David Treuer - The Hiawatha

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.780 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Dieses Buch ist mein Beitrag für die USA (*) im Projekt 'Wir lesen uns rund um die Welt'


    (*) eigentlich habe ich schon mit J.D.Salinger dieses Land bereist - aber da David Treuer ein 'echter' Amerikaner ist - vom Stamme der Ojibwe, dachte ich, ich würde auch die 'andere' Stimme Amerikas zu Wort kommen lassen :smile:



    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links




    Meine Meinung


    3 Dinge haben mich zu diesem Buch geführt:
    ° David Treuer wird in Saint-Malo Gast des Literaturfestivals sein,
    ° der Name des Buches - spricht man es laut aus Hia-wa-tha .. das klingt doch wie eine Zauberformel :smile:
    ° und die Story interessierte mich.
    An und für sich ist es eine 'Familiengeschichte' - dass sie einer indianischen Familie in den 70ern - 90ern passiert, ist der Unterschied (und ich benutze bewusst 'indianisch' - David Treuer selber benutzt dieses Wort und nicht das 'politisch korrekte' 'Native Americans' - dazu gibt es außerdem eine nette Szene im Buch - der Hauptprotagonist Simon bekommt eine Stelle bei einem indischen Teppichhändler - und im Englischen gibt es für beide ja nur das eine Wort 'indian' - und so meint der neue Boss von Simon ganz lakonisch 'so we are both indians?!' )


    Die Familiengeschichte wird hauptsächlich aus der Sicht von Simon erzählt, zu Wort kommen aber auch seine Mutter und sein Neffe. Das Schicksal das diese Familie erlebt ist besonders tragisch - und es hat nicht einmal damit zu tun, dass sie einer Minderheit angehört. Und genau dieser Schiene verfällt David Treuer auch ganz bewusst nicht. Er zeigt Missstände und Tatsachen - aber ohne anzuklagen oder Sympathie zu erheischen.
    Viel wichtiger sind ihm seine Menschen denen er in dieser Geschichte Leben einhaucht - und ich kann mir durchaus vorstellen, dass ihm vieles aus dieser Geschichte bekannt ist - sei es eigene Erlebnisse oder durch Familie/Bekannte Erlebtes das man ihm erzählt hat.
    Mir ist Simon und seine Familie jedenfalls ans Herz gewachsen und ich konnte mich in vieles hineinfühlen, was ihnen passiert ist und auch wenn der Grundton durchwegs traurig ist - das Buch bringt einen doch nicht runter - schon gar nicht mit so einer Sprache!
    Zum ersten Mal hatte ich keine Gänsehaut als ich 'creative writing' las - dieser Sparte der auch David Treuer seine Anfänge verdankt - hier hat es wohl nur geholfen ein Talent zu fördern das früher oder später entdeckt worden wäre.


    5ratten

  • Wenn der Titel schon ein bißchen "geklaut" ist: Gibt es denn Anlehnungen an den historischen Hiawatha oder wenigstens Bezüge zum Epos The Song of Hiawatha von Henry Wadsworth Longfellow? Das gäbe mir ja einen zusätzlichen Anreiz, das Buch auch zu lesen :smile:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • Wenn der Titel schon ein bißchen "geklaut" ist: Gibt es denn Anlehnungen an den historischen Hiawatha oder wenigstens Bezüge zum Epos The Song of Hiawatha von Henry Wadsworth Longfellow? Das gäbe mir ja einen zusätzlichen Anreiz, das Buch auch zu lesen :smile:


    Zum echten ... ist jetzt schwierig zu sagen. Zu Longfellows wohl ganz sicher. Ich vermute, Treuers Buch ist quasi ein (realistisches) Negativbild zu Longfellows "Lied". Einerseits als Biografie eines offenbar nicht so erfolgreichen Indianers, gegenüber dem (bei Longfellow mythisch überhöhten und romantisierten) grossen Indianerführer. Andererseits war Longfellows Hiawatha (nicht hingegen der echte!) ebenfalls Ojibwa.


    PS. Danke für Deine Eindrücke, Kenavo.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Das gäbe mir ja einen zusätzlichen Anreiz, das Buch auch zu lesen :smile:


    Nein, sorry - damit kann ich nicht dienen :smile: 'The Hiawatha' hat hier im Buch einen ganz, GANZ anderen Bezug - es ist nämlich der Name eines Zuges - nix mit Gedicht, nix mit Vorfahr :breitgrins: Ich werde David Treuer auf dem Festival allerdings ganz sicherlich eines fragen: WARUM dieser Titel!



    PS. Danke für Deine Eindrücke, Kenavo.


    Immer gerne :zwinker:



    Ich vermute, Treuers Buch ist quasi ein (realistisches) Negativbild zu Longfellows "Lied". Einerseits als Biografie eines offenbar nicht so erfolgreichen Indianers, gegenüber dem (bei Longfellow mythisch überhöhten und romantisierten) grossen Indianerführer. Andererseits war Longfellows Hiawatha (nicht hingegen der echte!) ebenfalls Ojibwa.


    Du vermutest richtig!


    Gruss,
    Kenavo

    Einmal editiert, zuletzt von Kenavo ()

  • Es fällt mir schwer, den Inhalt des Buches irgendwie zusammen zu fassen. Simon, die Hauptfigur kommt nach 10 Jahren wegen Todschlag aus dem Gefängnis. Er findet keinen echten Platz in der Gesellschaft, was nicht nur an dem Verbrechen und seiner Strafe liegt, sondern daran, dass er von Kind an nicht sonderlich viele Chancen hatte, sondern eher immer nur für den nächsten Tag lebte. Von der Regierung wurde die Familie in einem großen Umsiedlungsprogramm mit Versprechungen aus dem Reservat in die Stadt gelockt, allerdings bot auch diese keine Zukunft, sondern nur andere Varianten des Niedergangs.


    „The Hiawatha“ wirkt auf mich in erster Linie wie ein sehr männlicher und sehr amerikanischer Roman, von indianischer Romantik ist überhaupt nichts zu spüren und was die von mir eigentlich erwartete Diskriminierung anging, war da wenig Offensichtliches. Die Familie gehört eindeutig zu den Benachteiligten der Gesellschaft, aber sie könnten zu jeder Art von Minderheit gehören oder auch zu gar keiner. Das Buch wechselt zwischen Simons Leben nach dem Gefängnisaufenthalt und Erlebnissen aus seiner Kindheit und Jugend. Die Geschichte zeigt nicht, wie es zu dem Verbrechen kommen musste, das die Familie endgültig zerstört hat, es ist auch nicht unausweichlich gewesen, sondern einfach nur eine Tragödie, ohne wirklichen Grund. Dementsprechend ist die Grundstimmung des Buchs eher deprimierend, es gibt nur einzelne Lichtblicke, aber keinen Anlass zu Hoffnung.


    Und so glaube ich nicht, auch wenn mir „The Hiawatha“ nicht wirklich schlecht gefallen hat, dass ich unbedingt noch etwas von Treuer lesen werde.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: