Nachtzug nach Lissabon:
Der Lehrer Mundus ist ein Gewohnheitstier, Sprachfetischist, Klassikfan und Philosoph.
Er ist ein ruhiger, besonnener Mensch, beliebt bei seinen Schülern, bei den Kollegen eher als "verschroben" bekannt.
Sein Leben verläuft in sehr ruhigen Bahnen, ist fast langweilig zu nennen, denn er reist nicht, gönnt sich nichts, hat keine Hobbys ausser den Klassikern in Latain, Hebräisch, Griechisch, Französisch oder weiß der Henker welcher Sprache noch :wink:, lebt seit vielen Jahren vor sich hin und tut nicht, was nicht voraussehbar gewesen wäre. Selbst Schachpartien betrachtet er vor allem aus wissenschaftlicher Sicht und schlägt fast jeden.
Sein Leben wird aber auch bestimmt von vielen Zwängen und irrationalen Ängsten.
Dann geschieht etwas, was ihn aus der Bahn wirft, er wirft sein komplettes Leben über Bord, geht aus dem Unterricht nach Hause, bekommt ein portugisches Buch geschenkt, welches ihn fasziniert, er kauft einen Sprachkurs, fängt an den Text selber zu übersetzen und fährt mit dem Zug nach Lissabon.
Dort sucht er nach den Wurzeln und den Geheimnissen hinter dem "Gedankenband" von einem ihm bis dato völlig unbekannten Autor, dessen Werk in einem Selbstverlag erschienen ist.
Mit vielen Zufällen (die aber nur extrem phantasielosen Leuten etwas ausmachen) findet er die ganze Geschichte hinter der Person heraus und diese Suche wird für ihn zu einer Reise zu sich selbst.
Mein Fazit:
Ich fühlte mich - wie viele andere - an den Schatten des Windes erinnert, was in erster Linie an die Zeit der Handlung (faschistisches Regime) und der Örtlichkeit (iberische Halbinsel) liegt. Sprachlich gesehen sehe ich große Unterschiede und auch die Geschichte ist nicht vergleichbar.
Der Schatten des Windes handelt von Büchern, der Bedeutung von Büchern für die Protagonisten, bei Mercier geht es eher um die Sprache und "die Neusetzung der Sprache". Hier wird das Thema sehr literarisch betrachtet, die philosophischen Gedankengänge von Amadeu Prado fand ich z.T. sehr spannend, zwischenzeitlich aber zum Teil auch sehr ermüdend weil für meinen Geschmack zu lang.
Dass es dem Autor so leicht fällt, die Sprache zu erlernen, ist für mich nicht unrealistisch. Er kann sehr gut Französisch, Latein seine Ex-Frau war Romanistin mit dem Spezialgebiet Spanisch. Portugiesisch ist dem Spanischen sehr ähnlich, wenn auch nicht in der Aussprache, sondern im Schriftbild. Auch die Ähnlichkeit zum Französischen ist groß.
Es wird im Buch auch immer wieder darauf hingedeutet, dass Mundus zwar Portugisisch lesen kann, aber die gesprochenen Worte der Einheimischen so gut wie gar nicht versteht.
Das Buch übte auf mich auch deswegen eine so große Faszination aus, weil ich einen großen Teil meiner Jugend mit Portugiesen befreundet war, mir die Sprache - auch wenn ich sie sehr lange nicht mehr gehört habe - sehr gut bekannt ist und ich den Klang sehr gerne mag und ich die Sprache ein Jahr lang gelernt habe (und dadurch den Ansporn bekommen habe, meine Lissabon-Reisepläne mal wieder aufleben zu lassen und einen VHS-Kurs Portugiesisch zu belegen...).
Meine Bewertung: