Beiträge von TanjaT

    Es war einmal 2009, da chattete ich mit einigen holden Leserinnen und mokierte mich darüber, keinen Lesestoff zu haben, auf den ich JETZT genau Lust hätte: Fluffig und leicht zu lesen, etwas Phantastisches ohne zu viel der klassischen Fantasy, von mir aus sogar was mit Liebe ohne zu viel Chick-Lit-Stil, sowas wie "Glenraven" von Marion Zimmer-Bradley oder "Schattenkuss" von Laurell K. Hamilton, die ich beide vor langem gern gelesen hatte.
    Man lauschte mir mit virtuell verständnisvollem Nicken und nachdem ich meine Wünsche angegeben hatte, betätigte sich Seychella als Fee und schlug mir "Grün wie die Hoffnung" von Nora Roberts vor.
    Den Autorinnennamen hatte ich schon zig Male gesehen, aber noch nie was von ihr gelesen. Also besorgte ich mir das Buch und ... kam wieder nicht zum Lesen. :rollen:


    Jetzt endlich war es soweit: Ich katapultierte den Roman nach vorn auf meinen SuB und legte los ...


    Der Tipp war gemessen an meinen Wünschen eigentlich ganz gut, muss ich fairerweise gestehen, dennoch war es nicht das, was ich mir vorgestellt hatte (warum kann man Vorstellungen auch nicht explizit und zeitweise extrahieren und anderen zur Verfügung stellen, wäre doch super!?).
    Im Großen und Ganzen kann ich mich Kialas Meinung anschließen:
    Schon auf den ersten Seiten nervte mich das Pseudodramatisch-Schwülstige extrem, aber ich lass mich SO schnell ja nun nicht ins Bockshorn jagen, also weiter gelesen.
    Der Druck und die Übersetzung sind total schlecht (und auf Übersetzungen achte ich an sich nicht so und bin Verfechterin deutscher Übersetzungen :breitgrins:). Da steht ein Anführungszeichen mal sinnlos und allein da und füllt eine Zeile, manche Sätze wirken einfach völlig schief durch verquere Wortstellung usw. - übrigens die 1. Auflage von blanvalet, die ich da gelesen habe.
    Die Charaktere sind blass, teils unglaubwürdig und seltsam sprunghaft, die Gewöhnung an die heutige Zeit ging mir auch viel zu schnell und zu reibungslos vonstatten, während manche Darstellungen ("Man nennt es Aufzug, Wohnung etc.) mir eigentlich echt schon zu blöd waren.
    Hektisch scharrt man mit den Füßen, wann es denn jetzt endlich los geht, wann Action ins Spiel kommt, wann alle beisammen sind - doch Spannung im eigentlichen Sinne habe ich zu 100% vermisst.


    Fazit:
    War einen Versuch wert, ist aber ganz sicher das erste und zugleich letzte Buch, das ich von Nora Roberts gelesen habe. *schüttel*


    1ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Bei der Bewertung gab es Pluspunkte dafür, dass die Autorin sich grundsätzlich vernünftig (im Sinne von vollständigen Sätzen) ausdrücken kann und zugleich ein Minus für die erwähnte Übersetzung und Umsetzung.

    Hallo Susan,


    tatsächlich stelle ich mir die meisten Fragen, die du dir stellst, nicht - beziehungsweise habe sie mir nicht gestellt. Ich finde, du gehst da mit zwei verschiedenen Messlatten um.



    - Amlis sagt irgendwo (Quellen später, das ist jetzt mehr so eine Assoziationssammlung), dass es Krankheiten gegeben hätte, "als die Menschen ANFINGEN, Fleisch zu essen".
    Also sind die Menschen biologisch keine Omni- oder Carnivoren????


    Hab diese Stelle nicht im Kopf. Könnte aber durchaus spirituell gemeint sein?


    Dann der ganze Aufwand mit Isserly (OP, Schmerzen, Verurteilung dazu, für immer ? anders als ihre Artgenossen auszusehen und hässlich gefunden zu werden) NUR für den Fleischkonsum einiger weniger?


    Wie sehr interessiert dich persönlich (oder dich als eine der Spezies Mensch) oder beeinflusst es dich persönlich, dass Menschen auf der Erde unter ganz armseligen Bedingungen leben und ihre einzige Chance auf ein halbwegs menschenwürdiges Leben wahrnehmen, indem sie für Hungerlöhne Knochenarbeit verrichten? Haben Textilschnäppchen, zum Beispiel billig in osteuropäischen Ländern oder China genäht, keinen Reiz auf dich und Menschen deiner Umgebung wegen des Backgrounds? Und kaufst du grundsätzlich keine Bananen aus Ecuador oder Ananas aus Costa Rica bzw. denkst über die Importbedingungen nach, wenn du welche im Discounter siehst? Und so weiter.



    Man tranportiert Fleisch auf diesen Planeten von der rel. unbeschadeten Erde (Isserly schwärmt ja immer von den Farben und er frischen Luft), statt sie z. B. zu koloniesieren, weil dort die Umweltbedingungen besser sind.


    Ich hatte beim Lesen eigentlich nicht den Eindruck, dass die Umweltbedingungen aus Menschensicht so positiv sind? Eher, dass sie als befremdlich wahrgenommen wird und z.B. Isserley mit ihrer Einstellung da eher allein da steht.


    Isserly hat keine Vorstellung davon, wie sie "Erbarmen" übersetzten soll, aber sie kennt die Bedeutung.
    Hm, wie wäre es mit Umschreiben?


    Will sie ja gar nicht. Ist ihr ja ganz recht, dass sie es Amlis nicht erklären kann in der Situation.



    - Isserly sprich mit Schafen und sympathisiert mit Hunden, hat aber auch Angst, als er Hund aus dem wohnwagen kommt.
    Sie müsste an sich aber schon Intelligenzunterschiede zu den"wotzeln" bemerken!?


    Sie spricht nicht mit Schafen, sondern behauptet es, um Amlis gegenüber nicht zugeben zu müssen, dass sie die Wotzelsprache beherrscht.
    Unterschiede wird sie ansonsten sicherlich bemerken, aber wieso sollte das dargestellt werden? Außerdem ist Isserley eh sonderbar und vermenschlicht zu einem gewissen Teil ja auch Maschinen.


    Die Wotzel werden im allg. für dumm und nicht zu Gefühlen fähig ? befunden.
    Dumm?


    Sicher, sind doch nur Tiere. :zwinker:


    Schließlich landet man auf einem Planeten, der von ihren Bauwerken und ihrer Technologie übersäht ist????


    Es ist bekannt, wie ausgeklügelt Ameisenkolonien sind, dass Affen das Kommunizieren mit dem Menschen in gewisser Weise erlernen können, dass Wale sich quasi weltweit untereinander verständigen können. Werden sie deshalb als allgemein intelligent und uns Menschen ebenbürtig angesehen? Dem Lebertran nach ... eher nicht.
    Hunde können auch lernen und Kunststückchen vollbringen, trotzdem isst man sie in China, während wir hier Kühe essen, die in Indien heilig sind. Und das sind Menschen desselben Planeten, die sich uneinig sind, keine Außerirdischen.


    M. E. verpasst der Autor die wichtigesten Stellen und Chancen zur Ausarbeitung interessanter Darstellungen:


    Ja, einige Details mehr hätten mich da auch interessiert, das stimmt.



    (Isserly sagt irgendwo, sie müsse nicht jeden Tag arbeiten, sie sei ja keine Sklavin; aber ihr Körper wurde komplett zerstümmelt und verunstaltet und sie hat ständig Schmerzen, nur um ihre Arbeit ausführen zu können!)


    Das war aber aus Sicht der Arbeitgeber ihre persönliche Wahl, die sie lieber getroffen hat, als dass sie in die Siedlungen geht. Gezwungen hat man sie nicht.


    Wie sehen die "Wotzel" ihre Situation: darüber wird GAR NIHCTS gesagt!!! :grmpf: Was denken die Wotzel, wo sie sind und was mit ihnen passiert, wie sehen die Wotzel die Menschen? usw


    Finde ich eher uninteressant. Alptraum, Monster, Aliens, irgendwas in der Art halt. Wäre ein totaler Bruch in der Perspektive, der - wäre er vorhanden - sicher nicht gut ankommen würde. Die perspektivischen Wechsel hat Faber bei den Anhaltern rein gebracht, das war schon sehr viel - und zwar auf eine noch nachvollziehbare Weise (insgesamt WILL er ja, dass der Leser die Nähe eher zu den Menschen als zu den Wotzeln verspürt), die auch noch die einzelnen Situationen, Reaktionen und "Wotzeltypen" genauer unter die Lupe nimmt, also einen Mehrwert für die Geschichte bietet.


    Warum wird nur Wotzelfleisch verwendet, warum keine anderen Tiere z. B. Vögel, die auch auf 2 Beinen gehen?


    Warum essen wir Schweine, Rinder und Hühner, aber (hier) keine Hunde, Affen und Spatzen?
    Ausgeschlossen wird ja auch nicht, dass auch anderes Fleisch verwendet wird, aber das vielleicht vom eigenen Planeten. Die Wotzel können ja auch nicht einfach so verwendet werden, sondern bedürfen einer längeren besonderen Behandlung, und an etlichen Stellen wird ja auch erläutert, dass die meisten Dinge der Erde für die Menschen ungenießbar bis gesundheitsschädlich sind. Wird man in gewissem Maße also schon ausprobiert haben.



    -- Warum ist Fleisch bei ihnen so wichtig; wo es doch fast keiner bekommt?


    Wirtschaftliches Interesse. Warum schlürfen Leute Austern oder geben viel Geld für bestimmte Fischeier aus usw.?


    Warum kamen sie nicht vorher schon auf die Idee mit der Zucht?


    Naja, die ganze Geschichte mit dem Export ist ja noch recht neu, also ist man bisher einfach noch nicht auf den Gedanken gekommen, selbst "anzubauen" oder hat die Möglichkeit gezielter Zucht vielleicht nicht gesehen.



    Ach ja: Ein Amazonrezensent deutet an, dass die unbekannten Begriffe evtl. durch Anagramme entschlüsselt werden können(Originalversion und mit englischen Begriffen Anagramme bilden); hat das mal jemand versucht?


    Interessant! Nein, habe die deutsche Ausgabe gelesen.



    Hallo nimue,


    tatsächlich finde ich, verraten wir wenig Konkretes. Kannst du jetzt schlecht beurteilen, weil du das Buch selbst nicht kennst und ich auch nicht, weil ich es bereits gelesen habe, aber so war mein Eindruck im Verlauf und darum habe ich mich eigentlich auch bemüht.


    Susan, was meinst du denn dazu?


    Gruß,
    Tanja

    Hallöchen,


    tja, erst auf dich gewartet, Breña, dann Nachtdienste gehabt, dann dicke Erkältung. Irgendwas ist immer, ich weiß - aber jetzt mal zu meinem Abschlusskommentar hier. :zwinker:



    Bei Amlis' Beschreibung heißt es "...stand er nackt auf allen vieren, seine Gliedmaßen waren alle exakt gleich lang und auch alle gleich geschmeidig." (S. 148). Und so, wie Faber ihre Bewegungen beschreibt, wie sie z.B. Hände und Füße gleichermaßen benutzen, passen für mich Lemuren eindeutig am besten, nur in anderen Größenverhältnissen. Und mit mehr Gelenken in den langen Giedern.


    *grummel*, du kommst ja schon wieder mit genauer Quellenangabe. Ist recht ... aber, aber, nee ... also in meinem Kopf bleiben sie hinten tiefer gelegt, so. :pueh:



    Nein, ich esse gerne Fleisch, auch wenn ich zeitweise gut darauf verzichten kann.


    Aber war nicht irgendwer bei den Treffen im UpH
    Vegetarier? :gruebel: Naja, ich habe jedenfalls neun Jahre lang vegetarisch gelebt und diesbezüglich muss ich sagen, hat das Buch mich sehr wenig berührt. Diese Erbarmen-Stelle, die fand ich schon recht ergreifend, und auch dieser Satz "Sind ja nur Tiere" mal aus einem anderen Kontext, halt in dem des Romans, das fand ich sehr gelungen.



    Der zweite Teil dieses Kapitels war für mich gar nicht nachvollziehbar, weder die plötzliche Neugier noch die folgende Gier nach Blut.


    Na, so ein Glück. Ich fürchtete schon, du hättest da jetzt eine ganz logische Begründung für oder so. :breitgrins:



    Er ist schließlich nicht unentdeckt geblieben und hat obendrein den Arbeitern und somit seinem Vater ordentlich Scherereien bereitet. Ihm wird nichts anderes übrig bleiben, da [...] Dass die Annäherung zwischen ihm und Isserley so kurz vor seiner Abreise stattfindet, ist ein geschickter Schachzug von Faber, denn so hat Isserley kaum noch die Möglicheit ihn zu verteufeln und seine Abreise entreißt ihr erst recht den Boden unter den Füßen.


    Genau, sowas meinte ich eben mit der logischen Argumentation. :zwinker:
    Ja, ein geschickter Schachzug durchaus, andererseits schon auch ein bisschen, hm, platt, findest du nicht?



    Wahrscheinlich ist er hier einfach Realist: die beiden können eben nie zueinander finden. [...] Ich bin ganz froh darüber, dass sich zwischen den beiden keine wirkliche Romanze entspinnt, das hätte absolut nicht zur derzeitigen Stimmung gepasst.


    Ach so, Realismus. Naja, in sowas Abgefahrenes kann ich mich schlecht reindenken. :breitgrins:
    Nein, so eine Romanze hätte mich auch die Augen verdrehen lassen, muss ich gestehen. Hatte zwischendurch ein bisschen Angst beim Lesen, dass sowas käme.



    In Kapitel zwölf ist Isserley endgültig ganz unten angelangt. [...] Dennoch findet sie die Kraft sich wieder aufzurappeln und einen Neustart zu wagen, was zwar bemerkenswert ist, aber offenbar nach hinten losgeht. Ich fand dieses Kapitel sehr bedrückend, Isserleys ausweglose Situation wird von der des Anhalters gespiegelt und verstärkt.


    Bedrückend fand ich dieses Kapitel auch, allerdings ist bei mir vor allem die Sache mit der Notiz von Esswis hängen geblieben und ich habe sie für das Weitere - zumindest ganz konkret - noch viel mehr verantwortlich gemacht als Amlis' Abreise. Das ist eine ganz komische Situation, die mich vielleicht deshalb auch so beschäftigt hat, weil ich mich gut reindenken konnte. Ich war in einer Ausbildung ja mal eine Art Huhn im Korb, da ich die einzige Frau in einer reinen Männerklasse war. Nach einem halben Jahr wurde angekündigt, dass wir noch "ein paar Neue" bekommen und nach ein paar Tagen sprach mich einer der Lehrer an und meinte, es käme auch noch eine Frau. Ich hab mich in dem Moment unheimlich darüber gefreut, weil es "allein unter Männern" doch sehr viel anstrengender war auf Dauer, als ich gedacht hätte (zumal mein Freundeskreis hauptsächlich männlich ist, hat mich das damals sehr überrascht). Ich war dann völlig perplex, als mir von den Kollegen praktisch prompt vorgeworfen würde, ich würde nur so tun, als freue ich mich, eigentlich würde ich doch hoffen, es käme doch keine. Auf der Basis sind natürlich einige hitzige Diskussionen entstanden, in denen die Kollegen argumentierten, ich würde ja dann als Frau nicht mehr im Mittelpunkt stehen oder hätte bestimmt Angst, dass die Neue dann besser aussieht, man sich mehr um sie kümmert und bemüht und so weiter. Ich fand das alles ziemlich abgefahren und seltsam, kann mich aber noch sehr gut daran erinnern, weil ich mir damals unheimlich viele (und Wochen lang) Gedanken darüber gemacht habe, ob ich da wirklich Angst um "mein Revier" haben "müsste" oder ob an den Kommentaren was dran ist, das ich nur nicht zugeben will oder so. Letztlich habe ich es nicht herausgefunden, weil die ominöse Fremde es sich anders überlegt hat und nie zu uns kam. Ich war also bis zuletzt die einzige Frau in der Klasse.


    Die Ankündigung im Buch ist ähnlich, die Reaktionen sind im Vergleich zu meiner realen Erfahrung aber genau umgekehrt. Alle freuen sich für Isserley, sie selbst sieht die potenzielle Ergänzung aber als Bedrohung an. Anfangs erwähnte sie ja, es reiche eigentlich einer pro Woche, warum sie sich überhaupt so anstrenge usw., und die anderen stimmen ihr da ja auch zu, wenn es ansteht. Die Notiz besagt aber etwas anderes und zeigt eine andere Perspektive, die man als Leser ja so nicht mitbekommt (nur einige Hintergrundinfos von Amlis). Anstatt ihre Arbeit und ihre Mühen, bei denen sie sich im Grunde selbst aufgegeben hat, zu würdigen, will man, dass sie mehr arbeitet.
    Das Ganze steht vermutlich, so wie es wiedergegeben ist, auf rein wirtschaftlicher Basis für diejenigen, von denen die Nachricht stammt, nicht aber für Isserley.
    Ich glaube, dass ihr das noch mehr den Boden unter den Füßen wegzieht als alles andere.


    Gespiegelt und verstärkt durch den Anhalter? Meinst du, dass sie sich auf Grund seiner Ausführungen mit den Hunden identifiziert (den eigenen Platz kennen)?
    Mich hat dieser Teil sehr nervös gemacht, denn bei sowas bin ich etwas seltsam. Ich kann mit fiktiven Folter-, Verfolgungs-, Mordopfern, also mit Krimis, Thrillern, Horrorliteratur unheimlich gut umgehen, die betreffen mich selten irgendwie wirklich, aber wenn Tiere ins Spiel kommen, macht mich das wahnsinnig. Leidende Tiere und derlei mehr stürzen mich immer in absolute Fassungslosigkeit und Trauer, auch wenn es fiktiv ist und völlig irrational. Naja, so ist es aber nun mal. :angst:
    Ich hatte also ziemlich Panik davor, dass der gute Mann nicht mehr nach Hause kommen könnte ... und hab dann auch sehr eilig das dreizehnte Kapitel nachgeschoben.



    Als sie in Kapitel dreizehn die Entscheidung trifft, Ablach Farm hinter sich zu lassen, scheint sie tatsächlich gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Ich konnte mir nur die gesamte Zeit nicht vorstellen, wie sie ihre Pläne tatsächlich verwirklichen wollte. Das von Faber gewählte Ende ist wahrscheinlich das einzig mögliche und hat mir ausgesprochen gut gefallen. Man kann sich vorstellen, dass sie zuletzt glücklich war, weil sie ihre Entscheidung umgesetzt hat und darüber hinaus die Natur genießen konnte, auch wenn es nicht die von ihr geliebte Küste war.


    Das kann ich nur genau so unterschreiben und zitiere dich daher hier auch mal vollständig.
    Die Stimmung fand ich hier durch den Anhalter übrigens viel besser gespiegelt als im Kapitel zuvor.
    Seeeehr bemerkenswert fand ich übrigens den Zeitpunkt, an dem Isserley ihre Entscheidung getroffen hat, denn sie weist ja von vornherein darauf hin, dass man bitte den Anhalter wegschaffen möge.


    Hat mich vom Ende her übrigens ein bisschen an die erste Romantrilogie zum RPG "Engel" erinnert (von Severin Rast und Oliver Hoffmann). Dazu hatte ich mal ein Telefoninterview mit Oliver Hoffmann geführt, nachdem ich den ersten (oder die ersten beiden? Weiß ich nicht mehr genau) Band gelesen hatte. Im Rahmen des Interviews sagte ich bzgl. des Protagonisten etwas wie: "Aber da sind ja gar keine Perspektiven mehr. Er kann ja im Grunde im weiteren Verlauf nur noch zur Hölle fahren!" - und Olivers Kommentar war ziemlich trocken in etwa: "Naja, dann weißt du ja eh schon, wie es ausgeht." :breitgrins:


    Sorry für die laaaange Wartezeit nochmals!


    Mein Fazit auf Grund des Gesamteindrucks:


    4ratten


    Susan, hast du das Buch schon? Und?


    Herzliche Grüße,
    Tanja

    Also ich hab es bei Tauschticket eingestellt, bist du da? Falls nicht, tausche ich auch gern gegen ein anderes Buch oder so. Kannst mir bei Interesse ja eine PN schicken.


    Grüße,
    Tanja


    EDIT:
    Tauschticket gibt's für Österreicher gar nicht, gell? Hab ich eben erst gesehen. Im Tausch schick ich es dir aber dennoch gerne zu.

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Claudia Frenzel: Nö
    dtv, 2002



    Inhalt:


    Miriam leidet an "polyphasischem Schlafmuster des desorganisierten Typus", was in ihrem Fall bedeutet, dass sie immer nur etwa zwei Stunden schläft, die aber häufiger über den Tag verteilt. Meist überkommt die Müdigkeit sie schlagartig und egal, wo sie sich befindet, sie muss dann innerhalb kürzester Zeit schlafen gehen - oder schläft einfach ein. Diese Erkrankung macht einen normalen Tagesablauf für Miriam unmöglich. Zum Glück hat sie Eltern, die betucht genug sind, dass Miriam ihre große Wohnung allein bewohnt, während sie auf Reisen sind, zwar hat sie einen Job in einer Redaktion, in dem sie nach Bedarf stundenweise und auch mal von zu Hause aus arbeiten kann, eine reguläre Ausbildung kommt für Miriam aber nicht in Frage. Freunde hat sie - und auch wieder nicht, denn die Freundschafts- und Beziehungspflege ist nicht leicht bei dieser Diagnose, und das alles macht Miriam zu einem nur bedingt verträglichen Typ.


    Kritik:


    Ich stehe dem Buch ein bisschen gemischt gegenüber. Es ist nicht schlecht, das vorweg, und es ist zügig zu lesen. Miriam ist etwa Mitte bis Ende 20 (das genaue Alter wird nicht erwähnt oder ich habs nicht mehr im Kopf), ihr Verhalten orientiert sich auf Grund der Erkrankung allerdings nicht so wirklich an ihrem Lebensalter.
    Einerseits ist sie ein sehr selbstständiger und intelligenter Typ, der einem sympathisch ist, auch und gerade weil sie so vieles an der Gesellschaft an sich und um sich herum zu kritisieren hat. Sie findet alle möglichen Leute schablonenhaft, ihre Selbsthilfegruppe und etliches andere überflüssig und lächerlich. Sie ist enttäuscht und verletzt, weil sie nicht so wirklich ins Bild passt und oft als Arbeitsfaule oder gar Obdachlose angesehen wird, was sie durch ihre oft schlampigen Klamotten und eben den Nachteil, auch schon mal in der Öffentlichkeit einzuschlafen, andererseits unterstreicht.
    Natürlich ist auch Liebe ein Thema, aber das - wie alles andere auch - eher auf Teenagerart. Sie will sich binden und dann doch nicht, reagiert sehr überzogen auf Männer im allgemeinen und kann sich nicht so wirklich entscheiden, was sie will.


    Genau diese Unentschlossenheit und dieses zunehmend ziellose Gemecker machen Miriam aber zu einem immer mehr nervenden Typ. Mehrfach wird Bret Easton Ellis' "American Psycho" im Roman erwähnt und ich finde, man merkt deutlich, dass sich die Autorin daran eine Art Beispiel zu nehmen versucht hat. Zwar gibt es keinerlei Gewalttaten oder so etwas, aber die Aufreger und die Verurteilung anderer von Miriam sind teils einigermaßen derb und vor allem das Namedropping hat Claudia Frenzel übernommen - und das passt nicht wirklich.
    Gut, das Ganze spielt in München und richtet sich entsprechend gegen die Münchner Schickeria, okay, nette Idee, aber dieses Namedropping von einer eigentlich außen stehenden Person, die sich - angeblich - für all das auch nicht interessiert und durch ihre Bissigkeit auch schon mal eine Party sprengt, das fand ich ätzend bis unglaubwürdig.


    Für mich insgesamt ein seltsames, aber relativ spannend und vor allem schnell zu lesendes Buch, aber eines, das nicht genug durchdacht wurde und im Ganzen einfach nicht rund genug geworden ist, sich nicht genug für eine Richtung entscheidet.
    Da ich außerdem zu denen gehöre, die sich mit Übergewicht plagen, sind mir auch gerade die Abfälligkeiten über "Dicke", die mehrfach auftauchen, sehr negativ aufgestoßen, muss ich sagen.


    Gruß,
    Tanja


    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    In meiner Vorstellung ähneln die Menschen im wesentlichen unseren Lemuren (leg mich jetzt bitte nicht auf eine Art fest).


    Witzig, vom Kopf her ist das bei mir ähnlich. Aber der Körper, den stelle ich mir irgendwie anders vor. So ein bisschen wolfsähnlich, aber größer und "schiefer" (also vorn größer als hinten).



    Ach, jetzt wo Du's sagst fällt mir auf, dass er nicht mehr unter Niederlande bei mir auftaucht.


    Laut Zuordnungsliste Australien oder Großbritannien. :zwinker:




    sollen wir die erste Leserunde für's nächste Jahr planen? :breitgrins:


    2010 bleibe ich eisern. Ich WILL meine Schränke leer(er) kriegen, dringend, unbedingt. Also wenn du noch SUB-Überschneidungen findest, gern auch dieses Jahr, ansonsten erst mal schauen, was ich 2010 so gelesen kriege.


    Faber weiß, was er tut.


    Stimmt, ich halte das Buch für zu 90% etwa sehr gut durchdacht (der Rest bestimmt auch, aber der kommt bei mir irgendwie nicht an).



    Allerdings sind Isserleys Überlegungen und Handlungen für mich zumindest nachvollziehbar, wenn man ihren Zustand bedenkt, aber vermutlich hast Du das gemeint?


    Jepp!



    Faber schafft es auf jeden Fall eindrucksvoll, ihre Verzweiflung und Einsamkeit darzustellen, ohne dem Leser plump zu verstehen zu geben, dass Isserley nun mal in beiden Welten ein Freak ist.


    Wieder: Jepp! Wobei ich es nicht einmal so klasse finde, dass es nicht so plump ist, sondern vielmehr, dass die Tragik des Ganzen so viele verschiedene Ebenen hat und bekommt.


    Im siebten Kapitel fand ich allerdings auch die Enthüllung wichtig, dass sie ihre Isolation selbst gewählt hat - das heruntergekommene Cottage, nur der nötigste Kontakt zu den Männern.


    Und auch das ist doppelt tragisch. Einmal, weil es so ist und dann, weil sie es trotzdem nicht wirklich checkt. Ihr Verstand weiß das, bis zum Bauch kommt dieses Wissen nicht, so dass sie keine Schlüsse daraus zieht.



    Kapitel acht war wieder handlungsreicher. Die Geschehnisse in der untersten Etage lassen mich zwar meine Einstellung zum Vegetarismus nicht neu überdenken, haben mich aber durchaus gefesselt. Interessant, was man hier über Amlis und vor allem über Isserley herauslesen kann, aber auch über die Kultur der Menschen (im doppelten Sinn - siehe z.B.: Seine Botschaft lautete Erbarmen. Diesem Wort war sie bei ihrer Lektüre eher selten begegnet, und im Fernsehen war es nie vorgekommen. S.227).


    Welche Einstellung zum Vegetarismus hast du denn? Bist du nicht Vegetarierin? *grübel*


    Dieser erste Teil des achten Kapitels hat mir neben dem neunten und elften Kapitel bislang am besten gefallen, das mal am Rande. Bei "Erbarmen" hab ich schon schlucken müssen. Was die Andeutungen betrifft, so kommt sowas ja tatsächlich öfter (Mist, jetzt hab ich das Buch nicht zur Hand und kann nichts nachschlagen oder zitieren). Ah, doch! Irgendwie steht sinngemäß "Er war sicher ein Arbeitsloser. Alle Arbeitslosen, die sie bisher aufgelesen hatte, trugen diese komischen Strickpullover. Wahrscheinlich zwang die Regierung sie dazu ... als wenn die Wotzel unter sich auch gern aussortieren würden". Wie gesagt: sinngemäß wiedergegeben.
    Der zweite Teil des achten Kapitels war geschickt platziert. Mit sowas hatte ich schon viel früher gerechnet (wie du ja auch), aber an der Stelle des Buches - und somit zu Isserleys dortigem Zustand - wirkt sich die Szene natürlich nochmals mehr aus. Ich finds ein bisschen konstruiert, einfach um Isserleys Probleme weiter auf die Spitze zu treiben, aber geärgert hat es mich nun nicht.


    Amüsant war lediglich die kleine Spitze, sie habe ihre Brüste nach Vorbildern aus einer Zeitschrift, die Eswis geschickt habe, sie müsse ihn aber bei Gelegenheit darauf hinweisen, dass die Fotos daraus ganz und gar nicht der Realität entsprechen.


    Genau, wieder so eine Anspielung. :smile:


    Das neunte Kapitel hat mir wegen der Beschreibungen unheimlich gefallen. Nicht die Landschaft an sich, sondern die Sinnbilder, die darin stecken (z.B. das mit den Robben). Und das Kapitel zeigt - neben der Szene im dritten Kapitel, die du schon bemerkt hattest - noch eine ganz andere, sehr intuitive und gefühlvolle Seite an Isserley selbst. Eigentlich finde ich, dass ihre "positiven" Emotionen bei diesen Landschaftsvergleichen a) am besten und b) streng genommen nur dort zum Tragen kommen.


    Beim zehnten Kapitel haben mich die ersten beiden Seiten unheimlich begeistert. Ich stehe ja total auf solche Mittel wie Wiederholung, wenn sie gut eingesetzt sind - und das finde ich hier. :breitgrins:
    Bei William habe ich nach der Geschichte mit dem Erbarmen zum zweiten Mal schlucken müssen. Auch sehr tragisch, wenn man die beiden Gedankengänge gegenüber stellt ... findet Isserley im nachhinein ja auch. Kurz vor dem Kollaps, die Gute.
    Tja, dass sie sich dann alles mal genau ansehen will, um ihre Situation mal anders anzugehen und zu verarbeiten, das kann ich gut nachvollziehen. Diese plötzliche Lust auf Blut und Gewalt verstehe ich aber ehrlich gesagt nicht. Ich halte mich nicht für einen Gutmenschen und hatte auch schon Anflüge "negativer Energien" :breitgrins: (also war stinksauer, hegte Rachegelüste usw.), aber selbst in einer so krassen Situation wie der von Isserley kann ich diese Szene nicht nachvollziehen, und verstehen kann ich sie entsprechend auch nicht. Weiß nicht, das geht dann für mich von der Intensität her doch deutlich über Stimmungsschwankungen hinaus ... :rollen:


    Ich gebe zu, auch das elfte Kapitel gelesen zu haben ... wie oben schon erwähnt, eins der schönsten, wie ich finde. Amlis ist mir spätestens da sehr sympathisch und wirkt authentisch auf mich. Die Diskussionen zwischen den beiden finde ich sehr spannend (und beide haben irgendwie Recht), aber auch von Isserleys Welt erfährt man hier mit am meisten. Das mit dem Fleischpreis fand ich beispielsweise auch sehr krass.
    Noch spannender wird das Kapitel dann beim gemeinsamen Ausflug, weil da endlich auch mal Landschaftsbeschreibungen gegenüber gestellt werden, so dass man mal wirklich ein Bild von Isserleys Herkunft bekommt, zumindest ansatzweise, das über vage Andeutungen und die Beschreibung der Bewohner hinaus geht.
    Sehr süß fand ich die Szene mit den Schafen. :smile:
    Zwei Dinge kann ich aber auch in dem Kapitel nicht ganz nachvollziehen. Einmal verstehe ich nicht, wieso Amlis es so eilig hat, obwohl Isserley und er sich doch wirklich mal näher kommen, er echte Informationen bekommt und ihm sich quasi eine neue Welt eröffnet, von der er viel mehr berichten könnte, umso mehr er weiß. Und da er ohnehin inoffiziell dort ist und es Isserley auch noch schlecht geht, kommt es auf einen oder zwei Tage mehr oder weniger doch gar nicht an?
    Und wenn er Isserley doch so sympathisch findet, wieso weist er sie dann genauer auf Ensel hin? Sowas würde mir ja im Leben nicht passieren ...
    Dass Amlis aber so entschlossen ist am Ende des Kapitels, hat bei mir auch gleich die kurzzeitig geweckte Hoffnung zerstört, dass Isserley noch mal die Kurve kriegt. Nee, ich glaube nicht.


    In zwei Kapiteln wissen wir alles! Ha!
    (Offen gestanden weiß ich alles in einem Kapitel, ich hab das zwölfte nämlich auch schon gelesen, weil ich nicht weiß, inwiefern ich heute zum Lesen kommen werde - und ich würde heute gern den Rest lesen *hüstel*. Ich schreib aber erst was zu den letzten beiden Kapiteln, wenn du mindestens beim elften angekommen bist).


    Grüße,
    Tanja

    Hallo mausezahn,


    meinst du mit Kleinschreibung, dass sie das ganze Buch so verfasst hat? Wäre wichtig für mich, da das für den Titel einen absoluten Knockout bedeutet (für mich).


    Grüße,
    Tanja

    Wobei ich noch Probleme habe, mir die eigentliche Gestalt der "Menschen" vorzustellen. Aber das Rätsel um die Augen wurde doch gelöst, bei der Beschreibung von Amlis Vess heißt es: "seine großen Augen bildeten vollkommene Kreise". Reicht Dir das nicht? :zwinker:


    Doch, mittlerweile habe ich eine ganz gute Vorstellung von den "Menschen". Ob die so richtig ist, ist eine andere Frage, aber ich habe sie zumindest seit knapp zwei Kapiteln nicht mehr korrigieren müssen. Wegen der Augen: Stand denn nicht irgendwo was davon, dass Isserley besonders kleine Augen hätte? Oder meine ich das nur? Die Kreise stelle ich mir an sich nämlich recht groß vor irgendwie.




    Ich bin ganz ohne Erwartungen an das Buch herangegangen (schon gar keine Thrillerhandlung) und habe von meinem ersten Faber-Leseerlebnis auch eher eine gemächliche Erzählweise in Erinnerung. [...] Bei mir gibt es momentan, nach dem fünften Kapitel, eine kleine Flaute, weil die wichtigsten Fragen geklärt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Faber nochmal einen solchen Spannungsaufbau hinbekommt und lasse mich überraschen, welche Wendung die Geschichte nun nehmen wird.


    Ähm, nein, ich habe bei diesem Buch jetzt keine Thrillerhandlung erwartet. Ich wollte damit nur sagen, dass ich ja u.a. bevorzugt Thriller lese, die üblicherweise ja ziemlich steil sind, was Spannungskurven betrifft. Und da ich "auf sowas stehe", machen mich Gemächlichkeiten in Büchern manchmal nervös. :zwinker:
    Von Faber habe ich selbst zuvor noch nichts gelesen (lässt sich übrigens für Australien zählen, wenn man mag), auch wenn mir "Das karmesinrote Blütenblatt" schon oft ans Herz gelegt wurde.



    Ihre Abneigung gegen die unterste Etage erkläre ich mir auch eher anders, nicht allein durch Ekel. Wahrscheinlich spielt der auch eine Rolle, aber wenn sie von den Neuen Siedlungen spricht, die offenbar unter der Erde liegen, wird ihre Abscheu demgegenüber deutlich, und an anderer Stelle wird ihre Klaustrophobie erwähnt. Außerdem scheinen dort unten nicht nur die Tötungen stattzufinden, sondern auch der Rest, also z. B. die Mast. Daher ist die Gefahr groß, dass sie einen der Anhalter als Person wiedererkennen kann.
    [...]
    Ihr Verhalten Amlis gegenüber fand ich auch nicht ganz schlüssig, habe mir ihre Dominanz aber so erklärt, dass sie ihre Stellung auf dem Hof stärken muss/ möchte.
    [...]
    Trotzdem hat mich ebenfalls der Gedanke beschlichen, dass sie sich in der Welt der Wotzel recht heimisch fühlt...


    Ja, die Klaustrophobie hatte ich da nicht einbezogen, stimmt. Mittlerweile driftet das Buch diesbezüglich (Isserleys Stand/Emotionen) ja auch in eine andere Richtung, dazu gleich mehr.




    Das hattest Du so errechnet (nein sorry, es waren 36 Seiten), weil für mich am 14.1. die nächste Leserunde startet. Zumindest hatte ich es so verstanden. [...]
    ...übrigens besitze ich gar kein Nudelholz. :pueh:


    Hatte ich schon wieder vergessen, dass ich sowas ausgerechnet hatte (eieiei ...).
    Und Nudelhölzer habe ich zwei. Brauchst eins? :zwinker:


    Mittlerweile habe ich das sechste Kapitel gelesen, das das Buch meiner Meinung nach in eine etwas veränderte Richtung bringt. Isserleys Befinden, ihre Gefühle und Gedanken werden hier langsam deutlicher und ich konnte beim Lesen deutlich merken, wie sich einiges aufstaut. In diesem Kapitel geht das für mich eher in eine Burnout-Richtung, also Überlastung, Stress. Hier kam mir dann erstmals auch so richtig in den Sinn, dass ihr gesamtes Verhalten mit Amlis Vess so ziemlich gar nichts zu tun hat, sondern dass sie ihn nur als Projektionsfläche nutzt.


    Im siebten Kapitel hat sich diese Wahrnehmung noch mal extrem verstärkt und ich sehe Isserley da in einer Spirale, die rapide abwärts führt. Ihre Gedankengänge, Schlüsse und ihr Verhalten wird für mich immer weniger schlüssig, allerdings nicht in dem Sinne, dass es schlecht geschrieben wäre, sondern in eher ... hm ... psychiatrischer Hinsicht, sag ich mal. Sie macht aus ihrer Verzweiflung heraus erste Schritte in Richtung der anderen "Menschen" auf der Farm, aber auch Amlis Vess hat hier eine ganz andere Rolle bekommen. Vorher war für mich unklar, ob daraus noch eine Liebesgeschichte entsteht, ob Amlis Vess Freund oder Feind wird usw., im siebten Kapitel sehe ich ihn eher funktionell, so ein bisschen als Spiegelbild, das Isserley nicht haben will und dessen Reflexionen ihr auch so gar nicht gut tun, weil sie ohnehin ganz schön bodenlos ist derzeit.
    Für den weiteren Buchverlauf (noch 158 Seiten, Hälfte ist also schon deutlich überschritten) sehe ich daher momentan ziemlich schwarz, was Isserleys Entwicklung angeht. Gerade das siebte Kapitel hat auf mich deutlich den Eindruck gemacht, dass sie letztlich vor die Hunde gehen wird. - Andererseits bin ich auf die weitere Entwicklung des Buches jetzt gespannter als noch vor 2-3 Kapiteln.


    Grüße,
    Tanja

    Nach der Lektüre des dritten Kapitels verstehe ich deine Vermutung mit den Außerirdischen und denke genauso. Total spannend finde ich Fabers Beschreibungen irgendwo zwischen Ist- und Soll-Zustand, was Isserleys Optik angeht. Man geht vom Menschen aus und switcht dann irgendwie dauernd hin und her und verschiebt das Bild, das man vor seinem inneren Auge hat, immer ein Stückchen mehr, gell? Mir ging es zumindest so - auch wenn das Rätsel um die Augen (ja, die beschäftigen mich wirklich besonders :breitgrins:) noch immer nicht ganz gelöst ist. Immerhin meine Fake-Brillenidee wurde aber beantwortet. :zwinker:


    Im vierten Kapitel haben mir die genaueren Beschreibungen der Lebensumstände von Isserley gut gefallen, auch wenn Faber weiterhin vage bleibt. Mit vor allem Esswis hat er auch eine gute weitere Person eingebracht. Er nimmt wenig Platz ein, erlaubt aber dennoch Vergleiche zwischen Isserley und Esswis, auch wenn die sicherlich noch hinken, weil man nach wie vor nichts Genaues weiß.
    Abgesehen davon, dass mir die Anhalter in diesem Kapitel ganz schön persönlich auf den Sender gegangen sind (die Anhalter sind mit einer Ausnahme ja wirklich alles Idioten, oder?), bin ich in diesem Kapitel aber auch so richtig unruhig geworden. Tatsächlich fehlte mir schon im zweiten Kapitel ein bisschen der rote Faden und ich habe mich gefragt, ob es jetzt das ganze Buch hinweg so weitergeht oder auch "noch mal was passiert". Als begeisterte Thrillerleserin bin ich für so gemächliche Sachen nicht ganz so zu haben, und da packen mich die Rätsel rund um die Frage "Wer oder was ist Isserley?" nicht genug auf Dauer, sorry. Darum war ich auch ganz angetan von der Ankündigung, Amlis Vess käme zu Besuch. Zum Glück tut sich also was!


    Das fünfte Kapitel habe ich dann auch noch geschafft (ich sag nur: Nudelholz :breitgrins:) und da habe ich mich auch sehr über die Action und die ganzen Aufklärungen und Neuigkeiten gefreut. Könnte noch ein bisschen mehr sein meiner Meinung nach, aber ich glaube, angesichts der Buchlänge ist das so schon sehr gut dosiert.
    Was ich in diesem Kapitel allerdings nicht so recht verstehen konnte, waren Isserleys Emotionen. Ich hab mich schon zu Anfang über ihre Sachlichkeit bei ihrer Aufgabe gewundert, dachte mir aber "Okay, sie macht das und denkt nicht weiter darüber nach ODER es ist ihr egal, weil sie zu irgendwas eher Emotionslosem gehört oder die Emotionen eher verschoben sind (die Autobeschreibungen fand ich ja schon relativ emotional)". Im fünften Kapitel kapiere ich Isserley aber so gar nicht mehr. Sie geht eiskalt mit Esswis auf die Jagd, zuckt da selbst gedanklich nicht mal mit der Wimper (was z.B. die Szene, in der beide lachen müssen, ja sehr eindringlich schildert), andererseits will sie keinesfalls mit dem Aufzug in die letzte Etage runter.
    Auch ihr Verhalten gegenüber Amlis finde ich selbst nach einigem Nachdenken nicht so ganz schlüssig. Okay, sie hat Angst vor ihm, das kann zu einer Flucht nach vorn führen. Okay, sie hasst ihn für das, was er ist und kann und was ihr selbst verwehrt bleibt, auch das kann natürlich zu gezeigten Aggressionen führen. Im direkten Kontakt scheint sie ihn auch noch zu mögen, was das alles verstärken kann. Kauf ich alles.
    ABER: Amlis ist trotz allem ein mächtiger Typ und kann Isserley auf jeden Fall Schwierigkeiten machen. Und dass sich Isserley vor nichts mehr fürchtet, so dass sie sich eher verstümmeln lässt, konnte man ja schon deutlich lesen.
    Als wichtiger Teil der Belegschaft, dennoch auch als Außenseiterin, die nicht so wirklich was zu melden hat, kann ich ihr durchweg dominantes Auftreten im fünften Kapitel nicht wirklich nachvollziehen. Die einzige Option, die das noch schlüssig für mich machen würde, wäre zu erfahren, dass Isserley sich mit den Wotzeln doch mehr identifiziert, als sie im Roman bislang zugegeben hat. Ihre Demonstration vor Amlis würde dazu passen.


    Ich hoffe, ich werde da in den weiteren Kapiteln nicht enttäuscht.


    Es grüßt eine brave, ungeduldige und etwas skeptische
    Tanja



    EDIT:
    Wieso 38 Seiten? :gruebel:

    Uff, was bist du schnell! :entsetzt:


    Habe eben 2 Stunden beim Bürgeramt verbracht und natürlich kein Buch eingepackt. :rollen:


    Jetzt steht erst mal der Haushalt auf dem Plan, so dass du auf meine ersten Eindrücke bis heute Abend warten musst (ähm, Haushalt ist gerade viel und heute ist der letzte Tag, an dem ich da Gas geben kann, darum erst zum Abend Lesezeit. :zwinker:)


    Grüße,
    Tanja


    EDIT:
    Also ich habe heute nur das erste Kapitel geschafft.
    Gewundert hat mich zunächst mal, dass das Ganze in Schottland spielt. Ich habe keine Ahnung, welche Vorstellung ich hatte, irgendwie keine konkrete, aber Schottland hat mich dann doch überrascht (jetzt eben habe ich die vorangegangenen Beiträge erst gelesen; hätte ich das vorher getan, wäre ich vom Ort des Geschehens natürlich nicht so überrascht gewesen :breitgrins:).
    Am auffälligsten finde ich bislang die Beschreibung der Fahrzeuge und Isserleys Wahrnehmung der Männer. Die Art der Fahrzeugbeschreibung erinnert mich an etwas Belebtes, beinahe an die Darstellung von Haustieren (statt "gab sich Mühe, ein gutes Auto zu sein" oder wie es dort steht, könnte man auch "ein guter Hund" schreiben, so in etwa).
    Die Darstellung der Männer hingegen ist sehr sachlich und beschränkt auf Äußerlichkeiten. Bei dem ersten Anhalter dachte ich, da könne man den Mitfahrer auch durch ein Stück Schwein oder Rind vom Metzger ersetzen. "Nein, nicht dieses Stück - das hat zu große Hoden ... ja, lieber das da vorne ... genau!"
    Ich frage mich, wie Isserleys Augen genau aussehen, dass der Mann sie nicht genau sehen sollte (obwohl die Brille sie doch so stark vergrößert - so eine Fakebrille wie zu Karneval? Oder ein Fehler?)
    Spannend ist es aber auf jeden Fall bisher (und ich bin gespannt, ob und wie die zahlreichen aufgeworfenen Fragen beantwortet werden im Verlauf) und ich hoffe, morgen schaffe ich es auf jeden Fall bis einschließlich Kapitel Vier - so ist zumindest mein Plan. :zwinker:

    Ich hab dieses Büchlein auch eben gelesen, nachdem es mir von einer Kollegin wärmstens ans Herz gelegt wurde und ich muss sagen, ich schließe mich Thanquolas Meinung an.
    Die erste Hälfte (etwas mehr) fand ich sehr amüsant und kurzweilig, danach fehlte mir dann allerdings auch der Umschwung und letztlich fand ich die Essenz des Ganzen zu deprimierend.


    3ratten


    Grüße,
    Tanja

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Jennifer Valoppi: Das Allheilmittel
    478 Seiten, Hardcover, Otherworld-Verlag
    Erschienen im September 2009


    Mit dem Titel „Das Allheilmittel“, einem 478–seitigen Buch, das im September 2009 im Otherworld-Verlag erschienen ist, veröffentlichte die Fernsehjournalistin Jennifer Valoppi, mehrfach für ihre Arbeit mit dem Emmy ausgezeichnet, ihr Romandebüt.
    Anhand der Kurzbeschreibung des Buches hatte ich diesen Titel ein paar Monate auf der Wunschliste, bis er bei mir gelandet ist - und ich habe mich total auf das Lesen gefreut. Hier also mein Feedback dazu.


    Inhalt:


    Claire Cummings liegt im Sterben: Krebs im Endstadium. Sie ist dabei, sich mit ihrem Schicksal abzufinden, als sie die Bekanntschaft des Arztes Dr. Viviee macht, einem Mediziner, der in China praktiziert und dort angeblich ein Mittel gegen den Krebs gefunden haben will. Claires Tochter Helene, bekannte Fernsehjournalistin mit eigener Sendung, ist skeptisch, was eine illegale Behandlung betrifft, und auch Justin, Claires 14-jähriger Enkel, hält einen Behandlungsversuch für zu gefährlich. Claire lässt sich dennoch von Dr. Viviee den ominösen Nanochip implantieren, und wie durch ein Wunder wird sie gesund.
    Während Helene ihre Meinung ändert und mit Hilfe von Dr. Viviee und ihrer Mutter Claire, die sie beide exklusiv in ihre Fernsehsendung bringt, die Quote ihrer TV-Sendung aufpolieren will, bleibt Justin skeptisch. Er bemerkt, dass seine Großmutter sich verändert und ihre Herzlichkeit verliert. Damit nicht genug, verliert er beinahe seine Freundin Madeline wegen der Aufdringlichkeit und sexuellen Angebote seiner Mitschülerin Samantha, hat Stress mit einem Typen namens Spider, der ihn unbedingt zu „Battle Ultimo“, einem sehr angesagten Online-Game, herausfordern will und hat Visionen von einem Mann, der in Licht getaucht vor ihm erscheint und mit ihm spricht. Wird Justin verrückt oder ist es die Welt um ihn herum, die langsam durchdreht?



    Kritik:


    Der Klappentext selbst und Buchrückenkommentare wie „Fesselnd-brisanter Mystery-Thriller“ und „Jennifer Valoppi behandelt […] den Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion“ wecken, wie schon erwähnt, große Neugier und man freut sich auf die Lektüre dieses Schmökers.


    Tatsächlich ist das Ganze aber eher eine Mogelpackung, die dem Nanochip des Romans in dieser Hinsicht ähnelt:
    Die Story ist sehr vorhersehbar und irgendwo zwischen Stephen Kings „Needful things“, „The Stand“ und dem Film „God’s Army“ anzusiedeln, erreicht jedoch bei weitem nicht die Tiefe und Komplexität dieser Titel.


    Dabei fängt das Ganze recht vielversprechend an, bis man sich schon zu wundern beginnt, warum 14-jährige in komplexer Form über Primzahlen im Unterricht diskutieren und Projektarbeiten zu Quantentheorien erledigen sollen.
    Im Verlauf tauchen dann immer mehr Personen und Handlungsstränge auf, die letztlich dafür sorgen, dass die Kernidee des Buches untermauert wird, von dieser Intention abgesehen aber völlig überflüssig sind, da auch sie nicht in die Tiefe gehen. Der brutale Mord an einem renommierten Arzt, den Sicherheitsexperte Robert mit aufzuklären versucht, die Avancen der Jugendlichen Samantha, die sich an Justin ranschmeißt, der seltsame Spider und überhaupt die gesamte Sequenz rund um das Spiel „Battle Ultimo“, die geheilte Rothaarige, die fortan nicht mehr auf den Rollstuhl angewiesen ist … ganz egal, welchen Part aus „Das Allheilmittel“ man herauslöst: Es wirkt immer aufgesetzt, gewollt, konstruiert und die Personen sind lediglich Schablonen.


    So bleibt die Spannung recht schnell auf der Strecke und für Identifikation mit einer der Figuren bietet der Roman keinen rechten Raum. Am Ende hat man 478 Seiten gelesen und fragt sich, warum man das Buch nicht schon nach der Hälfte weggelegt hat.


    Von mir gibt es dafür
    2ratten


    Gruß,
    Tanja

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Daniel Depp: Stadt der Verlierer
    November 2009, Bertelsmann
    320 Seiten


    Vorab:
    Daniel Depp ist Drehbuchautor und Produzent. Unter anderem arbeitete er an dem in Cannes nominierten Drehbuch zum Film „The Brave“ von 1997 mit. Dieser – nebenbei bemerkt sehr verstörende Film – war zugleich das Regiedebut von Johnny Depp und der wiederum ist Daniel Depps Halbbruder – die beiden sehen sich übrigens nicht ähnlich.
    Das ist auch völlig unerheblich, denn hier geht es ja um die Geschichte „Stadt der Verlierer“. Die spielt in L.A., rund um Hollywood also, und das Filmgeschäft spielt auch eine große Rolle der der ganzen Sache.


    Inhalt:
    David Spandau ist Privatdetektiv, seit er seine kurze Karriere als Stuntman an den Nagel gehangen hat. Sein neuer Auftrag lautet, Bobby Dye, einen derzeit schwer angesagten jungen Schauspieler zu beschützen, denn dieser hat aus Zeitungsschnipseln zusammengesetzte Morddrohungen erhalten.
    Spandau bemerkt schnell, dass diese Drohungen gefälscht und nicht der wahre Grund für Bobby Dyes Ängste sind. Der junge Mann wird vom Clubbesitzer und Dealer Richie Stella erpresst und Spandau fragt sich, was Stella gegen Bobby Dye in der Hand hat …


    Kritik:
    Im Grunde passt dieser Roman hervorragend zur Schwarzen Serie aus den 30er- und 40er-Jahren. Der klassische Hardboiled-Detective, eine Art Cowboy – in Depps Geschichte durch Spandaus Interesse am Rodeo nochmals unterstrichen, eigene Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit, entsprechend auch Aktionen abseits der Norm, zwielichtige Gestalten und solche am Rande des Abgrunds: eben typisch für diese Form des Krimis.
    „Stadt der Verlierer“ ist aber nicht einfach ein Roman in einer bestimmten Krimitradition – so reizvoll diese auch sein können -, sondern es ist zugleich eine sehr moderne Geschichte. Der Fall vom Abgrund aus ist hier ein sehr viel tieferer, denn das Ganze spielt am Rande der Welt von Glamour, Stars und Sternchen, und auch die Charaktere sind modern. Spandau beispielsweise arbeitet nicht auf eigene Faust, sondern für eine Agentur, einer seiner Freunde ist absoluter Fan von Tolkien und dessen Herrn der Ringe, und so kommen ein typischer Krimi, moderne Elemente und jede Menge Skurrilitäten zusammen und bilden ein sehr unterhaltsames, tragisches, aber immer wieder auch sehr komisches Ganzes. Dabei bleibt Depp stets auf dem Teppich. Der Roman und seine Charaktere kippen nicht übermäßig auf die eine oder andere Seite, und so ist die Geschichte zwar voller Klischees, aber dennoch sehr glaubwürdig.


    Was mich freut ist, dass Daniel Depp derzeit an einem zweiten Roman mit David Spandau arbeitet. Das könnte eine tolle Krimireihe werden, der Start dazu ist sehr vielversprechend!


    Von mir gibt es dafür
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Leider seid ihr für mich alle viel zu schnell. Ich habe erst vier Kapitel gelesen und deswegen eure Anmerkungen zu späteren Kapiteln auch erst mal bewusst überlesen, sorry.


    Die ersten vier Kapitel haben mir allerdings bislang sehr gut gefallen - abgesehen von der Ungerechtigkeit im Hause Reed natürlich. Die Rede zum Schluss fand ich eigentlich recht passend für eine 10-jährige aus dieser Zeit. Fand ich nicht "too much".


    Bin jetzt gerade ein wenig verwirrt. Der leitende Pfarrer der Schule, ist das nicht derselbe Typ, der auch dafür sorgte, dass Jane überhaupt in die Schule kommt? Oder heißen die ähnlich.


    Welche Meinung habt ihr eigentlich zu dem Herrn, der vorschlug, dass Jane zur Schule gehen solle? Neben Bessie - bei der ich das allerdings nicht so stark empfand und auch eher unpassend - war das bislang der einigermaßen ... ambivalente Charakter, finde ich, also nicht so eindeutig gut oder böse angelegt.


    In meiner Ausgabe ist irgendwo die Formulierung "Mädchen in den Stock legen". Aus dem Zusammenhang war wohl gemeint, sie in ein Internat geben. Kennt jemand diese Ausdrucksweise?


    Ich habe die Stelle nicht gelesen bisher (hab noch nicht angefangen), aber ohne Zusammenhang bedeutet es doch eigentlich soviel wie "jemanden über das Knie legen", halt Rohrstockanwendung, oder?

    Ich beschränke mich mal auf meine Meinung mit eingestreuten Handlungsinfos, der Rest ist ja im ersten Beitrag hier schon zu lesen.


    Aufbau/Handlungsinfos (spoilerfrei, was auflösungsrelevante Punkte betrifft!):


    Den Anfang fand ich ziemlich verwirrend, denn im Prolog geht es gleich richtig zur Sache und man beobachtet die gefangene Merete bei ihren Überlegungen, wie sie aus ihrem Gefängnis ausbrechen könnte. Danach aber steht erst einmal ein Kommissar im Mittelpunkt, eben Carl Mörck, und danach begleitet der Leser eine quietschfidele Politikerin namens Merete während eines ganz normalen Tages.
    Die Irritation legt sich aber recht bald und man versteht den Aufbau des Ganzen:


    Auf der einen Seite begleitet man Merete eben in ihrem Alltag und ein Stück weit durch die Zeit vor ihrer Entführung, erst danach folgen logischerweise die Kapitel aus der Gefangenschaft.


    Auf der anderen Seite steht der Kommissar Carl Mörck, der sein ganz eigenes Päckchen zu tragen hat. Vor einigen Monaten wurden seine Kollegen und er unerwartet in eine Schießerei verwickelt, wobei ein Kollege starb und der andere gelähmt, ohne Hoffnung auf Heilung, im Krankenhaus liegt. Nur Mörck ist weitgehend unverletzt aus dem Geschehen hervor gegangen und macht sich natürlich riesige Vorwürfe. Das ist dem Arbeitsklima eher abträglich, denn Mörck, der ein großartiger Ermittler ist, aber ohnehin schon ständig an der Arbeit anderer etwas auszusetzen hat, wird unerträglich. Das bleibt auch seinen Vorgesetzten nicht verborgen, die schließlich eine Idee haben: Eine Politikerin forderte jüngst die Einrichtung eines Dänemark-weiten Dezernats zur Wiederaufrollung alter Fälle. Sie behauptete, es seien bestimmte Typen von Fällen, die komischerweise ungelöst zu den Akten gelegt würden, etwa besonders brutale Vergehen und solche, in die Personen mit Rang und Namen involviert wären. Die Einrichtung eines solchen Dezernats wird tatsächlich durchgesetzt und Carl Mörck soll dieses Dezernat leiten. Was großartig von Mörcks Vorgesetzten verkauft wird und wofür sie einen großen Etat vom Staat kassieren, sind allerdings tatsächlich so aus, dass man das Geld in die ureigene Abteilung leitet statt in das so genannte Dezernat Q und Mörck in ein karges Kellerbüro verbannt, ihm einige Aktenstapel auf den Schreibtisch legt und von Zeit zu Zeit ein paar Infos über den Ermittlungsstand von Mörck hören möchte.
    Mörck ist das nur recht, denn sein Tatendrang als Polizist ist seit der Schießerei völlig erschöpft und er ist froh, als Schreibtischhengst einfach nur jeden Tag seine Füße hochlegen zu können. Als er von den Geldern erfährt, ist allerdings doch sein Ego angekratzt und er verlangt, praktisch als Entschädigung, einen Dienstwagen, einen Flatscreen und einen Mitarbeiter, der die Kellerräume reinigt, die Akten für ihn sortiert und Kaffee kocht.


    Und so tritt der Syrer Assad in Mörcks Leben, der höchst interessiert ist an kriminologischen Details, praktisch im Vorbeigehen all seine Aufgaben höchst gründlich erledigt und sich dann mit geradezu kindlicher Begeisterung an Mörcks Ermittlungen beteiligen will. Ein bisschen in die Enge getrieben von dem neugierigen und stets gut gelaunten Assad greift Mörck schließlich nach einer der alten Akten, um wenigstens so zu tun, als arbeite er wirklich an einem alten Fall. Ja, man ahnt es schon, in dieser alten Akte geht es um das ungeklärte Verschwinden einer gewissen Merete Lynggaard, die schließlich für tot erklärt wurde.


    Spätestens da sollte der Groschen also beim Leser fallen und er bemerken, dass die meisten Kapitel mit Jahreszahlen überschrieben sind. Meretes Erzählstrang beginnt 2002, der von Mörck verläuft durch das Jahr 2007 - und beide nähern sich langsam an.


    Kritik:


    Dieser Thriller ist so unglaublich spannend und hat eine solche Sogwirkung, dass ich das Buch nicht gelesen, sondern vielmehr an einem halben Tag verschlungen habe. Dieses Buch funktioniert, und das auf so vielen verschiedenen Ebenen, dass man eigentlich gar nicht anders kann, als restlos begeistert zu sein, finde ich.


    Zuerst zu nennen ist da natürlich der Plot, und wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, dann macht ihn das nur noch interessanter. Nichts ist nämlich klar vorhersehbar in diesem Buch.


    Und bei dieser wirklich starken Geschichte spielen zudem wirklich gut ausgearbeitete Charaktere mit. Wobei ich sagen muss, dass Mörck selbst als Protagonist dabei noch am blassesten erscheint. Zwar wird man sich im Klaren über seine Arbeitseinstellung und die zum Leben an sich, aber die privaten Details aus Mörcks Leben, die da so angerissen werden, waren zumindest mir deutlich zu abstrus und das waren die einzigen Passagen, die mich aus der Spannung immer rausgerissen haben und bei denen ich auch im Nachhinein nicht sagen kann, wofür all dieses Abgedrehte gut sein soll.


    Das macht Mörcks Pseudogehilfe Assad allerdings wieder wett. Nach und nach erfährt man immer mehr über ihn und lernt Assad immer besser kennen. Schon recht früh wird klar: In dem Mann steckt noch mehr. Vor allem die Widersprüche, die Assad bietet, machen ihn interessant und unterhaltsam.


    Merete selbst besticht durch ihre Stärke in Gefangenschaft, die ich jederzeit völlig glaubwürdig fand inklusive all ihrer Schwankungen und Gedankengänge.


    Und natürlich kommt bei einem wirklich guten Schmöker auch der Pathos nicht zu kurz. Mörck, der durch den Fall Merete Lynggaard sowie die Neugier und Lebensfreude Assads aus der depressiven Verstimmung, dem posttraumatischen Syndrom oder was auch immer es genau ist, das Mörck seit der Schießerei plagt, langsam wieder ins Leben zurückkehrt. Schön! Und dabei an keiner Stelle zu gewollt, zu konstruiert oder irgendwie unglaubwürdig.


    Abgesehen von den Details aus Mörcks Privatleben hat „Erbarmen“ mir wirklich ausnahmslos gut gefallen und ich hoffe, bald weitere Fälle von Mörck und Assad als Leserin begleiten zu können und bei der Gelegenheit vor allem Assads Hintergrund besser kennen lernen zu können. Die Chancen dafür stehen ganz gut, denke ich, denn der Untertitel von „Erbarmen“ lautet „Der erste Fall für Carl Mörck, Sonderdezernat Q“, und tatsächlich wurden ein zweiter und ein dritter Fall in Dänemark bereits veröffentlicht.


    5ratten