl Weber sich allmählich zur Ruhe setzen will, reizt ihn dieser schwierige Fall, er tritt die Reise in die tiefste Provinz von Nebraska an. Außer der alljährlichen Kranichwanderung, die Schaulustige aus allen Himmelsrichtungen nach Kearney zieht, gibt es hier wenig Interessantes - außer Mark Schluter.


    Nach dem großartigen "Klang der Zeit" hatte ich mich sehr auf dieses Buch gefreut, doch leider hält es dem Vergleich nicht stand.


    Die Hirnforschung ist ein hochinteressantes Sachgebiet, und die zahlreichen Verweise auf die merkwürdigsten Syndrome, die Erinnerungsvermögen oder Bewusstsein bizarr verändern können, wecken Interesse, sich weiter mit dem Sachgebiet zu beschäftigen.


    Karins Verzweiflung und Zerrissenheit angesichts der Krankheit ihres Bruders, ihr Unvermögen, sich von ihrer Vergangenheit und ihrer trostlosen Heimatstadt zu lösen, obwohl sie sich dort längst nicht mehr wirklich zugehörig fühlt, beschreibt Powers so plastisch, dass es mir beinahe selbst auf die Stimmung geschlagen wäre. Auch die ersten Szenen zwischen Gerald Weber und seiner Frau, die Vertrautheit eines lang verheirateten Paares mit seinem eigenen Slang und der tiefen Kenntnis des Partners fand ich wunderbar beschrieben.


    Mit der Entwicklung der Handlung kam ich allerdings nicht richtig klar. Der Nebenhandlungsstrang um Daniel, den Umweltaktivisten, der für den Erhalt des Kranichreviers kämpft, war für mich eher überflüssig, überhaupt fand ich es beinahe krampfhaft, wie immer wieder die Kraniche ins Bild gezerrt wurden, obwohl sie mit der eigentlichen Geschichte kaum zu tun hatten. Die Entwicklung von Gerald und die Erklärung für den Unfall konnten mich ebensowenig überzeugen, es wurde mir zu verworren und undurchsichtig, teils blickte ich nicht mehr wirklich durch, ob da gerade jemand den Verstand verliert oder ich einfach nicht kapiere, was der Autor meint ...


    Etwas mehr Stringenz hätte mir besser gefallen.


    3ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen