Beiträge von Fatschbumdidelzong

    Als ich das Buch im Bahnhofsbuchhandel liegen sah, hat es mich richtig angemacht: Aufgemacht wie eine Ansichtskarte aus den Alpen, statt Buchklappen zwei Ansichtskarten "Grüße aus Bad Fucking", eine Widmung an Hadschi Halef Omar ..., ausgezeichnet mit dem Glauser-Preis für den besten Kriminalroman 2011 - kann doch gar nicht so schlecht sein.


    Doch kann es.


    Focus online urteilt: "Böse, obszön und zum Brüllen komisch."
    Böse wahrscheinlich, weil wirklich jeder Charakter, mit dem die Östereichische Literatur ihren Selbsthass zelebriert als Abziehbild auftaucht: Der korrupte Lokalpolitiker, der noch korruptere Finanzmakler, der Bauunternehmer dito, sein unterdrückter Sohn, die Dorfhonoratioren als kurzatmige Spanner usw. usf.
    Obszön weil fast jede komische Wendung ihren Witz aus der Beteiligung von Körpersäften oder stinkenden Fischabfällen bezieht.
    Wer das "zum Brüllen komisch" findet, der schätzt an "American Pie" die geistreiche Komik.


    Der Autor gefällt sich darin, eine Unmenge von Handlungsfäden auszulegen, die szenenweise weiterverfolgt werden. Nach dem ersten Drittel hat man das Gefühl, als würde das Buch Fahrt aufnehmen, es kommt sogar so etwas wie Spannung auf, obwohl keiner der Protagonisten wirklich zum Helden des Buches wird.
    Und dann ist alles ganz schnell vorbei: Auf den letzten 40 Seiten bringen sich die Protagonisten gegenseitig um - sofern sie nicht schon tot sind - und schließlich bricht ein verhehrender Sturm los, in dessen Regenfluten die meisten Übriggebliebenen umkommen und so den Autor seiner Pflicht entheben, den einen oder anderen Handlungsstrang zuende zu erzählen.


    Man nennt das heutzutage wahrscheinlich einen ironisch gebrochenen Umgang mit Erzähltraditonen oder eine postmoderne Souveränität im Bezug auf die Erwartungen des Lesers, eine methodische Enttäuschung. Ich bekenne, daß ich gutes Handwerk vorziehe, erkennbare Plots, sich entwickelnde Charaktäre, einen sympathischen Helden (oder Heldin). Den intellektuellen Firlefanz, den uns der Autor hier aufnötigt, darf er sich gerne dahin stecken, woher er seinen Witz bezieht.


    Um Bücher, die mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet wurden, mache ich in Zukunft wohl besser einen Bogen.

    Ich habe das Buch jetzt auch gelesen und finde es klasse.


    Es wird zwar ein Drittel des Romans gebraucht, um die Detektivfigur aufzubauen (tatsächlich mal was neues: Die Detektivin ist eine ausgebrannte, cholerische Drehbuchautorin), aber dafür ist sie a) glaubwürdig und b) funktioniert sie. Prima.
    Im richtigen Leben würde ich es mit dieser Frau keine zehn Minuten aushalten.


    Es ärgert mich ein wenig, daß das Werk den Stempel "Ruhrgebietskrimi" bekommen hat. Das ist ein Krimi, der in Bochum spielt, ok. Zwei, drei Nebenpersonen sprechen Ruhrpott (sehr zahm und deutschlandweit verständlich) und damit hat sich's. Ein James Bond, der auf Barbados spielt, ist auch kein 'Barbadoskrimi'.


    Die Morde sind brutal und gemein, die Aufklärung (... und warum es ausgerechnet diese Detektive sind, die die Spur finden... ) sind glaubhaft und der Tod eines der Mithelden hinreißend tragisch, dazu noch ein toller Showdown.


    Herz, was willst Du mehr?


    Meine Beurteilung:
    4ratten

    Anscheinend bin ich der erste Mann, der dieses Buch gelesen hat, und das auch noch zugibt. :breitgrins:


    Wem ist eigentlich noch nie eine junge Frau begegnet, auf deren T-Shirt das Bekenntnis „Zicke“ prangte? :schulterzuck: Ursprünglich meint das Wort Zicke eine junge, weibliche Ziege, später dann ein widerspenstiges Mädchen mit ähnlichen Charaktereigenschaften. In den letzten Jahren hat das Wort wiederum eine Umdeutung erfahren und meint nun eine selbstbewusste Frau, die ihre Ziele mit allen Mitteln durchsetzt, wobei – und diese Konnotation ist geblieben – nicht immer ganz sicher ist, worin dieses Ziel eigentlich besteht. So wird die 'Zicke' zur Selbstbezeichnung einer modernen, erfolgsgewohnten und rücksichtslosen Frau.


    Eckert übernimmt diesen Begriff und grenzt ihn mit ein paar Fallbeispielen ein. Er erzählt Ehegeschichten aus seinem Bekanntenkreis, die alle eine ähnliche Geschichte abbilden: Ein braver Stoffel ehelicht eine zwar schöne aber eigenwillige Frau, die ihm fürderhin das Leben zur Hölle macht, bis sie ihn wegen eines anderen Mannes verlässt. Weitere Gemeinsamkeit: Es gibt keine Schuldgefühle auf Seiten der Frau, während der Mann – der Zickensklave – am Boden zerstört ist. Für diese Männer verfasst er seinen Ratgeber.


    Interessanterweise analysiert der Autor nicht die Psyche des betroffenen Mannes, sondern wählt den Weg über eine Typisierung der Frau. Er erkennt in den entsprechenden Frauen Züge einer narzisstischen Persönlichkeit, die in ihrer Ichbezogenheit genau diese 'zickigen' Eigenschaften entwickelt. Wie Narziss ist diese Person niemals glücklich, denn sie kann das Bild ihrer Vollkommenheit niemals erreichen und ist darauf angewiesen, dass ihr diese Bild von ihrer Umgebung zurückgeworfen wird. Beruflich klappt das noch – besonders in Berufen, wo es weniger auf das, was geleistet wird, ankommt, als vielmehr auf dessen Darstellung. Dort freilich mag die Zicke von Erfolg zu Erfolg eilen, wobei sie überhaupt keine Schwierigkeiten hat, die Leistungen anderer für sich zu vereinnahmen.
    Im Zusammenleben wirken sich diese Eigenschaften freilich verheerend aus und es bedarf schon einiger männlicher Schwächen, diese zu ertragen. Vorneweg sind da natürlich Verlustängste zu nennen und natürlich von den Eltern übernommene Verhaltensweisen. Weiter wären zu nennen Duldsamkeit, Trägheit und eine gewisse Neigung zum Masochismus. Der Autor geht weniger darauf ein, belässt es vielmehr bei der Warnung.


    Ich muss gestehen, dass ich in meiner Beziehungsgeschichte oft genug in dieselbe Falle getreten bin, auf das komm-her-aber-komm-mir-nicht-zu-nah-Spiel viel zu oft eingestiegen bin und – wie Madame es von mir forderte – Selbstkritik übte und den Fehler bei mir suchte (auch eine beliebte Variante). Ich kann also aus eigener Erfahrung über das Zickenwesen berichten – und dem Autor in einzelnen Punkte widersprechen.
    Im Allgemeinen muss ich Eckert aber zustimmen. Ja, es gibt diese Zicken, ja, sie verpesten ihre Umgebung und nein, die Welt braucht sich nicht. Und am besten fährt man als Mann, wenn man nicht versucht, sie zu bessern.
    Widersprechen muss ich allerdings in folgenden Punkten:
    a) Der Typus „Zicke“ ist nicht auf das weibliche Geschlecht beschränkt. Männliche Zicken können genauso auf die Nerven gehen, sind aber seltener.
    b) Zicken sind nicht unbedingt schöne Frauen. Es gibt auch durchschnittlich aussehende und hässliche Zicken. Meist legen sie allerdings sehr viel Wert auf ihr Äußeres (… worauf denn auch sonst, wenn innen nichts ist). Da Aussehen Geschmackssache ist, erkennt man Zicken leichter an ihrem Verhalten. Instinktsichere Männer (ja, es gibt eine 'männliche Intuition') machen dann einen Bogen um die Betreffenden.
    c) Nicht jede 'zickige' Verhaltensweise stempelt eine Frau als Zicke ab. Jeder hat das Recht auf einen schlechten Tag.
    d) Zickenterror entspringt nicht ausschließlich einem narzisstischen Superioritätsgefühlt, sondern im Gegenteil, er kann aus einem handfesten Minderwertigkeitskomplex entspringen. Das macht es dann dem Partner besonders schwer seine Integrität zu wahren, denn zur bereits vorhandenen Emotion tritt dann auch noch eine gehörige Portion Mitleid. Allerdings sollte man als Mann eine Beziehung nicht als Opfergang auffassen.


    Fazit: Ein lesbares, amüsantes Buch, das für den einen oder anderen eine Hilfstellung bieten kann. Und ein wichtiger Hinweis auf eine Misere im täglichen Umgang: Zickigkeit ist ein – bei Frauen – weitgehend toleriertes Verhalten :meckerziege:, so daß man (meist Mann) eher schluckt wo er besser Grenzen ziehen würde.

    Äh... besser nicht. Ich habe noch nie in meinem Leben ein Buch gelesen, das beim Lesen dümmer macht. Precht ist das Kunststück gelungen - unbeabsichtigt zwar, aber ziemlich einzigartig. :titanic:
    Wenn's eine Leserunde gibt, bin ich natürlich dabei, um den Flurschaden zu begrenzen. A :grmpf:ber ich würde 'was anderes empfehlen.... Sophies Welt vielleicht? Oder die Philosophische Hintertreppe? ... oder gar Windelband / Heimsoeth: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie? Pirsig: Zen in der Kunst ein Motorrad zu warten? Ok, Meyer-Haagen: Das elektrische Kochen. Das ist zwar nicht sehr philosophisch, aber man wird davon wenigstens nicht blöd im Kopf.


    Ich habe vor, das Machwerk zu rezensieren, bin aber damit noch nicht zu Rande gekommen. Ich mache mich jetzt dran... :grmpf:
    Mir wäre lieber gewesen, man könnte über diesen intellektuellen Ausrutscher hinweg- und zur Tagesordnung übergehen.


    Hintergrund: Ich gebe Philosophiekurse an der Volkshochschule und habe durchaus Leute in meinem Kurs, die nicht die höheren Bildungsweihen genossen haben. Diese Leute bringen aber - einfach aus der Bildung heraus, die ein praktisches Leben vermittelt - ein besseres philosophisches Handwerkszeug mit, als das, was Precht da verabreicht.


    Soll für jetzt reichen - der Verriß folgt noch. :flop:


    Kann man eigentlich auch negative Leseratten vergeben?

    Die Reise nach Westen ist in Deutschland als 'Monkeys Pilgerfahrt'

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    erschienen - allerdings nur 425 Seiten. Liegt auf meinem SUB :redface:
    Den Traum der roten Kammer und die Rebellen vom Liang Shan Moor gibt es auf Deutsch in der Übersetzung von - Franz Kuhn ;)
    Als Ergänzung gibt es noch Die drei Reiche - auch in der gekürzten Version von Franz Kuhn - leider vergriffen. Das wäre dann auch das letzte der 'vier großen und merkwürdigen Romane aus der Ming-Zeit"


    Ich habe dann noch Li Ju-Tschen: Im Land der Frauen, Frankfurt 1980 (Fischer), eine Art chinesische Gulliver-Geschichte. Fischer hat da eine ganze Serie herausgebracht, aber ich habe bisher nur das Land der Frauen.


    Zum Entspannen gibt's da auch noch die Richter Di - Romane von Jan von Gulik. Wirklich gute, im alten China angesiedelte Kirmis ;)

    Der Heliand, übers. von Wilhelm Stapel, : Pawlak; Auflage: Bibliothek der literarischen Meisterwerke (1970)


    Das Buch
    Der Heliand ist das älteste in Mitteleuropa erhaltene deutsche Sprachdenkmal und ist zwischen 830 und 850 n.Chr. verfasst worden. Damit hat das Original ca. 1150 Jahre auf dem Buckel.
    Die vorliegende Ausgabe ist ein Nachdruck der Übersetzung von Wilhelm Stapel aus dem Jahre 1953.
    Inhaltlich folgt das Werk den drei synoptischen Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas), ist aber ein eigenständiges Werk. Gerade die Unterschiede zwischen Vorlage und Nachdichtung geben dem 6000 Stabreime umfassenden Epos seinen großen wissenschaftlichen Wert. Eine wortgetreue Übersetzung der Evangelien würde uns erheblich weniger über die Welt, in der der Verfasser lebte, erzählen.
    Der Übersetzer verzichtet darauf, die Stabreime des ursprünglichen Textes in der Übersetzung widerzugeben, sondern schreibt in klarer Prosa. Damit spart er nicht nur sich eine Menge Arbeit, sondern kann auch seine Übersetzung näher an den ursprünglichen Text heranführen.
    Im Epos wird das Evangelium mit den Worten der Zeit wiedergegeben und an das Verständnis einer germanischen Ständegesellschaft angepaßt: Jesus wird zu einer Art jüdischem Volkskönig und seine Jünger zu Gefolgsleuten. Die 'bürgerliche' Herkunft (Josef war Zimmermann, Simon Petrus Fischer mit eigenem Boot, Matthäus Beamter) der an dem Geschehen Beteiligten wird verschwiegen.
    Mir stach beim Lesen besonders ins Auge, wie sehr der Verfasser des Heliand über die Evangelien hinausgeht, wenn es darum geht, die Tugenden Petri herauszustellen.
    Die Sprache des Werkes ist ein Altsächsisch, das sehr gut dazu stimmt, daß die Gerichtsszenen um die Verurteilung Christi, sich eher mit dem Sachsenspiegel in Einklang bringen lassen als mir dem Königsgericht der Franken. Insbesondere die Szene um die Freisprechung des Barnabas lassen eher an ein Thing denken als ein Hofgericht bestallter Schöffen.




    Der Autor und seine Welt
    Der Verfasser des Heliand ist anonym. Literaturwissenschaftliche Untersuchungen lassen ihn aber recht gut einordnen. Vermutlich ist das Werk in im Kloster Werden (heute: Essen-Werden) entstanden und nicht, wie früher oft vermutet, in Fulda.


    Die Schilderung des Gerichts über Jesus lassen juristische Kenntnisse erkennen, die aber mehr sächsisch als fränkisch geprägt sind. Wir dürfen also vermuten, daß der Heliandist eher der sächsischen Partei als der Kaiserpartei zuzurechnen ist, und eine klösterlich-juristische Ausbildung erhalten hat..
    Damit wird die Auffassung, daß das Werk von Ludwig dem Frommen in Auftrag gegeben worden ist, unwahrscheinlich.


    Die Schilderung der Gefolgschaft Jesu zeigt eine erzählt uns etwas über das Publikum, für das der Heliand geschrieben worden ist: Einem standesbewußten Adeligen, der seine Privilegien und Einkünfte aus der persönlichen Gefolgschaft zum Höhergestellten bezog, muß die Vorstellung eines Fischers, der zum Apostel des Westens wird , unerträglich gewesen sein. Deswegen hat ihn der Autor von diesen Zumutungen verschont und sein Evangelium entsprechend umgearbeitet.
    Besondere Sorgfalt ließ er dabei dem Charakter des Simon Petrus angedeihen, der im neuen Testament eigentlich sehr schlecht wegkommt. Wenn es einen Apostel in der Bibel gibt, der den Namen eines Großmauls und Feiglings verdient hätte, so ist das meiner Ansicht nach eben dieser Simon und der Beiname Petrus („der Fels“) bestenfalls ein ironischer Kommentar.
    Anders im Heliand: Die Lobeshymnen auf den Mut und den untadeligen Charakter Petri füllen ganze Kapitel. Offensichtlich spricht hier ein Mann, der die Stellung der Nachfolger Christi, der Päpste, durch Verweis auf die besondere Auszeichnung Petri untermauern will.
    Dazu paßt auch die vom Verfasser vertretene Theologie, die – in vollkommener Opposition beipsielsweise zur Wulfila – lupenrein römisch-katholisch ist.


    Wer sollte dieses Buch lesen?
    Kaum ein Germanist wird um dieses Werk herumkommen, auch mancher Anglist, Nordist oder Historiker kann aus der Lektüre Nutzen ziehen. Auch dem Theologen erzählt der Heliand einzigartiges. Und schließlich lernt jeder, der sich intensiv mit dem frühen Mittelalter berschäftigt, sehr viel über Mentalität und Gerichtswesen dieser Epoche daraus.
    Mich selbst lies dieses Werk meine Haltung zu Petrus überdenken. Wenn der Autor des Heliand solche Anstrengungen unternahm, um Petrus aufzuwerten, könnte es dann nicht sein, daß der Evangelist Lukas seinerseits ähnliche Manipulationen in Evangelium und Apostelgeschichte unternahm, um die Abwahl Petri als Vorstand der Urgemeinde und seine Niederlage in der Frage nach dem Heidenchristentum literarisch zu motivieren?

    Kin Ping Me oder die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen, übers. von Franz Kuhn, Wiesbaden 1950


    Ich hatte die leider vergriffene, gebundene Version zur Verfügung. Aber auch als Paperback bleibt es ein sehr gutes Buch:

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    Über das Buch
    Das Kin Ping Me (in heutiger Umschrift Jin Ping Mei) ist leider mit dem marktschreierischen Untertitel „Das chinesische Kamasutra“ vermarktet worden. Es wäre schön, wenn sich die Urheber dieser Kampagne sozusagen als Bußübung einmal die Mühe machen würden, beide Werke zu lesen. Sie haben nichts miteinander gemein, vielleicht abgesehen von der Tatsache, daß beide zur Weltliteratur gehören.


    In der chinesischen Literaturgeschichte gilt das Kin Ping Me als einer der „4 großen, merkwürdigen Romane der Ming-Zeit“ und ist von Franz Kuhn mit Hingabe übersetzt worden.
    Der anonyme Autor – Franz Kuhn und seine chinesischen Quellen identifizieren ihn mit dem Dichter Wang Schi Tschong (die Schreibweise ist überholt, aber ich bekenne, daß ich die korrekte Notation nicht auftreiben konnte) – webt seine Geschichte in das sehr populäre Volksbuch über die Rebellen vom Liang Shan Moor ein, das in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als Serie verfilmt worden ist und als „Die Rebellen vom Liang Shan Po“ auch durch die deutschen Wohnzimmer flimmerte – 500 Jahre Wirkungsgeschichte, von welchem Roman kann man das schon sagen?


    Der Titel des Buches heißt übersetzt: „Pflaumenzweige in goldener Vase“ und hat im Chinesischen die Nebenbedeutung „Frauen in einem reichen Haushalt“ und darum geht es: Intrigen in einem reichen aber korrupten Haushalt, die dieses Haus schließlich zugrunde richten.
    Die Hauptfigur des Romans, Hsi Men, ist ein unverschämt reicher Mann, dessen Gier nach Macht und Geld nur noch von seiner Gier nach Sex übertroffen werden.
    Am Anfang hat Hsi Men noch vier Frauen, mit denen er ordentlich verheiratet ist. Das war in dieser Zeit durchaus üblich, wenn es auch als unmäßig galt. Weil die Kirschen in Nachbars Garten süßer sind, verliebt er sich in die negative Heldin des Romans, die anderweitig verheiratete Goldlotos. Deren störender Ehemann wird umgebracht, die Tat durch Bestechung vertuscht und Goldlotos heimgeführt. Später heiratet Hsi Men noch ein sechstes Mal.
    Zeit seines Lebens hat er, obwohl er daheim aufs Beste versorgt wird, wechselnde Verhältnisse mit vernachlässigten Ehefrauen verschiedener anderer Männer und mit „Blumenmädchen“, die die sexuelle Dienstleistung professionell betreiben.
    Parallel dazu bringt es Hsi Men noch fertig, durch Korruption und Geschäftssinn sein Vermögen immer weiter zu vermehren und auch in politische Macht umzumünzen, allerdings bleibt ihm der in der konfuzianischen Gesellschaft so wichtige, männliche Nachwuchs lange verwehrt. Als der langersehnte Stammhalter endlich zu Welt kommt, fällt dieser einer Hausintrige zum Opfer.


    Irgendwann zeigt Hsi Mens Lebenswandel seine Folgen: Er stirbt unter erbärmlichen Umständen. Mangels eines Erben zerfällt der Haushalt und das Geschlecht findet sein Ende.


    Die Legende besagt, daß dieser Roman ein Schlüsselroman sei, mit dem der Dichter die Familie und Lebensweise seines Gegners demontierte. Uns Lesern im Westen ist der Zugang zu dieser Interpretation verschlossen. Uns verbleibt der Blick auf einen perfekt konstruierten Roman mit glaubhaft und fein gezeichneten Charakteren, der uns darüber hinaus eine Vorstellung von der Lebensweise im alten China vermittelt. Ich empfinde das Buch als große Bereicherung und rate jedem, der mal über den westlichen Tellerrand hinausschauen will, zur Lektüre, auch wenn derjenige, der nach der Beschreibung sexueller Praktiken sucht weitgehend enttäuscht wird. Vielleicht ist letzteres in den Kürzungen durch den Übersetzer begründet.


    Otto und Artur Kibat besorgten eine vollständige Übersetzung die leider nur noch antiquarisch zu erhalten ist. Ich habe einen neuen Buchwunsch :leserin:

    Christopher Moore: Die Bibel nach Biff, München 2002


    Der Klappentext ist in diesem Thread schon so oft zitiert worden, daß ich mich davon beurlaube ;)


    Das Buch
    Die Rahmenhandlung entwirft ein abstruse Sujet: Da in der modernen Welt Fernsehstars und Sportidole dem Glauben an Christus den Rang ablaufen, will die himmlische Bürokratie mit einem neuen Evangelium Marktanteile zurückgewinnen. Zu diesem Zweck wird ein zur Zeit Christi schon erfolgloser Erzengel Raziel ausgeschickt, um den Jugendfreund Jesu wiederzubeleben und zum Abfassen des authentischen Jugendevangeliums zu bewegen. Dieser Jugendfreund – der im Titel genannte Biff – war auch schon zu den Zeiten da Pilatus Landpfleger in Syrien war eher kirchenfern und sehr säkular orientiert und deswegen bestens geeignet, den modernen New Yorkern ein ansprechendes Evangelium zu schreiben. Nach einigem Widerstreben – schließlich hatte Raziel versäumt den Apostel Biff beim Anbruch des Reiches Gottes wiederzubeleben – macht er sich an die Arbeit, denn schließlich war der Einzige, der Jesus seit seiner Jugend nicht von der Seite wich und deshalb Auskunft von seiner Lehrzeit bei arabischen Zauberern, tibetischen Mönchen und indischen Yogis zu berichten.


    Ja, die Geschichte ist aus modernen Mythen zusammengeklittert und hat manchmal ihre Längen. Biff ist ein etwas beschränkter aber treuer Freund des angehenden Weltenretters und trottet diesem hinterher wie ein Hündchen und sorgt für die Gags – manchmal bis zum Klamauk. Sonst wäre diese Jugendgeschichte auch ziemlich unerträglich, denn Jesus erscheint so unerträglich weise, asexuell und übermenschlich, wie wir ihn aus dem Kindergottesdienst kennen. Damit ist eine große Chance vertan, den Menschen Jesus zu schildern, die aber gleichzeitig die Chance war, sich gehörig in die Nesseln zu setzen. Moore ist hier mehr weltklug als mutig.



    Meine Bewertung


    Christopher Moore gelingt ein Drahtseilakt: Das hochernste Thema vom Leben und Leiden Christi wird in eine Komödie verpackt, die man manchmal mit Lachtränen in den Augen liest, ohne daß der Slapstick überhand nimmt. Manchmal wird das Buch tiefsinnig und philosophisch, ohne moralinsauer zu werden. Besonders stark finde ich die Episode im buddhistischen Kloster, die darin ihren ausläuft, daß die buddhistische Ethik ihren Höhepunkt in dem spontanen, unbegründeten Mitleid der Mönche gegenüber dem letzten Yeti kulminiert. Diese Kloster ist natürlich sehr von den Kung-Fu – Filmen unserer Tage inspiriert, aber so liebevoll skizziert, daß ich das gerne verzeihe. In diesem Sinne: „Danke für das Boot!“


    Bis auf Maria Magdalena bleiben die biblischen Charaktere farblos, obwohl doch eine Figur wie beispielsweise Petrus ein erhebliches Potenzial für die Komödie bietet. Vielleicht siegt auch hier die Vorsicht und das Buch ist nicht ganz so respektlos, wie es sich gibt.


    Man merkt recht deutlich, daß das Buch mehr für das moderne Publikum geschrieben ist, als aus theologischen Überlegungen heraus. Die Auseinandersetzung mit den Quellen findet nicht statt. Meist gibt das Evangelium nach Lukas den Orientierungsrahmen. Johannes, die Apokryphen oder nicht-christliche Quellen werden nicht berücksichtigt. Fazit: Dieses Evangelium ist ein Unterhaltungsroman, der aber den einen oder anderen dazu verführen kann, mal wieder im Buch der Bücher zu stöbern.

    Jurij Rytcheu, Wenn die Wale fortziehen, München 1980, 106 Seiten, Verlag Simon&Mageira, mittlerweile nur noch von Ullstein erhältlich

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    Ich habe es lange aufgeschoben, dieses Büchlein zu lesen. Es ist sehr schön aufgemacht und auf griffigem Papier gedruckt, aber der Klappentext hatte es mich immer wieder aus der Hand legen lassen. Dort wurde nämlich – ganz im Sinne der frühen achtziger Jahre – suggeriert, daß es sich bei diesem Werk um die Wiedergabe eines Ostsibirischen Mythos' handelt, der die Zerstörung der matriarchalen Harmonie durch den patriarchalen Sündenfall darstellt.


    Als ich es dann schließlich aufschlug wurde ich auf das Angenehmste überrascht. Zwar wird ein Schöpfungsmythos der in Ostsibirien ansässigen Tschukoten erzählt, allerdings ohne jede feministische Mythenklitterung, wie sie zur Zeit der Veröffentlichung en vogue war.
    Im Gegenteil: Rytcheu ist selbst Tschukote, ausgebildet in Leningrad und an den russischen Klassikern, erzählt die Sagen seiner Heimat mit einer gewissen romantischen Verklärung, die die Geschichten nur noch liebenswerter machen. Gewiß ist die Erzählung von Rytcheu auch für den Wissenschaftler interessant, aber sie hat auch einen eigenen literarischen Wert. Diesen gilt es lesend zu entdecken – und niemand lasse sich von Klappentexten abschrecken!

    Dieter Kühn: Tristan und Isolde des Gottfried von Straßburg, Frankfurt (Fischer Taschenbuch Verlag) 2005.

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    Klappentext:


    Tristan und Isolde: eines der berühmtesten Liebespaare der Weltliteratur


    Dieter Kühn hat den grandiosen Roman des Gottfried von Straßburg vollständig in heutiges Deutsch übertragen. Zudem hat Kühn mit großer Erzählfreude eine außergewöhnliche Expedition in Gottfrieds Zeit und Stadt entworfen, die einen neuen Zugang zur Welt des Mittelalters und zur Literatur der Epoche eröffnet.



    Dieter Kühn (geb. 1953) ist durch seine Mittelalter-Trilogie Deutschland profiliertester Übersetzer mittelalterlicher Literatur geworden. Diese hat er durch den vorliegenden Band zu einem Mittelalter-Quartett ausgeweitet. Nach der üblichen Zählung hätte man erwartet, daß die Erweiterung einer Trilogie mit dem etwas sperrigen Begriff einer Tetralogie bezeichnet wird. Gerade der Wechsel zu der aus der Musik entlehnten Bezeichnung, läßt auf weitere Werke in dieser Reihe hoffen. Anders als eine Penta- oder Heptalogie, sind Quintette oder Sextette aus der Musik durchaus bekannt.


    Der Aufbau
    Die Bücher dieser Serie zeichnen sich dadurch aus, daß sie neben der Übersetzung mit einem Vorbuch aufwarten, das den Leser in den zeitlichen Horizont einführt und literaturhistorische Fragen erläutert. In anderen, vergleichbaren Werken wendet sich der Übersetzer zu diesem in einem Vorwort an seine Leser, das notwendigerweise akademisch wird und den Leser ... strapaziert oder gar langweilt.
    Anders als in einem Vorwort steht hier erheblich mehr Raum zur Verfügung. Wie Spielszenen in einem Dokumentarfilm werden Erzählfragmente eingestreut, die die methodischen Überlegungen dem Leser näherbringen. Hier wenden sich der der Literat und der Germanist gleichermaßen ans Publikum. Die Idee ist so gut, daß ich mich sehr freue, daß Kühn sich auch diesmal an das bewährte Muster hält.
    Kühns Sprache ist dabei recht rau und orientiert sich am gesprochenen Deutsch. Die Sätze sind nicht immer vollständig, der Duktus der Darlegung ist durch häufige Einschaltungen – wie wir das im täglichen Umgang ja auch zu tun pflegen ;) - aufgebrochen, was dem Lesefluß nicht immer zuträglich ist.
    Vielleicht aus der Furcht heraus, der Übersetzung innerhalb des Buches Konkurrenz zu machen, sind die erläuternden Erzählungen immer unvollständig, d.h. die Geschichten werden nicht zuende erzählt. Das hat mir am Anfang sehr große Schwierigkeiten gemacht. Meine Lesegewohnheiten verlangen immer nach einem Ende, wenn dieses fehlt, fühle ich mich um Wesentliches betrogen. Allerdings steckt darin Methode: Einerseits wird der theoretische Gedankengang durch das Erzählte aufgelockert und unterfüttert. Andererseits wird die Illusion durch die Diskussion der Methode immer wieder durchbrochen und der Leser dadurch in die inhaltliche Auseinandersetzung einbezogen. Dadurch, daß die Geschichten nicht abgeschlossen werden, wird dieser Effekt noch verstärkt. Hier zeigt sich Kühn als Autor der Postmoderne.


    Die Übersetzung
    Kühn hat sich mit seinen Übersetzungen einen Ruhm erschrieben, der Rezensenten zu Superlativen greifen läßt. Im Klappentext wird die FAZ mit einem Satz zitiert: „Dieter Kühn hat Gottfrieds >Tristan< kongenial übersetzt.“ D.h. Er hat es nicht nur geschafft, den Tristan für uns Heutige lesbar zu machen, sondern darüber hinaus auch noch die literarische Qualität des Vorbildes erreicht.


    Dem kann ich mich nicht anschließen, einfach weil ich das Original nicht gelesen habe, und deshalb über keinen Maßstab verfüge. Deswegen brauchte ich ja Kühns Werk. Aus dem Vorbuch kenne ich aber das Programm des Verfassers und kann nur sagen, daß er eine gut lesbare Version eines Textes aus Prosaversen abgeliefert hat, die an einzelnen Stellen zum Zwecke der Ironisierung oder Betonung in Reime verfällt, wie es auch die Vorlage tat. Darüber hinaus hat Kühn den Text für den heutigen Leser liebevoll gestrafft, wobei er die entfernten Stücke dem gründlichen Leser im Anhang anbietet. Das ist durchgehend gelungen.


    Die Adressaten


    Ich möchte dieses Buch nicht nur den von mittelalterlicher Literatur Faszinierten empfehlen, sondern eigentlich jedem, den diese Epoche interessiert. Neben dem literarischen Genuß erfährt man so viel von der Kultur und Mentälität dieser Zeit, daß sich die Lektüre auf jeden Fall lohnt.
    Der Wissenschaftler wird hier genauso auf seine Kosten kommen, wie der Fantasy-Fan und LRP-Spieler. Der eine findet reichhaltige und gründliche aufbereitete Verweise und vor allem eine verwertbare Übersetzung, der andere bekommt das Kopfkino einer fremden Welt angeboten.


    Zusammengefaßt: Lesen sie nicht diese Rezension. Lesen sie das Buch.

    Ich hab's mir gerade gekauft. Es ist mir in der Buchhandlung in die Hände gefallen und ich konnte es einfach nicht wieder weglegen. Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich ein Buch nur wegen seiner Aufmachung gekauft habe.
    Aber gab es schon einmal einen solchen Klappentext?


    Was, wenn es ein Buch aus blauem Glas gäbe, das alle deine Träume enthielte? Wenn deine Sehnsüchte und Bedürfnisse eingefangen und aufbewahrt würden, damit andere sich an ihnen erfreuen könnten? Wenn alle deine Geheimnisse und Wünsche jedermann bekannt wären - und du selbst sie für immer verloren hättest?


    Drum gib gut acht, wovon du träumst...


    Zehn komfortabel zu lesende Bände für die schlanke Damenhand und für den Herrn auf Reisen.


    Danach war ich verloren... :zwinker:


    Meine Empfehlung für ein Geschenk in der letzten Minute.

    Da ich nach der Lektüre des Buches nicht mehr weiß, wo ich es hinstecken soll, lege ich's halt in der Kategorie 'Sonstige' ab.


    Purusha. Ein Zittern im Nichts.
    Taschenbuch: 189 Seiten
    Verlag: Goldmann Arkana (März 2004)
    ISBN-10: 3442216850
    ISBN-13: 978-3442216857


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    Klappentext:
    Chadidscha, die einfühlsame, intelligente und warmherzige Internet-Bekanntschaft interessiert sich für Carsten – zweifellos. Mysteröserweise beantwortet sie seine E-Mails manchmal fast übernatürlich schnell. Als Carsten einen von Chadidscha gegebenen Hinweis auf ihre Identität verfolgt, stößt er auf eine schockierende Realität....
    Carstens zwischen S.e.x. und Hip-Hop eingebettetes Weltbild kommt ins Wanken. Ein ebenso spannender wie tiefgründiger Dialog über das Leben, den Tod und über Purusha, die Ursubstanz der Welt, entspinnt sich.


    Inhalt
    Carsten – das lyrische Ich des Autors – ist nach Auskunft des Buches Physiker mit einem Faible für HipHop und die letzten Fragen. HipHop ist nicht meine Musik oder Literatur, deswegen enthalte ich mich in dieser Beziehung eines Urteils. Von seiner physikalischen oder philosophisch/theologischen Expertise findet man wenig, denn wenn Inhaltliches gesagt wird, dann kommt es von Chadidscha, der rätselhaften Gesprächspartnerin. Sie ist es, die von Gott und Welt erzählt, hechelt eine Religion nach der anderen durch, verkürzt und klittert – und ihr Widerpart ist offensichtlich so von ihrer Weisheit beeindruckt, daß er es ihm nicht in den Sinn kommt eine eigene Meinung zu vertreten.
    Das ist es, was mich an diesem Buch am meisten stört: Es kommt kein Dialog zustande, Chadidscha erzählt einen vom Pferd und Carsten nickt. Es ist ein Traktat im Gewand eines Dialogs – ein Etikettenschwindel.


    Mit mehr Gewinn habe ich die HipHop-Texte gelesen, mit denen Carsten resp. Frick Chadidschas Predigt auflockert. Für mich ist HipHop etwas Fremdes und ich mußte mich ich erst einmal darin zurechtfinden. Dieser Lernerfolg ist es, der mich dieses Buch schätzen läßt.


    Die Aufmachung
    Das Büchlein ist wunderbar ausgestattet. Ein dunkler Schutzumschlag mit dem Bild einer Spiralgalaxie umgibt das Taschenbuch. Das Papier fasst sich sehr angenehm an, die große Schrift und die großzügigen Ränder laden zu einem leichten Lesevergnügen ein. Im Buch selbst fällt die Zahl von 69 Manuskriptseiten, die im Druck auf 189 Seiten verteilt wurden – das ist glaubhaft.


    Bewertung
    Als mir das Bändchen in der Buchhandlung in die Hand fiel, lag es zwischen den Science Fiction – Romanen. Ich warf einen Blick hinein, las einen Abschnitt, in dem der Purusha über sich selbst meditierte – überhaupt die stärkste Passage des Buches - und dachte mir: da weiß jemand, wovon er schreibt. Das wird sicher spannend. Tja – so kann man sich irren.
    Für wen ist diese Buch geschrieben?
    Vielleicht hatte der Verlag die Hoffnung, daß die HipHop-Generation sich dieses Buch zur seiner Bibel erwählt und darin nach tiefern Erkenntnissen sucht. Das wird nicht funktionieren, denn dazu kommt das Bändchen einerseits zu lehrhaft daher – und bietet andereseits nicht genug Substanz.
    Für wirklich an der Relegionswissenschaft Interessierte ist der dargebotene Inhalt zu mager – und man vermißt Literaturhinweise, die ein tieferes Eindringen in das Thema erlaubten.
    Die Rahmenhandlung gefiel mir und ich hätte mir gewünscht, daß das Romanhafte in dem Buch mehr zum Tragen gekommen wäre. Wenn Carsten weniger servil, die Nebenfiguren weniger marginal und Chadidscha weniger altklug angelegt gewesen wären, es hätte ein lesenswertes Werk werden können. Diese Chance wurde leider vertan.
    Wer sind denn nun die Adressaten des Buches? Wenn ich das wüßte... vielleicht sind es die neugierigen Kritikaster, wie ich einer bin.

    Danke für das Kompliment :redface:
    Ich bin - gerade was Dido angeht - anderer Meinung. Was Aeneas mit Dido macht ist so himmelschreiend ungerecht und lieblos, daß es andere Literaten zur Reaktion gedrängt hat, da sind wir auf derselben Welle, aber die Funktion der Episode ist klar: Rechtfertigung der Erbfeindschaft mit Karthago. Wirklich genial verpackt wird hier den (zukünftigen) Römern gerade soviel Schuld zugeschoben, daß sie den Kriegsgrund einsehen - mit allen unversöhnlichen Konsequenzen.
    Man kann hier beobachten, daß die Vernichtung Karthagos durch die Römer, zumindest Vergil ein schlechtes Gewissen bereitete.


    Ich bin der Meinung, das Vergils Werk - von interessierter Seite - überbewertet wurde. Das waren zu Anfang immerhin die julianischen Kaiser, später die römischen Kaiser insgesamt, die den Julianern nachfolgten, schließlich das Kaisertum schlechthin. Und was mit so einem Gewicht von Generation zu Generation weitergereicht wird, das wird nicht mehr hinterfragt. So schätzten die Literaten des britischen Empire immer noch höher als Homer. Erst nach dem dem Untergang des deutschen Kaisertums nach dem Ersten Weltkrieg gab es eine weniger imperiale Sicht auf Vergil. Vielleicht bewerte ich ihn ja zu schlecht, das mögen die nächsten Generationen entscheiden. Bei mir ist er auf jeden Fall ganz unten durch.
    Mein Urteil: Tradieren, aber nicht zu hoch bewerten.

    Vergil: Aeneis, Übers. Von Johannes Götte in Zusammenarbeit mit Maria Götte, Mit einer Einführung von Bernhard Kytzer


    Artemis Verlag 1988, München


    Die Ausgabe


    Die Bibliothek der Antike, wie sie der Artemis Verlag herausgibt, bietet einen modernen Zugang zur antiken Literatur. Mit der preiswerten Taschenbuchausgabe hat er sich das Verdienst erworben, diese Werke auch dem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die Bände sind gut gebunden und fassen sich angenehm an. In der vorliegenden Ausgabe ist auf eine Nachbildung der antiken Verse verzichtet worden, was das Lesen sehr erleichtert.
    Mir liegt außerdem noch eine Ausgabe des Reclam-Verlages von 1966 (Wilhelm Plankl, Hrsg) vor, die genau diese Vorzüge nicht hat. Da das ganze Büchlein auch noch den alten Geist der blinden Vergil-Verehrung atmet habe ich – zu Gunsten des Werkes – mich vor allem auf die Artemis-Ausgabe gestützt.


    Der Autor
    Vergil ist vielleicht der westliche Autor mit der größten Wirkungsgeschichte. Geboren um 70 v.Chr, gestorben 19 v.Chr. war er ein Zeitgenosse von Caesar und Augustus und verfaßte das römischen Nationalepos – eben das vorliegende Werk - in der Zeit von ca. 29 v.Chr. bis zu seinem Tode. Die Legende weiß von der engen Freundschaft des Dichters mit Augustus zu berichten, die einen nicht wundert, wenn man im Buche liest, wie die ganze römische Geschichte auf das goldene Zeitalter unter Augustus hin gedeutet wird. Wenn man dann noch bedenkt, wie der Kaiser mit weniger angepaßten Literaten, wie Ovid zum Beispiel, umgesprungen ist, kann man schwerlich von einer Freundschaft auf Augenhöhe ausgehen. Wir werden Vergil nicht Unrecht tun, wenn wir in ihm den Hofdichter des julischen Kaiserhofes erkennen.
    Seinem Ruhm tat das keinen Abbruch. Durch die Antike hindurch galt Vergil neben Horaz als der römische Autor schlechthin, und das Mittelalter ließ sich von dieser Verehrung nur zu gern anstecken, sprach ihm sogar aufgrund eines Mißverständnisses die Heiligkeit zu.
    Diese Verehrung ging in dem Maße zurück, wie das Latein an Bedeutung verlor und der demokratische Geist an Einfluß gewann. Wem die Monarchie suspekt wird, der wird, der wird auch die Verherrlichung des römischen Imperialismus nicht ohne weiteres mitmachen wollen.


    Das Werk


    Vergil hat die Aeneis nicht fertiggestellt, er soll sogar verlangt haben, daß sein unvollendetes Werk nach seinem Tod verbrannt wird. Und wirklich weist das Epos einige Unvollkommenheiten auf, die aber neben dem Gesamtentwurf verblassen. Vergil übernahm nicht weniger, als die beiden Hauptwerke der antiken Bildungsliteratur – Ilias und Odysee – ins Lateinische zu übertragen und im Sinne einer staatstragenden, römisch-kaiserlichen Ideologie umzudeuten. Das ist ihm auch – jedenfalls was die nicht-hellenistische Antike angeht – gelungen.


    Die Aeneis ist in zwölf Kapitel gegliedert, in genau halb so viele wie jedes der Werke Homers. Die ersten sechs Kapitel werden normalerweise als 'Römische Odysee' und die zweite Hälfte des Werkes als 'Römische Ilias' bezeichnet, da sie einerseits die Irrfahrt des Helden und andererseits die Eroberung einer Stadt beschreiben.


    Nach dem Fall Trojas macht sich Aeneas auf göttliche Weisung hin auf, um Rom zu gründen. Er sammelt die überlebenden Trojaner ein und zieht mit ihnen nach Westen bis ihm Königin Dido in Karthago Asyl gewährt.
    Dido verliebt sich in Aeneas und dieser willfährt ihr. Dido fühlt sich mit Aeneas verheiratet, dieser aber nicht mit ihr. Nachdem ihn ein Orakel an seinen göttlichen Auftrag erinnert hat, versucht Aeneas sich mitsamt seinem Volk bei Nacht und Nebel zu verdrücken. Als Dido erkennt, daß sie verlassen wurde, begeht sie Selbstmord. Aus dieser Tragödie entstand die Erbfeindschaft zwischen Karthago und Rom. So wurden die punischen Kriege im Nachhinein motiviert und legitimiert - den Völkermord an den Karthagern eingeschlossen.


    Aeneas reist weiter, aufgehalten durch den Tod seines Vaters Anchises und der darauf folgenden Totenspiele. Diese Episode liegt formal an der Schnittstelle zwischen der Römischen Odyssee und der Römischen Ilias, sie wird formal noch durch die außerordentliche Detailfülle betont. Da werden ungeheure Reichtümer als Preise ausgesetzt und gewonnen. Jene Familien, die bei der römischen Landnahme nicht genug berücksichtigt werden können, finden hier einen ihrer Vorfahren wieder. Dem nichtrömischen Leser unserer Tage wird das ganze Brimborium etwas lang.


    Schließlich erreichen die zukünftigen Römer die Tibermündung und setzen sich dort fest. Durch Orakel angekündigt werden sie dort von ihren zukünftigen Bundesgenossen empfangen, doch nicht alle Ureinwohner sind mit den Neuankömmlingen einverstanden. Es kommt zum Krieg.
    Damit es für die Neugründung noch einmal spannend wird, fährt Aeneas davon, um Verbündete zu gewinnen. Dabei trifft er auch den griechischen Helden Diomedes, von dem er auch über das Schicksal des von Aeneas gehassten Odysseus (der schreckliche Ulixes), was etwas seltsam ist, da Odysseus zu dieser Zeit noch unterwegs ist.
    Julus, Sohn des Aeneas, Stammvater der Julier, und aus diesem Grunde in die Aeneis eingeführt, tut sich bei der Verteidigung der neuen Heimstatt hervor, zieht aber gegen Turnus den Kürzeren. Aeneas, von seiner Mutter Venus mit einer neuen Rüstung ausgestattet gerade rechtzeitig, um den Feind zu erschlagen und die Gründung Roms zu sichern.
    In der Ausstattung des Aeneas spiegelt Vergil die Ausstattung des Archilles durch dessen göttliche Mutter Thetis bei Homer und übertrumpft sie noch. Während der Schild des Achilles mit mythischen Szenen ausgestaltet wird, finden sich auf dem Schild des Aeneas die Begebenheiten der römischen Geschichte, bis zu ihrem Höhepunkt und Kaiser Augustus.


    Kommentar


    Ich habe in meiner Kinder- und Jugendzeit gerade die Sagen des klassischen Altertums mit Begeisterung gelesen. Allerdings hatte ich auch damals schon Schwierigkeiten mit der Aeneis, auch in der Aufbereitung durch Gustav Schwab. Ich habe mich jetzt an die Lektüre gemacht, um herauszufinden, ob es an der Übersetzung oder an der Geschichte lag, daß ich so gelangweilt war. Ums kurz zu machen: Es lag an der Geschichte.


    Vergil hatte sein Epos in das oben beschriebene Korsett zu zwingen und hatte dabei einige inhärente Probleme zu bekämpfen. Anders als die Griechen erlaubten die Römer ihren Helden keine Schwächen: Herakles war aufbrausend, Achill eine beleidigte Zicke und Odysseus brach bei Bedarf sein Wort, aber Aeneas durfte keine Schwächen haben. Fromm und dem Vater sowie dem zugehörigen ~land ergeben macht er sich auf göttliche Weisung auf den Weg – und man kann den Weg nachverfolgen. Während Odysseus die meiste Zeit seiner Reise nicht wußte, wo er war und ob er den nächsten Tag erleben würde, wußte Aeneas immer wo er war. Deswegen ist die griechische Odyssee spannend und die lateinische dank göttlichem Navigationssystem langweilig.
    Aeneas umgeht dank Ortskunde die Hindernisse, die ihm z.B. die Zyklopen hätten in den Weg legen können.


    Dido ist für Aeneas sowohl Circe als auch Nausikaa, sie gewährt ihm sowohl die Wohltat eines heimischen Herdes als auch leidenschaftliche Liebe. Der Held läßt sich das als ganzer Mann gefallen, läßt aber die Frau ohne einen weiteren Gedanken auf sie zu verwenden, im Stich, als ein Orakel ihn zur Weiterfahrt mahnt. Aus diesem Grund versucht er wohl nicht einmal, Dido mitzunehmen, denn schließlich muß er noch dereinst in den Adel Latiums einheiraten.


    Genauso wie die Reise steht auch das Ergebnis des Kampfes um die Stadt jederzeit fest. Vergil bringt es fertig dem abwechlungsreichen Schlachtgeschehen jede Spannung zu nehmen, indem er es zu Tode beschreibt.
    Mit einigen Klimmzügen werden beliebte Sagen in das Epos eingearbeitet, wie die Verwandlung der durch Aeneas verbrannten Schiffe in Seejungfrauen oder die Einbeziehung der legendären Gründer Roms Romulus und Remus in den julischen Familienverbund.


    Fazit:


    Vergil reitet einen Raubzug durch die hellenistische Mythologie und strickt daraus ein Epos, in dem das Rom des Augustus als die Krönung der Geschichte erscheint, von den Göttern seit Anbeginn so geplant. Die göttliche Abkunft des Julischen Geschlechtes und damit Julius Caesars und Octavians wird hergeleitet und deren Herrschaftsanspruch theologisch begründet. Kaiserherz, was willst Du mehr?


    Diese Apotheose der julianischen Kaiser mußte jedem römischen Republikaner die Haare zu Berge stehen lassen. Aber die Kaiserpartei hatte gewonnen und so wurde die göttliche Legitimation des Kaisertums zum allgemeinen Bildungsgut, was bis in die heutige Zeit hinein Schule gemacht hat.


    Apropos Schule: Ich halte die Aeneis nur bedingt für tauglich, an der Schule gelesen zu werden, würde aber in jedem Fall ein entsprechend gründliche Bearbeitung der Entstehungszeit im Geschichtsunterricht anmahnen. Die Aeneis ist ein virtuoses Stück Propaganda, vor dessen handwerklicher Qualität man den Hut ziehen möchte, aber es bleibt, was es ist: Ein politisches Pamphlet - wahrscheinlich im Auftrag des Augustus verfaßt -, in dem der römischen Demokratie die Legitimation entzogen wird.

    Immerhin kommen sie zum Skifahren her und bevölkern die Straßengräben, sobald es ein paar Schneeflocken gibt :elch:


    Ich hatte mir schon gedacht, daß mit den Bergen der Niederlande nicht unbedingt Winterberg gemeint ist, hatte aber mit einer Metapher gerechnet, einem Nimmerland wie ... einem brandenburger Allgäu oder einem Ruhpott Niederbayerns... :zwinker:


    Hab' auf jeden fall vielen Dank für den Link. Die Rezension kann als Warnung verstanden werden, die ich mir erst mal zu Herzen nehme.

    Ich hab's geschafft: Ich habe das Piratenherz überstanden. Das waren ein paar Stunden meines Lebens, deren mich der SUB-Wettbewerb beraubt hat. Also räche ich mich an den Teilnehmern, indem ich das Machwerk ausführlich bespreche.


    Ums gleich vorweg zu sagen: Noch nie hat ein Buch mir derartige Schmerzen bereitet, wie dieses. Wenn beim nächsten SUB-Wettbewerb wieder ein Nackenbeißer verlangt wird, verzichte ich auf die Teilnahme.



    Der Klappentext: Marco Glaviano, Freibeuter im Dienst der englischen Krone, ist ein Abenteurer, wie er im Buche steht: verwegen, skrupellos und unerschrocken. Doch die kleine Christina, durch einen schweren Schicksalsschlag zur Waise geworden, erobert sein Piratenherz im Sturm. Um ihr Schutz und Geborgenheit zu bieten, entführt er sie kurzentschlossen auf eine karibische Insel, die ihm als Versteck dient. Dort wächst Christina, verwöhnt und behütet, zu einer atemberaubenden Schönheit heran. Immer stärker verzaubert sie Marco mit ihrer Wildheit und ihrem süßen Charme, doch sie ist so unberechenbar wie der Wind und das Meer – und sie weiß genau, wie man ein Piratenherz zähmen kann.


    Der Autor
    Fabio „the S.e.x.iest man in the world“ (Cosmopolitan), hat sich und seinen Leserinnnen [Wohlgemerkt ~innen, mit männlichen Lesern wurde nicht gerechnet, Anm.d.Rez] mit diesem großen Romandebüt den Traum von einer leidenschaftlich-sinnlichen Liebesgeschichte erfüllt, in der Romantik und Erotik auf unnachahmliche Weise vereint sind.


    So weit der Klappentext. Wer nach der Lektüre dieses Machwerks hofft, daß dieser Erstling ein Solitär geblieben ist, sieht sich bitter getäuscht. Drei weitere Ergüsse sind von Fabios Feder in deutscher Sprache erhältlich ... http://www.amazon.de/s/ref=sr_pg_1/028-6413992-9260566?ie=UTF8&rs=541686&rh=n%3A541686%2Cp%5F27%3AFabio&page=1
    Und wer dann immer noch nicht genug hat kann auf die amerikanische Orginalausgaben zurückgreifen. Da einige dieser Werke nicht in deutscher Übersetzung zu haben sind, scheinen sie das Kunststück fertiggebracht zu haben, den ersten Wurf qualitativ noch zu unterbieten.


    Der Autor?
    Während ich mich durch das Gestrüpp der Plattitüden und Klischees kämpfte überkamen mich immer mehr Zweifel, ob denn wirklich Fabio der Verfasser dieser Blätter sein konnte. War er denn wirklich so eitel, daß er allein sein literarisches Alter Ego – eben jener Pirat Marco – einer eingehenden Beschreibung wert befand? Brächte ein Mann es fertig, seinen Helden als so hilflos seinen Trieben ausgeliefert zu beschreiben, daß er sich an seiner Schutzbefohlenen vergreift, während des Aktes noch von Schuldgefühlen zerrissen wird , gleichzeitig brutal heftig ist und verschüchtert zärtlich? Und dieser Superständer fällt in sich zusammen, wenn ihm eine andere Frau naht, als die Frau seines Herzens. So neurotisch kann doch kein einzelner Mann sein... obwohl....


    Ich bezweifele Fabios Autorenschaft nicht, weil ich dem Unterhosenmodell sein literarisches Talent neide, im Gegenteil, ich will einfach nicht glauben, daß ein Autor schon bei seinem Erstlingswerk so weit mit seinem literarischen Anspruch nach unten geht. Das ganze Buch hat etwas unglaublich Routiniertes, da werden Bösewichte aus dem Hut gezaubert und wieder entsorgt, um die zusammengestoppelte Handlung im Fluß zu halten, da laufen Liebende so mühevoll um einander herum, daß sie erst nach 400 Seiten endlich zusammenkommen, da steckt Handwerk dahinter.


    Fabio hat nur seinen Namen hergegeben, um seinen Namen und den damit verbundenen S.e.x.appeal auch auf dem Büchermarkt verwerten zu können.


    Die Ghostwriterin


    Auf der letzten Seite, nachdem sich der Rauch verzogen hat, sagt der Autor Dank und gleich an erster Stelle: „Ich bedanke mich herzlich für den Beitrag von Eugenia Riley, ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre.“
    Bei den anderen in der Danksagung Genannten wird kurz erläutert, welche Rolle sie denn im kreativen Prozeß gespielt haben. Bei Frau Riley schweigt der angebliche Autor. Doch ist ein Blick nach Amazon sehr erhellend http://amazon.de/s/ref=nb_ss_w…ey&Go.x=17&Go.y=10&Go=Go.
    Da haben wir die Schreiberfahrung, das Handwerk ... die Massenproduktion.



    Die Handlung


    Handlung? Ach ja, gibt’s auch. Es steht ja alles auf dem Klappentext.
    1)Held rettet kindliche Heldin vor Erzbösewicht.
    2)Kindliche Heldin verliebt sich in den Helden.
    3)Kindliche Heldin wächst beim Helden auf.
    4)Kindliche Heldin versucht Helden durch erotische Manipulationen zu gewinnen.
    5)Held arrangiert eine bessere Ehe.
    6)Arrangierte Ehe platzt.
    7)Alle finden sich.


    Ach Mist, es fehlen noch zweihundert Seiten. Also:
    a)kindliche Heldin ist reiche Erbin.
    b)Bösewicht will ans Erbe.
    c)Entführt kindliche Heldin, um sie zu ermorden (Man erspare mir die Frage, warum man dann erst entführen muß)
    d)Held rettet kindliche Heldin.


    a)-d) werden zwischen 5) und 6) eingehängt.


    Wie erfährt der Bösewicht, daß die kindliche Heldin noch lebt?
    a)Untergebener des Helden versucht, sich an jugendlicher Heldin zu vergehen.
    b)Wird verbannt.
    c)Verrät Helden aus Hass.
    d)Stirbt.
    a)-d) werden zwischen 4) und 5) eingehängt.


    Für 5d) fehlen dem Helden die Mittel. Kein Problem: 5dI: Erzbösewicht konvertiert auf einer halben Seite zum loyalen Freund und stellt sich in den Dienst der guten Sache.


    Man merkt, hier ist ein Handwerker am Werk - drei Semester kreatives Schreiben am College. Volkshochschulniveau wird nicht erreicht.


    Jeder Charakter ist so schematisch, jeder Handlungsfaden so unglaubwürdig, daß der Roman förmlich danach lechzte in wildem Klamauk zu kulminieren.
    Aber hier geht es um S.e.x., um sogenannte Romantik und Erotik. Das sind ernste Angelegenheiten, also wird nicht gelacht, sondern das ganze humoristische Potential auf zwei hingeschluderten Seiten demontiert. Ein schlechtes Buch ist ja schon schlimm. Ein schlechtes Buch, das sich auch noch bierernst nimmt, ist schlimmer.


    Kleine Fehler


    Es konnte natürlich niemand damit rechnen, daß mal jemand dem Hintergrund des Buches nachrecherchiert. Ich habe trotzdem mal nachgeschlagen. Das Piratenschiff des Helden ist eine leichte, schnelle Brigantine – das ist ein leichtes Kriegsschiff mit ein bis zwei Masten. Dieses bringt mal eben eine spanische Galleone auf, die zwar bis an den höchsten Bord mit Silber und Gold beladen ist, aber nur eine einzige Kanone besitzt. Das ist sehr praktisch, weil eine Galleone normalerweise zwei bis drei Masten besitzt (also eine Nummer größer ist als eine Brigantine) und auf beiden zwei Reihen Kanonen übereinander hat.
    Weiter ist verwunderlich, daß die kleine, flinke La Spada – eben die Brigantine des Piraten – erst nach 3 oder 4 erfolgreichen Plünderungen einen Hafen aufsuchen muß, um die Beute zu löschen. Umgekehrt würde ein Schuh draus.


    Überhaupt die Waffen. Da stürmt die launische Christina hinaus in eine stürmische Nacht. Er folgt ihr bewaffnet mit Muskete und Patronengurt. Das macht nicht sehr viel Sinn, wenn man weiß, daß eine Muskete keine Patronen verschießen konnte, sondern mühevoll von vorne geladen werden mußte – mit losem Pulver und einer Kugel – halt ein Vorderlader. Infolgedessen verwandelt sich die nutzlose Muskete auch in ein Entermesser im nun zwangsläufig folgenden Scharmützel, in dem der alle überragende Held gegen 4 kleine, hinterlistige, mit Messern bewaffnete Spanier gnadenlos verliert. Der Patronengurt kommt aber rechtzeitig zurück, um den natürlich feigen Dolchstoß abzufangen, der den schönen Mann mit den wie in Marmor gemeißelten, markanten Gesichtszügen sonst unweigerlich getötet hätte. Das war kurz vor Seite 300, was mein Leiden nur unwesentlich verkürzt hätte.


    Die Sprache


    Die Sprache ist einfach und – wenn man von den Umschreibungen des Geschlechtsaktes absieht – arm an Ausdrücken. Bis auf die oft bemühten, wie in Marmor gemeißelten Gesichtszüge des Protagonisten gibt es keine Metaphern. Und wenn ich an die gemeißelten Dingsbums denke, dann ist das auch ganz gut so.


    Es ist erhebliche Sorgfalt darauf verwendet worden, jedem Charakter seinen Kreis von Adjektiven zu reservieren. Die markanten Gesichtszüge sind dem großen und schönen Marco zugewiesen, alles was zierlich, unschuldig und verführerisch ist gehört der Lolita, dunkel und bedrohlich ist der Erzfeind, sinnlich und üppig die Ex-Geliebte Marcos. So sind Verwechslungen ausgeschlossen. Die wortwörtlichen Wiederholungen sind mir allerdings ziemlich auf die Nerven gegangen.
    Und ich frage mich immer noch, was sich gegenüber der normalen Methode ändert, wenn ein Mann einer Frau ausdrücklich „kühn“ irgendwelche Körperteile in diverse Körperöffnungen steckt bzw. dem Weibe ebenso an die Büste packt.


    Weniger Sorgfalt waltete bei der Übersetzung. Wenn sich die beiden Protagonisten mal nicht ankeiften umsäuselten sie einander, Liebling hier, Liebling da und viel mia cara. Bis auf ein Kapitel – irgendwo zwischen 25 – 30 (ich schlage das jetzt nicht mehr nach) da heißt's Darling, Darling, mia cara. Ich vermute,daß hier der Übersetzer gewechselt hat, der den englischen Begriff nicht übertrug, da auch Lieschen Müller etwas damit anfangen kann. Einem Lektorat, das seinen Namen verdiente, wäre ein solcher Schnitzer aufgefallen.


    Das Werk


    Was will der Dichter uns mit diesen Blättern sagen? Daß er wie in Marmor gemeißelte Gesichtszüge hat, daß er über einen schönen, hühnenhaften Körper verfügt? Daß er spitz ist wie Nachbars Lumpi? Für wen schreibt er?
    Definitiv nicht für mich – welch Glück. Der Autor, resp. seine Ghostwriterin, schreibt für Fabios Fans. Der Profession entsprechend vor allem Frauen. Wer ihn als Modell liebte, wird ihn auch als Abziehbild eines Helden zwischen zwei Buchdeckeln lieben. Hier wird für Frauen geschrieben, die eine Projektionsfläche für ihre Wünsche suchen. Entsprechend verquast ist das Bild von S.e.x.ualität, das hier vermittelt wird.
    Wenn man die entsprechenden Heftchen für pubertierende Jungen oder in der Phase hängengebliebene Männer meint, spricht man von einer Wichsvorlage. Dieses Werk leistet entsprechendes für Frauen.
    Für mich war dieses Buch ein echter Kulturschock. Ich hatte zwar gehört, daß es so etwas gebe, aber die spezielle Ausprägung hat mich doch einigermaßen überwältigt. Auch der dümmste Leser wird sich dem Verfasser intellektuell überlegen fühlen, es sei denn er merkt, daß ihm genau dies suggeriert werden soll. Dies und die eigenartig unerotische Erotik, die das Buch atmet, hinterlassen bei mir einen sehr schalen Nachgeschmack von Zynismus und Mißbrauch. Hatte Literatur nicht irgendwo einen Bildungsanspruch?


    Da fällt mir ein: Gibt es Fabio eigentlich auch als Barbie-Püppchen? Ich denke an eine Variante von Ken mit eutropher Muskulatur und appliziertem Geschlechtsteil? Vielleicht sollte man sein Management auf dieses Marktsegment hinweisen.


    Fazit:
    Würde ich nach dem schlechtesten Buch der Welt gefragt, hätte ich da einen Tipp.
    Die Vergabe einer Leseratte erübrigt sich.

    Werther hat auf Lotte nicht verzichtet, sonst hätte er das Paar gesegnet und wäre er lautlos aus Lottes Leben verschwunden.
    Stattdessen hat er sie für immer mit Beschlag belegt, indem er sich umbrachte und seinen Tod per Abschiedsbrief seiner Geliebten widmete.


    Das Schizophrene ist, daß Werther ja nicht einmal den Egoismus ... oder wenigstens die Energie ... aufgebracht hat, um um Lotte zu kämpfen. Stattdessen reagiert er autoagressiv und bestraft Lotte indem er sich selbst verletzt (mit einer Kugel im Hirnkasten). Wenn er schon nicht glücklich sein kann, dann wenigstens auch keine anderen.
    Du hast insofern recht, als diese Haltung sehr weit verbreitet ist, aber ich würde das nicht als generelle Verfassung des Menschengeschlechtes ansehen. Die eine und der andere werden über den Narzißkomplex hinauskommen. Das ist bei Kindern normalerweise so ab dem vierten Lebensjahr der Fall.