James Joyce - Ulysses (15. Kapitel)

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 10.181 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von WannaBe.

  • Das längste Kapitel - und von Wikipedia mit gerade mal drei kurzen Sätzen bedacht :rollen:. Immerhin wurde darauf hingewiesen, dass es sich um eine Halluzination handelt. Ich bin noch nicht weit gekommen, aber ich muss gestehen, dass ich angesichts der konfusen Handlung etwas kirre bin :spinnen:. Bloom stolpert von einer kurzen Episode in die nächste und wechselt dabei je nach Bedarf die Kleidung. Teilweise gibt er sich sehr draufgängerisch, flirtet und macht den Damen unsittliche Anträge. Soll das das geheime Ich des Mr. Bloom darstellen? Auch einige der früheren Gestalten treten wieder in Aktion.


    Einen roten Faden habe ich noch nicht entdeckt. Was Joyce wohl mit diesem Kapitel zum Ausdruck bringen wollte? Ich hoffe, ich komme noch drauf.


    Grüße
    Doris

  • Hallo


    Das Kapitel ist das längste und schwierigste im Ulysses und wird als Circe-Kapitel betitelt.


    Circe war die Zauberin in der Odyssee, die ihre Gäste in Schweine verwandelte.


    Die Form ist ein Theaterstück, in der fast die gesamten Personen, die in dem Ulysses eine Rolle spielten, auftreten. Sogar die Seife erscheint an einer Stelle personifiziert. Blooms innerer Monolog wird zum Dialog, seine geheimsten Wünsche und Sehnsüchte steigen aus dem Unbewussten auf und werden zu Personen.


    Er trifft seinen Vater und seine Mutter, Molly im türkischen Kostüm, die ihn verspottet.


    Es findet eine Gerichtsverhandlung gegen ihn statt, wo seine Ängste und seine inneren Begierden verhandelt werden. Er wird als Bigamist, Kuppler,Hahnrei, als Ärgernis für die Dubliner Bürger dargestellt. Seine Unsicherheit als jüdischer Aussenseiter in Dublin wird thematisiert und angeklagt.


    In der zweiten grossen Theatergruppe verwandeln sich seine Ängste in Grössenwahn, psychoanalytisch gesprochen, kommt sein narzisstisches "grandioses Selbst" zum Vorschein. Er wird Bürgermeister, Bischof, König und gottähnlich. Blooms innerer Monolog, der oft bestimmte Projekte und Reformen enthielt, wird externalisiert. Surreale gottähnliche Vorstellungen kommen zum Vorschein.


    Dann schlägt das Bild um. Es kommt zu einem Schauprozess gegen das "grandiose Selbst" Blooms, er wird schwanger, -das ist die versteckte Anima Blooms, seine unbewusste Identifikation mit der Gebärenden, dann wird er auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.


    Bloom begibt sich wie Odysseus in den Palast der Zauberin, hier die Puffmutter, um Stephen aus ihren Fängen zu retten, wie Odysseus es mit seinen Gefährten gemacht hat.


    Als dritte grosse Episode kommt der sexuelle Masochismus Blooms zum Vorschein. Sein Verhalten gegenüber Molly ist ja leicht masochistisch, und das wird jetzt genau thematisiert. Ein Dschungel masochistischer Vorstellungen tut sich auf. Er verwandelt sich in eine Frau und wird von Bella geritten.


    In einer der letzten und schönsten Erscheinungen erscheint sein verstorbener Sohn Rudy und verschwindet wieder.


    Man muss den ganzen Text auf die inneren Monologe der vorherigen Kapitel beziehen. Fast jede der auftretenden Personen und Personifizierungen ist in den inneren Monologen aufgetaucht. Richtig verstehen kann man diese Episode erst nach mehrmaliger Lektüre.


    Psychoanalytiker haben ihre helle Freude an dem Kapitel und Joyce liess sich auch wohl von Gedanken und Theorien der Psychoanalyse inspirieren.


    Ralf

  • Leute ich verabschiede mich aus dem Forum


    Ich wünsche euch alles gute und noch viel Spass bei der Lektüre


    Ralf


  • die Gründe stehen in einem anderen Forum


    Ausserdem habe ich Sandhofer eine Mail geschickt


    Ralf


    Hallo Ralf,


    es täte mir sehr leid, wenn wir Dich in dieser Leserunde verlieren. Da ich Deine Gründe nicht kenne, hoffe ich auch mal, es liegt nicht an der Ulysses Runde, dass Du das Forum verlassen willst?


    Gruß
    WannaBe

  • Da ich Deine Gründe nicht kenne, hoffe ich auch mal, es liegt nicht an der Ulysses Runde, dass Du das Forum verlassen willst?


    Die Gründe liegen - wenn ich das richtig verstanden habe - hier.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Die Gründe liegen - wenn ich das richtig verstanden habe - hier.


    Ah, jetzt, ja! Danke Sandhofer. Den Thread hatte ich nur so mit einem halben Auge beobachtet, das hatte ich nicht mitgekriegt.
    Trotzdem schade, dass Ralf sich so schnell verabschiedet hat. Ich hatte schon befürchtet, es liegt daran, dass wir den Ulysses zu laienhaft angehen :zwinker:


  • die Gründe stehen in einem anderen Forum


    Inzwischen habe ich das gelesen. Schade! Nun wird unsere Runde noch kleiner und verliert einen kompetenten Mitleser. Vielleicht solltest Du Dein Glück mal im Klassikerforum versuchen, wo Du sicher eher auf Gleichgesinnte stößt.


    Grüße
    Doris

  • Dann mal wieder zurück zum Thema.


    Ich bin inzwischen weiter gekommen, wenn auch noch nicht fertig mit diesem Teil. "Wo ist mein Lexikon?" sagt Zoe irgendwann, und das habe ich mich auch schon des öfteren gefragt. Joyce schöpft aus dem Vollen und bringt Ausdrücke, die ich noch nie gehört habe und nimmt wahrscheinlich auch Bezug auf Vorkommnisse in Dublin bzw. Irland, die mir absolut unbekannt sind. Anders kann ich mir manche Aussagen nicht erklären.


    Bloom macht hier einiges durch, er avanciert zum Oberbürgermeister von Dublin, wird genauso schnell wieder degradiert, bekommt gleich acht Kinder auf einmal... Es liest sich fast, als hätte Bloom ein paar Pillen eingeschmissen. Seine masochistische Ader kommt zum Vorschein, als er zum Opfer der Puffmutter wird und zahlreiche Demütigungen erdulden muss.


    Laut dem Buch von Frank Budgen, das ich hier als Ratgeber liegen habe, durchlebt Bloom in diesem Kapitel drei Trancezustände. Mir erscheint es fast unmöglich festzustellen, wann eine Trance endet und die Realität wieder beginnt. Der Übergang verläuft so fließend, dass ich Probleme habe, diese beiden Welten auseinander zu halten. Dieses Kapitel reißt mich ebenfalls hin und her, allerdings zwischen Kopfschütteln und Bewunderung.


    Gruß
    Doris

  • Ich habe erst wenige Seiten in diesem Kapitel gelesen und befürchte, damit werde ich nicht warm werden.
    Das liegt wieder einmal nicht an Joyce :zwinker:, sondern einfach daran, dass ich nicht gerne Stücke lese. Ich habs schon so oft probiert und muss jedesmal wieder feststellen, es ist nichts für mich.


    Doris: wird denn erklärt, woher die Trancezustände bei Bloom kommen? In einem Pub wird doch mal über ihn gesprochen und es wird extra betont, dass er nur sehr gemäßigt trinkt und noch nie betrunken gesehen wurde. Hat er bei dem Krankenhausgelage und anschließend im Pub doch so stark gebechert?


    Was ich noch sagen wollte: nächste Woche bin ich auf einem Seminar und werde kaum zum Lesen und evtl. gar nicht ins Forum kommen. Ich werd also beim Ulysses eine Pause einlegen, nicht wundern, wenn Du hier ein paar Tage nichts von mir liest. :winken:


  • Ich habe erst wenige Seiten in diesem Kapitel gelesen und befürchte, damit werde ich nicht warm werden.
    Das liegt wieder einmal nicht an Joyce :zwinker:, sondern einfach daran, dass ich nicht gerne Stücke lese. Ich habs schon so oft probiert und muss jedesmal wieder feststellen, es ist nichts für mich.


    Ich lese zwar auch nicht sehr häufig Dramen, aber hier finde ich es sehr interessant und abwechslungsreich. Gerade die stilistische Vielfalt ist etwas, das mir an Ulysses gut gefällt. Es ist bewunderswert, wie gut Joyce dies beherrscht. Die meisten Autoren haben lediglich einen Stil, den sie in sämtlichen Werken anwenden.



    Doris: wird denn erklärt, woher die Trancezustände bei Bloom kommen? In einem Pub wird doch mal über ihn gesprochen und es wird extra betont, dass er nur sehr gemäßigt trinkt und noch nie betrunken gesehen wurde. Hat er bei dem Krankenhausgelage und anschließend im Pub doch so stark gebechert?


    Ich habe keine Erklärung gefunden, es sei denn das Saufgelage. Andererseits - warum muss man immer von außen beeinflusst werden, um geistig abzuheben? Vielleicht ist Bloom so unzufrieden mit seinem tatsächlichen Dasein, dass er die Kunst des Abschaltens perfekt beherrscht und sich so gänzlich in seinen Phantasien verlieren kann.



    Was ich noch sagen wollte: nächste Woche bin ich auf einem Seminar und werde kaum zum Lesen und evtl. gar nicht ins Forum kommen. Ich werd also beim Ulysses eine Pause einlegen, nicht wundern, wenn Du hier ein paar Tage nichts von mir liest. :winken:


    Dann wünsche ich schon mal viel Spaß und Erfolg. Ich werde meinen Trott weiterlesen und posten. Hast Du übrigens diese interessante Diskussion mitverfolgt?


    Liebe Grüße
    Doris

  • Die stilistische Vielfalt ist mit Sicherheit ein Grund, warum der Ulysses so faszinierend ist. Allerdings ist es auch ein Grund, warum mir manche Kapitel besser und andere nicht so gut gefallen. Was aber nicht heißt, dass ich das Buch teilweise gar nicht mag. Im Gegenteil, gerade dass ich mich drauf einlassen muss und meistens positiv überrascht werde, werde ich von diesem Leseerlebnis mitnehmen, auch wenn ich sicher sehr viel nicht verstanden habe.


    Danke, dass Du mich auf den anderen Thread aufmerksam gemacht hast. Ehrlich gesagt, hab ich ihn nicht gelesen, weil ich dachte, es handelt sich um ein technisches Problem :redface:
    Anscheinend gibt es gerade einige LR mit Teilnehmerschwund. Wie ich schon mal sagte, ich finde es schade, dass hier nicht mehr Leute mitmachen, gerade weil sich so viele angemeldet hatten. Ich befürchte allerdings, das Problem wird man schwerlich in den Griff kriegen. Jedenfalls werde ich die Diskussion weiter verfolgen.


    Ich hoffe, nächstes Wochenende wieder hier einsteigen zu können, wünsch Dir bis dahin viel Spass beim Lesen


    Viele Grüße
    WannaBe


  • In einer der letzten und schönsten Erscheinungen erscheint sein verstorbener Sohn Rudy und verschwindet wieder.


    Leider ist es auch die kürzeste Erscheinung. Und ich hatte mich nach dieser Ankündigung schon sehr darauf gefreut.



    Man muss den ganzen Text auf die inneren Monologe der vorherigen Kapitel beziehen. Fast jede der auftretenden Personen und Personifizierungen ist in den inneren Monologen aufgetaucht. Richtig verstehen kann man diese Episode erst nach mehrmaliger Lektüre.


    Das Gefühl hatte ich sehr stark, als ich heute mit dem Kapitel fertig wurde. Als Erstleser ist es wahrscheinlich unmöglich, sich alle Personen zu merken, die hier wieder auftreten. Allerdings vermisse ich z.B. die beiden Frauen, die am Strand Muscheln sammelten. Oder stammten sie aus einem Stephen-Kapitel? Es kommen auch Personen vor, von denen vorher noch keine Rede war. Aus welchen Gründen sind sie Teil von Blooms Phantasien?


    Ich bin wieder einmal nicht klüger geworden durch diesen Abschnitt. Wahrscheinlich muss ich erst noch einige Jährchen mehr auf dem Buckel haben und Erfahrungen sammeln, bevor ich dieses Buch wirklich verstehe.


    @ WannaBe :winken:

  • Ich melde mich endlich auch mal wieder. Momentan will es nicht so recht vorangehen mit dem Ulysses, aber zumindest habe ich dieses Kapitel jetzt relativ schnell durchgelesen. Ich muss sagen, dass es mir fast am besten gefallen hat bisher.
    Ich fand es toll, sich auf einmal in einer Art Traumwelt wiederzufinden, Leopolds Situation ändert sich immer wieder, seine Klamotten und sein äußeres Auftreten passen sich an. Teilweise hatte ich das Gefühl, als würde sich das ganze Szenario unter Drogen/Alkoholeinfluss abspielen. Einiges davon ist wohl aber auch "real" passiert und gehört nicht zu den Halluzinationen, oder?
    Ich bewundere Joyce immer mehr für die stilistische Vielfalt. Jedes Kapitel ist anders und man wird immer wieder mit neuem überrascht.
    Ich hoffe ich finde Zeit, wieder etwas mehr zu lesen, momentan ist mein Studium leider ziemlich stressig :( Aber ich bin noch da! :winken:

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  • Einiges davon ist wohl aber auch "real" passiert und gehört nicht zu den Halluzinationen, oder?


    Ja, laut meinem Ulysses-"Ratgeber" durchlebt Bloom in diesen Kapitel insgesamt drei Trancezustände. Ich bin mir aber selbst nicht sicher, wann diese beginnen und enden. Wenn er mitten in einer seiner Trancen steckt, ist alles ziemlich eindeutig (sprich: konfus), aber wann er wieder in die Realität gleitet, war mir nicht immer sofort klar. Ich hatte nur irgendwann das Gefühl, dass er sich jetzt wieder im normalen Leben befinden müsste.


    Grüße
    Doris

  • So, ich bin wieder mit dabei :smile:


    Wie ich am Anfang schon vermutet hatte, war dieses Kapitel für mich eine echte Quälerei.
    Allein schon mit der Form des Dramas bin ich nicht glücklich geworden. Ausserdem war es mir zu verworren, zu surreal (obwohl ich so etwas sonst sehr gerne mag, hier hat es mich gestört).


    Vielleicht hätte ich in einer anderen Stimmung sein müssen, auf alle Fälle reicht bei diesem Kapitel einmaliges Lesen nicht. Mehr als bei dem bisherigen Text bräuchte ich eine Kommentierung zum Geschehen, da hat mich der Wiki-Artikel ziemlich im Stich gelassen. Oder zwei Gläschen Absynth, um in einen ähnlichen Zustand wie Bloom zu gelangen...