Sophie von La Roche - Geschichte des Fräuleins von Sternheim

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  • Dieses Buch beginnt mit einer einleitenden Vorgeschichte über Sophies Eltern, wie sie sich kennen lernten, heirateten, Sophie empfingen, sie tugendhaft erzogen und starben. Es wird berichtet wie Sophie zu ihrem Oheim zieht, seine Tochter kennen und lieben lernt und wie Sophie nach seinem Tod in die Obhut ihrer Tante und dem Grafen Löbau gelangt. Diese Einleitung ist trotz Dichte relativ schnell erzählt, bevor das Buch zum Briefroman übergeht. Ein gelungener Schachzug, somit kommt jeder der Protagonisten zu Wort und kann sich an den äußerst gelungenen und intensiven Schilderungen der Seelenzustände jedes Einzelnen ergötzen.


    Die inzwischen 19jährige Sophie berichtet in ihrem ersten Brief an Emilia, der Tochter ihres Oheims, vom Adelsstand in dem sie gelandet ist und erzürnt sich über deren Verschwendungssucht, den teuren Stoffen, den überfüllten Tellern, … Sie kann ihre Tugendhaftigkeit und gute Erziehung nicht oft genug wiederholen, diese Anständigkeit zieht sich durch das gesamte Werk hindurch. Dadurch leidet bedauerlicherweise die Glaubwürdigkeit dieses Wesens.


    Die Zieheltern verfolgen einen Plan, Sophies Anwesenheit gewinnbringend zu nutzen. Um einen Prozess zu schlichten, in dem Graf Löbau steckt, bietet er dem Fürsten Sophie als Mätresse an. Sophies Verehrer Lord Seymour glaubt an eine Liebschaft zwischen den Beiden und meidet seither aus Rage und Stolz jedes Gespräch mit ihr. Der Nebenbuhler und Betrüger Lord Derby hingegen sieht seine Chance gekommen und steckt ihr die Absichten ihres Onkels zu, verschwinden in einer überstürzten Nacht-un-Nebel Aktion und heiraten.


    Warum haben doch gute Leute soviel Schafmäßiges an sich, und warum werden die Weibsbilder nicht klug, ungeachtet der unzähligen Beispiele unserer Schelmereien, welche sie vor sich haben? Aber die Eitelkeit beherrscht sie unumschränkt, daß eine jede glaubt, sie hätte das Recht, eine Ausnahme zu fodern, und sie sei so liebenswürdig, daß man unmöglich nur seinen Spaß mit ihr treiben könne.

    Doch schon nach einigen unglücklichen Monaten verliert Derby das Interesse und schenkt ihr keine Beachtung mehr. Um ihren Verwandten nicht begegnen zu müssen, ändert sie ihren Namen und findet Unterschlupf als Lehrerin in einem wohlhabenden Haus, kann dort ihre Tugend wieder einmal ausleben, ein Gesindhaus gründen und die Kinder nach ihren Vorstellungen erziehen. Tja, bis Derby sie findet, von Lord Richs Heiratsplänen mit Sophie erfährt und sie nach Schottland entführt.


    Von Goethe und Wieland hoch gelobt, wurde dieses Buch vom Letzterem herausgebracht, wo er es sich nehmen ließ, einige Kommentare als Fußnote zu hinterlassen. Meiner Ansicht nach völlig unnötig. Obwohl das Buch den Leser mit seiner Moral erschlägt, mit dem Ziel einer eigenständigeren Frau, die sich gerne etwas Bildung verschaffen dürfe, eigene Meinungen aussprechen und die Kinder nach bestem Wissen und Gewissen großziehen solle, gefiel mir das Buch recht gut. Nicht zuletzt wegen der poetisch berührenden Schreibkunst, die sie hier vorlegt. Besonderes Gewicht liegt in der großartigen Beschreibung von Gefühlen, wo so ziemlich jede Regung seinen Platz findet. Von Freude und Trauer, Wut und Enttäuschung, Liebe und Dankbarkeit.


    4ratten


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    Gruß,
    dumbler

  • Hallo dumbler,


    da ich seit einiger Zeit mit dem Buch liebäugle, habe ich mich über deine Rezi sehr gefreut. :klatschen:


    Du schreibst, dass sich Sophie ihrer Tugenhaftigkeit und guter Erziehung ständig rühmt, so dass es schon den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erweckt. Vielleicht sind diese Eigenschaften ihre einzigen "Güter", die sie ihr Eigen nennen kann. Das Los einer Waisen, abhängig von den Verwandten, war sicher nicht leicht und sie brauchte etwas (ihren Stolz) an das sie sich klammern konnte. Als man ihr auch dies noch nehmen wollte, indem man sie dem Fürsten als Mätresse anbot, blieb ihr wohl nur noch die Flucht.


    Ich seh's schon, ich muss das Buch doch lesen! :zwinker:


    Lieben Gruß
    yanni


  • Hallo dumbler,


    Hallo Yanni,


    Zitat

    da ich seit einiger Zeit mit dem Buch liebäugle, habe ich mich über deine Rezi sehr gefreut. :klatschen:


    ... und das wiederum freut mich ungemein. :smile:


    Zitat

    Du schreibst, dass sich Sophie ihrer Tugenhaftigkeit und guter Erziehung ständig rühmt, so dass es schon den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erweckt. Vielleicht sind diese Eigenschaften ihre einzigen "Güter", die sie ihr Eigen nennen kann.


    Es kommt darauf an,wie man diese Tugend vor Dritten "präsentiert". In so ziemlich jeden Brief steht irgendwo geschrieben, wie tugendhaft sie sich doch verhalten hat ... gut, sie schüttet ihr Herz vor ihrer besten Freundin aus - aber will sie das wirklich wissen? Irgendwie blitzt zwischen den Zeilen eine Prise Selbstverliebtheit durch, als würde sie auf eine Belohnung warten. Unglaubwürdig wird es, wenn sie zBsp.

    Meiner Meinung nach ein wenig dick aufgetragen.
    Aber versteh' mich bitte nicht falsch. Es ist nicht so, als hätte es beim Lesen sonderlich gestört. Es fiel nach gewisser Zeit ins Auge.


    Zitat

    ... indem man sie dem Fürsten als Mätresse anbot, blieb ihr wohl nur noch die Flucht.


    Das hast du richtig erkannt.


    Zitat

    Ich seh's schon, ich muss das Buch doch lesen! :zwinker:


    Das auch :zwinker:


    Gruß,
    dumbler

    Einmal editiert, zuletzt von dumbler ()

  • Hallo dumbler,


    danke für deine rasche Antwort.



    Unglaubwürdig wird es, wenn sie zBsp.

    Meiner Meinung nach ein wenig dick aufgetragen.
    Aber versteh' mich bitte nicht falsch. Es ist nicht so, als hätte es beim Lesen sonderlich gestört. Es fiel nach gewisser Zeit ins Auge.


    Da muss ich dir Recht geben. Das ist zwar äußerst lobenswert aus christlichen Sicht, aber doch kaum nachvollziehbar. Da erwartet man dann doch den einen oder anderen bitteren Gedanken von Seiten Sophies.


    Interessant wäre es, zu wissen, ob es nur in unserer Zeit so erscheint, oder ob auch die Leser zu Sophie von La Roche's Zeiten es auch schon so empfunden haben. Hat sie ihr Fräulein von Sternheim vielleicht absichtlich mit dieser Eigenschaft ausgestattet? Um sich dadurch über das bigotte Verhalten mancher Mitmenschen lustig zu machen? Leider kenne ich die Autorin zu wenig um dies beurteilen zu können.


    Gruß
    yanni

  • Solche schönen Rezensionen lese ich immer gerne!


    Danke, Thomas

  • Hallo Yanni,
    Ich denke schon, wir können hier von Absicht reden. Ein Teil der moralischen Keule in dem Buch. "Frauen, seid tugendhaft, fromm, verselbständigt Euch, ..."


    Der Roman ist 1771 erschienen, zu Zeiten der Aufklärung und hier steckt ganz offensichtlich eine erzieherische Absicht dahinter. Frauen, die damals von Männern abhängig waren und in ihrem Tun und ihrer Bildung beschränkt waren, eingegrenzt in der Rolle als Ehefrau und Mutter innerhalb der vier Wände. Sophie von Sternheim durchbricht dieses Muster, allerdings auf seltsam naive Weise, dass die Geschichte aus heutiger Sicht wirkungslos erscheint.
    Damals scheint es aber funktioniert zu haben, immerhin wurde das Buch zum Bestseller und in versch. Sprachen übersetzt. Und, wenn mich meine Nachforschungen nicht trüben, war es auch ihr einziger großer Erfolg.


    Thomas: Danke :smile:


    Gruß,
    dumbler