Pascal Mercier - Nachtzug nach Lissabon (Teil 1 Kapitel 6 - 12)

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  • Kapitel 6:


    Da scheint die Begegnung mit Gregorius im Zug für einen anderen Menschen die gleiche auslösende Wirkung zu habe wie tags zuvor seine Begegnung mit der Portugiesin. Kommt euch das auch so vor? Ich bin auch sehr gespannt, ob wir Silviera noch einmal begegnen werden und ob er dann noch derselbe ist, oder ob er auch verändert ist.


    Was mir aufgefallen ist: Gregorius' Angst vor der Blindheit, die zieht sich durch sein ganzes Leben und ist ja fast schon eine fixe Idee. Auch die enge Verbindung zu seinem Augenarzt lässt diesen Schluss zu.


    Kapitel 7:


    Hier kommt ein längerer Abschnitt aus den Aufzeichnungen Prados. Die ersten Seiten sind erzählend, erst gegen Ende wird es philosophisch. Über die letzten Sätze habe ich erst einmal ausgiebig nachdenken müssen, sie sind gar nicht so einfach zu verstehen (hab ich sie verstanden? Bin mir nicht so sicher.). Aber irgendwie auch wie gemacht für Gregorius.


    Gregorius scheint sich der Richtigkeit seines Handelns immer noch nicht ganz sicher zu sein, da er zweimal versucht, einen Flug in die Schweiz zu bekommen. Andererseits ist er erleichtert, dass es nicht klappt. Er scheint also nicht genau zu wissen, was er eigentlich will.


    Sein Zusammenstoß mit dem Rollschuhfahrer verläuft ganz schön dramatisch, da dabei seine Brille zerstört wird. Ich kann seine Panik verstehen, da ich ohne Brille oder Linsen auch total hilflos bin. Sein Verhalten ist es aber schon ziemlich neurotisch.


    Kapitel 8:


    Der Besuch bei der Augenärztin - irgendwie gönnt man Gregorius dieses Erfolgserlebnis. Auch seine weiteren Begegnungen mit dem Optiker und dem Buchhändler strahlen eine positive Energie aus, und die Zuversicht, genau das Richtige zu tun. Gregorius scheint langsam in Lissabon "anzukommen".


    Kapitel 9:


    Hier habe ich mich darüber gewundert, dass Gregorius das Grab von Prado so schnell findet; in Lissabon muss es doch sicher viele Friedhöfe mit zig Gräbern geben. Der Besuch bei Coutinho hat mir gut gefallen, hier scheint Gregorius an der richtigen Adresse zu sein, um mehr über Prado zu erfahren. Das Prado schon tot ist, hatte ich vermutet, tut mir jetzt aber sehr leid für Gregorius. Wieder zu spät gekommen, wieder eine verpasste Gelegenheit. Obwohl eine Begegnung zwischen den beiden vor 1973 eher utopisch erscheint :zwinker:. Aber das Gefühl eines Versäumnisses macht sich trotzdem breit.


    Kapitel 10:


    Den Text über die Selbstbetrachtung von Prado finde ich faszinierend. Er vermittelt so ungefähr das Gefühl, das ich habe, wenn ich manche Fotos von mir zum ersten Mal anschaue und mir denke, huch, das soll ich sein. Kennt ihr das auch?


    Von seinem Augenarzt in Bern entfremdet sich Gregorius zusehends; das ist für mich ein weiteres Zeichen seiner innerlichen Veränderung. Außerdem steht der Augenarztbesuch bei Senora Eca zwischen ihnen. Mich hat es sehr gewundert, dass er dem Griechen nichts davon erzählt.


    Kapitel 11:


    Dieses Kapitel hat mich sehr amüsiert. Gregorius ist hin- und hergerissen; einerseits will er die Veränderung, die in ihm vorgeht, endgültig auch äußerlich vollziehen. Andererseits wehrt er sich gegen das Neue und ist sich selbst unheimlich. Deswegen tauscht er ständig die neue und die alte Brille aus. Und kauft sich einen neuen Anzug, den er dann nicht anzieht, sondern einfach in der Tüte stehen lässt. Und anschliessend wieder abholt. Einfach genial!



    Das Buch gefällt mir bis jetzt sehr gut und ich denke, es gäbe noch tausenderlei zu bemerken und viele andere Betrachtungsweisen. Gregorius ist ein faszinierender Charakter und die Veränderungen, die in ihm vorgehen, werden perfekt transportiert. Inzwischen tut sich auch eine leise Ahnung auf, dass alles, was Gregorius erlebt, nicht zufällig ist. Den Grund dafür kann ich nicht nennen, aber das Gefühl ist da. Daher bin ich natürlich sehr gespannt darauf, wie es weitergeht und wer hinter der blauen Tür stehen wird. Auf eure Kommentare freue ich mich auch schon, Diskussionspotential ist mehr als genug vorhanden. :smile:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel


  • Kapitel 6:


    Da scheint die Begegnung mit Gregorius im Zug für einen anderen Menschen die gleiche auslösende Wirkung zu habe wie tags zuvor seine Begegnung mit der Portugiesin. Kommt euch das auch so vor?


    Ja, ich denke auch. Gregorius Entscheidung hat Eindruck gemacht auf Silviera.


    Und dann die Sache mit seiner Brille. Wirklich eine fixe Idee. An allem ist seine Brille bzw. seine Kurzsichtigkeit schuld. Er versteckt sich hinter seiner Brille. Dann sein Traum mit dem Wüstensand der sich als Kruste an seiner Brille festsetzt und dann die Gläser zum schmelzen bringt und sie sich in seine Augen fressen. Dieser Traum hindert ihn daran seinen Lebenstraum Orientalist zu werden zu erfüllen.
    Diese ganzen Chanchen die das Leben einen bietet. Man entscheidet sich für einen Weg und muss dann die Konsequenzen tragen. Wie oft fragt man sich hinterher, hätte ich mich anders entscheiden sollen? Wie würde mein Leben heute aussehen, hätte ich damals den anderen Weg gewählt?


    Das Gregorius panisch wurde als seine Brille zerbrach konnte ich mir gut vorstellen, auch wenn ich kein Brillenträger bin. Er ist ja total hilflos ohne sie.
    Was mich wundert ist was die Augenärztin zu ihm sagt. Wie gut man sieht, hängt von so vielen Dingen ab.
    Am Ende stand eine Dioptrinzahl da, die von der gewohnten deutlich abwich.
    Kann so etwas sein?


    Mir gefällt das Buch sehr gut und ich lese absichtlich langsam, aber was mich etwas gestört hat, sind die vielen Zufälle. Besonders das er so schnell Prado "gefunden" hat. Das ist doch etwas unglaubwürdig.
    Aber wer weiß warum der Autor das so schnell aufgelöst hat, wird sicherlich einen Grund haben.


    Grüße
    Flor

  • Ja, ich denke auch. Gregorius Entscheidung hat Eindruck gemacht auf Silviera.


    Und ich kann mich da auch nur anschließen.


    Die Sache mit der Brille sehe ich auch so. Zum einen kann ich seine Panik verstehen, weil ich ja selbst Brillenträgerin bin und der größte Albtraum nun einmal ist, dass die Brille kaputt gehen könnte. Zum amderen sehe ich es auch so, dass sich Gregorius hinter seiner Brille "versteckt". Immerhin ist sie eine gute Ausrede für viele nicht ergriffene Gelegenheiten. Was wohl aus ihm als Person geworden wäre, hätte er sich damals getraut dieses Angebot anzunehmen?



    Am Ende stand eine Dioptrinzahl da, die von der gewohnten deutlich abwich.
    Kann so etwas sein?


    Wenn ich an meinem letzten Augenarztbesuch denke, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Die Arzthelferin hatte da ein Tempo vorgelegt, dass man sich gar nicht wirklich einstellen konnte. :rollen: Da sich die Ärztin für Gregorius Zeit genommen hatte, kann ich mir vorstellen, dass sie andere Werte herausbekommt. Und dann sind die Werte für Augen ja niemals ganz gleich. Bei mir ändert sich das immer von Untersuchung zu Untersuchung.


    Kapitel 10:


    Den Text über die Selbstbetrachtung von Prado finde ich faszinierend. Er vermittelt so ungefähr das Gefühl, das ich habe, wenn ich manche Fotos von mir zum ersten Mal anschaue und mir denke, huch, das soll ich sein. Kennt ihr das auch?


    Oh ja! Das kenne ich mehr als gut! Ich bin da jedesmal sehr erstaunt und denke auch, dass soll ich sein? So sehe ich aus? :smile: Den Text von Prado fand ich auch sehr faszinierend.


    Ich lese auch nicht sehr schnell und leider fehlt mir abends meistens die Konzentration um das was ich lese auch nur halbwegs erfassen zu können. Ich stecke jetzt mitten im 10. Kapitel.


    Liebe Grüße
    wolves


  • Wenn ich an meinem letzten Augenarztbesuch denke, kann ich mir das sehr gut vorstellen. Die Arzthelferin hatte da ein Tempo vorgelegt, dass man sich gar nicht wirklich einstellen konnte. :rollen: Da sich die Ärztin für Gregorius Zeit genommen hatte, kann ich mir vorstellen, dass sie andere Werte herausbekommt. Und dann sind die Werte für Augen ja niemals ganz gleich. Bei mir ändert sich das immer von Untersuchung zu Untersuchung.


    Eine interessante Frage. Einerseits stellt sich natürlich die Frage nach der Kompetenz des griechischen Augenarztes - demgegenüber die gewissenhafte Untersuchung durch Senora Eca; andererseits denke ich, dass es wirklich so ist, dass das Sehvermögen nicht nur von der benutzten Sehhilfe abhängt. Ich bilde mir zum Beispiel ein, schlechter zu sehen, wenn ich wenig getrunken habe.


    Bezogen auf den Roman denke ich, ist Gregorius' verändertes Sehvermögen auch ein Ausdruck seiner neuen Sichtweise. Seiner neuen Wachheit, wie es zu lesen war. Ganz deutlich meine ich dies auch aus Kapitel 11 herauszulesen.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Meine Güte dieses Buch strotzt ja nur so vor Interpretationsmöglichkeiten, genau das richtige für Deutsch-Leistungskursler. Ich habe Deutsch in der Schule immer gehasst und auch heute interpretiere ich nicht gerne Texte, ich lese lieber die Geschichte an sich. Ich finde es aber sehr spannend zu lesen, was Ihr so schreibt und zwischen den Zeilen herauslest.


    Die Erkenntnis, dass andere uns anders sehen, als wir selbst bzw als wir sind, finde ich selbstverständlich. Es wundert mich, dass Prado darüber erschrocken ist und kann Doxiades Reaktion zu lachen sehr gut verstehen.


    Ich konnte mir das richtig gut vorstellen, wie sich seine Sicht und Sichtweise und auch die Betrachtung seiner selbst, durch die neue Brille verändert haben.
    Zum einen ist da die visuelle Barriere, dass er Dinge in der Entfernung nicht mehr erkennen kann, zum anderen versteckt er sich hinter der Brille und nutzt sie als Mauer zwischen sich und der Umwelt. Mit der neuen Brille wird der Mut zur Veränderung gestärkt, auch wenn er den neuen Anzug erst einmal wieder zurücklässt.


    Nun bin ich sehr gespannt, wer die Tür öffnet.


    Bis auf Prados Texte finde ich liest es sich sehr gut und ich komme gut voran. Ich habe allerdings auch das Glück bei der Arbeit lesen zu können, so dass ich als "Einschlaflektüre" etwas weniger anspruchsvolles lesen kann.
    Lg aquacat

    &quot;Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.&quot; Jorge Luis Borges<br /><br />:leserin: <br />Cryptonomicon - Neal Stephenson

  • Hallo,


    da mein PC abgestürzt ist, versuche noch mal zu rekonstruieren was ich geschrieben habe :grmpf:


    Durch die Frage von aquacat bei Teil 1 Kapitel 1 - 5 bin ich auch auf eine ähnliche Meinung wie Miramis gekommen. Da hat sich wirklich einiges bei Gregorius verändert.


    Ich habe jetzt Kapitel 12 beendet und laß noch den Einschub von Prado etwas sacken. Da hat er doch viel wahres angesprochen.

    Zitat

    Ist es nicht in Wahrheit so, daß nicht die Menschen sich begegnen, sondern die Schatten, die ihre Vorstellungen werden?


    Über den Satz von Gregorius denke ich noch nach.

    Zitat

    "War es möglich, daß der beste Weg, sich seiner selbst zu vergewissern, darin bestand, einen anderen kennen und verstehen zu lernen."

    Für Gregorius und seiner Suche nach Prado scheint das ja zu stimmen, aber trifft das auch auf andere Menschen zu? Aber das ist wohl nicht die Frage, wenn ich weiterlese, dann habe ich den Eindruck, dass es um all die Möglichkeiten geht, die das Leben bietet. Was wäre aus einem geworden, wenn man einen anderen Weg beschritten hätte. Sozusagen am Beispiel eines anderen Menschen, der einen anderen Weg, als man selbst beschritten hatte.


    Liebe Grüße
    wolves

  • Ich habe Deutsch in der Schule immer gehasst und auch heute interpretiere ich nicht gerne Texte, ich lese lieber die Geschichte an sich. Ich finde es aber sehr spannend zu lesen, was Ihr so schreibt und zwischen den Zeilen herauslest.


    Ich habe Deutsch eigentlich immer ganz gerne gehabt. Nur war es in der Schule ja immer so, dass man ein Buch nur auf eine bestimmte Zielrichtung hin interpretieren durfte und hier darf jeder so interpretieren wie er möchte. Das macht doch richtig Spaß! :smile:


    Ich finde es auch immer sehr spannend, wie die Eindrücke von meinen Mitleserundenteilnehmerinnen sind und ihre Interpretationen, dass gibt mir immer wieder neue Blickwinkel auf das Buch. :winken: Und das ist einfach nur toll!!!


    Ich bin auch schon sehr neugierig wer die Tür öffnet!


    Liebe Grüße
    wolves

  • @ Flor
    Was heißt "tem razao" (da gehört noch eine Welle über das "a", aber das kriege ich nicht hin)
    Seite 108, als er seine Brille abholt, oder heißt das einfach "sie hat recht" ?
    Lg aquacat

    &quot;Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.&quot; Jorge Luis Borges<br /><br />:leserin: <br />Cryptonomicon - Neal Stephenson


  • Was heißt "tem razao" (da gehört noch eine Welle über das "a", aber das kriege ich nicht hin)


    aquacat: da sprichst du was an.... :zwinker:
    Mir ist es auch total peinlich, dass ich die Buchstaben nicht richtig wiedergeben kann, zum Beispiel bei Senora Eca (unters c gehört, wie ihr wisst, ein Häkchen). Falls jemand den Trick kennt, bitte melden! :smile:



    Ich finde es auch immer sehr spannend, wie die Eindrücke von meinen Mitleserundenteilnehmerinnen sind und ihre Interpretationen, dass gibt mir immer wieder neue Blickwinkel auf das Buch. :winken: Und das ist einfach nur toll!!!


    Da kann ich dir nur zustimmen!


    Zum Thema Kurzsichtigkeit und aquacats Frage wegen der irrationale Angst möchte ich hier in diesem Thread noch etwas beitragen; irgendwo (ich finde einfach die Stelle nicht mehr) kommt einmal in einem Nebensatz zur Sprache, dass Gregorius Angst um seine Netzhaut hat und Doxiades ihm sagt, dass man heute lasern kann.


    Damit ist seine Angst nicht nur irrational - das sicher auf einer gewissen Ebene auch - , aber er hat wohl auch konkret Angst vor der Erblindung wegen einer Netzhautablösung. Diese Angst wiederum kann ich verstehen, denn bei mir war es auch schon mal fast so weit und ich bin durch Zufall nochmal heil davon gekommen (allerdings nicht ohne Laser-OP). Eine Netzhautablösung tut nicht weh, man merkt es erst, wenn es zu spät ist. Sie kann operativ wieder angebracht werden, aber der Sehverlust ist nachher beträchtlich, wenn man auch nicht ganz blind ist.


    edit: ich habe die Stelle doch noch gefunden: Kapitel 6 Seite 60 unten und Seite 61 oben. Daher ist dieser Thread der Richtige.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

    Einmal editiert, zuletzt von Miramis ()


  • @ Flor
    Was heißt "tem razao" (da gehört noch eine Welle über das "a", aber das kriege ich nicht hin)
    Seite 108, als er seine Brille abholt, oder heißt das einfach "sie hat recht" ?
    Lg aquacat


    Ja genau, "sie hat recht" oder genauer "hat recht" ohne "ela".


    Ich schreibe ja auch mit einer deutschen Tastatur und bekomme die Wellen und Häkchen auch nicht hin.
    Den Trick dazu kenne ich leider auch nicht. :sauer:


    Noch mal zum verstecken hinter der Brille. Gregorius sagt ja auch einmal. Die Brille ist für ihn ein Bollwerk, das ihn vor der Außenwelt schützt. Jetzt mit der neuen Brille, der Arme, er fühlt sich richtig nackt. Dann auch noch neue Klamotten. Er wird ein völlig neuer Mensch.


    Was ich mich jetzt aber doch immer mehr frage: Was ist mit der Portugiesin vom Anfang. Was stand in dem Brief den sie gelesen hat. Wie gehört diese Frau in die Geschichte. Und zwischen Gregorius und der Augenärztin? Bahnt sich da etwas an, kann man bei diesem Buch auf eine zarte Liebesgeschichte hoffen und ein durch und durch glückliches Ende für Gregorius? Oder ist das zu banal und der Autor lässt zum Schluß vielleicht alles offen?



    Hallo,


    Was wäre aus einem geworden, wenn man einen anderen Weg beschritten hätte. Sozusagen am Beispiel eines anderen Menschen, der einen anderen Weg, als man selbst beschritten hatte.


    Das hatte ich ja auch schon mal weiter oben gesagt. Ich denke bisher die Kernfrage. Wie kleine Entscheidungen große Wirkung haben können, auf das zukünftige Leben.
    (Ein Beispiel ist ja auch, dass aus dem verehrten Arzt Prado ein Mann geworden ist den die Leute mieden, und warum? Weil er eine Entscheidung getroffen hat einen Menschen zu retten, einen den er nach Meinung der Anderen nicht hätte retten sollen, Den Schlächter von Lissabon.) Und schon nimmt das Leben einen anderen Lauf.
    Deshalb geht Prado auch immer wieder zu seiner Schule. Noch mal alles von vorne anfangen können, vor den gleichen Entscheidungen zu stehen, aber diesmal einen anderen Weg zu nehmen.
    Wer wünscht sich das nicht manchmal.


    Grüße
    Flor

  • Hallo,


    auch ich habe diese Kapitel jetzt beendet und das Buch gefällt mir weiterhin ausgesprochen gut. Ich finde es interessant, dass einige in dem Buch lieber weniger Abschnitte von Prados Buch hätten und andere (zu der Fraktion zähle auch ich mich) geradezu begeistert sind, von seinen Philosophischen Inhalten, Fragen und Thesen. Ich mag sie deswegen, weil für mich dadurch das Buch lebendig wird. Lesen wird auf einmal zu etwas aktivem. Ich fange an über gewisse Dinge nachzudenken, lese manche Zeilen mehrmals, um sie richtig aufzufassen und fange an, mit den Gedanken abzuschweifen. Dadurch wird für mich auch der Autor fassbarer, oder realer. Er ist nicht mehr nur ein Name, sondern er spricht mich als Leser direkt an, er gewinnt für mich an Gestalt, so wie die Welt für Gregorius durch seine neue Brille auf einmal eine Dimension mehr erhält. Dieser Auto hat mich mittlerweile so neugierig gemacht, dass ich Gregorius immer besser verstehen kann, dass er seinen Autor aufsuchen will, weil er das Gefühl hat, dass er mit diesem Menschen über Dinge reden kann, die er nicht erst erklären muss. Ich würde gerne mit Pascal Mercier über dieses Buch und im Besonderen über die Texte von Prado reden, da sie so viel vom Leben enthalten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
    Vielleicht liegt es wirklich daran, dass dieses Buch momentan anscheinend perfekt zu meiner momentanen seelischen Lage passt.


    Dass Gregorius immer wieder versucht zurück in die Schweiz zu fahren, es aber dann doch nicht tut, erinnert mich daran, dass man sich doch selbst schon dabei ertappt hat dass, wenn eine Entscheidung anstand, die einem nicht unbedingt leicht gefallen ist, man sich so aber witzige Gedanken macht, wie z.B. : „Wenn jetzt das und das passiert, dann entscheide ich mich so.“ Ich glaube er hat einfach Angst die falsche Entscheidung zu treffen und möchte diese Verantwortung gerne abgeben. Also ist indirekt der Flughafen daran schuld, dass er immer noch in Lissabon ist, da ja niemand ans Telefon ging um seine Buchung für einen Rückflug anzunehmen, ganz nach dem Motto. Ich bin ja gar nicht so verrückt, aber es ging ja nicht anders. Ich hatte gar keine Wahl.


    Das permanente Wechseln von neuer und alter Brille und Kleidung, verdeutlicht sehr gut, die innere Zerrissenheit und Angst, die Gregorius auf Schritt und Tritt begleiten. Ich will, ich will nicht. Es ist wie ein Machtkampf zwischen Ratio und Emotio und dieser Kampf tobt definitiv in ihm. Auf alle Fälle ist er stolz darauf, diesen für ihn so unorthodoxen Weg zu gehen, aber andererseits kann er sich einfach nicht so schnell (und das wäre glaube ich auch nicht gesund für seine Seele) von seinem „alten“ Leben lösen, dass doch eher vernunftbestimmt war. Man erkennt den Stolz daran, dass er immer wieder nachrechnet, wie lange es schon her ist, seit er die Frau auf der Brücke getroffen hat.


    Dieser Satz trifft es sehr gut:


    Zitat

    War es das, was der Gedanke an die verrinnende Zeit und den Tod bewirkte: dass man auf einmal nicht mehr wusste, was man wollte? Daß man seinen Willen nicht mehr kannte? Daß man die selbstverständliche Vertrautheit mit dem eigenen wollen verlor? Und sich auf diese Weise fremd und zum Problem wurde?


    Auch mir hat Prados Selbstbeschreibung sehr gut gefallen. Man ist so schnell verleitet in einem Menschen zu sehen, was man zu sehen wünscht und dann sieht man ihn auch so und das oft wieder besseren Wissens, weil man sich vielleicht durch die Betrachtungsweise des anderen Menschen ebenfalls verändert sieht. Weil man möchte, dass man selbst und auch der andere eben kein flüchtiges Zugfensterbild ist, sondern eine aktive Wirkung auf den anderen hat, weil man dadurch selbst lebendig wird.


    Ich glaube gerade fange ich mit meinen Interpretationen an zu übertreiben.


    Zitat

    Der wirkliche Regisseur unseres Lebens ist der Zufall – ein Regisseur voll der Grausamkeit, der Bramherzigkeit und des bestrickenden Charmes.


    Ist das nicht frustrierend, dass man so oft im Leben so ausgeliefert und ohnmächtig ist? Da beneide sogar manchmal Menschen mit einem festen Glauben, der ihnen besagt, dass es keine Zufälle gibt, sondern Gottes Wege immer einen Sinn haben, auch wenn wir diesen nicht immer auf Anhieb erkennen.


    Dieses Zitat hatte auch Wolves verwandt und auch mir war es sehr eindrücklich:


    Zitat

    Ist es nicht in Wahrheit so, dass nicht die Menschen sich begegnen, sondern die Schatten die ihre Vorstellung werfen.


    Ich glaube das bedeutet genau das, was ich oben geschrieben habe; nämlich dass man oft den anderen so sieht, wie man es sich wünscht. Man betrügt sich manchmal selbst, manchmal um nur wenigstens einen kleinen Moment in einer Illusion oder einem Wunschbild gefangen zu sein, bei welchem die Sehnsucht so groß ist, dass es wahr sein möge.


    Und zu guter letzt ein letztes Zitat:


    Zitat

    Ein Goldschmied der Worte, dessen tiefste Leidenschaft gewesen war, die schweigsamen Erfahrungen des menschlichen Lebens ihrer Stummheit zu entreißen.


    So geht es mir momentan mit dem Autor selbst und so habe ich auch bei dem Buch „Judiths Liebe“ von Meir Shalev empfunden. Schade, dass diese Autoren solch eine Seltenheit sind, wobei; vielleicht ist es doch gut, denn sonst wären sie ja nicht etwas Besonderes.


    Merkt man mir eigentlich an, dass mir das Buch gefällt? :breitgrins:


    Tina,
    die sich momentan in Worte verlieben könnte. (Oh wei, gibt’s für meinen Gemütszustand eigentlich Medikamente?) :Kreuz:

  • Flor:


    unsere Beiträge haben sich gerade gekreuzt (ich muß in diesem Sinne an die Züge denken von denen in diesem Teil der Geschichte geschrieben wurde :breitgrins:).


    Ich habe fast das Gefühl, daß die Frau von der Brücke, gar keine Bedeutung mehr hat, daß sie quasi ihre Aufgabe erledigt hat, um Gregorius zu seiner Reise nach Lissabon und sich selbst zu bringen. Wie der Autor im ersten Teil sagte, daß es macnhmal gar keines großen Knalls bedarf, damit das Leben eine andere Wendung nimmt, sondern daß es manchmal unerwartete Dinge sind, aber die gleiche Frage habe ich mir auch schon gestellt, ebenso wie die Gedanken zu der Augenärztin. Ich bin ja auch hoffnungslos romantisch angehaucht. :smile: Ich würde es auf jeden Fall Gregorius von ganzem Herzen wünschen. So sehr, wie ich es selten einem Protagonisten gewünscht habe.


    Tina :winken:

  • Ich habe fast das Gefühl, daß die Frau von der Brücke, gar keine Bedeutung mehr hat, daß sie quasi ihre Aufgabe erledigt hat, um Gregorius zu seiner Reise nach Lissabon und sich selbst zu bringen. Wie der Autor im ersten Teil sagte, daß es macnhmal gar keines großen Knalls bedarf, damit das Leben eine andere Wendung nimmt, sondern daß es manchmal unerwartete Dinge sind,


    Meinst du wirklich das der Autor so etwas tun würde? Merkwürdig wäre es ja, aber würde zu dem Buch und deiner Erklärung passen.


    Schön, dass sich noch jemand eine kleine Liebesgeschichte wünscht. Eine kleine, ganz zarte.



    Ich glaube er hat einfach Angst die falsche Entscheidung zu treffen und möchte diese Verantwortung gerne abgeben. Also ist indirekt der Flughafen daran schuld, dass er immer noch in Lissabon ist, da ja niemand ans Telefon ging um seine Buchung für einen Rückflug anzunehmen, ganz nach dem Motto. Ich bin ja gar nicht so verrückt, aber es ging ja nicht anders. Ich hatte gar keine Wahl.


    Das ist eine sehr menschliche Reaktion, wenn man sich einer Entscheidung nicht sicher ist. Man ist so froh wenn sie einem durch "höhere Gewalt" abgenommen wird.
    War da nicht auch eine Stelle in dem Buch, ich kann sie nicht mehr finden, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Eine Stelle wo Gregorius im Zug sitzt und sich denkt ich würde ja jetzt umkehren, aber es geht nicht. Der Zug fährt und er kann nichts dagegen tun. Eben "höhere Gewalt".


    Oh man, da sind so viele Stellen in dem Buch, die ich nicht mehr wiederfinde. Ich muss unbedingt anfangen mit Bleistift in der Hand zu lesen. Immer wenn ich bestimmte Stellen suche, stoße ich auf andere an die ich mich gar nicht mehr erinnern kann. Das ist auf jeden Fall ein Buch für einen Re-read.

  • Flor


    Ich habe das Problem mit dem Seiten wiederfinden gelöst. Und weißt du auch wie? Manchmal ist mir mein Leben unheimlich.
    Vor zwei Tagen, fragte mich ein lieber Freund, ob ich vielleicht selbstklebende Zettel brauche. Meist sind die in einem Block zusammengefasst und haben einen Teil der Unterseite mit einem Klebstoff versetzt, der sich gut auf Seiten kleben lässt, ohne diese zu beschädigen. Allerdings sind diese Teile nur wie kleine rechteckige Fähnchen. Das ganze in zwei Farben. entweder Rot oder Weiß
    Buchstellen, die mir sehr wichtig sind habe ich damit markiert und finde sie direkt wieder..
    Kapitel 1-5 habe ich mit roten Klebetiketten markiert, Kapitel 6-12 mit weißen. Der nächste Abschnitt wird dann wieder Rot. Mittlerweile sieht mein Buch aus, als hätte es ein Register.
    Was praktischeres gibt es nicht. Ist das jetzt Zufall, genau wie das Thema des Buches?
    Komisch, komisch. Wittgenstein pflegt ja zu sagen: "Es gibt keine Zufälle!". :breitgrins:


    Tina

  • @ tina
    Juhu noch ein Wittgenstein- bzw Marzifan.


    @ tina und Flor
    Eine kleine Romanze würde mir auch gefallen, aber das Buch hat ja noch viele Seiten :zwinker:


    Dieses ich in einer bestimmten Situation anders entschieden haben zu wollen entspringt doch aber meistens dem jetzigen Wissensstand. Das schreibt auch Prado auf Seite 73 "Jetzt endlich scheine ich zu wissen..."
    Ich will jetzt nicht den ganzen Text zitieren, nur folgenden Satz:
    " Denn derjenige, der sich das wünscht - er ist ja nicht etwa jener, der, von der Zukunft noch unberührt, an der Weggabelung steht."

    &quot;Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.&quot; Jorge Luis Borges<br /><br />:leserin: <br />Cryptonomicon - Neal Stephenson

  • Denkt ihr wirklich, es wird noch eine Liebesgeschichte daraus? :hm:


    Ich habe da so meine Zweifel... :zwinker:


    Viele liebe Grüße
    Miramis

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Ich bin zwar hoffnungslos positiv denkend, aber ich hege da auch meine Zweifel ob da sich eine Liebesbeziehung anbahnen wird. :redface:


    Liebe Grüße
    wolves

  • Tina
    Das mit den selbstglebenden Zetteln werde ich auch mal ausprobieren, wenn ich die hier finde, aber ich denke schon. Hat auch den Vorteil, dass man gleich seine Gedanken dazu notieren kann.


    Miramis, wolves
    Eine Liebesgeschichte würde ich schön finden, aber ich bin mir da auch gar nicht sicher.
    Normalerweise würde ich ja jetzt das Ende zuerst lesen :redface:, da mich solche Grübeleien immer ganz wuschig machen, aaaaaber bei Leserunden tue ich das ja nicht. *ganzliebbin* :zwinker:

  • @ Flor
    das Ende zuerst lesen :boah: das habe ich noch nie gemacht.





    Lg aquacat

    &quot;Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.&quot; Jorge Luis Borges<br /><br />:leserin: <br />Cryptonomicon - Neal Stephenson