Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Annette von Droste-Hülshoff - Die Judenbuche
Ich habe die unkommentierte Ausgabe des Anaconda-Verlages gelesen.
Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen ist der Untertitel dieser Novelle, und das trifft den Kern der Sache ziemlich genau. Es handelt sich um die Geschichte von Friedrich Mergel, dessen Lebensverlauf geschildert wird - ein düsteres Bild einer armen und rohen Gemeinschaft von Dörflern, in deren Mitte Friedrich aufwächst. Alkohol und Verbrechen sind an der Tagesordnung; der Waldfrevel scheint ein allgemeiner Sport zu sein und es gibt ein ständiges Katz- und Mausspiel zwischen den Holzdieben und den Förstern. Das dabei ein Menschenleben nicht viel wert ist, passt in die Zeit und zur gedrückten Atmosphähre.
Friedrich schlängelt sich durch diese ganzen Wirrungen scheinbar unbeschadet hindurch; immer wieder arbeitet Annette von Droste-Hülshoff heraus, dass eigentlich eine gute Seele in ihm steckt, die aber durch äußere Einflüssen zum Schlechten verführt wird. Er entwickelt sich vom verschüchterten Kind zum eitlen Gecken und bekommt bald zu spüren, dass seine Mitmenschen nur an seinem äußeren Bild und nicht an ihm selbst interessiert sind. Unter diesem Druck gerät er auf die schiefe Bahn, macht Schulden, die er nicht zurückzahlen kann und wird schliesslich zum Verbrecher...
Leider muss ich ab hier verspoilern, da ich mir sonst vermutlich die Spoilerfreaks auf den Hals hetze - obwohl es meiner Meinung nach nicht notwendig wäre - ich halte es da eher wie sandhofer und denke, man kann das Ende ruhig schon kennen, bevor man loslegt. Ich bin übrigens auch nicht der Meinung, dass man das Werk als Kriminalroman lesen sollte, eher als eine Art Entwicklungsroman. Trotzdem:
Für mich ist die Novelle eine Geschichte über das Gewissen, denn letztendlich ist es Friedrichs Gewissen, das ihn zurück an den Ort des Verbrechens führt. Die guten Charakteranlagen, die Annette von Droste-Hülshoff ihm mitgegeben hat, gewinnen am Ende nach einem Leben der Läuterung die Oberhand und lassen in Friedrich schliesslich den Entschluss reifen, seine Tat selbst zu sühnen und sein eigener Richter zu sein. Diese Entwicklung wird von der Schriftstellerin zwar sehr gestrafft, aber dennoch deutlich aufgezeigt, und die berühmte titelgebende Buche, deren hebräische Inschrift "Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast", prophezeit genau dieses Ende.
Ich fand die Lektüre trotz der Kürze sehr tiefschürfend und beeindruckend. Obwohl die Sprache aus meiner heutigen Sicht sehr altmodisch und verstaubt klingt, bin ich doch sehr gut damit zurecht gekommen.