Beiträge von Kaliyo

    Irgendwie gehörte dieses Buch nie zu denen, die ich unbedingt lesen wollte, auch wenn ich Hape Kerkeling sehr mag. Aber der Hype darum war mir immer zu groß und daher suspekt.


    Doch als meine bessere Hälfte letztens mit diesem Spontankauf ankam, hatte ich doch Lust darauf und habe mich ohne Erwartungen ans Lesen gemacht und in 2 Tagen war ich durch.


    Die ersten 50-100 Seiten habe ich mich einigermaßen schwer getan, zu belanglos und in kurzen Sätzen beschreibt Hape seine Wandertage und seine eigenen Befindlichkeiten. Der Schreibstil ist einfach und direkt, wortreiche Beschreibungen der Landschaft sucht man vergeblich (und ich gebe zu, ich hätte es schön gefunden). Doch dann, ab knapp der Hälfte des Buches, geschieht in meinen Augen etwas, das dem ganzen Buch eine Wendung gibt - er belauscht unfreiwillig die Wortwechsel eines deutschen Ehepaars im Nebenzimmer seiner Unterkunft. Später tauft der die beiden insgeheim Schnabbel und Bock, denn sie tauchen immer wieder während seiner Wanderung auf, wenn er sie am wenigsten gebrauchen kann. Aber er merkt bald, dass die beiden, vor allem die Frau, ihm einiges über sich selbst und seine Fehler lehren können. Liebevoll nennt er sie "meinen Schatten".


    Später trifft er dann noch Anne und Sheelagh, zu denen er eine tiefe Vertrautheit und Freundschaft aufbaut, die bis heute Bestand hat. Gemeinsam pilgern sie die letzten 100 Kilometer nach Santiago, und die haben es wahrlich in sich. Hape erlebt wirklich Unglaubliches, Mystisches und Erhellendes und schildert dies auf sehr eindrückliche, humorvolle und wirklich wunderbare Art, dass einem ganz warm ums Herz wird. Zwischendurch bekommen wir witzige oder auch denkwürdige Anekdoten aus seinem Leben serviert, die einen Einblick in die Person Hape geben. Sympathisch fand ich, dass es ihm fast unangenehm war, als der Hape Kerkeling aus dem Fernsehen erkannt zu werden, und er hat sich während der Pilgerreise auch nie als solcher bei anderen vorgestellt. Es schien ihm wichtig zu sein, als ganz normaler Mensch und Pilger wahrgenommen zu werden.


    Mir hat dieses Buch wirklich sehr viel Freude bereitet, ich habe viel gelacht und mir die eine oder andere Träne verdrückt, und vor allem die letzte Seite hat mich sehr gerührt, da ich das für mich persönlich unterschreiben kann:


    5ratten


    In den vergangenen Jahren haben wir schon "Tess", "Am grünen Rand der Welt" ("Far From the Madding Crowd") und "Herzen in Aufruhr" ("Jude the Obscure") gelesen. Die "Woodlanders" kenne ich ebenfalls schon.


    Schade, die würde ich so gern noch lesen. Ich warte auch mal noch ab, welche Vorschläge ihr noch bringt.

    T.C. Boyle ~ Hart auf Hart


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    Originaltitel: The Harder They Come
    Erscheinungsjahr: 2015
    Verlag: Carl Hanser
    Seiten: 400 (gebunden)


    Klappentext:
    Adam, der Sohn eines Schuldirektors und Vietnamveterans, kriegt nichts auf die Reihe. Er fliegt von allen Schulen, wandert von einem Psychiater zum anderen, bis die Eltern ihn aufgeben. Doch in Adam tickt eine Bombe. Überall wähnt er Feinde, gegen die es sich mit allen Mitteln zu verteidigen gilt. In der Wildnis, wo er ein Schlafmohnfeld angelegt hat, hortet er seine Waffen. Doch es gibt jemanden, der dich sogar in ihn verliebt. Sara, die - wie Adam - gegen vieles steht: die Globalisierung, die Verschwörer, die Staatsgewalt, die sie nicht anerkennt. Als sie ihn am Straßenrand aufgabelt, beginnt eine Leidenschaftliche, skurrile Liaison. Doch bald merkt Sara, dass mit Adam nicht gut zu reden ist - und er es ernst meint mit den Feinden, sehr ernst.


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    "Die amerikanische Seele ist ihrem Wesen nach hart, einzelgängerisch, stoisch und ein Mörder. Sie ist noch nicht geschmolzen." (D.H. Lawrence: Studies in Classic American Literature)


    Zugegebenermaßen bin ich recht unschlüssig, wie ich dieses Buch finden soll. Positiv zu erwähnen ist Boyles direkter, teils derber und witziger Schreibstil, der es einem leicht macht, schnell in die Story hineinzufinden. Zu Beginn geht es um Adams Eltern, die in Südamerika eine Kreuzfahrt machen und dabei einen unschönen Zwischenfall erleben, aus der Adams Vater als "Held" hevorgeht. Scheinbar hat diese Episode nichts mit der weiteren Handlung zu tun, doch der Bogen wird ganz am Ende geschlagen. Zu viel sei hier nicht verraten.


    Erst danach beginnt die eigentliche Geschichte um Adam, einem eigenbrötlerischen jungen Mann und Waffennarr in seinen Zwanzigern, der sich schon als Teenie nie anpassen konnte, und der sich jetzt als Erwachsener völlig aus der Gesellschaft zurückziehen möchte. Den Tod seiner Großmutter hat er nicht verkraftet, er redet immer noch mit ihr als wäre sie da. Irgendwie kann man ihn nie ganz fassen, diesen stillen Träumer, der in seiner Gedankenwelt mit dem Trapper John Colter aus dem 18. Jahrhundert verschmilzt und ein "Waldläufer" wird. Doch da ist Sara, eine Möchtegern-Unangepasste mit "Draufgängerstiefeln" und knappen Blusen, die Adam am Straßenrand aufgabelt und mit ihm eine eigenwillige Affäre beginnt. Selbst recht labil, schafft sie es ein Stück weit zu ihm duchzudringen. Ein Großteil des Buches wird die Beziehung zwischen den beiden beschrieben, in der es Hauptsächlich um Essen, Alkohol und Sex geht. Sie, die ältere, bemuttert ihn, und er nimmt bereitwillig alles, was sie ihm bietet, offenbart sich selbst aber nie vollständig. Lieber zieht er sich in seinen Wald zurück, wenn ihm alles zu viel wird.


    Als dann das Haus seiner Großmutter, in dem er wohnt, von seinen Eltern verkauft wird (wobei diese doch wissen wie wichtig ihm Unabhängigkeit ist), dreht Adam durch, und die Geschichte nimmt eine tragische Wendung.


    Beim Lesen habe ich mich oft gefragt, ob und wann in diesem Buch nochmal so etwas wie Handlung stattfindet, oder ob man bis zum Ende Adam und Sara beim Saufen und beim Sex und beim Rumpöbeln über die "scheiß Gesellschaft" begleiten muss. Es plätschert alles sehr lange vor sich hin, erst beim "Durchdrehen" Adams nimmt die Geschichte etwas Fahrt auf und entwickelt etwas Spannung. Aber wirklich mitgefiebert habe ich nicht, weil ich mich beim Lesen mit keiner einzigen Figur identifizieren, geschweige denn Sympathie oder Interesse aufbauen konnte. Alles bleibt eher unnahbar und oberflächlich.


    Und immer wieder habe ich mich gefragt, in welche Richtung Boyle hier eigentlich gehen will. Ist es Satire, ist es Gesellschaftskritik? Ein Abgesang auf den American Way of Life ist es jedenfalls nicht. Die Vorurteile und Doppelmoral amerikanischer Kleinbürger wird hier aufgezeigt, aber so richtig überzeugt es mich nicht. Von dem "bösem Witz", von dem auf der Buchrückseite die Rede ist, erkenne ich nicht viel. Es kommt doch etwas schwach auf der Brust daher, und die Moral von der Geschichte, dass Freiheit auch und vor allem in den USA eine Illusion ist, kann wohl keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken.


    Aufgrund gemischter Gefühle, und des doch ganz angenehm zu lesenden Schreibstils, der über die flache Handlung hinwegtröstet, vergebe ich


    3ratten

    Da ich ja noch nicht so lange wieder zurück im Forum bin, habe ich eben erst von der Idee der Post-Leserunden gelesen und bin sehr begeistert, das Konzept passt mir gut in den Kram.


    Dani, setze mich doch bitte auf die Liste für "Butcher's Crossing" von John Williams. :winken:

    Wenn ich das richtig sehe, hatte James zwei Quellen für seine Erzählung: eine wahre Begebenheit und Trollopes Erzählung.


    Stimmt.



    Die, meines Wissens, völlig fiktiv ist.


    Nicht ganz, auch Trollope ließ sich von einer wahren Begebenheit inspirieren.
    *im Nachwort wühl*
    "Jemand hatte ihn [Trollope] gebeten, einer Frau, die nach Übersee aufbrechen sollte, um zu heiraten, mitzuteilen, dass ihr Verlobter gestorben sei. Sie reagierte, indem sie sogleich ihre Koffer aus- und wieder einpackte, wobei sie das obenauf liegende Hochzeitskleid ganz nach unten vestaute."

    Ach Tina, du erinnerst mich daran, dass das Buch bei mir schon seit Jahren darauf wartet, endlich gelesen zu werden. Begonnen habe ich es schon einmal, habe aber, wie auch du, Anfangs schwierig hineingefunden, weshalb ich es dann abbrach. Es ist das einzige Buch von den Brontes, das ich noch nicht zu Ende gelesen habe, also schiebe ich es auf meinem gedanklichen SUB mal wieder ein Stück hoch. :winken:

    Im Prinzip kann man zusammenfassen, dass dort, wo James bewusst offene Fragen lässt, um das Ganze uneindeutig und frei für Interpretationen zu lassen, Trollope diese Fragen beantwortet und sowohl Motive als auch Beweggründe der Figuren offen legt. Zudem ist Trollopes Ende ein anderes, weit weniger tragischeres als James'. Trollope schrieb diese Erzählung eigens für den feministischen Verlag Victoria Press, weshalb hier die schlechten Zukunftsaussichten junger Damen dieser Zeit, deren Hauptaufgabe es im Leben war, eine Vernunftehe einzugehen, stärker im Vordergrund stehen. Eine kleine Gesellschaftskritik sozusagen. Das kennen wir von James auch, aber er hier finde ich seinen Humor und seine Beobachtungsgabe doch feiner. Dennoch ist Trollopes Geschichte nett zu lesen.

    Henry James ~ Überfahrt mit Dame. Eine Salonerzählung


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    Originaltitel: The Patagonia
    Erscheinungsjahr: 1909 (erschienen im Band XVIII der New York Edition of Henry James)
    Verlag: Aufbau Verlag
    Seiten: 175 (gebunden)


    Diese Novelle von James wurde neu entdeckt und liegt nun erstmals in deutscher Übersetzung vor. Es handelt sich um eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Als Inspiration diente James u.a. die Erzählung "Die Reise nach Panama"von Anthony Trollope, die diesem Band beigefügt ist. Wir haben also zwei Erzählungen in einem Band, die sich von der Grundidee ähneln, beide Autoren gehen sie aber auf ihre eigene Weise an. Ich brauche nicht erwähnen wessen Story mir besser gefiel. :zwinker:


    Eine vierköpfige Gesellschaft macht sich auf die Reise von Boston (USA) nach Liverpool (GB) mit einem Schiff, der Patagonia: Mrs. Nettlepoint, ihr Sohn Jasper, der Erzähler und die junge Grace Mavis, die nach 10 Jahren Verlobungszeit nun von ihrem zukünftigen Mann in Liverpool erwartet wird. Doch eine Fahrt über den Atlantik dauert lange, und es beginnen sich unter den Reisenden Gerüchte und Intrigen über Miss Mavis zu verbreiten, sie hätte mit Jasper angebandelt, was für damalige Zeiten wirklich skandalös war. Tatsächlich wird sie nur allzu häufig in seiner Nähe gesehen...


    Die Geschichte wird aus der Perpsektive eines Mitreisenden erzählt, der mit Mrs. Nettlepoint befreundet ist. Dadurch ist er einerseits Augenzeuge, andererseits sieht und weiß er nicht alles und muss sich ebenso wie der Leser in Spekulationen und Andeutungen ergeben. Das verstärkt noch die nebulöse und spannende Atmosphäre, die James schafft. In gewohnter Manier entwirft er hier ein Sittenbild der viktorianischen Zeit und stellt wieder einmal ein Frauenschicksal in den Vordergrund. Stark sind hier wieder James' feine Beobachtungsgabe und sein Talent, Charakterzüge zu beschreiben, dabei schwingt immer leiser Zynismus mit.


    Kurzum: Ein typischer James und ein reines Lesevergnügen!


    5ratten