James W. Nichol, Verachtet

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    James W. Nichol, Verachtet
    (Goldmann Verlag)
    ISBN 978-3-442-46418-0, Euro 8.95
    Originaltitel: Transgression


    Inhalt:


    Kanada im Jahre 1946: Ein Kind macht beim Ausbüchsen eine grausige Entdeckung. Das Mädchen findet einen abgetrennten Finger - und der gerufene Polizeichef der Kleinstadt kurz darauf die Leiche eines Mannes, der einer regelrechten Exekution zum Opfer fiel.
    Frankreich zur Zeit der Okkupation durch Nazideutschland: Adèle, eine junge Französin, verliebt sich in einen deutschen Soldaten und wird in ihrer Heimat nahe Paris schließlich als Kollaborateurin verjagt. Nach einer rastlosen Suche quer durch das zerstörte Europa hofft sie schließlich in Kanada ihr dunkles Geheimnis vergessen zu können.


    Meine Meinung:


    James W. Nichol gelingt es sehr gut, die beiden Erzählstränge nebeneinander her laufen zu lassen ohne dass je einer davon ins Stocken gerät oder gar langweilig wird. Geradezu bemerkenswert aber schafft es der Autor allerdings, die beiden Schicksale und Zeiten gegen Ende auch zusammen zu führen.
    Die Aufklärung des Mordes nach dem II. Weltkrieg in Kanada ist anfänglich stark im Hintergrund - stattdessen lernt man Adèle, ihre Familie und ihre Situation während der Okkupation kennen. Dies macht Nichol sehr gut: nichts wird verklärt, die damalige Situation in der Kleinstadt Rouen wirkt beinahe deteilgetreu recherchiert. Die "Beziehung" zwischen dem Wehrmachtssoldaten Manfred und der mit Gewissensbissen nicht wirklich fertig werdenden jungen Französin kommt nicht kitschig daher, auch wenn es natürlich eine Liebesgeschichte ist. Auch als Manfred längst abgezogen wurde, bleibt die Situation meiner Meinung nach sehr realistisch.
    Erst im letzten Drittel gewinnt der andere Erzählstrang, die Mordermittlung, mehr und mehr die Oberhand - und dies ist sehr geschickt gemacht: es bleibt wirklich bis zum Ende hin spannend und alle anfänglichen Ungereihmtheiten (oder vermeintlich leichte Auflösungen) werden komplett entschlüsselt.


    Fazit:


    Besonders gut hat mir die Erzählweise mit ihren zwei Ebenen gefallen. Auch die Geschichte war gelungen und definitiv mal etwas anderes für einen Thriller. Kurzum: richtig gut gemachte Spannungsunterhaltung bei der die historischen Hintergründe plausibel und realistisch wirken!


    4ratten


    (Eine Ratte Abzug, weil ich mir das Ende anders vorgestellt hätte - auch wenn ich mir selbst nicht sicher bin, wie genau. :breitgrins:)

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Die junge Französin Adèle lernt einen deutschen Besatzungssoldaten kennen, der anders ist, er ist nett und freundlich und die beiden verlieben sich in einander. Aus gemeinsamen Fluchtplänen wird nichts und während Manfred nach Kriegsende nicht mehr auffindbar ist, muss die als „Horizontal-Kollaborateurin“ verdammte Adèle ihren Heimatort verlassen und irrt auf der Suche nach Manfred und/oder einer Zukunft durchs Nachkriegsfrankreich und -deutschland. Schließlich gibt sie auf und versucht sich ein neues Leben in Kanada aufzubauen. Parallel erzählt (wenn auch chronologisch danach angesiedelt) wird die Geschichte von Jack, dem alten Polizeichef der Kleinstadt Paris in Kanada, für den die Ermittlungen um einen gefundenen Finger und die zugehörige Leiche eine letzte Herausforderung sind, sich und seinen Vorgesetzten zu beweisen, dass er noch nicht reif für die Pensionierung ist.


    Das vorige Buch des Autors und der Klappentext hatten in mir die Erwartung geweckt, einen spannenden Thriller geliefert zu bekommen, bei dem die Geschehnisse des 2. Weltkriegs den Hintergrund für die im Jetzt spielende Handlung bilden. Ich sollte nicht so viel in Klappentexte hineininterpretieren, sondern lieber dem Wortlaut glauben, dann werde ich auch nicht mehr so enttäuscht – 1946 wird als Handlungszeitpunkt schon sehr deutlich erwähnt.


    Für die Thrillerhandlung sind der Krieg und die Ereignisse in Frankreich allerdings eher irrelevant, die einfache Darstellung einer Liebelei ohne all die detaillierten Beschreibungen des Kriegsalltags und der Beziehungsprobleme wäre für den Mord völlig ausreichend gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass eine Thriller-Vorgabe bestand und der Autor die Geschichte, die er eigentlich erzählen wollte, irgendwie in dieses Korsett pressen musste. Eigentlich hätte aus Adèles Situation auch ohne Mordermittlung eine interessante und mitreißende Geschichte entstehen können. So jedoch ist das Buch für mich weder Psychogramm noch Krimi, aber auch keine gelungene Mischung aus beidem, sondern nur ein halbgares Zwischending.


    Schade,
    3ratten

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    Ja - ein .. ungewöhnliches Buch. Das die "äußeren Genre-Erwartungen" nicht erfüllt - da gebe ich Illy recht. Was sowohl die äußere Aufmachung angeht als auch den Klappentext..
    "Ein packender Spannungsroman um die tödlichen Folgen einer verbotenen Liebe.."
    Mich hat nach dem Lesen interessiert, wie wohl das Cover der Originalausgabe aussieht.. und tatsächlich:


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    Aha - das sieht doch schon ganz anders aus - und liest sich auch anders. Meiner Meinung nach hat da jemand bei der Herausgabe der deutschen Edition ziemlich was verbockt..
    .. denn diese Geschichte über das "zivile" Frankreich des 2. Weltkrieg ist wirklich nicht schlecht geschrieben, wenn man sich darauf einlassen kann: Im Gegenteil. Mir kommt die Schilderung der Verhältnisse in vielen Punkten sehr realistisch vor und dem Autor gelingt es, die verschiedenen Blickwinkel plausibel werden zu lassen - sensibel genug ist er außerdem an den richtigen Stellen. Also ein Stück Aufarbeitung und Zeitgeschichte - allemal wichtig im Gedächtnis zu behalten.
    Auch die parallel laufende Geschichte von der Aufklärung des Mordes, in der die Handlung kulminiert, hat durchaus ihren eigenen Reiz, wenn man es denn schafft, sich von seiner eigenen Erwartungshaltung zu lösen. (Mir ist das vielleicht sogar ein bisschen leichter gefallen, weil ich eigentlich gar keine Lust auf einen Krimi hatte - aber gestört und abgelenkt hat es dennoch.)
    Am liebsten würde ich "dreidreiviertel" Ratten geben, wenn das möglich wäre (für vier langt es nicht ganz, weil das gerade - und zwar keiner der beiden Winkel - so gar nicht "mein Thema" war..), also


    3ratten und :marypipeshalbeprivatmaus: