Lea. Ihr Weg des Ruhmes und in den Wahnsinn und den Selbstmord, der Vater, der dies alles miterleben muss, sich zwangsläufig mitschuld fühlen muss. Seine Trauer um seine Tochter, sein Selbstmitleid - all dies ist vor allem eins: Menschlich. Die Geschichte von Lea und ihrem Vater hat mich sehr berührt. Zum einen das Thema der Macht eines einzigen, "dummen" Zufalls, zum anderen das Thema der fehlenden Kommunikation zwischen Vater und Tochter (und nicht nur zwischen ihnen).
Es ist ein seltsamer Zufall; Vater und Tochter hören in einem Bahnhof das Spiel einer Geigerin, und all dies verändert Leas und Martijns Leben. Diese Situation ist der Grundstein für den späteren "Verfall", dem Wahnsinn von Tochter und Vater. Oder ist er es doch nicht und viel entscheidender ist das fehlende Miteinander, das miteinander Reden (und sich dabei auch wirklich etwas sagen)? Diese Frage beschäftigte zumindest mich während der Lektüre immer wieder.
Das Erzähltempo ist zum Teil gejagt, oft erscheinen Erzählung und Erzählgegenwart verworrren, man findet erst im Weiterlesen heraus, auf welcher Erzählebene man sich gerade tatsächlich befindet. Das wirkt oftmals störend auf mich, dennoch passt es zu der Geschichte Leas, die von ihrem Vater kurz vor seinem eigenen Untergang erzählt wird. Und irgendwie erscheint es da auch folgerichtig, dass Adrian derjenige ist, der sie weitererzählt.
Und hier - in der Erzählung Adrians - liegen letztlich auch die Kritikpunkte: Mehr von ihm und seiner Familie muss man gar nicht erfahren. Ganz im Gegenteil, eigentlich geistert noch viel zuviel davon durch die Erzählung. Vieles, das für die Lebendigkeit und Plastizität dieses Nacherzählers meiner Meinung nach gar nicht gebraucht wird.
Auch unnötig und für mich eher störend waren die Verweise auf Schauspieler und Filme, um Mimik oder Empfindungen auszudrücken. Das einzige Bild, in dem ich wirklich eine Berechtigung sehe, ist die Szene ausThelma und Louise. Dieses Bild findet sich in der letzten Begegnung von Vater und Tochter wieder und hat dabei symbolischen Wert.
Sprachlich sticht vor allem die wunderbare alte Rechtschreibung hervor, für welche Mercier einen Sympathiebonus bekommt.
Ob die französischen und englischen Passagen wirklich erforderlich sind, wage ich zu bezweifeln. Auf mich wirken sie eher wie unnützes Intellektualitätsgehabe des Autors, das seine Leserschaft zweiteilt: In die, die es "würdig" sind, ihn zu verstehen, und solche, die entweder Wörterbuch und Übersetzungshilfe rauskramen oder eben drüber hinweg lesen und nicht verstehen.
Schade eigentlich, denn das eigentliche Thema der Novelle gefällt mir sehr.