Beiträge von TochterAlice

    Ja, Graphic Novels finde ich auch sehr interessant. In einem anderen Forum habe ich im vergangenen Jahr 3 Leserunden zu welchen gemacht und das waren immer eher so Postleserunden. Das hat gut geklappt und war sehr spannend, wobei es für mich hier sehr vom Thema abhängig wäre: alle wären für mich nicht von Interesse.

    Ich finde dieses Konzept für mich persönlich sehr ansprechend und wäre, abgesehen von der ersten bereits gestarteten Runde, für die ich mich angemeldet habe, auch noch an "Montecristo" und "Löwen wecken" interessiert.


    Außerdem habe ich einen weiteren Vorschlag: "Konzert ohne Dichter" von Klaus Modick. Da geht es um die Künstlerkolonie Worpswede und um einige "echte" Künstler wie Rilke, Vogeler, Modersohn-Becker. Es ist aber ein Roman und sonderlich dick ist er auch nicht, nämlich 240 Seiten. Ich könnte mir vorstellen, dass es da viel interessanten Diskussionsstoff zu gibt.

    Ich mag den Aufbau Verlag sehr, habe schon viele seiner Bücher rezensieren dürfen und stelle die Rezension auch gerne auf amazon ein. Von Chigozie Obioma - Der dunkle Fluss und seinem Buch habe ich schon gehört und finde das Thema sehr spannend. Gern würde ich mitlesen und würde mich auch über ein Freiexemplar sehr freuen.


    Also, für mich ist Irving alles andere als das, aber die Geschmäcker sind verschieden. Aber keine Sorge: ich fühlte mich eher durch das Setting an Irving erinnert und für mich war es klar (kann aber natürlich auch Einbildung gewesen sein), dass Dicker viel Irving gelesen hat - inhaltliche bzw. stilistische Ähnlichkeiten konnte ich eher nicht finden....

    Mir hat dieses Buch absolut super gefallen - ich habe es allerdings in einer Leserunde gelesen, in der die Meinungen ausgesprochen unterschiedlich waren.


    Hier meine Rezension:


    Leaving on a jet plane




    TochterAlice


    vor 11 Monaten
    (13)


    Das tut die US-amerikanische Familie Kriegstein - Vater Chris, Mutter Elise und die Töchter Leah und Sophie wieder und wieder, sind sie doch lupenreine expatriates: durch den Chris' Job bei einer global agierenden US-Firma ziehen sie rund um die Welt, mal da, mal dort einige Jahre lebend.


    Doch nicht nur das lässt sie zu zerrissenen Charakteren werden - die Vergangenheit, vor allem die der Mutter Elise, die als Kind mißbraucht wurde, lässt die Figuren nicht aus ihrer Einsamkeit heraus: es fällt ihnen schwer, als Familie zu agieren, die Harmonie kommt dadurch abhanden. Dazu kommt ein schwerer Schicksalsschlag - ab einem bestimmten Zeitpunkt muss die Familie in reduzierter Zahl weitermachen: weiterexistieren, weiterreisen und in irgendeiner Form versuchen, weiterzuLEBEN.


    Aus verschiedenen Perspektiven - unter anderem der eines Hauses und verschiedene Stile gebrauchend hat die Autorin ein ungeheuer kraftvolles Werk geschaffen, das dem einen oder anderen durch den Abstand zu den Figuren , den einzunehmen der Leser durch stilistische Mittel immer wieder gezwungen wird, befremdlich vorkommen mag.


    Doch entbehrt die Lektüre keinesfalls humoristischer Exkurse: die Passage aus der Sicht von Chris' Eltern bspw. beinhaltet zahlreiche ausgesprochen humorvolle Komponenten. Und natürlich bringt auch der Umstand, dass ständig verschiedene Kulturen aufeinander prallen, diverse humorvolle Wendungen.


    Dieses Buch schafft den Leser, es ist verletzlich und verletzend, berührend und Distanz wahrend zugleich: Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, kommt in den Genuss einer ganz besonderen Lektüre, die nicht gerade zu einem geringen Anteil auch Verdienst der Übersetzerin Patricia Klobusiczky ist, die hier Großartiges geleistet hat. Für Freunde anspruchsvoller Lektüre, die bereit sind, sich auf Ungewohntes, noch nicht Erlebtes, möglicherweise Schmerzhaftes einzulassen!


    Meine Meinung
    Den Titel finde ich übrigens ein wenig irreführend. Die Männer waren zwar nicht körperlich anwesend, trotzdem aber immer präsent: in Gesprächen oder Erinnerungen. Der einzige Kritikpunkt für mich ist


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Genauso habe ich es auch empfunden, die Männer waren immer anwesend! Das was, Du gespoilert hast, ist mir auch aufgefallen, es hat mich aber nicht gestört. Für mich ein wunderbares Buch von einer meiner absoluten Lieblingsschriftstellerinnen!

    Oh, das war toll, ich habe es um Einiges besser bewertet als Du, wobei ich auch ein totaler Jeannette-Walls-Fan bin und möglicherweise nicht kritisch genug herangegangen bin.


    Ich grabe mal gerade nach meiner Rezi - hier ist sie:


    Hand in Hand der Sonne nach


    So hieß eines meiner Lieblingsbücher in meiner Kindheit: es ging um zwei Waisenkinder, zwei amerikanische Schwestern, die ihr trauriges Leben hinter sich lassen wollten und aufbrachen, um eine bessere Zukunft zu finden - sehr erfolgreich, wenn auch komplett anders als ursprünglich gedacht.


    Dieses Buch hat Jeanette Walls bestimmt auch mal gelesen, denn während der Lektüre ihres aktuellen Buches "Die andere Seite des Himmels" ergaben sich immer wieder mal Assoziationen: die Schwestern Liz und Bean, fünfzehn und zwölf Jahre alt, sind zwar keine Waisen, doch sind sie in einer ähnlichen Situation, werden sie doch von ihrer Hippie-Mutter mit musikalischen Ambitionen - wir schreiben
    das Jahr 1970 - immer wieder in Stich gelassen.


    Und so sind sie mehr oder weniger gezwungen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und tun es auch - mehr oder weniger gezwungenermaßen, um der Einweisung ins Jugendheim zu entfliehen: sie begeben sich per Bus auf eine Odyssee quer durch die Staaten - von Kalifornien an die Ostküste, wo ihre Mutter herkommt: da gibt es nämlich noch einen Onkel.


    Onkel Tinsley erweist sich als verschrobener, aber liebenswerter Kerl, auch andere Verwandte finden sich - quasi unverhofft - die den Mädchen, vor allem Bean, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, ein wenig Wärme vermitteln. Auch die Mutter taucht wieder auf, zumindest partiell.


    Und sie treffen auf den bösen Wolf - in Form eines der mächtigsten Männer der Gegend und sagen ihm den Kampf an - mit allen Konsequenzen, die sie dann auch brutal erfahren müssen.


    Ein wunderbares Buch - wie bisher alles, was Jeanette Walls zu Papier gebracht hat - atmosphärisch und dicht geschrieben, so dass man es als Leser nicht aus der Hand legen kann. Man erhält einen Einblick in das USA der frühen 1970er Jahre: Vietnam, Rassismus, arm und reich - das alles ist noch sehr, sehr präsent - vor allem in den Südstaaten, wohin es die Mädchen verschlagen hat. Die Charaktere sind charismatisch, (fast) nie schwarz oder weiß, es gibt humorvolle, erschütternde, beklemmende, aufrüttelnde und ergreifende Szenen: ein wahres Gefühlskarussell, durch das man während der Lektüre geschleust wird.


    Keine Frage, es lohnt sich - für Menschen, die aufbrechen wollen, die Anstöße und Impulse brauchen, für Menschen, die etwas über die neuere Geschichte der USA erfahren wollen und vor allem für Menschen, die nach dem absoluten Lesegenuss lechzen - hier werden alle reich belohnt: Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst.
    5ratten

    Hier meine Rezi zu "Kindeswohl":


    Recht und Unrecht
    sind nicht immer klar voneinander zu trennen, vor allem dann, wenn es um Entscheidungen des Familiengerichts und damit oftmals nicht um kriminelle, sondern um soziale oder gar ethische Konflikte geht. Ein solcher steht Richterin Fiona Maye ins Haus: diesmal hat sie zu entscheiden über Adam, einen jungen Zeugen Jehovas, der an Leukämie erkrankt ist und - unterstützt von Eltern und Kirche - die lebensnotwendige Medikation verweigern will. Kurz vor seinem 18. Geburtstag obliegt dem Gericht die Entscheidung, mit der es sich Fiona als oberste Instanz nicht einfach macht: sie nimmt sich die Zeit, Adam im Krankenhaus aufzusuchen und trifft auf einen ganz besonderen Menschen.


    Doch es ist nicht der einzige ethische Konflikt, mit dem sie zu kämpfen hat: ein weiterer, wesentlich persönlicherer geht von Jack, ihrem Ehemann seit mehreren Jahrzehnten, aus, der sie mit etwas Unglaublichem konfrontiert. Es geht hier nicht nur um Recht und Unrecht, nein, es geht auch um Schuld und deren subjektive Wahrnehmung bzw. Vermittlung - und zwar innerhalb ihrer Beziehung. Wer hat an etwas Schuld, wem wird diese zugesprochen, von wem und in welcher Situation. Fiona jedenfalls hat mit diesem Gefühl an allen beschriebenen Fronten zu kämpfen. Und wie so oft bei McEwan spielt auch Besessenheit eine Rolle, diese wird - wie bisher jedes Mal - in einem ganz eigenen, individuellen, absolut unnachahmlichen Modus transportiert.


    Diese beiden Stränge sind wie so oft bei McEwan eng verknüpft mit Musik, diesmal ist es gar der Aufbau eines Stückes, an dem er die Handlung dieses zwar kurzen, aber umso inhaltsreicheren Romans ausrichtet - und endet in einem eher stillen Finale Furioso, das nichtsdestotrotz eines ist - eben eines auf die unnachahmliche Art McEwans. Mit diesem, ich versteige mich dazu, ihn als seinen bisher weisesten, kontroversesten zu bezeichnen - Roman zeigt er wieder einmal, was für ein Ausnahmeliterat er doch ist - ohne weiteres eines Nobelpreises würdig - so empfinde zumindest ich es: sind doch Themen, die die den Leser noch lange verfolgen, eine bis ins Mark treffende Sprache und ein eindringlicher Stil, der die Handlung noch unterstreicht, ganz klar Kriterien, die einer solchen Beurteilung zugrunde liegen sollten - und alle diese erfüllt er hier aufs Trefflichste! Das stille Finale Furioso ist aus meiner Sicht eines der besten Enden in McEwans bisherigen Romanen - und es ist kein schlechtes darunter! Ein elegantes, kraftvolles Buch zu zwei eher stillen, doch eklatant wichtigen Themen! Wenn das die Richtung ist, in die McEwan nun weiter zu gehen beabsichtigt - wir können nach bereits Großem Unglaubliches von ihm erwarten!
    5ratten

    Ich fand es absolut grandios, wobei mein Lieblingsbuch von McEwan immer noch "Unschuldige" ist. Das spielt in Berlin unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg und ist sicher auch was für Leser, die sich bspw. für "Nachtauge" von Titus Müller begeistern konnten.


    "Kindeswohl" habe ich zunächst auf Englisch gelesen, weil ich als echter Fan nicht abwarten konnte, aber ein kleines bisschen habe ich mich damit übernommen und habe dann zu gegebener Zeit auf Deutsch nachgeschoben.

    Eine verbotene Liebe


    ...steht im Mittelpunkt dieses ungewöhnlichen und auf gewisse Art sicher auch herausragenden Werkes des jungen französischen Schriftstellers Joel Dicker.


    Um was geht es? Zunächst um die Rettung eines Meisters, nämlich der Rettung von Marcus' ehemaligen Professor Harry, der eines Mordes angeklagt ist, der lange zurückliegt: des Mordes an seiner Gespielin, angeblich seiner großen Liebe Nola, die Ende August 1975 im Alter von nur 15 Jahren - Harry selbst war damals bereits 34 - auf Nimmerwiedersehen verschwand. Ihre sterblichen Überreste nämlich finden sich in Harrys Garten, er tut unschuldig und ist doch sooo verdächtig.


    Sein ehemaliger Student Marcus - ein junger Erfolgsautor, dessen erster Roman eingeschlagen hat wie eine Bombe und von dem nun mehr erwartet wird, versucht sich in der Wahrheitsfindung. Er will einfach nicht glauben, das der von ihm so bewunderte Harry, selbst Autor eines unglaublichen Werkes, ein Mörder sein soll....

    Geschäfttüchtige Agenten und Verleger bringen ihn dazu, aus diesem Stoff seinen neuen Roman zu machen und bewerben diesen - es ist das Jahr 2008 - bereits lange vor seinem Erscheinen aufs Heftigste. Ganz USA hat schon lange vor der Fertigstellung davon gehört - und Marcus steht unter Zugzwang. Zudem möchte er natürlich Harry, seinem Freund und Mentor, helfen.


    Es gibt eine Menge Maine, einen verschrobenen Autor, verschiedene schräge bzw. ungewöhnliche und gut dargestellte Charaktere ... und den Boxsport. Wiederholt stellte sich mir während des Lesens die Frage, ob Dicker und ich nicht etwa denselben Lieblingsautor - nämlich den großen John Irving - haben und ob er sich nicht hat beeinflussen lassen - sowohl vom Setting - der Roman spielt in Maine, obwohl der Autor Franzose ist - als auch von der Themenwahl und der Person Irvings. Boxen spielt hier eine nicht unwesentliche, nicht immer jedoch sinnvoll eingebrachte Rolle - und ließ mich an das Ringen, das bei irving immer wieder Thema ist, denken. Und bei der Entwicklung der Figur Harry könnte es Anleihen an die reale Person Irving geben, wenn auch diese - gottseidank - eine nicht annähernd so tragische Gestalt ist. Und immer wieder stellte sich mir die Frage der Authentizität - wie gut kennt der Franzose Dicker die USA und speziell Maine wirklich? Basiert das alles auf Rezipiertem, auf Recherchiertem oder auf Erdachtem. Insgesamt ein toller Roman - wenn auch aus meiner Sicht mit einigen Schwachstellen hinsichtlich Logik und Glaubwürdigkeit - auch einiger Klischees hat sich der Autor fleißig bedient..


    Aber Joel Dicker kann schreiben wie ein junger Gott - herrlich die Verschachtelung des entstehenden Romans mit dem vorliegenden Werk, der Tragödie um Harry und Nola! Ein Buch, das auf jeden Fall lohnenswert ist, auch wenn ich Ihnen nicht versprechen kann, dass Sie sich überhaupt nicht ärgern!
    4ratten