Beiträge von Imperator T. Validior

    Wir haben dieses Werk im Deutschleistungskurs analysieren dürfen, und seitdem habe ich eine herzhafte Aversion gegen diesen Kitschonkel, der der junge Goethe war. In der Klassenarbeit kam die Frage: "Warum hat Werther sich umgebracht?", und wer da antwortete: "Wegen Lotte", hatte schon verloren, weil die Lehrerin lesen wollte, dass Werther ein gesellschaftlicher Außenseiter gewesen sei, der mit dem Standes- und Klassendünkel seiner Umgebung nicht zurecht kam.


    Ich zweifle nicht daran, dass der Vortrag stattgefunden hat - ich zweifle nur an der Qualität, da mir die These des auffällig zunehmenden Konservativismus in Kinder- und Jugendbuchliteratur ein typisches Produkt übereifriger Allegoriker scheint.


    Nun, so ganz unberechtigt ist die These auch nicht. Was uns derzeit an US-Literatur erreicht, sind ja überwiegend Übersetzungen von Werken aus der Bush-Ära, in der die Medien ziemlich erzchristlich gleichgeschaltet worden sind. Etwas anders fällt zum Glück doch noch die europäische Literatur aus; auch wenn man sich wie üblich manche Mühe gibt, die US-Werke ramschzukopieren.


    Ich glaube, dass auch diese Frage falsch gestellt ist. Neu sind nicht die hohen Verkaufszahlen, sondern dass sich die hohen Verkaufszahlen auf wenige Werke konzentrieren, während früher die Verteilung viel grösser war - da gab es vielleicht lokale Hypes, aber keine globalen, durch die Medien aufgegriffene und verstärkte.


    Der globale Hype um die Bibel war vermutlich der Präzedenzfall - und noch für zweihundert Jahren für die meisten Menschen das einzige Werk, das sie überhaupt lasen! Falls sie es konnten.


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    Zurück zu den Wurzeln?
    Du denkst, die Jugend von heute ist noch schlimmer als die alte Generation dem Wahn verfallen, dass früher immer alles besser war?


    Reden wir von DER Generation, die ihre Altvorderen fragt: "Wie konntet ihr eigentlich ÜBERLEBEN ohne Handy"?


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    Neinein... das Bedürfnis nach Ablenkung ist nichts Neues. Abschalten mit Abenteuerromanen - das gibt es doch schon seit der allgemeinen Verfügbarkeit von Büchern und der zunehmenden Bildung der Bevölkerung. Mit Büchern wie "Die Schatzinsel" (1883) oder "Tom Sawyer" (1876).


    Vorher auch. Mit Märchen am Herdfeuer, Märchen in der Kirche, Märchen auf der Bänkelsängerbank. Schon die Konstellationen waren die gleichen. Warum gibt es denn bei den Brüdern Grimm mehr Könige und Prinzessinen als in der Regenbogenpresse einer ganzen Woche?

    Frage 11 ist etwas eng formuliert:
    "11. Hast du schon einmal versucht, die Geschichten in deiner Art weiter zu erzählen/schreiben oder aus einem anderen Blickwinkel (Fanfiction)?"



    Was kreuzt man da an, wenn man keine Geschichte geschrieben hat, aber sekundärliterarische Essays über die beschriebene Fantasywelt?



    ich habe das Buch inzwischen meiner Tochter zuende vorgelesen


    Das ist besonders fein! Meine Kinder haben diese Erfahrung noch vor sich. Hat sich deine Tochter bei der Schlacht der Fünf Heere nicht zu sehr gegruselt?



    Die Übersetzung vom Wolfgang Krege war nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Stellenweise schien die Satzstellung etwas zu holpern, was beim Vorlesen etwas gestört hat, aber ob das in anderen Übersetzungen besser ist, weiß ich ja nicht.


    Eigentlich nicht. Die Scherf-Übersetzung ist an manchen Stellen auch recht merkwürdig; obendrein ist ihm bei den Dialogen manchmal entfallen, wer gerade spricht, obwohl es im Original steht; und das macht es manchmal recht schwierig, wenn man mit verteilten Stimmen und Akzenten vorliest: Hat das nun Bilbo gesagt oder Balin?



    das stimmt natürlich auch wieder. Ist es nicht so, daß die Macht des Ringes später (also beim Beginn der Handlung von HdR) erstarkt ist? So konnte ihn Bilbo 50 Jahre früher vermutlich relativ unbesorgt tragen, ohne gleich schlimmen Wirkungen zu unterliegen.


    Sie ist erstens stärker, zweitens zeigen sich die Wirkungen auf einen Hobbit erst langfristig. Dieser Umstand führt ja sogar Mr. Gandalf Neunmalklug zig Jahrzehnte lang in die Irre.

    Es gibt im HdR ja nur einen Waldelben, Legolas, und der ist ein Edelmann - und laut "Nachrichten aus Mittelerde" obendrein ein Grauelb von Geblüt, dessen Opa sich nur selber zum Chef aller Waldelben ernannt hat! Dass er sich da zivilisierter benimmt als seine Landsleute, liegt also auf der Hand: Es gibt schließlich sowas wie eine völkische Elite unter den Elben. Und im übrigen steht ihm ja auch ein Lernprozess bevor, was den Umgang mit Zwergen betrifft.


    Die Gier ist natürlich mit der nach dem Ring verwandt, in meinen Augen aber noch mehr mit der nach den Silmarilli im "Silmarillion". Der Arkenstein kam mir eigentlich wie ein Selbstplagiat vor, in dem Tolkien sein damals längst existierendes Silmaril-Motiv recycelt hat. Vergessen wir auch nicht den verfluchten Nibelungenhort - da dürfte die Gier nach Drachengold wohl ursprünglich herstammen?


    Na denn, auf zum HdR! Nachdem ich ihn auf Deutsch und Englisch schon kenne, versuche ich es diesmal auf Slowenisch. Meine Frau behauptet, es sei eine absolut meisterhafte Übersetzung von extremem Qualitätsanspruch. Das kann ich zwar nicht so beurteilen, weil mein Slowenisch dafür zu holperig ist, aber ich bin gespannt!

    Wieso nicht? Das, was ich am "Hobbit" und seinen Nachfolgern so bewundere, ist die enorme Vielschichtigkeit. Man kann ihn fünfmal lesen und entdeckt immer wieder neue Aspekte, die einem bisher entgangen waren. Die Sache mit der Drossel ist ein Element, das ich noch immer nicht so recht verstehe. Die Mondphase und der Durinstag sind nachvollziehbar, wenn auch sehr zufalls- und wetterbedingt - aber wie kommt die Drossel ins Spiel? Hat Thrain ihre Urahnen eigens dafür abgerichtet, am Durinstag vor Ort zu stehen und Schnecken auf Steine zu hämmern, und sie haben das über Generationen weitergegeben? Steckt Gandalf dahinter? Oder interpretiere ich einfach zu viel hinein?


    Im 7. Kapitel besuchen unsere Abenteuer nun also Beorn, der in meinem Kopf irgendwie so aussieht, wie ich mir die Werwölfe in Menschengestalt in "Twilight" vorstelle :redface:


    Beorn ist eigentlich ein typischer Berserker. Im HdR kann er nicht vorkommen, weil der 70 Jahre später spielt und Beorn da natürlicherweise tot ist, aber wir hören von seinen illustren Nachfahren, den Beorningern. (Wer mag diesen merkwürdigen Gesellen wohl geheiratet haben?)


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    Im 8. Kapitel gings dann ja richtig rund. Erst der verzauberte Fluss, dann der dunkle Wald allgemein und die Lichter der Waldelben. Tja und schon wieder einmal war Bilbo auf sich allein gestellt. Langsam wird er mir ja etwas unheimlich, dass ihm, der gar nicht aus seiner Höhle wegwollte, immer alles gelingt!


    Deswegen hat Gandalf ihn ja ausgesucht. In ihm steckt viel mehr, als er selber weiß. Tolkien war übrigens später recht unglücklich mit seiner Darstellung der Waldelben und hätte gerne etwas für ihre "Ehrenrettung" getan.


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    Im 11. Kapitel wird es dann so richtig ernst! Sie erreichen das Tor zum Drachen.
    Wenn mir jemand erklären könnte, wieso Bilbo beim Anblick einer Drossel mit einer Schnecke im Schnabel auf die Lösung kommt, wie die Geheimtür aufgeht, wäre ich sehr dankbar. Das erschließt sich mir nämlich nicht.


    Bilbo erinnert sich an diesem Moment an die Botschaft der Mondbuchstaben. Darin war von einer klopfenden Drossel die Rede.

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    Der arme Bilbo - wollte erst gar nicht weg und erlebt nun ein aufregendes Abenteuer nach dem anderen. Die erste Begegnung mit den Orks hätte ich nun wirklich nicht erleben wollen. Noch dazu war das ja ne echt fiese Falle, wenn man das so nennen will. Ich hab mich schon gewundert, dass Gandalf nicht auf so einen Überfall vorbereitet war.


    Vor allen Dingen, dass Elrond ihn nicht gewarnt hat, nicht wahr? Offenbar haben die Elben in letzter Zeit keine Aufklärungsarbeit in den Bergen mehr geleistet, so dass ihnen die Positionen des Gegners nicht bekannt sind.


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    Nun hat Bilbo ihn also - DEN Ring. Durch Zufall gefunden wird er noch einiges ändern in der Welt von Mittelerde......


    Gandalf wird es später für göttliche Vorsehung halten.


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    Gandalf ist ja manchmal ganz schön grausam - "zündet" der doch glatt die Wölfe an. Irgendwie gruselig. Naja, wenigstens sind unsere Helden mal wieder den Orks entkommen. Wenn auch nur mit Hilfe von außen.


    Die Adler machen das in Tolkiens Werken so oft, dass sie im "Herrn der Augenringe" als "Deus ex machina Airlines" bezeichnet wurden...


    Ich reiche noch einmal eine Info zum Durinstag nach: Wann ist nach Thorins Meinung eigentlich Winteranfang? Am 21. Dezember ja wohl nicht, denn Weihnachten begeht Bilbo weit entfernt vom Einsamen Berg. Tatsächlich richtet Tolkien sich hier offensichtlich nach der englisch-irischen Tradition, die den Winter von November bis Januar rechnet und die übrigen Jahreszeiten entsprechend. Der Durinstag wäre also in der zweiten Oktoberhälfte zu erwarten (was Gandalf natürlich weiß, aber nie ausspricht, daher vielleicht sein bezeichnendes Kopfschütteln über die naiven Erwartungen der Zwerge im 4. Kapitel). Wenn man das nicht beachtet, dann erscheint der Zeitablauf der letzten Kapitel ziemlich verwirrend.


    Ich werde auch mal wieder in die russische Übersetzung reinlinsen, die habe ich vor Ewigkeiten mal gelesen und weiß nicht mehr genau, wie ich die fand. Die russische Übersetzung des "Silmarillions" und des "Herrn der Ringe" fand ich um Längen besser als die deutsche, aber an den "Hobbit" erinnere ich mich kaum.


    Welche denn von den vielen russischen, die es da gibt?


    Sehr empfehlenswert ist die neue slowenische HdR-Übersetzung von Branko Gradišnik. Aber wer kann die hier schon lesen?


    Imperator T. Validior: Es erstaunt mich sehr, wie viel du darüber weißt! Wow... Ist HdR dein Lieblingsbuch, weshalb du dich so ausführlich damit beschäftigt hast, oder kommt das mit deiner Tätigkeit als Übersetzer einher? Ich bin begeistert. Ein Grund mehr, hier mitzulesen!


    Die Werke Tolkiens überhaupt sind meine Lieblingsbücher, deswegen bin ich auch mit den Übersetzern so kritisch (ja, und natürlich bewerte ich sie auch mit dem professionellen Auge. Das steckt mir unlöschbar im Blut - leider! Ich kann kaum noch übersetzte Bücher lesen ohne Rotstift im Kopf, und dummerweise stolpere ich auch immer gleich über jeden Fehler). Ich war viele Jahre in entsprechenden Foren aktiv und habe meine Homepage mit sekundärliterarischen Essays zum Thema gefüllt, als ich noch studiert habe und entsprechend viel Zeit für solchen Unfug besaß. Aber wie gesagt: Besser ist es, sie alle erst nach den Büchern selbst zu lesen.


    Und dann sind plötzlich die Elben da mit ihren albernen Versen :breitgrins: Als so frech hatte ich sie gar nicht in Erinnerung....


    Dafür war ich etwas verwirrt, als Elrond als Elbenfreund und nicht als Elb bezeichnet wurde, aber da hatte ich wohl etwas schnell über den entsprechenden Absatz weggelesen :redface:


    Elrond ist ein Halbelb. Sein Vater ist ein Mensch, seine Mutter eine Elbin.



    Ganz toll fand ich die Idee der Mondbuchstaben und welche Varianten es davon gibt.
    Allerdings ist mir in dem Zusammenhang mal wieder aufgefallen, wie überheblich Thorin sein kann :rollen: Zumindest klang seine Erklärung zu Durinstag für mich so.


    So überheblich wie ahnungslos. Tatsächlich müssen Gandalf und Elrond nur mit Mühe das Losprusten unterdrückt haben, denn aus Thorins Angaben hätte sich fast auf den Tag genau abschätzen lassen, wann der Durinstag zu erwarten ist. Es war wohl nur die Höflichkeit gegenüber dem ehrenwerten Zwergenchef, die beide daran gehindert hat, das aktuelle Himmelsjahrbuch hervorzukramen und darin den letzten Herbstneumond nachzuschlagen.


    Die Mondbuchstaben lassen übrigens auch die genaue Berechnung zu, wann die Karte geschrieben worden ist. Sie gehorchen nämlich offensichtlich dem Metonischen Zyklus. Mit Hilfe von Anhang B des HdR überlasse ich euch das Vergnügen...


    Ich habe auf meiner Homepage einen englischsprachigen Aufsatz zum Durinstag und den Mondbuchstaben, aber ich empfehle, ihn erst nach dem "Hobbit" zu lesen, weil er viele Spoiler enthält.


    Mir ging es übrigens nicht darum, ob etwas korrekt übersetzt wurde. Davon gehe ich erstmal aus - die werden ihren Beruf ja wohl gelernt haben ;)


    Schön wär's!



    Ein "Blödi" war mir nur zu modern, paßte für mich nicht in die Geschichte. Aber wenn ich ehrlich bin, ist "Dämlack" nicht besser :breitgrins:


    Im Englischen steht "booby". Als mögliche Übersetzungen finde ich "Dussel", "Trottel", "Tölpel", praktisch nach Belieben. "Dämlack" scheint mir völlig passend. "Blödi" ist stilistisch daneben, denn es klingt nach Grundschüler.

    Warum Gandalf gerade auf Bilbo kommt, ist im HdR erklärt, ausführlicher auch in den Nachrichten aus Mittelerde.


    Im Original reden die Trolle übrigens Cockney. Ich weiß nicht, wie das "korrekt" übersetzt werden sollte - mit Sächsisch? Hier steht Krege der Vorlage wohl näher als Scherf. Befremdlich finde ich dagegen, wieso Scherf bei den Trollen einen englischen Namen durch einen anderen englischen Namen austauscht.

    Wenn ihr mir verzeiht, ein Kommentar zu den Übersetzungen:


    Der Hobbit hat eine ziemlich verwickelte Entstehungsgeschichte. Es gibt drei von Tolkien selbst produzierte englische Auflagen, wobei sich die zweite von der ersten zum Teil drastisch unterscheidet, die dritte dagegen nur noch geringfügige Ergänzungen einführte, um ein paar kleinere Widersprüche zum HdR auszumerzen und ein wenig mehr Tiefgang zu erzeugen. Um die Sache weiter zu verwirren, hatte auch die deutsche Edition mehrere Varianten: Die erste Scherf-Auflage hieß noch "Kleiner Hobbit und der große Zauberer", Bilbo nannte sich Baggins und "goblins" waren Kobolde und nicht Orks. Die zweite Scherf-Auflage führte den Beutlin ein, vermutlich in einer Angleichung an den HdR, aber immer noch fehlen darin die meisten der Verse. Obendrein stützte sich Scherf auf die zweite englische Auflage; die dritte und "autoritative" wurde meines Wissens erstmals von Krege zugrunde gelegt - leider mit den bekannten Mängeln.


    So, jeglicher Spoiler zum Inhalt enthalte ich mich vorläufig noch...