Knut Hamsun - Hunger

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 8.691 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Knut Hamsun: Hunger. List Verlag. Mit einem Nachwort von Heiko Uecker.


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    Der namenlose Ich-Erzähler lebt von gelegentlichen Einnahmen, die er für journalistische Arbeiten erhält mehr schlecht als recht. Oft steht er am Abgrund des Ruins und hat tagelang nichts zu Essen. Die Sprache wechselt je nach innerem Zustand des Erzählers. Wenn er gerade mal wieder etwas Geld für Essen verdient hat, liest sich alles ganz herkömmlich, in anderen Zeiten ist er dem Wahnsinn nahe und läuft durch die Straßen von Oslo. Der Stolz eines Menschen ist ein weiteres Motiv in der kurzen Geschichte. Hilfe kann er lange Zeit nicht annehmen. Das wirkt beklemmend. Er möchte immer wieder ein gewichtiges Werk schreiben, kommt aber über den Anfang nicht hinaus. Der Roman, der 1890 erschienen ist, und seinerzeit in Deutschland erfolgreicher war als im Ursprungsland Norwegen, behandelt vor allem innere Vorgänge und ist somit einer der ersten modernen Romane, der auf Handlungen wie schöne Bälle ganz verzichtet. Auch ist die Charakterzeichnung des Ich-Erzählers nicht eindimensional. Der Roman ist einfach zu lesen, bietet jedoch verschiedene Interpretationsschichten an.


    Einige Themen des Romans wurden später zum Beispiel von Kafka in Der Hungerkünstler und bei Thomas Bernhard in Beton wieder aufgegriffen.


    4ratten


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Ich hab das Buch erst vor kurzem gelesen und leider wurde mir der Erzähler trotz seines Schicksals nicht wirklich sympathisch. Mit dem Verstand konnte ich die Aussichtslosigkeit seiner Lage natürlich begreifen, aber emotional ist er mir überhaupt nicht näher gekommen. Ab der Mitte etwa hatte ich zunehmend das Gefühl, dass der Autor überhaupt keinen Raum mehr für einen Hoffnungsschimmer läßt und dadurch konnte sich auch keine Spannung aufbauen. So habe ich das jedenfalls empfunden.
    Wenn Knut Hamsun eine Studie über den Hunger schreiben wollte, wie es im Vorwort anklingt, ist ihm das sicher gelungen.
    Wie hat dir das Buch gefallen? Gruß, Sue

  • Es ist schon etwas länger her, dass ich dieses Buch gelesen habe.
    @sue: der Protagonist IST in der Tat nicht sympathisch, ich hatte auch kein Mitleid mit ihm. Er war so gefangen in seinem Stolz, er wollte überhaupt keine Hilfe annehmen.
    Überhaupt waren sämtliche Leute, die in diesem Buch vorkommen, äußerst lieblos und unsympathisch.


    Großartig fand ich den Stil, denn die Kargheit, der durch Mark und Bein gehende Hunger, war direkt spürbar.
    Ein Buch, das mich sehr "mitnahm", kein "schönes" Buch, aber ein sehr beeindruckendes!


    4ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Der Stil ist gekonnt gemacht, es ist aber nicht Thomas Mann oder Marcel Proust. Die etwas "fülligeren" Stile liegen mir zur Zeit mehr. Dennoch ein interessantes Buch.


    Gruß, Thomas

  • Hallo,


    Meine Lektüre ist schon lange her. Mir hat das Buch sehr gefallen, weil der Autor den "Hunger" überzeugend in Worte gemeißelt hat. Sehr schöne Lektüre. Soviel ich weiß, ist es sein Romanerstling.


    Und da wir gerade bei Hamsun sind: Sehr zu empfehlen ist sein Roman "Mysterien" (aber man muss den Hamsun auch irgendwie mögen; ist natürlich völlig was anderes als Th. Mann-Stil) :zwinker:


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    Liebe Grüße
    mombour

  • Tja, Mysterien habe ich abgebrochen... Meine Kolleginnen haben ihn sehr gemocht. Vielleicht bin ich noch nicht reif für Hamsun.


    Gruß, Thomas

  • Moin, Moin!


    Hamsun gehört für mich zu den völlig Unverzichtbaren. Sein Stil ist in der Tat sehr merkwürdig. Viele Fragen, teils bewußte Umständlichkeit und Verzerrungen. Meine letzte Lektüre war "Das letzte Kapitel"; ich hatte es bereits im KF erwähnt, weil es ein Sanatoriumsroman ist. Hamsun bedeutet auch immer: Heimat & Boden verhaftet sein. Ich mage unverwechselbaren Autoren mit ausgeprägtem Eigentstil wie ihn oder Lobo Antunes, von dem ich momentan mein neuntes Buch lese.

  • Ich hab mich vor ein paar Wochen durch das Buch gequält und bin froh, es hinter mir zu haben. Beim Lesen gefiel es mir eher wenig, im Nachhinein betrachtet, finde ich es aber gar nicht mehr sooo übel.


    Gut fand ich, wie die Aussichtslosigkeit der Lage des Erzählers geschildert wird. Wenn einem kein Ausweg mehr bleibt, kein Ort, an den man gehen kann, niemand, dem man sich anvertrauen kann.


    Der Erzähler hat mir jedoch Probleme bereitet. Dass er nicht sympathisch ist, störte mich nicht, auch seinen Stolz und seine Scham wegen seiner Armut fand ich absolut nachvollziehbar. Ich fand es nur jedesmal schrecklich, wenn er meint einen Ausweg aus seiner Situation gefunden zu haben und man als Leser schon von vornherein ahnt, dass das wieder schrecklich nach hinten losgehen wird und den Erzähler in eine peinliche Sitation bringt, in der er wiederum alles geben muss, um den Schein zu wahren. Ich fand das so quälend...


    Ab der Hälfte ging es dann erstaunlicherweise viel besser. Musste ich mich vorher zum Lesen praktisch zwingen, habe ich den Rest dann am Stück gelesen.


    An der Stelle, als der Erzähler von seinem Redakteur 10 Kronen bekommt, kamen mir übrigens fast selbst die Tränen vor Dankbarkeit. :breitgrins:


    Wertungsmäßig landet das Buch bei 2,5 Ratten.

  • Das hast Du sehr schön beschrieben, wie Dich bei der Lektüre die verschiedensten Empfindungen "überfallen" haben.
    Ich habe das Buch schon vor etwa 1 Jahr gelesen, aber ich kann mich noch gut daran erinnern. Besonders diese Hoffnungslosigkeit, von der Du auch schreibst, ist mir im Gedächtnis geblieben. Gegen Ende hin hat man als Leser wirklich schon ein Gefühl dafür entwickelt, dass das jetzt wieder nichts wird mit dem Verdienst.
    Hat der Held nicht schließlich auf einem Schiff angeheuert? Den Schluß habe ich nicht mehr ganz präsent.
    Jedenfalls hat mich Dein Beitrag wieder an diese interessante Lektüre erinnert.


    Liebe Grüße, Sue.

  • Wenn ich nicht gerade diese Nobelpreisträgerliste „in Arbeit“ hätte, und wenn das Büchlein nicht so kurz wäre, und wenn es nicht auch noch einen Kommentar bei Bookcrossing im Rahmen des Nobeltreisträger-Abos erfordert hätte – dann hätte ich es vermutlich nach meiner üblichen 20-Prozent-Schmerzgrenze beiseite gelegt. Schuld daran ist der Ich-Erzähler, ich mag nämlich keine Bücher, in denen der Protagonist so vor offensichtlicher Lebensunfähigkeit strotzt wie dieser hier. Ich will gerne zugestehen, daß die körperlichen, geistigen und seelischen Auswirkungen von Hunger, die Hamsun vermutlich gut beschrieben hat (da fehlen mir zum Glück persönliche Vergleichsmaßstäbe), zu irrationalen Handlungen führt – aber ganz unschuldig ist der Erzähler an seiner Situation ja nun nicht. Daß es mir nicht gut gehen kann, wenn ich ausstehende Schulden von Menschen, denen es viel besser geht als mir, nicht eintreibe, wenn ich meine letzten Habseligkeiten versetze, um das erlöste Geld Wildfremden in die Hand zu drücken, denen es zumindest nicht schlechter geht als mir, wenn ich unverhoffte Geldsegen mit vollen Händen zum Fenster hinauswerfe, u. a. für Nahrungsmittel, von denen ich vorher weiß, daß ich sie Minuten nach Verzehr auf die Straße spucke usw. usf., dann muß ich mich über meine desolate Lage auch nicht wundern. Und auch darüber hinaus hat es mich erzähltechnisch nicht besonders beeindruckt, so daß ich nicht mehr als


    1ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: (weil er am Ende wenigstens noch ansatzweise die Kurve kriegt)


    vergeben kann.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • @Aldawen: :five:
    Genau so habe ich den Ich-Erzähler auch empfunden. Ich habe das Buch vor an die 20 Jahre gelesen, aber trotzdem könnte ich den sich in seinem Leid sudelnden Idioten noch gut im Gedächtnis (eigentlich ja ein positives Zeichen bei einem Buch.) Der wollte seine Situation doch gar nicht verbessern - dann hätte er sich ja nicht mehr so schön als von aller Welt verkanntes und ausgestoßenes Genie fühlen können. Ein unerträglicher Mensch!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,


    interessant ist, wie Hamsuns Biograf Richard Ferguson "Hunger" literaturhistorisch einordnet:


    Zitat von "Ferguson"

    Mit Hunger hatte er vielleicht den ersten Roman geschrieben, in dem der Bewußtseinszustand selbst der Held ist. Und damit kündigte er die Hinwendung zur Introspektion an, die in unserem Jahrhundert, über Kafka, Joyce und Virginia Woolf, ihren Höhepunkt mit dem Werk Samuel Becketts erreicht hat.“


    Ferguson weist in seinem Buch auf autobiografische Details in "Hunger" hin. Richard Fergusons Buch ist übrigens eine außerordentlich kenntnisreiche Biografie, in die ich immer wieder gerne hineinschaue (Richard Ferguson, Knut Hamsun. Leben gegen den Strom)



    Ich will gerne zugestehen, daß die körperlichen, geistigen und seelischen Auswirkungen von Hunger, die Hamsun vermutlich gut beschrieben hat (da fehlen mir zum Glück persönliche Vergleichsmaßstäbe), zu irrationalen Handlungen führt –



    allein schon durch Elektrolytmangel kommt es zu Sinnestäuschungen.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Ich habe das Buch gerade fertiggelesen und muss sagen dass ich es am Ende doch noch richtig gut fand, obwohl ich zunächst wenig damit anfangen konnte. Der Grund dafür war hauptsächlich der absolut unsympathische Ich-Erzähler. Ich fand seinen Stolz, seine Selbstgerechtigkeit und sein Verhalten anderen Menschen gegenüber einfach furchtbar.
    Und als dann der Übersetzter auch noch aus unserer schönen osloer Karl Johanns gate eine Karl-Johan-Straße gemacht hat hätte ich das Buch fast abgebrochen.
    Aber im Laufe des Buches hat es mich dann immer mehr fasziniert wie überzeugend Knut Hamsun den Hunger und den beginnenden Wahnsinn schildert. Auch gelingt es ihm die hoffnungslose Lage des Ich-Erzählers so eindrücklich zu schildern, dass ich am Ende fast Mitleid mit diesem Unsympathen hatte.
    Alles in allem bekommt das Buch von mir
    3ratten


  • Ich habe das Buch gerade fertiggelesen und muss sagen dass ich es am Ende doch noch richtig gut fand, obwohl ich zunächst wenig damit anfangen konnte.


    So ähnlich geht es mir auch. Komischerweise ist "Hunger" für mich ein Buch, das nach dem Lesen immer mehr dazugewonnen hat. (Meistens geht es mir eher andersrum, siehe dieser Thread.) Beim Lesen habe ich mich bis zur Hälfte mehr oder weniger gequält, und obwohl es zum Ende hin deutlich anzog, wollte ich ursprünglich nicht mehr als 2 Ratten vergeben. Mittlerweile bin ich der Ansicht, dass es eher 3,5 Ratten sein müssten, obwohl ich beim Lesen erstmal nicht allzuviel Genuss hatte. Irgendetwas muss das Buch also doch gehabt haben. Wer weiß, vielleicht lese ich es sogar noch einmal?

  • Soll man Literatur nach dem Mehr oder Weniger an Sympathie beurteilen, das man Figuren entgegenbringt? Vielleicht...
    Knut Hamsuns Frühwerk gehört für mich zum Unverzichtbaren, allem voran die atemberaubenden "Mysterien", aber zum Beispiel auch dieses Büchlein hier, "Hunger", das teilweise auf Hamsuns eigenen Lebenserfahrungen beruht, auch wenn es um ihn, so glaube ich dem Nachwort entnommen zu haben, nie so schlimm gestanden hat wie um seinen Protagonisten. Ich würde die bahnbrechenden Bewusstseinsschilderungen des jungen Hamsun in ihrer Vorläuferschaft für die moderne Psychologie sowie den Existentialismus beinahe auf eine Stufe mit Dostojewski stellen, dessen Antiheld in den "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" übrigens auch kolossal unsympathisch ist. Es ist schade, dass Nietzsche den frühen Hamsun (meines Wissens) nicht mehr wahrnehmen konnte, er hätte ihn sicher geschätzt. "Hunger" war Hamsuns Durchbruch als Schriftsteller und während zehn Jahren schrieb er dann Bücher, die eine ganze Generation von Schriftstellern nachhaltig beeinflussen sollten (u.a. Franz Kafka, Robert Musil und Thomas Mann) und die er später meiner Meinung nach nur noch einmal erreicht hat - in seinem Uralterswerk "Auf überwachsenen Pfaden", ein Buch, das - nach dem Krieg! - zwar eine abscheuliche Huldigung an Hitler enthält, das aber stilistisch wieder zu den Tönen des Frühwerks zurückkehrt.
    5ratten

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)

  • Soll man Literatur nach dem Mehr oder Weniger an Sympathie beurteilen, das man Figuren entgegenbringt? Vielleicht...


    Die Diskussion darüber kommt hier im Forum immer wieder auf und wir sind noch zu keiner Einigung gekommen. Ich persönlich bewerte ein Buch oft schlechter (wenn auch nicht viel), wenn ich keine der Figuren mag. Da nehme ich meinen Lesestoff sehr persönlich.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Dieses Buch erschien zwar schon 1890, ist aber bis heute absolut aktuell geblieben. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die hungern müssen. Selbst in so reichen Ländern wie Deutschland. Da brauchen wir gar nicht so weit weg schauen.
    Im Sommer 1888 war Knut Hamsun per Schiff auf der Rückfahrt von seinem zweiten Amerikaaufenthalt nach Kopenhagen. In Kristiania wurde ein Zwischenstopp eingelegt. Diese Stadt ist ihm noch sehr gut in unangenehmer Erinnerung, durchlebte er hier doch 1886 arbeitslos eine schwere Hungerzeit. Er verließ das Schiff nicht und in der Nacht schrieb er die ersten denkwürdigen Zeilen:


    Zitat

    Es war in jener Zeit, als ich in Kristiania umherging und hungerte, in dieser seltsamen Stadt, die keiner verlässt, ehe er von ihr gezeichnet worden ist.


    Als er in Kopenhagen angekommen war, schrieb er in einer gemieteten Dachkammer weiter. Wieder unter Hunger.


    Edvard Brandes, Feuilletonredakteur der Zeitung "Politiken", war von dem noch unfertigen Manuskripot tief ergriffen. Er überredete Carl Behrens, es in der dänischen Zeitschrift „Neue Erde“ im November in Bruchstücken anonym zu veröffentlichen. Und es erregte sofort Aufsehen. Zwar lüftete die "Dagblad" bald das Geheimnis des Autoren, aber das fertige Werk wurde 1890 immer noch anonym herausgegeben. Im selben Jahr schon veröffentlichte Samuel Fischer es in deutscher Übersetzung.


    Hunger ging mir ganz schön unter die Haut. Die Geschichte wird in der Ich-Form erzählt. Und ich erlebe hautnah mit, wie sich der arme Redakteur durchs Leben schleicht. Ein Zimmer zur Miete, das er sich nicht mehr leisten kann, die erste Nacht, die er in einem Wald geschlafen hat, wie er hungrig durch die Stadt streift. Und was ihm dabei alles so durch den Kopf geht, ist unbeschreiblich. Und oftmals für mich unverständlich.
    Als Leser leide ich mit diesem Menschen. Dabei kenne ich diese Person, die da erzählt gar nicht. Er bleibt namenlos. Ich weiß nicht, ob er Familie hat. Ist er verheiratet, hat er Kinder, Geschwister, Eltern? Nichts von dem habe ich erfahren. Nur dass er vergeblich versucht, seine Schreibereien an den Mann zu bringen und weitere neue Sachen zu schreiben, um damit Geld zu verdienen. Um sich etwas zum Essen kaufen zu können, um ein Dach über dem Kopf zu haben.
    Er versucht aber nicht, sich anderweitig Arbeit zu verschaffen. Wartet nur darauf, dass ihm die Geschichte gelingt. Ganz am Ende lässt mich dieser namenlose Journalist irgendwie nachdenklich, verwirrt und ratlos zurück.


    4ratten

  • Die Diskussion darüber kommt hier im Forum immer wieder auf und wir sind noch zu keiner Einigung gekommen. Ich persönlich bewerte ein Buch oft schlechter (wenn auch nicht viel), wenn ich keine der Figuren mag. Da nehme ich meinen Lesestoff sehr persönlich.


    Wir müssen ja auch zu keiner Einigung kommen, ich habe das ganz bewusst zur Disposition gestellt, weil es dabei wohl auf die Haltung des Lesers, der Leserin zur Literatur ankommt.

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)


  • Soll man Literatur nach dem Mehr oder Weniger an Sympathie beurteilen, das man Figuren entgegenbringt? Vielleicht...


    Diese Frage treibt mich auch manchmal um, ist aber unbedingt differenziert zu sehen. Im Fall von "Hunger" kann ich das nachvollziehen.


    Natürlich kann es auch grandiose Bücher mit extrem unsympathischen Protagonisten geben. Ein Beispiel dafür ist für mich Goethes "Werther".


    "Hunger" habe ich vor rund 20 Jahren gelesen, nachdem ich es empfohlen bekam von jemandem, der meinte, ich müsse das unbedingt lesen und er selber wisse jetzt genau, was Hunger bedeutet, nachdem er das Buch gelesen hatte.


    Ich las es also und konnte das nicht nachvollziehen. Mir ging es ähnlich wie Aldawen und Saltanah es weiter vorne beschreiben: für mich ist der Erzähler in "Hunger" jemand, der sich nicht wirklich aus einer prekären Lage befreien will, sondern sich in Selbstmitleid suhlt. Das hat mich von eigentlichen Hauptgegenstand, dem Hunger, sehr abgelenkt. Ich konnte nicht mehr trennen, was die Folgen des Hungers sind und was die Folgen der persönlichen Defizite, des Hochmutes der Hauptperson.


    Jedenfalls ist Hunger für mich durch dieses Buch nicht plastisch geworden und ich habe auch keine Lust, jemals ein weiteres Buch von Hamsun zu lesen. Sicher hängt auch viel davon ab, welcher Schriftsteller welchem Leser nun liegt oder nicht, und Hamsun scheint eben nicht auf meiner Wellenlänge zu liegen (jedenfalls vor 20 Jahren, vielleicht hätte ich das Buch heute anders gelesen).

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Meine Meinung

    Ob ich den Protagonist sympathisch fand oder nicht, stand für mich bei der Lektüre nicht im Vordergrund, obwohl ich mich weiter oben anders geäußert habe. Was mich dafür überrascht hat, war seine Hilflosigkeit. Er hat mehr als eine Chance bekommen, seine Situation zu verbessern, aber er hat es nie geschafft. Vielmehr hat er sich in Fantasien verloren, im was-wäre-wenn. Dabei spielte er oft so viele Szenarien durch und entfernte sich gedanklichso von seinem eigentlichen Problem, dass es nie zu einer Lösung kam. Das war für mich teilweise anstrengend zu lesen. Ich mag klare Strukturen, im Buch und im Leben.


    Trotzdem kann ich auch verstehen, wie er in so diese Lage gekommen ist. Vielleicht ist er nicht so lebenstüchtig wie andere Leute, vielleicht ist er auch nur ein Träumer, der sich nicht mit der Realität auseinander setzen kann. Vielleicht hat ihn sein Hunger auch nur so geschwächt, dass er nicht mehr klar denken kann. Aber eigentlich ist der Grund egal: er ist seiner Lage hilflos ausgesetzt und kann sich nicht aus ihr befreien. Ihm zuzusehen, wie er durch sein Leben irrt, ist nicht leicht. So widerspreche ich meiner Aussage von weiter oben: auch mit einem wenig sympathischen Protagonisten hat mir das Buch gut gefallen.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Knut Hamsun: Hunger“ zu „Knut Hamsun - Hunger“ geändert.