Ich fand die Darstellung von Lou sehr authentisch und nachvollziehbar. Klar, dass sie nach Wills Tod erst mal in ein schwarzes Loch fiel und auf ihren Reisen und in ihrer Zeit in Paris, auch wenn sie sich dort wohlfühlte, nicht schon am Ziel ihrer Träume angekommen war. Wenn es nach Will gegangen wäre, hätte sie sich nach ihrer Rückkehr nach England sofort in ihr Modedesignstudium gestürzt, aber das war für sie eben (noch?) nicht umsetzbar. Sie war zunächst einmal wie gelähmt, hat nur das Allernötigste gemacht, den erstbesten Job angenommen (in einer Bar am Flughafen London-Heathrow) und mehr existiert als gelebt.
Durch den überfallartigen Eintritt von Lily in ihr Leben (Wills sechzehnjährige Tochter, von der er nie erfahren hatte) war Lou dann plötzlich gezwungen, einen Schritt ins Leben zurückzukehren und Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn Lily einem manchmal echt die Nerven strapazieren kann, fand ich die Spannung und die Dynamik zwischen den beiden so unterschiedlichen jungen Frauen doch interessant!
Sehr schön dargestellt fand ich, wie unterschiedlich Wills Eltern auf ihre plötzlich aufgetauchte, unbekannte Enkelin reagieren: Mr. Traynor erst mal total überschwänglich und glücklich, dann aber zu feige, ein Stück Verantwortung zu übernehmen. Bei Camilla Traynor dagegen war es genau umgekehrt: Erst distanziert, weil völlig überfordert, dann aber, nachdem sie sich berappelt hatte, offen und zugewandt. Schön und glaubwürdig beschrieben.
Die „Weiterleben“-Selbsthilfegruppe für Trauernde hat mir auch sehr gut gefallen, und bei der Abschlussfeier (die es noch nie zuvor in einer solchen Gruppe gegeben hatte, wie der Leiter erzählte) auf dem Dachgarten von Lous Londoner Wohnung war ich wirklich zu Tränen gerührt; besonders, als Lily einen Brief an ihren Vater vorlas. Und die Entwicklung bei Lous Eltern fand ich einfach zu herrlich! Lous Mutter, die sich endlich emanzipiert, ihre Tochter in London besucht, sich in einem piekfeinen Hotel mit einer netten Klofrau anfreundet – einfach wunderbar! Und wie Lous Vater dann mit seiner „neuen Frau“ klarkommen muss!...
Wie nicht anders zu erwarten, tritt natürlich auch ein neuer Mann in Lous Leben: Sanitäter Sam, der Lou nach dem Sturz von ihrem Dachgarten, den sie ganz zu Anfang des Romans erleidet, einsammelt und ins Krankenhaus begleitet. Es dauert naturgemäß eine Weile, bis Lou sich ernsthaft auf eine neue Liebe einlassen kann – klar, dass das für Sam auch nicht einfach ist.
Zuguterletzt entschließt sich Lou, eine Arbeitsstelle in New York anzunehmen, die ihr Nathan (Wills früherer Pfleger) vermittelt hat – auch wenn dies wiederum eine Tätigkeit als Pflegerin / Gesellschafterin ist und nichts mit dem Traum zu tun hat, den sie sich ursprünglich mal erfüllen wollte.
Na ja, von diesem neuen Leben kann man dann wohl im dritten Teil der Trilogie, „Mein Herz in zwei Welten“ erfahren, den ich mir für meinen Urlaub im Oktober aufhebe, also bitte noch nichts verraten.
Wie gesagt, insgesamt hat mir diese Fortsetzung gut gefallen, nur störe ich mich etwas daran, dass offenbar immer wieder – dieser Roman ist ja nur ein Beispiel dafür – eine enttäuschte bzw. verlorene Liebe gleich nahtlos durch eine neue ersetzt werden muss. Ich weiß nicht, ob das nun speziell für fiktive Geschichten gilt (in Filmen ist es ja auch immer so), oder ob viele Menschen tatsächlich auch in der Realität so denken. Ich frage mich, ob es nicht wichtiger wäre, zunächst mal mit sich selbst klarzukommen und rauszufinden, wo es einen im Leben hinzieht und hinführt… Andererseits hat man es natürlich nicht in der Hand, welche Gefühle man für bestimmte Menschen entwickelt, die einem begegnen. Allerdings denke ich auch hier, dass es letzten Endes auf die innere Haltung ankommt, die man ausstrahlt und durch die man im ungünstigen Fall Menschen anzieht, die die momentane Verletzlichkeit ausnutzen…
Aber dies sind mehr allgemeine Gedanken, die vielleicht mal an anderer Stelle diskutiert werden könnten.