Ich hab's geschafft: Ich habe das Piratenherz überstanden. Das waren ein paar Stunden meines Lebens, deren mich der SUB-Wettbewerb beraubt hat. Also räche ich mich an den Teilnehmern, indem ich das Machwerk ausführlich bespreche.
Ums gleich vorweg zu sagen: Noch nie hat ein Buch mir derartige Schmerzen bereitet, wie dieses. Wenn beim nächsten SUB-Wettbewerb wieder ein Nackenbeißer verlangt wird, verzichte ich auf die Teilnahme.
Der Klappentext: Marco Glaviano, Freibeuter im Dienst der englischen Krone, ist ein Abenteurer, wie er im Buche steht: verwegen, skrupellos und unerschrocken. Doch die kleine Christina, durch einen schweren Schicksalsschlag zur Waise geworden, erobert sein Piratenherz im Sturm. Um ihr Schutz und Geborgenheit zu bieten, entführt er sie kurzentschlossen auf eine karibische Insel, die ihm als Versteck dient. Dort wächst Christina, verwöhnt und behütet, zu einer atemberaubenden Schönheit heran. Immer stärker verzaubert sie Marco mit ihrer Wildheit und ihrem süßen Charme, doch sie ist so unberechenbar wie der Wind und das Meer – und sie weiß genau, wie man ein Piratenherz zähmen kann.
Der Autor
Fabio „the S.e.x.iest man in the world“ (Cosmopolitan), hat sich und seinen Leserinnnen [Wohlgemerkt ~innen, mit männlichen Lesern wurde nicht gerechnet, Anm.d.Rez] mit diesem großen Romandebüt den Traum von einer leidenschaftlich-sinnlichen Liebesgeschichte erfüllt, in der Romantik und Erotik auf unnachahmliche Weise vereint sind.
So weit der Klappentext. Wer nach der Lektüre dieses Machwerks hofft, daß dieser Erstling ein Solitär geblieben ist, sieht sich bitter getäuscht. Drei weitere Ergüsse sind von Fabios Feder in deutscher Sprache erhältlich ... http://www.amazon.de/s/ref=sr_pg_1/028-6413992-9260566?ie=UTF8&rs=541686&rh=n%3A541686%2Cp%5F27%3AFabio&page=1
Und wer dann immer noch nicht genug hat kann auf die amerikanische Orginalausgaben zurückgreifen. Da einige dieser Werke nicht in deutscher Übersetzung zu haben sind, scheinen sie das Kunststück fertiggebracht zu haben, den ersten Wurf qualitativ noch zu unterbieten.
Der Autor?
Während ich mich durch das Gestrüpp der Plattitüden und Klischees kämpfte überkamen mich immer mehr Zweifel, ob denn wirklich Fabio der Verfasser dieser Blätter sein konnte. War er denn wirklich so eitel, daß er allein sein literarisches Alter Ego – eben jener Pirat Marco – einer eingehenden Beschreibung wert befand? Brächte ein Mann es fertig, seinen Helden als so hilflos seinen Trieben ausgeliefert zu beschreiben, daß er sich an seiner Schutzbefohlenen vergreift, während des Aktes noch von Schuldgefühlen zerrissen wird , gleichzeitig brutal heftig ist und verschüchtert zärtlich? Und dieser Superständer fällt in sich zusammen, wenn ihm eine andere Frau naht, als die Frau seines Herzens. So neurotisch kann doch kein einzelner Mann sein... obwohl....
Ich bezweifele Fabios Autorenschaft nicht, weil ich dem Unterhosenmodell sein literarisches Talent neide, im Gegenteil, ich will einfach nicht glauben, daß ein Autor schon bei seinem Erstlingswerk so weit mit seinem literarischen Anspruch nach unten geht. Das ganze Buch hat etwas unglaublich Routiniertes, da werden Bösewichte aus dem Hut gezaubert und wieder entsorgt, um die zusammengestoppelte Handlung im Fluß zu halten, da laufen Liebende so mühevoll um einander herum, daß sie erst nach 400 Seiten endlich zusammenkommen, da steckt Handwerk dahinter.
Fabio hat nur seinen Namen hergegeben, um seinen Namen und den damit verbundenen S.e.x.appeal auch auf dem Büchermarkt verwerten zu können.
