Gustave Flaubert - Madame Bovary

Es gibt 37 Antworten in diesem Thema, welches 17.985 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Sagota.

  • Obwohl schon einige hier dieses Buch gelesen haben, gibt es anscheinend noch keinen Thread dazu. Sollte ich ihn doch übersehen haben, dann bitte meine Rezi dort anhängen.

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    Erschienen 1859; von mir gelesen in der Übersetzung von Walter Widmer.


    Es war nicht einfach, eine Rezension über dieses Buch zu schreiben, und ich kann nur genauer darauf eingehen, indem ich einiges von der Handlung verrate. Wer sich also beim Lesen noch überraschen lassen möchte, sollte hier vorsichtig sein.


    Der Inhalt
    Zu Beginn wird die Handlung aus der Sicht eines Ich-Erzählers beschrieben, was sich aber nach wenigen Seiten einfach verliert. Man lernt Charles Bovary als Schüler kennen und verfolgt seinen Lebensweg und sein wenig spektakuläres Dasein, das sich kaum ändert, als er Emma heiratet. Die junge Frau führt das Leben vieler halbwegs begüterter Gattinnen zur damaligen Zeit: Keine Aufgaben oder Anforderungen bestimmen ihren Alltag, sondern nur der Haushalt. Selbst ein Kind kann sie nicht aus dieser Lethargie reißen, es wird abgeschoben zu einer Amme. Irgendwann beginnt sie, sich aus reiner Langeweile und Vernachlässigung für andere Männer zu interessieren. Nach der ersten Affäre folgt bald darauf eine zweite, die Madame Bovary aber trotzdem nicht zufrieden stellt. Schließlich entwickelt sie als Kompensierungsmittel eine Kaufsucht, was letztlich im Desaster endet. Obwohl Charles seine Frau wirklich liebt, ist er außerstande zu erkennen, in welche Misere seine Ehe steuert.


    Mein Eindruck
    Flaubert schreibt zwar in einem relativ unpersönlichen und fast distanzierten Stil, aber als Frau drängte sich mir irgendwann die Frage auf, ob er tatsächlich so neutral war. Spätestens, als er beschrieb, wie sich Madame Bovary mit einer List die Möglichkeit schuf, ihren zweiten Liebhaber regelmäßig zu sehen, sah ich den erhobenen Zeigefinger vor mir. Der Eindruck vom „schwachen Geschlecht“ wird noch unterstrichen, als ein gewitzter Händler Emma überredet, sich eine Handlungsvollmacht ihres Mannes ausstellen zu lassen, um finanziell unabhängig zu sein. Charles hingegen ist nur mit seinem Beruf beschäftigt und seiner Frau so ergeben, dass er auch die kleinsten Anzeichen übersieht, die jeden anderen Mann misstrauisch gemacht hätten. Die Konsequenz, die Emma letzten Endes zieht, hatte ich nicht erwartet, aber ich kann sie nur ähnlich negativ deuten, wie mir die Einstellung Flauberts gegenüber der Titelfigur erscheint. Obwohl Emma die Böse ist, kann ich für sie mehr Verständnis aufbringen als für Charles.


    Der Roman ist leicht zu lesen, sowohl vom Stil her als auch von der Handlung. Teilweise werden Begebenheiten minutiös oder Örtlichkeiten ausführlich geschildert, wobei sich der Autor trotzdem nicht in Banalitäten verliert, und andererseits nimmt das Tempo wieder an Fahrt auf, indem Geschehnisse in wenigen Zeilen abgehandelt werden, was mir weniger gut gefiel. Dass der Roman nicht mit einem happy end aufwartet, macht ihn sehr realistisch. Trotzdem konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um den Vorläufer einer Lovestory der heutigen Zeit handelt. Auch die allgemeine Ansicht, dass Flaubert wertungsfrei schreiben, kann ich nicht ganz teilen. Was hätte wohl eine Frau aus dieser Geschichte gemacht?


    3ratten

  • Hallo zusammen!


    Interessant, was so jeder in ein Buch hieneinträgt!


    Flaubert schreibt zwar in einem relativ unpersönlichen und fast distanzierten Stil, aber als Frau drängte sich mir irgendwann die Frage auf, ob er tatsächlich so neutral war. [...] Obwohl Emma die Böse ist, kann ich für sie mehr Verständnis aufbringen als für Charles.


    Für mich war Emma Bovary immer das Opfer der Männer um sie herum. Zuerst ihr Vater, dann ihr Gatte, dann ihre Geliebten. Ein tragisches Opfer, denn, egal wie sie gehandelt hätte, sie wäre in dieser vom Egoismus der Männer dominierten Welt zu Grunde gegangen.


    Trotzdem konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um den Vorläufer einer Lovestory der heutigen Zeit handelt.


    Auch da sehe ich es anders, nämlich gerade umgekehrt: Es ist für mich ein Zeichen der hohen Qualität dieses Romans, dass er bis heute immer wieder Nachäffer gefunden hat. Das kann ich Flaubert allerdingss nicht vorwerfen.


    Auch die allgemeine Ansicht, dass Flaubert wertungsfrei schreiben, kann ich nicht ganz teilen. Was hätte wohl eine Frau aus dieser Geschichte gemacht?


    1859? Wahrscheinlich eine moraltriefende Bekehrunsstory à la Sophie von la Roche - wenn es eine halbwegs passable Autorin gewesen wäre. Bessere Autorinnen (ungefähr aus) jener Zeit, z.B. eine Droste-Hülshoff, George Eliot, George Sand, haben, wohl bewusst und absichtlich, den Frauentyp "Emma Bovary" in ihren Texten vermieden. Ich bin persönlich davon überzeugt, auch wenn ich dies natürlich nicht beweisen kann, dass es zur Darstellung dieses Frauentyps einen männlichen Autor brauchte. (So, wie es später für ähnliche Frauengestalten noch einen Ibsen oder einen Strindberg brauchte.)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Für mich war Emma Bovary immer das Opfer der Männer um sie herum. Zuerst ihr Vater, dann ihr Gatte, dann ihre Geliebten. Ein tragisches Opfer, denn, egal wie sie gehandelt hätte, sie wäre in dieser vom Egoismus der Männer dominierten Welt zu Grunde gegangen.


    Wahrscheinlich habe ich mich undeutlich ausgedrückt - auch ich sehe Emma als das Opfer. Die Liste derer, die sie nur ausnützten, könnte man noch um den Tuchhändler und den Apotheker erweitern.


    1859? Wahrscheinlich eine moraltriefende Bekehrunsstory à la Sophie von la Roche - wenn es eine halbwegs passable Autorin gewesen wäre. Bessere Autorinnen (ungefähr aus) jener Zeit, z.B. eine Droste-Hülshoff, George Eliot, George Sand, haben, wohl bewusst und absichtlich, den Frauentyp "Emma Bovary" in ihren Texten vermieden.


    Ich kann mir vorstellen, dass z. B. die Bronte-Schwestern das Schicksal der Madame Bovary auf andere Bahnen gelenkt hätten (ich stehe noch unter dem Einfluss von Charlotte Brontes Shirley, das ich kürzlich gelesen habe), denn in ihren Büchern gibt es selbstbewusste Frauen. Leider kann ich auf Anhieb kein spezielles zeitgenössisches Werk nennen, in dem sich Frauen wieder hochgerappelt haben, nachdem sie in einer vergleichbaren Misere steckten, aber ich bin mir sicher, dass eine Autorin Monsieur Bovary rechtzeitig die Augen geöffnet haben würde und das Ganze ein anderes Ende genommen hätte. Außerdem fällt es mir schwer zu glauben, dass man sich als Frau einfach so in sein Schicksal ergibt - auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Für die Darstellung dieses Frauentyps braucht es wohl wirklich einen männlichen Autor, da gebe ich Dir Recht.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Hallo!


    Ich habe nun auch dieses Buch gelesen und sage einleitend: War nett :smile:


    Mmh, ich finde es auch sehr schwer, irgendetwas dazu zu schreiben...
    Ich denke, dass Emma Bovary ein Spiegelbild der Frauen der Provinz des 19. Jahrhunderts ist. Während in den Städten Frankreichs nach der Revolution das wilde Leben tobte, kehrt im Kleinen doch recht schnell wieder Ruhe ein. Emma aber hat durch die Bücher, die sie heimlich im Kloster gelesen hat (was für eine Ironie) gezeigt bekommen, dass es auch etwas anderes gibt, nämlich unfassbare Leidenschaft. Und so sucht sie eben danach und findet darin ihr Verderben, weil diese Vorstellungen in der dafür passenden Umgebung ausgelebt werden müssen und nicht auf einem Dorf in Nord-Frankreich.
    Natürlich war die gute Frau Opfer der Männer um sie herum: Der so verständnisvoll erscheinende Vater schert sich nicht darum, was Madame eigentlich will. Charles, der Liebe irgendwie mit Selbstaufgabe verwechselt (vielleicht ein "Erbe" seiner Eltern!?), würde alles für seine Frau tun - aber eben nur das, was sie sagt und nicht das, was sie nicht zu sagen wagt. Schon Rodolphe, der erste Liebhaber, ist von Anfang an (und das wird ja im Roman auch deutlich geschrieben) auf nichts anderes aus als eine temporäre Liebschaft, und ihr Ende ist für Emma nicht etwa das Zeichen, sich zu besinnen, sondern eher weiterzumachen und noch mehr zu geben (und zu wollen). Léon tat mir anfangs direkt etwas leid, doch er war im Grunde genommen nur schwach und hätte zu allem und jedem "Ja" und "Amen" gesagt. Dass er seine Geliebte am Ende im Stich lässt, war ja nicht anders zu erwarten. Die Herren der Finanzwelt stecken von Anfang an unter einer Decke und erkennen in Emma das passende Opfer für ihre Machenschaften. Charles hat von all dem keine Ahnung, er denkt, alles sei in bester Ordnung.
    Doch auch die Frauen spielen eine nicht unwesentliche Rolle im Leben von Emma: Die Schwiegermutter zum Beispiel, die immer für ihren Sohn eintritt und alles für falsch erachtet, was Emma tut. Die Konvention, das eigene Kind bei einer Amme großziehen zu lassen, gegen das sich Emma zu wehren versucht (okay, sie ist nicht wirklich erfolgreich in dieser Hinsicht). Auch Mme Homais passt da doch ganz gut ins Bild: Der aufgeklärte Apotheker schimpft auf alles, was irgendwie mit Kirche und Konventionen zu tun hat, aber sein privates Leben geht doch nicht anders zu.
    Ich denke, man kann die Liste derer, die Emmas Leidenschaft und Suche nach der großen Liebe im Weg standen, endlos fortsetzen. Und so könnte man zu dem Punkt kommen und feststellen, dass sie nur ein Opfer ihrer Umwelt war. Aber ab einem bestimmten Punkt hat mir wirklich das Mitleid gefehlt, denn sie wurde in ihrer Person immer gerissener und dreister und hat ebenso keinerlei Rücksicht auf die Menschen in ihrer Umgebung genommen.
    Die Frage ist: Wer ist Schuld? Und ich denke, da kann man neben den Männern (wie immer :zwinker:) auch die schreiende Naivität der Emma Bovary nennen. Sie gibt sich einem Bild aus ihren Büchern hin (übrigens gibt es eine "schöne" Stelle über die Gefahren des Romanlesens, bei der es sogar so weit geht, dass die Schwiegermutter das Abo der Leihbibliothek für Emma kündigt, weil Romane das arme Ding verderben würden), das zu erreichen in der französischen Provinz nicht möglich ist. Ihre Flucht nach Rouen gibt ihr nicht das, was sie erwartet hat, sie will immer mehr. Dass so ein Verhalten irgendwann im Desaster endet, ist ja nichts neues.
    Das Buch behandelt nicht nur das Thema Seitensprung, sondern hat auch einiges an Gesellschaftskritik zu bieten. Teilweise war die mir einfach zu offensichtlich, wobei so manche Posse - gerade am Ende zwischen dem Pfarrer und dem Apotheker, oder auch der Auftritt aller Ärzte im Dorf - gut gefallen hat. Einen Flaubert'schen Zeigefinger habe ich aber eigentlich nicht gesehen.


    Soviel also zur Geschichte. Sprachlich war das Werk keine große Herausforderung. Flaubert arbeitet viel mit Zeitsprüngen, macht die Handlung oft wahnsinnig schnell und überspringt ganze Jahre. Dann wieder gibt es Detailbeschreibungen (das "Finale" zieht sich über bestimmt 20 Seiten hin). Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Abschnitte kleine Skandale ausgelöst haben (z.B. die Szene mit der verhangenen Kutsche in Rouen und dem Arm, der am Ende aus ihr "herausfällt", oder die Religionskritik). Insgesamt eine distanzierte Darstellung Flauberts (volle Übereinstimmung mit Doris), wenige tiefgehende Dialoge, viel Schmalz in den Worten von Emma und ihren Geliebten und eine gelungene Darstellung der Problematik des Seitensprungs und der (möglichen) Konsequenzen in einer 'scheinbar' aufgeklärten, aber offensichtlich noch immer recht konventionellen Zeit.


    Ich gebe dem guten Stück drei Ratten und eine halbe und hoffe auf rege Diskussion hier :winken:


    3ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:


    P.S.: An dieser Stelle möchte ich mal alle Verlage darum bitten, nicht schon im Klappentext das Ende des Buches zu verraten!

  • Auch ich habe "Madame Bovary" gelesen und bin ganz angetan:


    Mir hat Madame Bovary gut gefallen. Flauberts Stil liest sich recht flüssig und ist wie ich finde sehr schön. Er hatte die Gabe ganz alltägliche Dinge zu beschreiben ohne das sie dem Leser (mit ging es jedenfalls so) langweilig erscheinen. Man möchte einfach wissen wie es weitergeht. Die Figuren waren mir nur bedingt sympathisch bzw. eigentlich mochte ich sie alle nicht wirklich. Aber das hat mich keinesfalls gestört. Gerade dies hat mich vielleicht sogar dazu bewegt weiter zu lesen.
    Madame Bovary ist kein Friede Freude Eierkuchen Liebesroman, mit einer für die damalige Zeit schockierend modernen Frauenfigur. Ich konnte jedenfalls an der ein oder anderen Stelle durchaus nachvollziehen weshalb der Roman zum "Skandalroman" avancierte. An manchen Stellen könnte man durchaus glauben "Madame Bovary" sei noch gar nicht so alt.


    Insgesamt kann ich "Madame Bovary" durchaus empfehlen, auch wenn die Geschichte für mich persönlich "nur" gehobener Durchschnitt bleibt.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ich habe "Madame Bovary" vor 20 Jahren lesen müssen und seitdem um Flaubert einen großen Bogen gemacht. Das meiste des Buches habe ich erfolgreich verdrängt; zurückgeblieben ist nur das Gefühl unendlicher Langeweile. Da fällt mir ein - hat sich die Bovary nicht auch entsetzlich gelangweilt?
    :pling: Natürlich, das ist es! Flaubert wollte die Öde eines gutbürgerlichen Landlebens darstellen, was ihm so gut gelungen ist, dass seine Leserinnen (zumindest eine) sich ebenso langweilen wie seine Protagonistin. Genial!
    (Nur habe ich mir statt einem neuen Mann ein neues Buch angeschafft - die weitaus bessere Wahl :zwinker: .)


    Dieses Buch ist nicht ganz unschuldig daran, dass ich französischen Klassikern gegenüber gewaltige Bedenken habe. Mit Schuld daran ist aber sicher auch die Tatsache, dass die Lektüre nicht freiwillig erfolgte.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo allerseits! :smile:


    Ich habe "Madame Bovary" vor wenigen Wochen angefangen zu lesen und habe es abgebrochen, leider, denn das tue ich im Allgemeinen nicht gerne.
    Mich hat es einfach zu sehr gelangweilt, als dass ich noch das Bedürfnis gespürt habe, weiterlesen zu wollen.
    Unter Umständen kann es auch daran liegen, dass es mich in keinster Weise gefesselt geschweige denn unterhalten hat, weil ich eine recht alte Ausgabe gelesen habe und da sicherlich einiges anders übersetzt wurde.
    Wie dem auch sei, ich hatte mich auf einen schönen Klassiker gefreut, wurde aber enttäuscht. Kann ja mal passieren. :zwinker:


    Liebe Grüße :winken:

  • Ich habe "Madame Bovary" vor wenigen Wochen angefangen zu lesen und habe es abgebrochen, leider, denn das tue ich im Allgemeinen nicht gerne.


    Das ging mir auch so, gleich zwei Mal. Aber ich hatte ihm eine dritte Chance gegeben und warum auch immer hat es mich dann gefesselt.


    Ich kann für Emma aber leider kaum Mitgefühl aufbringen, sie gehört zu den Romanfiguren, die ich während des Lesens furchtbar fand und der ich gerne ne Standpauke gehalten hätte :breitgrins:

  • Meine Meinung


    Seit etwa zwei Jahren greife ich hin und wieder zu klassischer Literatur und so lag vor kurzem „Madame Bovary“ auf meinem Nachttisch. Leider war entweder nicht der richtige Zeitpunkt für das Buch oder aber, ich kann eher mit den Romantikern etwas anfangen als mit den Realisten. Denn nach etwa einem Drittel des Romans, hab ich ihn frustriert zur Seite gelegt.


    Inhaltlich gefiel mir das Buch eigentlich recht gut und es interessierte mich sehr wie es zu dem Ende kommt, das der Klappentext verrät, aber leider konnte mich Flauberts Stil kaum fesseln.
    Die Figuren bleiben recht blass und werden in meinen Augen recht stiefmütterlich behandelt. Dafür widmet sich der Autor ausgiebig den Detailbeschreibungen von Gegenständen, Landschaften, Einrichtungen etc., was mich auf Dauer unheimlich langweilte. Ich fühlte mich eingeengt, hatte das Gefühl, keinerlei Raum für meine eigene Phantasie zu haben und somit wurde das Lesen immer anstrengender.
    Endgültig zum Aufgeben brachte mich die kaum vorhandene wörtliche Rede. Ich hatte zwar den Eindruck, dass sie im Laufe der Handlung zunahm, nur leider reichte mir das für den Lesefluss überhaupt nicht.


    Vielleicht versuche ich mein Glück mit „Madame Bovary“ irgendwann erneut, aber wohl nicht in absehbarer Zeit…


    Bewertung


    Da ich das Buch nicht beendet habe, gibt es auch keine Bewertung.

    Liebe Grüße<br />Melli

  • Hallo,


    ich lese Mme Bovary in einer etwas missglückten LR, nun also MiniLR gleich hier im Thread.
    Bei mir ist es eine Ausgabe von 1969. Das ganze liest sich recht leicht und geht flüssig voran.


    Den ersten Teil habe ich nun beendet und er war ein wenig wie der Einstieg in die Geschichte. Man lernt Herrn Bovary und seine Herkunft kennen, man erfährt etwas über Emma und ihr Erwachsen werden und schnell wird klar, dass sie an Langeweile und Depressionen leidet. Zur Zeit bin ich ein wenig hin- und hergerissen von ihrer Person. Dieses naive Mädchen vom Land, das glaubt in der Stadt ist alles besser, wenn man reich ist, wird alles besser, aufregender, weniger monoton - warum glauben Leute das? Jedes Leben ist von Alltag geprägt, einer hat diesen der anderen jenen und jeder empfindet manchmal sicher Monotonie. Aber genau hier komme ich ins grübeln, denn Emma ist ja in den gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Rolle gefangen - das macht sie zum Opfer ihrer Zeit, denn eine Frau (vor allem auf dem Land) konnte sich nicht so leicht aus den vorgesehenen Bahnen lösen.


    Wir im Laufe des Buchen eigentlich noch aufgeklärt warum die ersten Absätze in der "Wir-Form" geschrieben wurden und dann zum unbeteiligtem Erzähler übergehen, oder ist das einfach ein Fehler in meiner Übersetzung?


    Sonnige Grüße
    schokotimmi

  • Hallo,


    ich bin doch ein wenig verwundert, eigentlich wollten noch 2 Leuts mitlesen. :hm: Naja ich mach trotzdem mal weiter.


    Ich bin in der Mitte vom 2. Teil und zur Zeit bin ich von Emma ein wenig genervt und ich muss mich zwingen mir die Zeit vor Augen zu führen. Es wird ihre neue Umgebung beschrieben und ihre Beziehung zu Leon.

    Ich glaube sie sehnt sich nach einem Leben voller Veränderung, unkonventionell und frei, doch durch ihre Stellung in der Gesellschaft hat sie keine Möglichkeit oder keinen Mut sich daraus zu lösen. Das beschreibt sehr schön folgender Ausspruch von ihr: "Aber man muss sich wohl ein wenig nach der Meinung der Gesellschaft richten und ihrer Moral unterwerfen."


    Sonnige Grüße
    schokotimmi

  • Hallo!
    Sorry, ich habe den Artikel zu Madame Bovary gerade erst entdeckt!
    Ich bin schon ziemlich weit mit dem Buch und muss sagen, dass es mir bis jetzt sehr gut gefällt. Vor allem liebe ich die Sprache von Flaubert! *schwärm* Die Thematik des Romanes wurde ja häufig aufgefriffen im 19 Jhd, so z.B. von Fontane mit seiner "Effi Briest" ... aber meiner Meinung nach ist "Madame Bovary" viel gelungener ... es kommen noch echte Gefühle vor .... von der "Effi" erfährt man nie, wen sie denn eigentlich liebt und wen nicht. ^^ Bei Flaubert kommt noch richtige Leidenschaft vor .... hier wird noch gelitten ... bin schon auf das Ende gespannt!


    Liebe Grüße,


    Lara

  • Hallo Lara,


    schön das Du schreibst - ich mag den Roman auch, obwohl ich sonst nicht so ein grpßer Fan von diesen realen Gesellschaftsromanen bin. Die Buddenbrocks z.B. habe ich nur beendet, weil ich wissen wollte, wie sich das anfühlt und Effi Briest habe ich nur als gähnend langweilige Schullektüre in Erinnerung. Hier ist es schon einfacher - es ist detailreich aber eine gewisse Grundspannung bleibt (noch) erhalten...ich bin auch auf das Ende gespannt.


    Wo bist du denn genau? Ich bin immer noch in Teil 2.


    Grüße
    schokotimmi

  • Hallo ihr beiden,


    leider bin ich heute erst zum lesen gekommen. :traurig: Habe das Erste Buch/Teil gerade beendet.
    Ich fand, obwohl viel passiert ist, ist wiederum nichts passiert. Herr Bovary scheint mir ein anständiger Mann zu sein, der seinen Job gerne macht (auch in der sozusagenden unteren Gesellschaft), sich auf ein warmes Heim und seine Frau freut. Emma da gegen scheint mir eine Träumerin zu sein. Noch ein wenig jung und naiv.
    Schön finde ich das dieses Buch auch noch in unsere heutigen Zeit aktuell zu sein scheint. Ansonsten ist der Schreibweise schön flüssig zu lesen. Ich bin gespannt wie es weiter geht. Werde wohl nicht so schnell lesen wie ihr, aber ich bleib dabei.


    LG Nad :blume:


  • Du, ich kann gar nicht genau sagen, wo ich gerade bin ... müsste ich erst nachschauen gehen (das Buch liegt im anderen Zimmer ^^) .... inhaltlich geht es gerade darum, dass Emma ihren "alten Freund" Léon wiedergetroffen hat und nun länger als vereinbart in dieser Stadt bleibt, um sich mit ihm zu treffen.
    Ich finde den ganzen Roman eigentlich ziemlich aktuell dafür dass er schon Mitte des 19. Jhd. erschienen ist. Die Sehnsucht nach der wahren erfüllten Liebe werden die Menschen doch immer haben, oder nicht? ? =) Effi Briest im Gegensatz dazu behandelt ja vorwiegend diese Ehebruch Problematik. Langweilt also den heutigen Leser, weil die Verhältnisse eben nicht mehr so sind. Bei Madame Bovary geht es mehr um dieses Psychologische, um Träume und Illusionen. Ich hatte auch den Eindruck wie ihr, dass Emma sich zum größten Teil etwas vormacht. Sie sitzt in ihrem Häuschen am Fenster und wartet die ganze Zeit darauf, dass endlich ihr Märchenprinz auf einem weißen Schimmel angeritten kommt. Ihr Ehemann Herr Bovary kommt mir gar nicht so unsympathisch vor, wie etwa vergleichsweise der Baron von Instetten in Effi Breist, er bemüht sich schon um seine Frau. Aber leider ist sie blind dafür ...


  • [...] Ich hatte auch den Eindruck wie ihr, dass Emma sich zum größten Teil etwas vormacht. Sie sitzt in ihrem Häuschen am Fenster und wartet die ganze Zeit darauf, dass endlich ihr Märchenprinz auf einem weißen Schimmel angeritten kommt. Ihr Ehemann Herr Bovary kommt mir gar nicht so unsympathisch vor, wie etwa vergleichsweise der Baron von Instetten in Effi Breist, er bemüht sich schon um seine Frau. Aber leider ist sie blind dafür ...


    Erstmal bin ich an der gleichen Stelle wie Du gestern, Emma bleibt in Rouen (bei Leon).
    Auch ich finde Charles gar nicht so übel - er liebt sie wirklich und ist um sie besorgt, aber sie will das nicht wahr haben und läßt es auch nicht zu. Ich weiß nicht recht, sie ist eine Träumerin, ihr fehlt jeglicher Realitätssinn, heißt sie stellt sich eine Welt in Liebe, Lust und Leidenschaft vor ohne auch nur 1 Sekunde daran zu denken dass es immer und überall Alltag geben wird.
    Vielleicht kann man sagen, sie ist ein Opfer ihrer Zeit und die äußeren Umstände und die Männer haben zu ihrer Opferrolle beigetragen. Aber genauso sind Naivität und Visionen dafür verantwortlich. Hmm - vllt. hat und wird es ein paar Männer zum Nachdenken anregen über die Gefühle der Frauen, denn da stimme ich zu es hat auch heute noch Gültigkeit in gewissen Punkten.


    Sonnige Grüße
    schokotimmi

  • Bei Zweitausendeins gibt es ab sofort wieder die Madame Bovary-Ausgabe aus dem Haffmans Verlag. Eine gelobte Übersetzung. War einige Zeit lang nicht erhältlich, nun für 19,90 (Fadenheftung und Halbleinen) wieder zu erhalten.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hallo,


    ich habe das Buch schon vor ein paar Tagen beendet, war aber leider ziemlich im Stress, darum hier nun meine letzten Gedanken als Rezi.


    Mme Bovary ist ein Roman, der ein Frauenschicksal im späten 18. Jh. oder Anfang des 19.Jh in Frankreich schildert. Emma, die Hauptperson ist dabei eine typische Frau vom Land mit einem Hang zu Musik, Kunst und Literatur. Sie könnte mit der Heirat von M. Bovary einem Chirurg in einem ausreichend situierten ländlichen Verhältnis leben. Doch Emma sehnt sich nach mehr, nach adeligen Verhältnissen, leidenschaftlicher Liebe, Reichtum, Vergnügen und Ansehen. Sie ist mit ihrem Leben unzufrieden und verliert sich mehr und mehr in Depressionen. Die Liebschaften zu Rodolphe und später zu ihrem Seelenverwandten Leon und ihre verlogen ausschweifende Lebensweise enden fatal.

    Für mich war dieser Roman trotz manchmal reichen Details die er zu Umgebung und Empfindung enthielt jederzeit spannend und nie langweilig. Doch ich mochte die Hauptfigur leider gar nicht, denn ich persönlich kann ihre Schwärmerei und Liebessehnsucht nicht ganz verstehen. Sie träumt von der großen Welt, verliert sie ständig in dieser Sehnsucht und verschließt dabei den Blick vor all den Leute, denen sie auf ihre wenn auch einfach Art doch eine Menge bedeutet. Nicht mal zu ihrem Kind baut sie ein wirkliches Verhältnis auf. Sie ist in ihrem Sein schwach und kommt mit dieser Situation nicht klar, bietet somit verschiedenste Angriffspunkte um von Männern und ihren Bedürfnissen ausgenutzt zu werden, finanziell, körperlich und seelisch. Manchmal schimmert ein wenig Verständnis in ihr auf und sie merkt, dass sie sich in etwas verrennt, aber ändert sie sich nicht.
    Ich finde schon, dass man Emma in gewisser Hinsicht als Opfer sehen kann, die von diversen Männer ausgenutzt wird. Doch ist sie an dieser Lage m.E. nicht ganz unschuldig. Sie wirkt zwar gebildet, doch hat sie das wahre Alltagsleben nie verstanden - sie ist in ihrem Mädchenträumen hängen geblieben. Natürlich weiß ich, dass dies aus heutiger Sicht leicht zu sagen ist, aber ich bin überzeugt, dass es auch in damaliger Zeit Frauen gab, die mehr Stärke und Vernunft bewiesen haben und sich nicht so leicht um den Finger wickeln ließen oder auf einen Traumprinzen warteten.

    Insgesamt war das Buch trotz der etwas "nervenden" Hauptperson recht schön zu lesen und bekommt von mir
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Grüße
    schokotimmi

  • Gustave Flaubert: Madame Bovary (Übersetzung Maria Dessauer, Insel-TB)


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    (Die "search -inside"-Funktion zeigt nicht die Übersetzung von Dessauer. So ungenau ist dieser Konzern).


    Wenn ich an Madame Bovary denke, fällt mir ein Gedicht von Heinrich Heine ein:


    "Das Fräulein stand am Meere...


    Das Fräulein stand am Meere
    Und seufzte lang und bang,
    Es rührte sie so sehre
    Der Sonnenuntergang.


    Mein Fräulein! sein Sie munter,
    Das ist ein altes Stück;
    Hier vorne geht sie unter
    Und kehrt von hinten zurück."


    Auch Emma Bovary wird von Illusionen genarrt. Die Welt, die sie in Romanen aufgeschnappt hat, will sie in ihrem Leben zur Realität werden lassen. Das Pariser Leben, ein Ball, ein schöner Mann, der Vicomte - all das huscht an ihr vorbei. Sie kann sich mit dem langweiligen Leben in der Provinz nicht abfinden. Sie merkt nicht, wie Charles, ihr Mann, sie liebt, weil sie ihn nur langweilig findet. Bemerkenswert ist, dass er auch als Arzt eine Niederlage erleidet. Die Behandlung eines Klumpfußes führt einen Klienten fasst in den Tod, wäre da nicht ein (gescheiter) Arzt aus der Stadt gekommen. Auf dem Lande ist das Leben eben borniert, nicht so in Rouen oder Paris, wo auch die Wissenschaft weiterentwickelt ist.


    Flaubert kritisiert die provienzielle Zurückgebliebenheit und verabschiedet sich (wie Heine, s.o.) von der Romantik. Träumereien und Illusionen führen am Leben vorbei, führen wie im Roman ins Verderben. Madame Bovary's Flucht in diverse Liebhaber sind nur hoffnungslose Versuche, der Eintönigkeit zu entkommen. Wie eintönig auch das Kaff Yonville ist, findet seinen Ausdruck in der Beschreibung des Ortes:


    „Ansonsten gibt es nichts zu sehen. Die Straße (die einzige) reicht einen Flintenschuß weit, ist von ein paar Läden gesäumt und endet abrupt an der Biegung zur Landstraße. Wenn man sie zur Rechten läßt und am Fuß der Anhöhen von Saint-Jean weitergeht, kommt man bald zum Friedhof.“


    Für Rodolphe ist Emma nur eine Episode. Als Rodolphe später seine Briefe, die er von Frauen erhalten hat, anschaut, entströmmt im ein „Geruch nach feuchtem Staub und verwelkten Rosen“ und Emmas Züge verschwimmen in seinem Gedächtnis.


    Die Not führt Emma Bovary zu bizarren Eigenheiten, die schon in der Beziehung zu Rudolphe zu Tage treten. Man mag auf den Gedanken kommen, Madame Bovary sei ein Opfer diverser Männer, einschließlich des geritzten Kaufmanns, der Emma in die Schulden lockt. Primär aber doch ist Emmas Seelenlage. Rodolphe sagte einmal zu Emma:


    „Ja was, sagte er, wissen Sie denn nicht, daß es Seelen gibt, die in ständiger Ruhelosigkeit leben? Abwechselnd verlangt es sie nach Traum und Tat, nach den reinsten Leidenschaften, den wildesten Genüssen, und darum stürzen sie sich in Launen und Torheiten aller Art.“


    Flaubert wird noch genauer, wenn es um Emmas Seelenleiden geht. Sie verwechsele


    „die Sinnesreize des Luxus mit den Freuden des Herzens, die Eleganz der Manieren mit den Feinheiten des Gefühls.“


    Das ist das Grundursache innerer menschlicher Unzufriedenheit überhaupt, wenn das seelische Erleben abstumpft, der Mensch dann zum Materiellen greift, um den Verlust emotionalen Empfindens zu kompensieren. Madame Bovary kennt die Leidenschaften aus Kitschromanen, die sie während ihres Klosteraufenthaltes inhaliert hat, abonnierte Frauenzeitschriften und las über die Glitzerwelt der Reichen. Sie leidet an Realitätsverlust, wenn sie sich einbildet, Romaninhalte in die Wirklichkeit des Lebens zu transportieren. Sie las auch Walter Scott, der zu Flauberts Zeiten wohl noch sehr beliebt war. Balzac lässt in „Verlorene Illusionen“ seinen Protagonisten Lucien, einen Roman sogar im Stile Walter Scotts schreiben und die Bovary, nun, sie hätte dann gleich in der alten Burg aus irgendeinem Scott`schen Roman gewohnt. "Lucia di Lammermoor", diese Oper Donizettis sieht sich das Ehepaar Bovary in Rouen an, (dieser Ausflug sollte zur Entspannung von Emmas Nervenleiden dienen) und schon versinkt Emma in die Zeit ihrer Jugenlektüre zurück, das Jagdlied im ersten Satz versetzt sie in die Welt Walter Scotts (die Vorlage für das Libretto ist Scotts Roman „The Bride of Lammermoor“).


    „Lucia begann mit ernstem Ausdruck ihre Kavatine in G Dur; sie erging sich in Liebesklagen, sie wünschte sich Flügel. Und gleich ihr hätte Emma aus dem Leben fliehen, in eine Umarmung fliegen wollen.“


    Sie flog dann in die Arme Léons. Es ist aber nicht so wie bei Eichendorff:
    ....


    "Und meine Seele spannte
    Weit ihre Flügel aus,
    Flog durch die stillen Lande,
    Als flöge sie nach Haus."


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()