Beiträge von tom leo

    Danke für die interessante Rezi, die mich besonders berührt, da ich mich gerade in Seoul befinde und mich ua. auch sehr mit der koreanischen Literatur auseinandersetze.


    Ich bin etwas verwirrt, da ich von französischsprachigen Büchern einen Hwang Sun Won kenne, der ebenfalls in Pyongyang geboren worden ist (1915), doch es handelt sich wohl um einen anderen.


    Etwas grundsätzlicher wollte ich gerne sagen, dass die für uns (zumindest gefühlt) fehlenden Informationen sich zweierlei deuten lassen: Man könnte sich fragen, rein kulturellmaessig, ob ein Koreaner geläufige "deutsche" Bücher ohne gewisses Hintergrundwissen lesen kann. Umgekehrt aber erst recht! Wir haben oft im Westen keine Ahnung, wie es hier (in Korea) ausschaut. Dieses Hintergrundwissen gehört meines Erachtens in ein ordentliches Vorwort, ist also Aufgabe des Herausgebers. Da gibt oder gebe es einiges zu tun!


    Etwas Zweites ist aber kulturell noch viel Ausschlaggebender. Von der ganzen Mentalität her wird ein Koreaner anders an Personenbeschreibungen herangehen als wir "direkten" Europäer. Bis heute ist es eigentlich verpönt, gewisse Dinge direkt zu bezeichnen. Das qualitative URTEIL über jemanden wird man selten finden. Leider - sage ich heute mit diesem Hintergrund - meinen wir in Europa, alles sofort und ohne Blatt vor dem Mund sagen zu müssen. In der koreanischen Mentalität muss man vielleicht viel mehr zwischen den Zeilen lesen...


    Insofern verwundern mich Deine Feststellungen zu den Qualitäten dieses Buches nicht zu sehr. Sicherlich fällt uns Westlern das sehr schwer, doch gerade Literatur aus einem solchen Kulturraum müsste man eigentlich mit anderen Augen lesen lernen.


    Die Kürze des Büchleins mag verwundern. Es gibt eine große Reihe dieser 80- 100 seitigen - ja was? - Werke zwischen Kurzerzaehlung und Roman. Vielleicht ein "typisch" koreanisches Genre.

    Ich kenne bislang von Tschechow fast nur die Kurzerzaehlungen (die schon mal im Diogenes-Verlag recht chronologisch herausgegeben worden waren, weiss aber nicht, ob vollstaendig?), die mich immer wieder tief beruehren. Mir faellt dazu nicht so sehr, oder allein, das Wort "traurig" ein als vielmehr "zutiefst menschlich". Tschechow versteht es in diesen Geschichten, in ein paar Strichen den Menschen in seiner Haut zu zeigen. Manchmal koennte man schon etwas spoettisch laecheln, doch ich glaube, dass dies nie die Absicht des Autors ist. Hinter manchen Blossstellungen erahnt man etwas ganz Feines, Zartes... Ich kann es hier kaum beschreiben. Aber ich finde es wunderbar.

    Vielleicht kann ich keine ausgedehnten, fundierten Auskuenfte ueber die Gepflogenheiten der damaligen Zeit geben, doch mir fiel Folgendes zu Deinen Gedanken ein:
    Vielleicht ist es fuer unser heutiges ausgesprochen explizites Schreiben ueber S.e.x. (oder auch Gewalt) schwer verstaendlich, warum Dostojevski manches nicht klarer sagt. Ich sehe darin auch etwas durchaus Gesundes: der Leser mag seinem Verstehen entsprechend die Dinge interpretieren, es gibt einen Freiraum! Und vielleicht ist so eine Freiheit gegeben, die D. so wichtig war.
    So entsteht vielleicht jene Vielschichtigkeit seines Werkes?
    Da die meisten Romane von D. meines Wissens nach zunaechst in Zeitschriften veroeffentlicht worden sind, kann es auch sein, dass er in manchen Ausdruecken Ruecksicht nehmen musste? Unter den Zaren herrschte teils eine strenge Zensur.
    Man kann dann aber das, was heute "beim Namen" genannt wird, andeuten, umschreiben...

    01. Goethe: Die Leiden des jungen Werthers - in der Jugend begeistert gelesen ++
    02. Goehte: Die Wahlverwandtschaften - vor paar Jahren gerne gelesen, schoene Sprache! ++
    03. Hoffmann: Die Elixiere des Teufels - nicht gelesen
    04. Keller: Der grüne Heinrich - nicht gelesen, aber auf der Wunscliste
    05. Fontane: Frau Jenny Treibel - nicht gelesen
    06. Fontane: Effi Briest - gelesen, mir zu trocken, da finde ich Anna Karenina oder Madame Bovary etc. "besser" +
    07. T. Mann: Buddenbrooks - steht fuer 2008 an?!
    08. H. Mann: Professor Unrat - im Regal,ngelesen
    09. Hesse: Unterm Rad - als Jugendlicher ++, heute weniger interessant
    10. Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß - Buch (und Film) haben mich frueh sehr beeindruckt ++
    11. Kafka: Der Proceß Spitzenklasse +++
    12. T. Mann: Der Zauberberg - mein erster beendeter Mann, wa sehr beeindruckt ++
    13. Döblin: Berlin Alexanderplatz - prima, um das Berlin der 20iger kennen zu lernen +/+
    14. Roth: Radetzkymarsch im Regal, ungelesen
    15. Seghers: Das siebte Kreuz - koennte mich interessieren, habe aber nur Verfilmung (DDR) gesehen
    16. von Doderer: Die Strudlhofstiege - kenne ich nicht
    17. Koeppen: Tauben im Gras - DIESES von ihm habe ich nicht im Regal
    18. Grass: Die Blechtrommel - vielleicht zu frueh versucht? Damals nur -/0
    19. Frisch: Montauk - beeindruckend offen, aber doch bedrueckend +
    20. Bernhard: Holzfällen koennte mich interesieren, habe ich aber noch nicht

    Vor zwei Jahren war Brodeck als Ueberlebender eines Lagers beim Nachbarvolk und Feinde im Kriege in sein Dorf zurückgekommen. Im Lager hatte er Unsägliches erlebt: Er wurde « Hund Brodeck », der an der Leine spazieren geführt wurde und « ein Nichts war ». Im Moment seines eigenen Schreibens und Nachdenkens über das Geschehene und Gewesene soll Brodeck parallel auf den Auftrag des Dorfes hin einen Bericht (Rapport) schreiben über das, was am Vortage passiert ist, damit die anderen auch wissen können, wie und warum geschehen ist, was geschehen ist: Quasi die versammelte männliche Dorfgemeinschaft hat sich des Mannes entledigt, der vor einigen Monaten als Fremder in ihr kleines, so abgeschnittenes und auf sich selbst zentriertes Dorf gekommen war. Sein Name (im französischen Original) ist der Anderer. Brodeck wird die Zeugnisse zusammenstellen. Gleichzeitig aber schreibt er eben auch offen in einer gewaltigen Erinnerungsarbeit (für wen?), seine Geschichte: sein Kommen als Kind in dieses Dorf, begleitet von der alten Fedorina, auf der Flucht in einem anderen Kriege; das Kennenlernen seiner Frau Emilia, Figur der Liebe, die ihn mitten im Dunkel der Lager hat aushalten lassen; die verschiedenen Besuche und Kontakte im Dorf, darunter natürlich diese Aussenseiterfiguren wie eben der Anderer, die gerade ihm irgendwie nahe standen. Und es wächst der Eindruck der Bedrohung durch die Dorfgemeinschaft, die anscheinend geeint gegen das Fremde und Andere steht, und so – auf schreckliche Art und Weise – dem « Fratergekeime » gleichen, die Tod ausgesät und Lager errichtet hatten. Der Anderer ist der unerträgliche Spiegel, in dem man sich sieht, der letzte Anruf, die letzte Einladung Gottes... Und ist Brodeck nicht letztlich in seinem Anderssein ebenso ein Fremder (geblieben)? Nicht nur durch sein spätes Kommen ins Dorf, sondern auch eine andere Zugehörigkeit? Wie wird es für Brodeck enden, oder weitergehen? Wie wird er sich seiner Aufgabe entledigen?


    Wie Claudel dieses Buch meisterhaft mit Rueckblenden, Querverweisen, Gedankensplittern, Erinnerungen und Parallelen aufbaut ist einfach meisterhaft und für mich ein Genuss. Dunkel, dunkel, ja bis an den Abgrund der Schlechtigkeit und der menschlichen Niedrigkeit ist ein Großteil des Geschehens. Wenn es aber dieses Böse gibt, wird es auf beiden Seiten dargestellt: Nicht nur beim verhassten Feind, sondern quasi in der eigenen Mitte, und zwar in beängstigender Konzentration. Und doch ist da auch das Helle, in dem der Autor den ein oder die anderen beschreibt, insbesondere das Kind als ewiges Zeichen einer Verheißung. Inmitten eines anscheinend durch und durch makaberen Geschehens könnte man abschnittsweise wunderbare Beobachtungen zitieren. Die Sprache ist – wie mir auch ein Franzoesischstaemmiger mitteilte – einfach, doch sehr schön. Sie lädt bisweilen zum lauten Lesen ein, so gut klingen die Sätze. Für dieses Buch schaffte Claudel eine imaginäre (und doch irgendwie recht klar zu identifizierende) Landschaft, irgendwo im Grenzgebiet zwischen zwei Völkern, die einander aber irgendwie verwandt sind. Er schafft eine ganze Fülle an Wörtern in einer Sprache, die so nicht existiert, die man aber bei gutem Willen verstehen kann. Mit diesem Roman will Brodeck seine Trilogie über die grossen Kriege/Genozide des XX. Jahrhunderts mit einer enormen Einladung zur steten Erinnerung, des Eingedenkseins abschließen (Monsieur Linh, Die grauen Seelen). Es ist ihm meisterlich gelungen.


    5ratten



    Broché: 400 pages
    Editeur : Stock (14 août 2007)
    Langue : Français
    ISBN-10: 2234057736
    ISBN-13:

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    Ich habe DIESES Buch von Kawabata nicht gelesen, allerdings drei, vier andere. Über Geschmäcker kann man nicht streiten, soll man nicht urteilen. Wer solche Bücher gelesen hat, wird wahrscheinlich Deine Bemerkungen verstehen. Zu indirekt, zu angedeutet, ohne Bewegung, anscheinend. Nicht umsonst gilt Kawabata als "Ästhet". Was immer das auch alles beinhalten kann, lässt es mich erahnen - wie Du es ansprichst - dass bei diesem Autor das Wichtige ganz woanders liegt.
    Ob man das dann gerne hat, nachvollziehen kann oder nicht ist eine andere Frage!

    Dieses Buch hat hier in Frankreich einigen Wind bei Erscheinen gemacht! Die Artikel sind über Jahre hinweg sorgfältig von vielen Spezialisten aus verschiedenen Bereichen zusammen getragen worden. Schön ist es, wenn Deutschland dann eben nicht nur entweder mit dem Dritten Reich oder Sauerkraut verbunden wird, sondern in einer großen Vielfalt! Als ich in "Le Monde" und anderen Zeitungen die Rezis las, bekam ich selber Lust, solch ein Buch zulesen. Als ob es (zumindest in meiner Generation) garnicht so selbstverständlich war, den Reichtum der deutschsprachigen Welt anzunehmen.

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    Orig.: The Moviegoer (american english)


    ZUM BUCH:
    Portrait von Jack „Binx“ Bolling im New Orleans am Ende der Fünfziger Jahre. Er schwingt hin und her zwischen einer Langeweile, dem Rumspielen mit seinen Sekretärinnen, Autos, Kino UND einer authentischen Sehnsucht nach Befreiung. Um seinen 30. Geburtstag und einer Fastnacht herum macht er sich mit seiner etwas zerbrechlichen, psychisch angeschlagenen Cousine Kate auf den Weg...


    MEINE MEINUNG :
    Ich bat Bekannte aus dem Süden der USA um einen Tipp auf ein großes Werk der Südstaatenliteratur und bekam dieses Buch empfohlen... und war mehr als beeindruckt. Man bemerkt nicht, dass es vor 45 Jahren geschrieben worden ist: es hat etwas Aktuelles und Unzeitliches in seiner Beschreibung des „gelangweilten“ Menschen, der dennoch zur gleichen Zeit nach Befreiung, Erlösunung sucht. Der Autor zeichnet hier gleichzeitig ein oberflächliches Leben und das, was er als „the search“ beschreibt: die „Suche“. Dies gilt für Binx, aber auch für seine Cousine Kate. Beide sind von Wunden der Vergangenheit geprägt, der eine aus dem Krieg, die andere von einem Autounfall und dem Verlust ihres Verlobten. Man findet hervorragende Seiten über den Menschen, der sucht und noch nicht angekommen ist. In der Beschreibung der unmittelbaren Nähe eines möglichen Falls UND der Gnade, der Erlösung begegnet man bei Walker Percy großen Themen der Südstaatenliteratur, aber auch z.B. von Dostojevskij, Tschechov, Kierkegaard, die den Schriftsteller anscheinend in seinem Werdegang sehr entscheidend beeinflusst haben.
    Ich habe dieses Buch auf Englisch gelesen und kenne also nicht die deutsche Übersetzung. Doch Handke (sic!) klingt als Übersetzer vielversprechend! Seine folgende Bemerkung fand ich überaus treffend:„Trotzdem will ich eine Phantasie nicht verschweigen, die im Lauf der Übersetzungsarbeit immer stärker und wärmer wurde: daß der Moviegoer wieder ein Held ist, wie er nach Camus' Fremdem kaum mehr möglich schien; und nicht nur ein Held, sondern ein Heiliger."


    Ein Meisterwerk und ein Genuß!


    5ratten


    ZUM AUTOR:
    Walker Percy (* 28. Mai 1916 in Birmingham, Alabama; † 10. Mai 1990 in Covington, Louisiana) war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Nach dem Selbstmord seines Vaters und dem Unfalltod seiner Mutter wuchs er mit seinen beiden Brüdern bei einem Cousin in Greenville (Mississippi) auf. Er studierte zunächst Chemie und nach seinem Abschluss 1937 Medizin (Psychologie und Pathologie) an der Columbia University in New York. 1942 erkrankte er an Tuberkulose und musste seinen Arztberuf aufgeben. In einem Sanatoriumsaufenthalt beschäftigte er sich mit philosophischen und religiösen Fragen und konvertierte schließlich zur katholischen Kirche. 1950 ließ er sich in Covington, Louisiana nieder. Dort lebte er bis zu seinem Krebstod 1990. Sein Erstlingswerk „The Moviegoer“ erhielt 1962 den National Book Award. (nach Wikepedia, gekürzt)


    WERKE:
    The Last Gentleman (Roman, 1966), ISBN 0804103798, dt. "Der Idiot des Südens", ISBN 3518032275 ;Love in the Ruins (Roman, 1971), ISBN 080410378X, dt. "Liebe in Ruinen", ISBN 3518371142; Lancelot (Roman, 1977), ISBN 0312243073, dt. "Lancelot", ISBN 3426008025;The Second Coming (Roman, 1980), ISBN 0312243243, dt. "Die Wiederkehr", ISBN 3518401378;The Thanatos Syndrome (Roman, 1987), ISBN 0312243324,dt. "Das Thanatos-Syndrom", ISBN 3446150676



    Original: The Moviegoer (Roman, 1960), ISBN 0413773272

    ZUM BUCH:
    Nostalgische Chronik in Bildern des Niedergangs einer kleinadligen Familie, der Kruschtschews, Mitte des 19. Jahrhunderts in ländlicher Gegend. Dahinter steht wohl vieles aus der Familiengeschichte Bunins. Natalia war/ist die Dienerin und „Chronistin“ der Familie, Pjotr Petrovitsch der Sohn, dann Hausherr und ihre geheime Liebe; Tante Tonja wurde nach einer Enttäuschung „irre“...


    ZUM AUTOR:
    * 10. Oktober / 22. Oktober 1870 in Woronesch; † 8. November 1953 in Paris) war ein russischer Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer. Nach der Oktoberrevolution verließ Bunin 1918 Moskau und zog sich zunächst nach Odessa zurück, bevor er Russland 1919/1920 mit dem letzten Schiff Richtung Frankreich verließ und sich in Grasse ansiedelte. Bunin führte die Tradition der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts fort. Bekannt wurde er vor allem durch seine realistische Prosa, deren Hauptthema das Leben im ländlichen und provinziellen Russland vor der Oktoberrevolution ist. 1933 erhielt er als erster Russe den Nobelpreis für Literatur.


    EINIGE EINDRÜCKE:
    Durch manch andere russische Klassiker habe ich schon mal eine Ahnung bekommen von den Umwälzungen des 19./Anfang 20.Jahrhunderts: es ist – ähnlich wie es in anderen Kulturen zu eventuell anderen Zeiten der Fall gewesen ist – die Epoche der Veränderungen, des langsamen Niederganges alter Strukturen. Bunin erzählt hier eine Art Verfalls-/Verwaisungsgeschichte: die Enkel hören nur noch von den vergangenen Zeiten, vom alten Gut und der damit verbundenen Herrlichkeit… Und doch ist Bunin in all seiner Nostalgie und Wehmut nach dieser vergangenen Zeit scharfklar über all das, was da auch schief gelaufen ist: Im Verhältnis zwischen Herren und Dienern, Schein und Sein, Eltern und Kindern…


    Ich finde es toll, wenn man dann wie er also eine Liebe zu den Wurzeln verbindet mit einem aufrichtigen Blick auf eventuelles Elend. Dass beides in gewissem Sinne nebeneinander existieren kann.


    Darin und in anderen Aspekten (die so starke Bindung an Mutter Erde; das Sich Einreihen in eine Geschichte bei aller Unwiederbringlichkeit; ein tragisch-wehmütiges Element; ein gewisser Fatalismus etc.) gibt uns der Autor sehr tiefgehende Einblicke in das, was man so “die russische Seele” nennt. Einige Gedankengänge dazu waren von mich ergreifender Schönheit, insbesondere in den einleitenden und abschließenden Seiten, die die manchmal etwas bilderhaft und nicht direkt einordbaren und nicht linear erzählten Episoden der Familiengeschichte umrahmen.


    4ratten


    ASIN:

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    Verlag Ellermann


    Die deutsche Version ist wohl auch recht schwer erhältlich, so gebe ich die ISBN der französischen Ausgabe: 978-2845451179 und die Link zur französischen Übersetzung: http://www.amazon.fr/Soukhodol…2-8679651?ie=UTF8&s=books
    (Ich habe das Buch auf Französisch gelesen.)

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    ZUM BUCH: Ab 1975, noch im Gefängnis, beginnt der afrikanische Staatsmann Nelson Mandela seine Erinnerungen aufzuzeichnen. Das Leben dieses Mannes und die Geschichte seines Landes sind eng miteinander verwoben und so wird die Autobiographie zu einem Stück Geschichtsbuch des Kampfes nach Befreiung von der Apartheid.


    ZUR PERSON: Nelson Mandela wurde 1918 in der Transkei/Südafrika in ein Könighaus eines Stammes hineingeboren. In seiner Kindheit war er oft Hirtenjunge. Später lernte er in einer Missionsschule, studierte er Jura, engagierte sich an der Seite von Oliver Tambo in der Opposition zur Vormachtstellung der Weißen im Lande und wurde Rechtsanwalt. 1942 trat er dem ANC (African National Congress) bei und gründete dort eine Jugendorganisation. Nach Jahren des gewaltfreien Widerstandes drängte ihn die scharfe, gewalttätige Politik der Regierung zu einer Zustimmung zum bewaffneten Widerstand. Er wurde 1962 verhaftet und war bis 1990 im Gefängnis. Direkt nach seiner auch durch internationalen Druck bewirkten Freilassung setzte er sich für eine Politik der Versöhnung ein und erhielt 1993 zusammen mit dem Staatspräsidenten de Klerk den Friedensnobelpreis. 1994 wurde er zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt und blieb bis 1999 im Amt.


    EINIGE EINDRÜCKE: Wie eng können die Lebensgeschichte eines Menschen und die „große Geschichte“ miteinander verbunden sein! Und wie weit gingen/gehen einige Menschen in ihrem Kampf für die rechte Sache und nahmen Jahre des Gefängnisses in Kauf! Ich selber hege eine große Bewunderung für diesen Mann und das, was er auf sich genommen hat. Und dennoch ist er weit davon weg, eine Hagiographie zu schreiben: er „bekennt“ auch die Fehler und erscheint umso menschlicher. Wie er sich inmitten der 28-jährigen Haft einen Abstand, eine Menschlichkeit, einen Frieden bewahrt, ist mir ein Rätsel... Ich erinnere mich gut an seine Freilassung, die hier life im Fernsehen übertragen wurde: sie zögerte sich hinaus, weil er im letzten Augenblick noch „eine Bedingung stellte“. Er war nicht in Eile?! Wie Nelson Mandela hier sein Leben erzählt wird nie langweilig.


    Eine große Persönlichkeit und ein wunderbares Buch...


    4ratten

    Im Zentrum des Geschehens : ein Schuh auf einem Dach! Alle Personen des Romans stehen in Verbindung mit diesem Haus (dem Dach und diesem Schuh!) in der Nähe des Pariser Nordbahnhofs: ein verträumtes Kind, ein Eindringling in die Wohnung seiner ehemaligen Geliebten, ein paar Verbrecher, ein ehemaliger, nun aber zur Philosophie bekehrter Fernsehmoderator, ein melancholischer Hund, ein Immigrant ohne Papiere, eine exzentrische alte Dame, ein leicht eingebildeter, moderner Künstler, ein Einbeiniger, ein Ich-Erzähler nah am Rande des Selbstmordes...


    Die zehn Kapitel könnten fast so als Kurzgeschichten stehen: sie erzählen jeweils aus anderer Warte eine mögliche Variante des „Schuhs auf dem Dach“, Variante im Bezug, aber auch Variante im Stil: mal Anklage, mal Erzählung, mal märchenhaft etc. Und Delecroix schaut mit wachem und humanem Blick hinter die Fenster und Wohnungstüren (das erinnerte mich an die Strassenbahnszene im „Himmel über Berlin“ von Wim Wenders) und erzählt von diesen Leben mit ihren Schwierigkeiten und auch in ihrem jeweiligen Alleinsein. Alle Personen sind auf ihre Weise Einzelgänger. Doch für Delecroix scheint dies wie eine Grundbefindlichkeit des Menschen zu sein, vielleicht sollte uns dies also nicht abschrecken, denn eigentlich sind in diesen Geschichten, die miteinander durch Querverweise und eben gemeinsame Themen verbunden sind, Einsamkeit, Leid, aber doch auch Humor ganz nah beieinander. Schmunzeln, ja Lachen als auch ein wenig Nachdenklichkeit waren bei der Lektüre oft gleichzeitig. Und wenn so ein Schuh auf dem Dach eben was ganz Gewöhnliches sein kann, dann vielleicht auch jene einzelnen Schicksale?
    Für mich eine sehr schöne Entdeckung!


    4ratten


    Vincent Delecroix wurde 1969 geboren, lebt und unterrichtet Philosophie in Paris. Ein Schwerpunkt seiner Studien beschäftigt sich mit Kierkegaard.


    Bisherige Prosa:
    Retour à Bruxelles, récit lyrique, Actes Sud, janvier 2003.
    La preuve de l'existence de Dieu, monologues, Actes Sud, 2004.
    A la porte, roman, Gallimard, NRF, 2004
    Ce qui est perdu
    Dazu kommen philosophische Arbeiten…



    Broché: 217 pages
    Editeur : Editions Gallimard (30 août 2007)
    Collection : Blanche
    Langue : Français
    ISBN-10: 2070781550
    ISBN-13: 978-2070781553


    Link zur franz. Amazonseite : http://www.amazon.fr/chaussure…oks&qid=1194098113&sr=1-1

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    Zum Inhalt:
    Die stark autobiographisch geprägte Geschichte dreier Geschwister (Alexander, Helena und Nikolka) im Dezember 1918: In Russland herrscht Bürgerkrieg. Die Truppen des kaiserlichen Deutschland haben weite Teile der Ukraine besetzt. Kiew wird zum Sammelbecken für die Weißen: Bankiers, Adlige, Halbweltdamen auf der Flucht vor der roten Gefahr. Unter dem Ansturm der nationalistischen Truppen des Petljura fliehen Deutsche und mit ihnen Verbündete, so der Hetman. Doch bis zur Ankunft der Roten Armee im Februar 1919 werden nur zwei Monate vergehen. Die persönlichen Geschichten der drei Hauptfiguren sind eingebettet in das Treiben der großen Geschichte: Helena wird von ihrem Mann sitzen gelassen, da er mit den Hetmannsleuten flieht. Alexander (in mancherlei Hinsicht Bulgakows Alter Ego) wird sich als Arzt zu Verfügung stellen und verwundet werden. Nikolka steht im Gefecht, während Helena in Bangigkeit daheim wartet. (Quellen: siehe auch Amazon)


    Persönliche Eindrücke:
    Große Verwirrung prägte die Situation im Lande in diesen Jahren um die Oktoberrevolution. Man erahnt ein wenig, dass der Umsturz in Russland eben nicht eine Angelegenheit von einem Tag war, sondern, dass die Konflikte und Frontverschiebungen sich hinzogen und andauerten. Und manchmal waren mehr als zwei Parteien an den Auseinandersetzungen beteiligt! Ich bin dankbar, durch dieses Buch ein wenig die Komplexität der Revolutionsjahre zu erahnen. Es bleibt ungeheuerlich, durch welches Chaos dieses Land teils gegangen ist.
    Dieses Buch ist nicht von derselben stark satirisch geprägten Art anderer Bücher Bulgakows, auch wenn es ebenso hier ab und zu recht groteske Situationen gibt. Im Zentrum, mitten in der „großen Geschichte“, steht doch der einzelne Mensch, bzw. diese drei Geschwister Turbin (ein Familienname mütterlicherseits bei B.) mit ihren allernächsten Freunden. Das Individuum ist eben nicht abgeschafft. Mitten in den politischen Wirren suchen sie nach dem, was man etwas pathetisch Leben und Sinn nennen könnte. Tatsächlich taucht in einem Dialog des Buchanfangs diese „typisch russische“, und doch natürlich universelle, Frage auf: „Wie (kann/soll man) leben?“ Ausgedehnt könnte man Bulgakow auf die Frage hin durchlesen: Wie diese Zeiten der Konflikte und tiefsten Brüche überleben? Was wird uns retten? Gegen Buchende hin gibt er vielleicht einen zutiefst humanen Ansatz: Was Alexander (IHN) und somit letztlich die Familie gerettet zu haben scheint, war das mutige Tun zweier Frauen. Der Einzelne mit seinem Tun nimmt immer entscheidend Anteil an der Geschichte, bzw. dem Schicksal der Personen. Aber vielleicht sage ich dazu nicht mehr?!


    Über den Autor:
    Michail Bulgakow wurde am 15. Mai 1891 in Kiew geboren und starb am 10. März 1940 in Moskau. Nach einem Medizinstudium arbeitete er zunächst als Landarzt, zog aber dann nach Moskau, um sich ganz der Literatur zu widmen. Er gilt als einer der größten russischen Satiriker und hatte zeitlebens unter der stalinistischen Zensur zu leiden. Seine zahlreichen Dramen durften nicht aufgeführt werden, seine bedeutendsten Prosawerke konnten erst nach seinem Tod veröffentlicht werden.


    4ratten

    Da ich erst seit ein paar Tagen dabei bin, komme ich für einen richtigen Dialog zu spät (ich las in einem anderen Thread Deine Bemerkung). Ich las das Buch wohl zur selben Zeit wie elahub und war sehr beeindruckt von der Vielfältigkeit, mit der man das Buch angehen kann. Da gibt es soziale, politische, religiöse Perspektiven und ich fand vieles einfach sehr interessant.
    Doch bei der journalistischen Hervorhebung der politischen Aspekte hat man eventuell nicht immer gesehen, wie sehr dieses Buch auch literarisch echt was zu bieten hat. Die Querverbindungen zu Autoren wie Dostojevski und Kafka z.B. scheinen mir wirklich offensichtlich. Sicherlich ist es kein leichter Roman oder ein schneller Genuss, aber das Lesen dieses Buches hat mich echt bereichert. Seitdem spitze ich die Ohren, wenn von Pamuk die Rede ist!

    ZUM BUCH:
    Der Titel sagt es: Berlin-Moskau zu Fuß in drei Monaten. Auf den Spuren der Invasionstruppen Napoleons und dann, beim Russlandfeldzug, der deutschen Wehrmacht (und unter ihr der Gestalt des nie gekannten und irgendwo gefallenen Großvaters) durchquert Büscher im Hochsommer Polen, dann Weißrussland und erreicht im Winter Moskau.


    ZUM AUTOR:
    Wolfgang Büscher (* 20. Mai 1951 in Volkmarsen bei Kassel) ist ein deutscher Journalist und Autor und schrieb lange Jahre für die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und für die Zeitschrift Geo und leitete bis März 2005 das Ressort Reportage bei der Die Welt. 1998 erschien sein Buch Drei Stunden Null. Deutsche Abenteuer. Erhielt 2002 den Theodor-Wolff-Preis für seine Reportagen, 2003 den Kurt-Tucholsky-Preis und 2006 den Ludwig-Börne-Preis für hervorragende Leistungen in der Sparte Reportagen.


    EINIGE EINDRÜCKE:
    Büscher geht es nicht darum, einen vollständigen Bericht mit genauen Auskünften zu jedem Tag zu schreiben, sondern die hier wieder gegebenen Eindrücke und Begegnungen mit Menschen verschiedenster Schattierungen spiegeln in meinen Augen eher so etwas wie eine Atmosphäre wieder, in die man unweigerlich eintaucht, wenn man sich auch heute noch etwas abseits der eingefahrenen Touristenwege – und dann noch zu Fuß! – in Richtung Osten bewegt. Dieser rückt stets weiter weg: jeder sieht den Osten weiter im Osten... Und dann bis Moskau. Sicherlich erfährt man hier und da auch einige historische Gegebenheiten und lernt durch den Autor teils faszinierende Menschen mit ihren Geschichten kennen, doch das Wesentliche liegt noch dahinter.


    Wer eine romantische Reisebeschreibung erwartet, rate ich ab. Wer hineintauchen will in einige uns vielleicht manchmal nicht so angenehme Gegebenheiten des Ostens, aber mehr noch: des Wesens der Menschen dort, mag hier ein einfach hervorragendes Buch finden. Büscher versteht es, diese durchkreuzten Länder in ihrer historisch gewachsenen und vielleicht auch durch die Mentalität bedingten Komplexität und Widersprüchlichkeit darzustellen. Das man diese Beschreibungen teils düster oder nicht rosig empfindet, ist eher unser Problem. Der Autor lässt erahnen, wie sehr diese Landstriche in ihm etwas Tiefes hervorholen und auslösen.


    Nach meinen persönlichen Eindrücken verschiedener Besuche in Polen und Russland kann ich vielem einfach nur zustimmen. Die Lösung aber der so genannten Probleme in Osteuropa wird wohl nicht eine reine Verwestlichung und Angleichung an unsre Maßstäbe sein, sondern eine Identitätsfindung im Vertiefen der eigenen Schätze.


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    Taschenbuch: 240 Seiten
    Verlag: Rowohlt Tb. (Juli 2004)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 349923677X
    ISBN-13: 978-3499236778

    Ich finde mich in diesen Einschätzungen sehr gut wieder, insbesondere in den Worten "Andeutung und ungutes Gefühl". Ishiguro schafft es, die ihm anscheinend ganz eigene Atmosphäre aufzubauen, in der es auch so etwas wie Verunsicherung gibt. Vielleicht (?) ist das weit hergeholt, doch bei seinen Büchern denke ich oft an Kafka, wegen eben diesen Stimmungen.


    Schön, dass hier jemand dieses Buch entdeckt hat!

    Nach den Worten Carrères haben « Verrücktheit und Grauen » sein Leben und sein Werk zutiefst geprägt. Nach letzten Werken wollte er aus diesem Teufelskreis heraustreten und den vermeintlichen Ursprüngen von all dem in seiner eigenen Familiengeschichte auf dem Grunde gehen, indem er einen davon ausgehenden „Bericht“ schreibt. Dabei geht er insbesondere aus vom vermeintlichen Familientabu, dem im Herbst 1944 mysteriös verschwundenen russischstämmigen Großvater, der sehr wahrscheinlich aufgrund der „collaboration“ (mit den Deutschen) bei Bordeaux hingerichtet worden ist. Dieses nie offen ausgesprochene Geheimnis belastete sicherlich die (überaus bekannte) Mutter, Hélène Carrère d’Encausse und bis hinein in die Generation von Emmanuel. Seine Nachforschungen, seine innerliche Auseinandersetzung mit den Ursprüngen eines Teiles seiner Familie in Russland/der Sowjetunion führen ihn auf die Spuren eines in den Kriegswirren in Russland verloren gegangenen Ungarns, der im Jahre 2000 in einer psychiatrischen Anstalt wieder entdeckt wird. Carrère entscheidet sich für einen Filmbericht über sein dortiges Erleben und lässt sich auf ein unentgeltliches Mitleben in einer abgeschiedenen Stadt Russlands ein. Das Nacherzählen dieser Stränge und vor allem auch das gleichzeitige Erleben einer sehr intensiven Liebesbeziehung machen das Buch aus.


    Ich war sehr beeindruckt vom Schreibstil Carrères, den ich erstmals entdeckte: da ist eine oft sehr flüssig und leicht zu lesende Art! Was er aber erzählt ist manchmal nah dem Albtraum oder aber mir schon fast zuviel werdende ausführliche Beschreibungen sei es seines Liebeslebens oder recht privater Angelegenheiten. So wuchs manchmal in mir der Eindruck, zum Voyeur zu werden und ich frage mich, ob Carrère - er spricht dieses Problem selber ausdrücklich an - gut daran tut, auch seinen Angehörigen bzw. seiner Geliebten gegenüber, all das auf dem Marktplatz auszubreiten. Ich bin nicht zu einem abschließenden Urteil gelangt... Was aber durchaus fasziniert ist, wie es dem Autor gelingt, die Komplexität menschlicher Gefühle oder in all den in Russland spielenden Abschnitten die widersprüchliche Vielfalt der „russischen Seele“ wieder zu geben. Die Aufrichtigkeit und Schonungslosigkeit der Darstellung sind also meines Erachtens gleichzeitig die Stärken und die Schwächen dieses Buches. Wer so schreibt macht sich letztlich verletzlich, doch schreibt sich einen großen Teil seiner „Erblast“ von der Seele. Das verdient Respekt, auch wenn ich manchmal meinte, dass zur ganz großen Reife auch ein Stück Zurückhaltung und Andeutung als Ausdruck verwendet werden können.


    Trotz dieser Abstriche ein zu entdeckendes Buch!!!


    4ratten


    Broché: 356 pages
    Editeur : POL (1 mars 2007)
    Collection : FICTION
    Langue : Français
    ISBN-10: 2846821828
    ISBN-13: 978-2846821827




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