Beiträge von sunny_m

    Wie gestern schon gesagt, hab ich Tante Poldi fast in einem Rutsch durchgelesen – ich hätte den Roman auch an einem Stück gelesen, wenn ich dadurch nicht meine Pflichten als Mama eines Kleinkindes vernachlässigt hätte. ;)


    Zunächst hatte ich zwar etwas Mühe hineinzufinden, aber das lag daran, dass ich gerade mitten in einem anderen Roman war, als Tante Poldi mich erreichte und die Leserunde begann. Ich musste mich erst an die Erzählweise gewöhnen, auch an die Erzählsprünge, denn ich habe ganz andere Lese- und auch Schreibgewohnheiten (sehr nah am Protagonisten bzw. in dessen Kopf). Aber als ich dann mal drin war, konnte ich aber fast nicht mehr aufhören zu lesen. Umso mehr freut es mich, dass bereits ein neuer Mordfall auf Tante Poldi wartet.
    Und im Nachhinein muss ich sagen, dass die Erzählweise genial ist und die Geschichte mMn gar nicht anders erzählt werden könnte. Jeder Roman hat seinen Erzählton, und dieser passt perfekt zu Tante Poldi. Pfeilgrad halt. :D


    Was das Alkoholproblem angeht, so erscheint mir das nur logisch. Tante Poldi ist ein Mensch mit Tiefgang. Sie hatte ein bewegtes Leben mit Schicksalsschlägen, an denen sie heute noch knabbert und die sie offenbar zu verdrängen versucht. Das sieht man z.B. auf S. 87:
    „Waren Sie oft in Afrika?“
    „Nein“, log die Poldi, denn das war ein Kapitel im Roman ihres Lebens, das sie lieber übersprang.


    Einiges davon wird in der Geschichte kurz angedeutet, und man ahnt, dass hier nur an der Oberfläche gekratzt wurde ... was hat es bspw. mit dem Haus in Tansania auf sich? Wer ist dieser John? Was stand in dem Brief, den sie ungeöffnet weggeworfen hat?
    Dass sie sich nicht unterkriegen lässt, heißt nicht, dass sie nicht darunter leidet. Wen wundert es, dass sie versucht, den Kummer zu ertränken, insbesondere, wenn die Schwermut wieder von ihr Besitz ergreift? Das fällt dann wohl unter Selbstmedikation. Ich finde, das macht sie menschlich, real, greifbar.
    Sie sagt ja selbst auf S. 162:
    „Eine Weile trägt’s dich, rettet dich vorm Ertrinken, spart nicht mit Optimismus – und dann zieht’s dich, gluckgluckgluck, hinab in die Tiefe.“
    Deshalb braucht sie auch diesen Fall, die Ermittlungen, das hält sie am Leben, das treibt sie an und lässt sie sogar über sich hinauswachsen und dem Alkohol (bis zu einem gewissen Grad) abschwören.


    Außerdem hat das ein bisschen was von einem Hard-boiled Krimi, und davon versteht der Mario Giordano was. ;)


    Die Sache mit Ringo Starr, Sting, den Jungs von ABBA etc. erinnert mich an Forrest Gump oder an „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“.
    So eine Tante Poldi hätte ich auch gern. :D


    Einen Lachanfall hatte ich bei der Beerdigungsszene (sehr unpassend natürlich :zwinker::(
    „Wollen wir uns denn wirklich hier so lange herumstreiten, bis uns allen das Hirn wegbrutzelt und Faulgase Valentinos Sarg sprengen?“
    Da musste ich mir echt die Lachtränen wegwischen. Auch bei Wörtern wie „g’scherter Hammel“ oder „G'schwollschädel“ musste ich lauthals lachen. Die muss ich mir merken. ;)


    Der Mordfall ist professionell aufgebaut und bleibt bis zum Schluss und dem glänzenden Finale spannend, mit überraschenden Wendungen und einem Motiv, auf das ich niemals gekommen wäre.


    Auch wie sich die Sache mit Montana ganz am Schluss aufdröselt, gefällt mir sehr gut.


    Alles in allem für mich ein Fünf-von-fünf-Sternen-Roman.


    Forza Mario Giordano, forza Tante Poldi! :breitgrins:

    So, jetzt komme ich endlich mal zum Kommentieren. :klatschen:


    Zum Inhalt wurde ja eigentlich schon alles gesagt.
    Mir gefallen u.a. die bildhafte Sprache, die Kontraste, die Mario Giordano zeichnet, der Spannungs- bzw. Konfliktaufbau und die Atmosphäre (warum nur habe ich jetzt Lust auf einen Italien-Urlaub? :zwinker:).


    Nach der Exposition nimmt die Geschichte rasch an Fahrt auf, und am Ende des vierten Kapitels ist mein „Jagdinstinkt“ geweckt.
    :zwinker:
    Ich bin gespannt, ob sich Poldis Verdacht, dass Russo hinter dem Mord an Valentino steckt, verhärtet, oder ob sich am Ende ein noch unverdächtiger „Überraschungstäter“ als der wahre Mörder entpuppt. Mario Giordano ist ja als Tatort-Autor ein erfahrener Krimi-Schreiber. Man darf also gespannt sein, was da noch kommt.
    Sollte tatsächlich die Mafia involviert sein, wird sich die Poldi auf jeden Fall noch eine Menge Ärger einhandeln.


    Stilistisch liest sich der Roman leicht und flüssig – was wiederum bedeutet, dass viel Arbeit dahinter steckt. Giordano findet immer wieder originelle Vergleiche und Bilder, die einen Film im Kopf ablaufen lassen und einen somit in die Geschichte hineinziehen – oder die mich schmunzeln lassen, wie z.B. „blutjung wie frisch vom Baum gepflückt“. :smile:


    Tief unter die Haut ging mir die Szene, als Poldi Valentino findet, aber nicht wegen des grausigen Fundes an sich. Es lag an der Vorbereitung der Szene, am Aufbau, der bei der Serata beginnt und in der Szene am Strand gipfelt.
    Als Poldi von der Schwermut gepackt wird, schiebt sich eine schwarze Wolke vor die Sonne und verdunkelt den strahlend blauen sizilianischen Himmel. Was sich zuvor noch heiter und leicht gelesen hat, wird plötzlich düster und unheilvoll. Die Schwermut, der Absturz, der Albdruck, der Schatten auf Poldis Brust.
    Wunderbar und atmosphärisch geschrieben zum Beispiel dieser Abschnitt:


    „Sie sah die Gestalt schon, als sie den Wagen parkte. Ein Schatten im Zwielicht, hingegossen auf die rundgeschliffenen Lavasteine. Ein Fleck nur, wie vom Meer vergessen, wie Strandgut. Kein Geräusch zu hören, nur das Summen der Fliegen und das träge Plätschern am Ufer, als sei das Meer selbst noch nicht richtig erwacht. Und irgendwie ahnte die Poldi da schon, was sie geweckt hatte.
    Und was sie gleich sehen würde.“


    Gänsehaut pur.