Hallo, Bluebell!
Zitat von "Bluebell"
Und zwar geht es dabei weniger um die geschichtlichen Hintergrunddaten, die Eco seitenweise einstreut, die sind natürlich richtig. Aber von Iris' Einwand mit der Hexenverbrennung einmal abgesehen, stimmt anscheinend einfach die geistige Haltung, die Denkweise der Figuren überhaupt nicht mit der Epoche überein, in der die Handlung angesiedelt ist. Da werden den Figuren Denkmuster und Weltanschauungen aus viel, viel späteren Jahrhunderten "ins Hirn gelegt".
Oha, da fürchte ich, sind die Herren gewaltig auf dem Holzweg und schlichtweg einem aus dem deutschen Idealismus stammenden Geschichtsbild (Hegel etc.) aufgesessen.
Das würde jetzt eine gewaltige Diskussion lostreten, aber ich kann nur sagen, daß Eco sich im "Geist des Mittelalters", speziell dem des 13./14.Jhs., sicher um Lichtjahre besser auskennt als diese Kritiker.
Ich habe den Krempel ernsthaft studiert samt Quellenkunde und Deutungsgeschichte (gerade letzteres ist immer sehr aufschlußreich, da man erkennen kann, wie viele schlecht geschliffene Brillen wir auf der Nase sitzen haben, wenn wir etwas lesen!), und ich muß feststellen sagen, daß ich an Umberto Ecos Kenntnisstand im Leben nicht auch nur annähernd rankommen werde.
Ecos historische Ungenauigkeiten sind Vexierspiele mit der Gegenwart (Im Baudolino wird sogar auf Mike Tysons Ohrenbiß angespielt!), das Spiel mit der Hexenverbrennung (auch hier bleibt er interessanterweise im Geist der Zeit, da er die Hexerei in die Vorstellungen der frühen Inquisition über die Ketzerei einpflanzt) ist ein Spiel mit dem modernen Vorurteil. Und die Konstruktion der mörderischen Kamine auf der Burg des armenischen Fürsten ist glasklar eine Hommage an Edgar Allan Poe.
Zitat
Bin auch schon gespannt aufs zweite Lesen - irgendjemand hat gemeint, da springt einem dann an allen Ecken und Enden der nach strengen (literarischen) Regeln konstruierte "Gelehrtenroman" entgegen.
Richtig -- und zugleich wird in Der Name der Rose genau dieser Professorenroman des 19. Jhs. aufs feinste parodiert. Aber ich fürchte, daß ist einigen Klassikerfans dann doch zu postmodern-verspielt -- dabei ist das ganz typisch für die mittelalterliche Dichtung und Philosophie.
Icherlich kenne ich mich in vielem, was Klassiker angeht, bei weitem nicht so gut aus wie sandhofer und Hubert (?), aber in diesem Falle protestiere ich energisch.
Liebe Grüße,
Iris :sonns: