[Ägypten] Nagib Machfus - Das Hausboot am Nil

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  • Mein Beitrag zu Ägypten innerhalb des Projektes Wir lesen uns rund um die Welt


    Hallo,


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    Wenn ich das Nachwort von Stefan Weidner nicht gelesen hätte, dann hätte ich glatt den Zeitbezug des Romans übersehen: „Im Kreis dieses Symposions erscheinen alle Werte, die in den sechziger Jahren den öffentlichen Diskurs bestimmen, plötzlich unglaubwürdig, und lächerlich: Sozialismus, Revolution, Befreiungskampf und der in der arabischen Welt nach wie vor hochgehaltene Heroismus, aber auch persönliche Tugenden wie Verantwortung.“ Ich habe den Roman als nachdenklichen philosophischen Roman gelesen.


    Es geht um eine Gruppe von Männern, die sich nach der Arbeit auf einem Hausboot treffen. Sie reichen eine Haschischpfeife herum, ergeben sich dem Rausch und plaudern sorglos in den Abend hinein. Politische Themen, und als sich Frauen dazugesellen, ergeben sie sich auch dem Thema der Liebe hin und auch der Tod ist ein Thema. Die Außenwelt interessiert diese Leute nicht, das Hausboot ist ein Rückzugsort. Der Haschischrausch beflügelt sie, da denkt niemand ernsthaft. Die Gespräche sind erheiternd, Machfus lässt uns mitschmunzeln. Diese harmonische Stimmung wird jäh zerstört, als die Gesellschaft einen Ausflug mit dem Auto unternimmt und sie die Härte des reellen Lebens zu spüren bekommen.


    Mir hat die Atmosphäre des Romans sehr gefallen. Zu Beginn der meisten Kapitel fängt Machfus unglaublich schön die Atmosphäre des Nils im Mondlicht ein. Ein Besuch kündigt sich an, in dem das Boot zu wackeln beginnt. Mir hat Amm Adduh gefallen, ein Urgestein von Mann, der das Haschisch besorgt. Er hinterläßt einen Eindruck von Unsterblichkeit und Zeitlosigkeit; zeitlos, wie die Atmosphäre auf dem Hausboot. Im Text finden sich viele Weisheiten und eindrucksvolle Sätze, die zum Nachdenken animieren. So empfehle ich den Roman langsamen und nachdenklichen Lesern.


    Wie soll ich so einen Roman bewerten? Irgendwo zwischen vier und fünf Ratten. Ist doch wurscht. Wo bleibt die Haschischpfeife?


    :anbet:4ratten + 1/2 :tipp:


    Liebe Grüße
    mombour



    [size=1]Land im Betreff eingefügt. LG, Aldawen[/size]

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Nagib Machfus: Das Hausboot am Nil


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    Inhalt:


    Anis Saki führt ein zurückgezogenes Leben auf einem Hausboot am Nil in Kairo. Hier treffen sich jeden Abend sechs Männer und drei Frauen, um gemeinsam die Wasserpfeife zu rauchen und zu reden. Ihre Gespräche drehen sich um philosophische und politische Fragen, doch die Gruppe selbst lebt fernab von gesellschaftlicher Verantwortung und Aktivität. Das funktioniert so lange, bis eine Journalistin, die neu zur Gruppe stößt, allen Beteiligten einen Spiegel vorhält und sie in Frage stellt. Die dadurch entstandene Unsicherheit bricht die Lethargie der Gruppe auf, die infolgedessen das Hausboot verläßt und einen Ausflug unternimmt, der in einer Katastrophe endet und die Gruppenmitglieder zwingt, sich zu positionieren.


    Meine Meinung:


    Anis Saki hat vor zwanzig Jahren Frau und Kind verloren und steckt seitdem fest in der Inhaltsleere seines Lebens zwischen eintöniger Arbeit im Gesundheitsamt am Tage und den Abenden, an denen er auf dem Hausboot seiner Haschischsucht frönt, seinen Träumen von der ruhmreichen ägyptischen Vergangenheit nachhängt und mit seinen Freunden Gespräche führt, die die Freunde für hochphilosophisch halten, die dem Leser aber stellenweise ziemlich belanglos vorkommen.


    Alle Beteiligten wirken nicht gerade sympathisch, und wenn Anis Sakis Rauschgiftsucht noch erklärlich erscheint durch seine persönliche Katastrophe, so bleiben die Gründe für die Sucht der anderen unverständlich: reine Langeweile? Lebensüberdruß? Es handelt sich wohlgemerkt um Leute der "besseren" Gesellschaft, Intellektuelle, finanziell abgesichert. Doch sie scheinen tief resigniert und voller Ohnmachtsgefühle. Sie schrecken nicht nur vor jedweder Aktivität und der Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung zurück, sondern in ihren scheinbar so intellektuell-leichten Gesprächen tun sich seelische Abgründe auf, daß es den Leser schier gruselt... Die Gruppe meint, daß sie am gesellschaftlichen Leben nicht beteiligt wäre - aber immer wieder stößt die Außenwelt auf das Hausboot vor.


    Eines Tages stößt eine Journalistin zu der Gruppe, die ein Theaterstück schreiben will und als kleine Vorstudie dazu die Gruppenmitglieder treffend und schonungslos charakterisiert. Auf dem darauffolgenden Ausflug geschieht ein Verkehrsunfall, der ein weiteres Licht auf den Charakter aller Beteiligten wirft und zur Bewährungsprobe wird. Aus dem philosophischen Geplauder wird bitterer Ernst. Hier gelingt es Anis Saki endlich einmal, klar Stellung zu beziehen - und sich als einziger aus der Gruppe einigermaßen integer zu verhalten.


    Das Buch ist nicht einfach zu lesen - mir zumindest ist Ägypten recht fremd, und es gibt nur wenig Handlung. Jeden Abend kündigt das Schaukeln des Hausbootes die Ankunft der Besucher an, dann wird geredet, philosophiert, geträumt... Den Gesprächen zu folgen verlangt vom Leser einiges an Konzentration, allerdings wird man immer wieder durch wunderschöne, poetisch-blumige Formulierungen und treffende Aussprüche belohnt. Ich habe bis zur Mitte des Buches gebraucht, um die Namen der beteiligten Männer endlich auseinanderhalten zu können, danach aber wurde es regelrecht spannend.


    4ratten


    Grüße,
    kaluma

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.