Die Ghostwriterin
Auf der letzten Seite, nachdem sich der Rauch verzogen hat, sagt der Autor Dank und gleich an erster Stelle: „Ich bedanke mich herzlich für den Beitrag von Eugenia Riley, ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre.“
Bei den anderen in der Danksagung Genannten wird kurz erläutert, welche Rolle sie denn im kreativen Prozeß gespielt haben. Bei Frau Riley schweigt der angebliche Autor. Doch ist ein Blick nach Amazon sehr erhellend http://amazon.de/s/ref=nb_ss_w…ey&Go.x=17&Go.y=10&Go=Go.
Da haben wir die Schreiberfahrung, das Handwerk ... die Massenproduktion.
Die Handlung
Handlung? Ach ja, gibt’s auch. Es steht ja alles auf dem Klappentext.
1)Held rettet kindliche Heldin vor Erzbösewicht.
2)Kindliche Heldin verliebt sich in den Helden.
3)Kindliche Heldin wächst beim Helden auf.
4)Kindliche Heldin versucht Helden durch erotische Manipulationen zu gewinnen.
5)Held arrangiert eine bessere Ehe.
6)Arrangierte Ehe platzt.
7)Alle finden sich.
Ach Mist, es fehlen noch zweihundert Seiten. Also:
a)kindliche Heldin ist reiche Erbin.
b)Bösewicht will ans Erbe.
c)Entführt kindliche Heldin, um sie zu ermorden (Man erspare mir die Frage, warum man dann erst entführen muß)
d)Held rettet kindliche Heldin.
a)-d) werden zwischen 5) und 6) eingehängt.
Wie erfährt der Bösewicht, daß die kindliche Heldin noch lebt?
a)Untergebener des Helden versucht, sich an jugendlicher Heldin zu vergehen.
b)Wird verbannt.
c)Verrät Helden aus Hass.
d)Stirbt.
a)-d) werden zwischen 4) und 5) eingehängt.
Für 5d) fehlen dem Helden die Mittel. Kein Problem: 5dI: Erzbösewicht konvertiert auf einer halben Seite zum loyalen Freund und stellt sich in den Dienst der guten Sache.
Man merkt, hier ist ein Handwerker am Werk - drei Semester kreatives Schreiben am College. Volkshochschulniveau wird nicht erreicht.
Jeder Charakter ist so schematisch, jeder Handlungsfaden so unglaubwürdig, daß der Roman förmlich danach lechzte in wildem Klamauk zu kulminieren.
Aber hier geht es um S.e.x., um sogenannte Romantik und Erotik. Das sind ernste Angelegenheiten, also wird nicht gelacht, sondern das ganze humoristische Potential auf zwei hingeschluderten Seiten demontiert. Ein schlechtes Buch ist ja schon schlimm. Ein schlechtes Buch, das sich auch noch bierernst nimmt, ist schlimmer.
Kleine Fehler
Es konnte natürlich niemand damit rechnen, daß mal jemand dem Hintergrund des Buches nachrecherchiert. Ich habe trotzdem mal nachgeschlagen. Das Piratenschiff des Helden ist eine leichte, schnelle Brigantine – das ist ein leichtes Kriegsschiff mit ein bis zwei Masten. Dieses bringt mal eben eine spanische Galleone auf, die zwar bis an den höchsten Bord mit Silber und Gold beladen ist, aber nur eine einzige Kanone besitzt. Das ist sehr praktisch, weil eine Galleone normalerweise zwei bis drei Masten besitzt (also eine Nummer größer ist als eine Brigantine) und auf beiden zwei Reihen Kanonen übereinander hat.
Weiter ist verwunderlich, daß die kleine, flinke La Spada – eben die Brigantine des Piraten – erst nach 3 oder 4 erfolgreichen Plünderungen einen Hafen aufsuchen muß, um die Beute zu löschen. Umgekehrt würde ein Schuh draus.
Überhaupt die Waffen. Da stürmt die launische Christina hinaus in eine stürmische Nacht. Er folgt ihr bewaffnet mit Muskete und Patronengurt. Das macht nicht sehr viel Sinn, wenn man weiß, daß eine Muskete keine Patronen verschießen konnte, sondern mühevoll von vorne geladen werden mußte – mit losem Pulver und einer Kugel – halt ein Vorderlader. Infolgedessen verwandelt sich die nutzlose Muskete auch in ein Entermesser im nun zwangsläufig folgenden Scharmützel, in dem der alle überragende Held gegen 4 kleine, hinterlistige, mit Messern bewaffnete Spanier gnadenlos verliert. Der Patronengurt kommt aber rechtzeitig zurück, um den natürlich feigen Dolchstoß abzufangen, der den schönen Mann mit den wie in Marmor gemeißelten, markanten Gesichtszügen sonst unweigerlich getötet hätte. Das war kurz vor Seite 300, was mein Leiden nur unwesentlich verkürzt hätte.
Die Sprache
Die Sprache ist einfach und – wenn man von den Umschreibungen des Geschlechtsaktes absieht – arm an Ausdrücken. Bis auf die oft bemühten, wie in Marmor gemeißelten Gesichtszüge des Protagonisten gibt es keine Metaphern. Und wenn ich an die gemeißelten Dingsbums denke, dann ist das auch ganz gut so.
Es ist erhebliche Sorgfalt darauf verwendet worden, jedem Charakter seinen Kreis von Adjektiven zu reservieren. Die markanten Gesichtszüge sind dem großen und schönen Marco zugewiesen, alles was zierlich, unschuldig und verführerisch ist gehört der Lolita, dunkel und bedrohlich ist der Erzfeind, sinnlich und üppig die Ex-Geliebte Marcos. So sind Verwechslungen ausgeschlossen. Die wortwörtlichen Wiederholungen sind mir allerdings ziemlich auf die Nerven gegangen.
Und ich frage mich immer noch, was sich gegenüber der normalen Methode ändert, wenn ein Mann einer Frau ausdrücklich „kühn“ irgendwelche Körperteile in diverse Körperöffnungen steckt bzw. dem Weibe ebenso an die Büste packt.
Weniger Sorgfalt waltete bei der Übersetzung. Wenn sich die beiden Protagonisten mal nicht ankeiften umsäuselten sie einander, Liebling hier, Liebling da und viel mia cara. Bis auf ein Kapitel – irgendwo zwischen 25 – 30 (ich schlage das jetzt nicht mehr nach) da heißt's Darling, Darling, mia cara. Ich vermute,daß hier der Übersetzer gewechselt hat, der den englischen Begriff nicht übertrug, da auch Lieschen Müller etwas damit anfangen kann. Einem Lektorat, das seinen Namen verdiente, wäre ein solcher Schnitzer aufgefallen.
Das Werk
Was will der Dichter uns mit diesen Blättern sagen? Daß er wie in Marmor gemeißelte Gesichtszüge hat, daß er über einen schönen, hühnenhaften Körper verfügt? Daß er spitz ist wie Nachbars Lumpi? Für wen schreibt er?
Definitiv nicht für mich – welch Glück. Der Autor, resp. seine Ghostwriterin, schreibt für Fabios Fans. Der Profession entsprechend vor allem Frauen. Wer ihn als Modell liebte, wird ihn auch als Abziehbild eines Helden zwischen zwei Buchdeckeln lieben. Hier wird für Frauen geschrieben, die eine Projektionsfläche für ihre Wünsche suchen. Entsprechend verquast ist das Bild von S.e.x.ualität, das hier vermittelt wird.
Wenn man die entsprechenden Heftchen für pubertierende Jungen oder in der Phase hängengebliebene Männer meint, spricht man von einer Wichsvorlage. Dieses Werk leistet entsprechendes für Frauen.
Für mich war dieses Buch ein echter Kulturschock. Ich hatte zwar gehört, daß es so etwas gebe, aber die spezielle Ausprägung hat mich doch einigermaßen überwältigt. Auch der dümmste Leser wird sich dem Verfasser intellektuell überlegen fühlen, es sei denn er merkt, daß ihm genau dies suggeriert werden soll. Dies und die eigenartig unerotische Erotik, die das Buch atmet, hinterlassen bei mir einen sehr schalen Nachgeschmack von Zynismus und Mißbrauch. Hatte Literatur nicht irgendwo einen Bildungsanspruch?
Da fällt mir ein: Gibt es Fabio eigentlich auch als Barbie-Püppchen? Ich denke an eine Variante von Ken mit eutropher Muskulatur und appliziertem Geschlechtsteil? Vielleicht sollte man sein Management auf dieses Marktsegment hinweisen.
Fazit:
Würde ich nach dem schlechtesten Buch der Welt gefragt, hätte ich da einen Tipp.
Die Vergabe einer Leseratte erübrigt sich.