Joseph Roth - Das Spinnennetz

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  • Hallo!


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    Im Mittelpunkt steht Leutnant Lohse, ein enttäuschter Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg. In Berlin gerät er in die Umtriebe rechtsradikaler Organisationen und Geheimbünde, in die politischen Kämpfe jener Jahre zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, Bürgertum und Proletariat. In verschiedenen Rollen arbeitet er für eine geheime Organisation, deren Zentrale in München ist und die Verbindungen unterhält zu Ludendorff und Hitler.


    Teilnehmer:


    mara
    Saltanah
    tina
    dubh



    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß!

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • halloooo! :winken:


    habe gestern nacht schon angefangen und musste die ersten zwei kapitel gleich doppelt lesen. da ich sonst grad die chroniken von narnia lese war ich etwas zu hastig und war auf die "schwierigere" sprache nicht gefasst und habe einiges überlesen.


    für mich ist das buch, soweit ich es bis jetzt einschätzen kann, recht schwierig... ich habe einfach zu wenig historischen hintergrund. das liegt wohl daran, dass ich einfach in der schule und überhaupts bis jetzt zu wenig interesse daran gezeigt habe. aber vielleicht ändert es sich ja...


    prinz heinrich... damit wird wohl heinrich von preußen gemeint sein... oder?


    kann erst morgen abend oder am montag mittag hier sein...
    freu mich von euch zu lesen.
    mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

  • Hallo,
    ich habe heute Mittag mit dem Buch begonnen und es ist schön zu lesen. Der Schreibstil ist vermischt mit sehr bildhaften Beschreibungen, Ironie und einer traurigen Ernstheit.


    Kapitel1


    Zitat


    Die Mutter kränkelte, die Schwestern gilbten,[…]


    Herrlich. Die Schwestern gilbten. Besser kann man es wohl nicht ausdrücken. :breitgrins:


    Zitat

    […]sie wurden alt und konnten es Theodor nicht verzeihen, dass er nicht seine Pflicht, als Leutnant und zweimal im Heeresbericht genannter Held zu fallen, erfüllt hatte. Ein toter Sohn wäre immer der Stolz der Familie geblieben. :vogelzeigen:


    Traurig, wenn jemand gesagt bekommen möchte, was er glauben und denken soll, aber ich denke dass genau war der Grund, warum die Nazis erfolg hatten. Der andere Grund wird gegen Ende des Kapitel beschrieben: Neid und Frustration. Er sieht was andere haben, haben können und er sieht sich im Gegensatz dazu klein, unbedeutend und unscheinbar. Was er nicht sieht: Man hat auch die Möglichkeit sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Man kann sich Dinge erarbeiten und vor allem: Die Menschen, die er so beneidet, können nichts dafür, dass es ihm nicht so ergeht. Sie haben es gut, aber sie haben keine Schuld daran, dass es ihm nicht ebenso gut geht. Er will die Schuld nicht bei sich Suchen, er will einen Schuldigen, einen Sündenbock, neben dem er als Opfer dastehen kann. Dieses Verhalten, befürchte ich, wird nie aussterben.


    So, nun werde ich weiter lesen.
    Tina


  • Was er nicht sieht: Man hat auch die Möglichkeit sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Man kann sich Dinge erarbeiten und vor allem: Die Menschen, die er so beneidet, können nichts dafür, dass es ihm nicht so ergeht. Sie haben es gut, aber sie haben keine Schuld daran, dass es ihm nicht ebenso gut geht. Er will die Schuld nicht bei sich Suchen, er will einen Schuldigen, einen Sündenbock, neben dem er als Opfer dastehen kann. Dieses Verhalten, befürchte ich, wird nie aussterben.


    du hast vollkommen recht tina.


    meiner meinung nach sieht er alles gute in der stelle des leutnanten... wenn nicht in der armee, dann gar nichts...


    mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

  • Wie Ihr seht bin ich von dem Buch fasziniert, auch wenn die Geschichte an sich nicht wirklich schön ist.


    Kapitel2


    Theodor weiß, dass er gesellschaftlich sehr weit unten steht, weiter unten als ihm lieb ist. Er selbst vermag dies nicht zu ändern, also hängt er sich an die Personen, die zu dem von ihm begehrten Kreis gehören, um sich von dem Gefühl trügen zu lassen, dazuzugehören, nicht begreifend, dass man sehrwahrscheinlich trotzdem auf ihn herabsehen wird.
    Eigentlich traurig, wenn ein Mensch so wenig Selbstwertgefühl hat, aber vielleicht auch wiederum ein Stück weit nachvollziehbar. Oder?
    Noch trauriger das Ende des zweiten Kapitels. Theodor prostituiert sich im wörtlichen, wie auch im übertragenen Sinne. Er ist dabei, auch den letzten Rest Selbstwertgefühl zu verkaufen.


    Kapitel3


    Zu diesem Kapitel gibt es wohl nicht viel mehr zu sagen. Finanziell mag er reich werden, aber seelisch wird die Armut schlimmer sein, als er imstande ist, es sich vorzustellen.


    So, und weiter geht’s.
    Tina

  • Kapitel4


    Theodor bekommt den Hals nicht voll genug. Es reicht ihm auf einmal nicht mehr das, was vor ein paar Tagen noch Wunschträume waren, nein es muss mehr sein. Der Brief (sofern man den einen Satz so nennen kann) von Ludenhoff wird für ihn zu einem goldenen Kalb. Er begeht den Fehler nicht sich, sondern vorrangig anderen gefallen zu wollen und kritiklos alles dafür zu tun, entgegen seinem eigentlich nicht unterentwickelten Intellekt.


    Zitat

    Es zog ihn zu einer der kleinen Bänke am Rande des Rasens hin, auf die er sich niemals gesetzt hätte, aus Widerwillen gegen die plebejischen und von Menschen niederen Schlags bevölkerten Sitzgelegenheiten.


    Theodor kann mit Macht nicht umgehen. Er vergisst woher er kommt, dass er das was er hat, nicht selbst erarbeitet hat, sondern eher die Bezahlung eines Freiers ist. Er wird arrogant und hat überhaupt keinen Grund dazu, denn er ist ein ganz armseliges Würstchen.
    Das macht mich auch in meinem Beruf sehr oft wütend. Die Kollegen vergessen sehr oft, wie es war, als sie selbst angefangen haben, nur die Deppen waren, die Hiwi-Tätigkeiten aufgebürdet bekamen und nun Berufsanfänger genauso herablassend behandeln, wie es ihnen selbst in dieser Situation ergangen ist. Da könnte ich nur noch: :kotzen: Ich versuche immer irgendwelche Botengänge selbst zu machen, wenn es möglich ist und unseren Berufsanfängern die Möglichkeit zu geben in der Zeit etwas relevantes zu lernen. Blätter von A nach B tragen kann jeder Depp, das muss man nicht lernen. Ich hoffe, dass ich diese Einstellung nicht verliere und immer daran denke wie ich mich gefühlt habe, als andere mich durch die Gegend schickten und ich ihnen ausgeliefert war, dann aber später vorwurfsvoll gefragt wurde: „Warum kannst du das immer noch nicht?“
    Sorry, ich glaube ich bin irgendwie vom Thema abgekommen. :redface:


    Theodor ist zum Schluss des Kapitels ein charakterloser Mitläufer geworden, der sich nur noch an der Macht über andere Menschen erfreuen kann und Skrupel und Schuldgefühle. Eine Marionette der Partei.


    Tina

  • Hallo allerseits :winken: ,


    auch ich bin schon fleißig und fasziniert am lesen. Ich sehe es wie Mara: dieses Buch muss man genau und voll konzentriert lesen, denn innerhalb von nur einigen Seiten, oder gar einigen Sätzen kann viel wichtiges geschehen, das nicht überlesen werden darf.



    Ja, traurig ist die Haltung von Mutter und Schwestern Theodor gegenüber schon. Andererseits: denkt er nicht eigentlich auch so? Er genoß das Leben in der Armee, wo er seinen festen Platz hatte, kommt in der Nachkriegszeit gar nicht zurecht und hat weder ein Lebensziel noch Lebensfreude. Er würde natürlich am liebsten als Held leben, aber als Held gestorben zu sein würde er vielleicht seinem Leben als unbedeutender Null vorziehen.
    Und außerdem: was "bringt" dieser Sohn/Bruder ihnen denn? Er ist eine Null, was sie ebenso deutlich erkennen wie er, und ihre Haltung ist zwar herzlos aber doch irgendwie verständlich. Als Familienversorger ist er nicht erfolgreich, seelische Unterstützung können sie von ihm nicht erwarten und er gibt ihnen keinen Grund, stolz auf ihn zu sein.


    Vieles in seiner Beschreibung hat mich schockiert und traurig gemacht. Ein bisschen tut er mir auch leid, wie er da so ohne echtes Selbstbewusstsein steht. Dieses bezieht er nur aus seiner Stellung, und da die nicht vorhanden ist, ist auch "er selbst", seine Persönlichkeit nicht vorhanden. Und da es ihm an Persönlichkeit fehlt, sind seine Chancen, sich eine Position selbst aufzubauen minimal. Und natürlich beneidet und hasst er alle die, die über mehr (charakterliche, gesellschaftliche oder finanzielle) Ressourcen verfügen. Er ist darauf angewiesen, in eine bestehende Ordnung aufgenommen zu werden. Welche das ist, ist zweitrangig.

    Zitat von Kap. 3

    Nun war Theodor Mitglied einer Organisation, einer Gemeinschaft, deren Namen er nicht kannte, einen Buchstaben wusste er nur und eine römische Zahl (...)


    Anzunehmen ist, dass ihm die Ziele der Organisation ebenfalls nur schwammig bekannt sind. Aber das stört ihn nicht weiter, denn jetzt hat er einen Platz aus dem er Selbstbewusstsein beziehen kann und er verschreibt sich mit Leib und Seele dieser Organisation. Der perfekte Befehlsempfänger ist er, dem es nie einfallen würde, einen Befehl zu hinterfragen.


    Die Geschehnisse des 2. Kapitels haben mich ehrlich gesagt schockiert. Oder eigentlich nicht die Ereignisse an sich, sondern die offene, deutliche Schilderung derselben. Dies hatte ich in einem Buch das vor gut 90 Jahren geschrieben wurde, einfach nicht erwartet. (Andererseits kenne ich zu wenig andere Literatur der Zeit und weiß nicht, wie ungewöhnlich die Schilderung von (homo)sexuellen Handlungen in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg war.) Armer Theodor! Aber auch hier zeigt sich seine Befehlsausführmentalität. Er kommt ja nicht einmal auf die Idee, nein zu sagen, oder sich zu wehren, sondern lässt - der andere ist ja ein Prinz :anbet: - alles über sich ergehen.


    4. & 5. Kapitel:
    Er "ist" wieder wer (zumindest seiner eigenen Meinung nach), was sich gleich in Verhalten und Aussehen niederschlägt. Und das bisschen Macht, dass er nun besitzt, nutzt er gnadenlos. Gelungen und erschreckend zugleich der Vergleich mit einer Spinne, die sich gleich auf ihr Opfer stürzen wird (5. Kap.). Wo es sich bisher um eine arme Socke gehandelt hat, kommt jetzt eine unangenehme Figur zum Vorschein, vor der sich alle weniger mächtigen zu recht fürchten müssen.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Anzunehmen ist, dass ihm die Ziele der Organisation ebenfalls nur schwammig bekannt sind.


    da hast du recht saltanah...
    ein paar sätze zuvor:


    Zitat von Kap.3

    ..., setzte er seinen Namen auf ein Blatt Papier, dessen Inhalt er kaum gelesen hatte,...


    es ist alles nicht wichtig,... hauptsache irgendwo dabei, irgendwo mitglied sein, irgendwo macht bekommen,...


    lohse ist nun wieder wer... ja... aber er kann das alles nicht so richtig nach außen zeigen ... kein mensch weiß, dass er bei der organisation ist, ... sein name ist friedrich trattner... --- aber genau das befriedigt, das zeigt macht in seinen augen, das gefällt ihm... genau das macht die aktualität des buches meiner meinung nach aus... lohse verfällt immer mehr und mehr in dieses spionen-dasein... es geht sogar so weit, dass er sich einredet verfolgt zu werden und es gefällt ihm... so steigert sich das gefühl des wichtig-seins.


    umso weiter ich lese umso begeisterter, aber auch schockierter bin ich... trotzdem ist es für mich immer noch recht schwierig ...


    alles liebe
    mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

    Einmal editiert, zuletzt von mara84 ()

  • Hallo,


    da am Wochenende so tolles Wetter und ich zudem verreist war, kam ich gar nicht wirklich zum lesen... Dafür habe ich in Berlin unter anderem auch einiges besichtigt, was indirekt mit dem Buch zu tun hat: die Topographie des Terrors und das Haus der Wannseekonferenz.


    Kapitel 1


    Ziemlich klar wird einem beim lesen des ersten Kapitels, wie tief verankert der Antisemitismus in Deutschland war. Die gezielte Propaganda macht sich den Frust über die eigene soziale und finanzielle Situation und die Paranoia zueigen.
    Auch Leutnant Theodor Lohse hat starke Komplexe: Er (=Lohse) war ein Hauslehrer mit gescheiterten Hoffnungen, begrabenem Mut, aber ewig lebendigem, quälemdem Ehrgeiz. (S. 10) Deshalb schaut er voll Neid auf seinen Arbeitgeber Efrussi und verinnerlicht die antijüdische Hetze (die Vorurteile kennt er ja von Haus aus).



    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • hallo :winken:


    bräuchte kurz hilfe...

    Zitat von Kap.6

    "Dem Femetod verfallen ist...


    femetod? hmm... hab dazu nichts gefunden. was meint er denn damit genau? vielleicht hat von euch jemand ahnung...


    ach du lieber himmel... jetzt habe ich kapitel 7 gelesen...


    Spoiler - Kapitel 7


    es passiert nicht oft bei einem buch, aber ich hab "angst" weiterzulesen... es bedrückt mich ganz arg!


    alles liebe mara


    alles liebe
    mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

    Einmal editiert, zuletzt von mara84 ()

  • In meinem Sprachbewusstsein bedeutet es, dass eine Organisation im Rahmen einer Pseudo-Gerichtsverhandlung einen "Verbrecher" zum Tode verurteilt und dieses Todesurteil auch vollstreckt.
    Wikipedia zu Fememorden.


    Ich bin leider gerade zu müde, um mehr zu schreiben. Morgen melde ich mich ausführlich.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • danke saltanah... lieb von dir!


    gute nacht und schlaf schön!


    mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

  • Kapitel 8


    der wahnsinn nimmt überhand. roth beschreibt das wundervoll und man fühlt genau, wie lohse immer weiter und weiter in diesen wahnsinn hineinschlittert...


    Zitat von Kap.8

    Er wollte ... was er wollte, war ihm nicht klar.


    er verliert sich in dem wahn führer zu sein, macht zu besitzen...
    ein immer immer wiederkehrendes spiel - auch in der heutigen gesellschaft...


    lg mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca

  • Au weia - ich hatte ja vieles erwartet, aber das dann doch nicht, oder auf jeden Fall nicht so schnell.
    Für Lohse zählt nichts, außer seinem eigenen Fortkommen. Und um dieses zu unterstützen, schreckt er vor gar nichts zurück. Er opfert

    Zitat von Kap. 6 & 7

    einen "Freund" ebenso reuelos, wie er kurz danach den sein Fortkommen behindernden Klitsche umbringt. Erst erschien mir sein hemmungsloser Mord etwas zu schnell zu kommen, bis ich daran dachte, dass er ja jahrelang im Krieg gewesen war, und dort gesehen getan hatte, was ein Mensch einem anderen antun kann. Krieg wirkt verrohend.
    Bei der dem Mord direkt vorangehenden Szene, in der Lohse "rot" sieht, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Ist das der Blutrausch?


    Kap. 8:
    zeigt deutlich, wie wenig ihm die Ziele der Organisation bedeuten. Er benutzt sie nur für sich selbst, glaubt nicht mehr an die Parolen und Schlagworte, verachtet die, die daran glauben und spielt sich mit seinem "Saalschutz" als kleiner Gott auf. Aus der Brutalität, mit der er und seine Schläger vorgehen, zieht er sein Selbstwertgefühl.


    9. Kap.:
    Aha, so ganz kann Lohse sein Handeln im 7. Kap. doch nicht wegstecken:In den Wäldern gefiel es Theodor nicht, die Toten lagen in den Wäldern, sie wurden von den Würmern gefressen und grünes Gras sproßte aus ihrem Gebein.


    Am meisten erschüttert mich, wie vollkommen unmenschlich Lohse handelt. Ihm fehlt es total an Mitgefühl für seine Mitmenschen. Er hat keine Beziehung zu irgendeinem anderen Menschen, ist gefühlsmäßig isoliert. Ich bin dabei, Überlegungen zu seinem Namen anzustellen: heißt er vielleicht Lohse, weil er in dem Beziehungsgeflecht, das andere Menschen miteinander verbindet, nicht teil hat?
    Ich kann dieses Buch nur in kleinen Portionen lesen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,


    ich habe bis Kapitel 14 gelesen.
    Lohse ist völlig fanatisch und jenseits jeglicher Menschlichkeit und Vernunft. Das Adjektiv was mir zu ihm einfällt, habe ich mal von einem Mann gehört, der an den Nürnberger Prozessen teilgenommen hat: Entmenscht. Ich finde das trifft Lohses Charakter ziemlich gut.
    Das schlimme ist, daß er keine Sekunde auf den Gedanken kommt, dass das was er tut unrecht ist. Er ist so von sich selbst überzeugt, dass er sich, wie Saltanah schon sagte, als Gott vorkommt: Unfehlbar und in bestimmtem Rahmen allmächtig. Solche Menschen können einem wirklich angst machen. Nichts dest Trotz jagen ihn seine Geister, aber das ist viel zu harmlos. Er müsste, von Albträumen gequält, keine einzige Nacht mehr schlafen können.
    Das Buch kann man wirklich nicht in großen Stücken lesen, denn Lohse wird immer skrupellohser.


    Tina

  • Auch ich bin bei Kap. 15 angelangt.


    Das 10. & 11. Kap. waren einfach nur furchtbar! Während ansonsten Lohses Unmenschlichkeit im Vordergrund steht, wird hier die Unmenschlichkeit einer ganzen Gesellschaftsordnung gezeigt. Lohse und Konsorten bringen skrupellos streikende Arbeiter um, und einer der Überlebenden wird gar wegen Haus- und Landsfreidensbruch und Mordversuch angeklagt und schließlich verurteilt :entsetzt: ! Lohse geht natürlich frei aus, aber nicht umsonst ist der Staatsanwalt ein Freund des Gutsbesitzers. Die Voreingenommenheit der Justiz finde ich eigentlich noch schlimmer als Lohses morden.


    14. Kap.:
    Weiß eine von euch, weshalb der 2. November so wichtig war?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • hallo!


    ich bin am ende von kapitel 22...


    der 2. november? warum gerade dieses datum? ich weiß es nicht...


    kapitel 22 war für mich sehr arg zu lesen... der 2. november... ein grauenvoller tag!



    Zitat von Kap.22

    Er nimmt Rache an den Toten, sie wollen nicht sterben.


    unglaublich wie lohse agiert... kein mitgefühl, keine skrupel...


    saltanah... ich finde die "unfähigkeit" der justiz auch ungemein schlimm... doch was glaubt ihr? ist es heute auch noch zeitenweise so? ich bin mir da nicht so sicher... aber ein klein wenig denke ich schon... hmmm! d025.gif


    alles liebe mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca


  • 14. Kap.:
    Weiß eine von euch, weshalb der 2. November so wichtig war?


    Ich hoffe, ich darf mich hier mal kurz einklinken, auch wenn ich nicht mitlese :winken:


    Sicher sagen kann ich nicht, worauf sich in diesem Fall der 2. November bezieht, aber auf Grund des Kontextes - soweit ich ihn Euren Postings und diversen Zusammenfassungen des Romans entnehmen kann - könnte ich mir vorstellen, daß dies eine Anspielung auf die Balfour-Deklaration ist, mit der Großbritannien die Errichtung einer "nationalen Heimstätte" für das jüdische Volk in Palästina zu unterstützen erklärte. Diese datiert vom 2. November 1917, 1922 wurde sie Bestandteil des Völkerbundmandates für Palästina.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Jetzt habe ich das Buch auch durch. Keine angenehme, aber eine gute Lektüre!


    Das 22. Kap. zeigt noch mal richtig deutlich Lohses Kleinheit. Statt des strahlenden Helden, als der er sich selbst so gerne sieht, erweist er sich in der Gefahr als so feige, dass er nur gegen völlig wehrlose "kämpft":
    Den Gewehrkolben stößt er gegen Leichen. Er schmettert die Waffe gegen tote Schädel. Verwundete tritt er mit Absätzen. Er tritt die Gesichter, die Bäuche, die schlaff hängenden Hände. :entsetzt:
    Und dies eingerahmt von den Sätzen:
    Die Toten leben! Er haßt die Toten. (...) Er nimmt Rache an den Toten, sie wollen nicht sterben.
    Aber das Ganze hat den gewünschten Effekt: Es ist ein Sieg der Ordnung, und Lohse kann sich doch noch als Held fühlen.


    Schließlich findet er auch noch die passende Frau, eine verarmte Adlige, die einen Bürgerlichen nur notgedrungen aufgrund der veränderten Zeiten nimmt, sich von ihm aber einen neuen Aufstieg verspricht. Die beiden pasen zueinander!


    Das Ende hat mich dann noch mal sehr getroffen. Benjamin Lenz, eine sehr zwielichtige Figur, die "mitspielt", aber den anderen so weit überlegen ist, dass sie alle manipuliert, wird schließlich doch von Lohse bei seinem Doppelspiel erwischt. Zwar kann der direkt nichts gegen Lenz machen, der aber weiß, dass es gefährlich wird. So schickt er seinen Bruder nach Amerika (?), der auch sofort bereit ist. Der Koffer ist schon gepackt und weiter braucht er keine Vorbereitungen. Denn:
    Man konnte jedem beliebigen Juden aus Lodz ein einziges kleines Wort sagen, und er wußte. Man braucht einem Juden aus dem Osten keine Erklärung zu geben.
    Was ist schlimmer, frage ich mich: Ständig auf die Katastrophe vorbereitet zu sein und das Schlimmste zu erwarten, oder die Zeichen nicht wahrzuhaben und die Gelegenheit zur Flucht nicht zu nutzen.


    Zwei Dinge haben mich in diesem Buch besonders beeindruckt: einmal die Leichtigkeit, mit der aus einer Null eine gefährliche Bestie werden kann, und zum anderen der die gesamte Gesellschaft durchströmende Judenhass. Auch wenn ich dies theoretisch wusste, wurde es mir hier noch einmal so richtig deutlich, auf welchen Wurzeln Hitlers Antisemitismus wachsen konnte. Der Boden für seine "Lehre" war schon seit langem bereitet.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • ich bin nun auch mit dem buch fertig und mir hat es sehr, sehr gut gefallen.
    es ist ein erschreckendes bild der damaligen zeit und wie saltanah schon gesagt hat, war für hitler der weg schon geebnet, wenn es um die einstellung der menschen geht.


    die figur lohse steht bestimmt für einen sehr großen teil der damaligen gesellschaft.


    roth hat eine wunderbar passende sprache für dieses thema gewählt und ich kann dieses buch nur jedem weiterempfehlen.


    alles liebe mara

    &lt;b&gt;Mit Büchern habe ich das meiste Gespräch&lt;/b&gt; Seneca