Beiträge von Moreland

    Zum Inhalt wurde bereits einiges gesagt. Der Roman handelt von Winston Churchill und Charlie Chaplin, die sich eines Tages kennenlernen und bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit entdecken: Beide leiden an Depressionen, die Churchill den "großen schwarzen Hund" nennt.

    Man schließt feierlich einen Pakt:

    Zitat


    "Wir wollen einander versprechen, dass, wenn immer einer Hilfe benötigt, der andere, wo immer auf der Welt er ist, alles liegen und stehen lässt und kommt!" (S. 54)

    Neben den großen schwarzen Hund gibt es noch einen weiteren gemeinsamen Feind, an den sich beide abarbeiten: Adolf Hitler. Chaplin zieht ihn mit seinem Film "Der große Diktator" durch den Kakao. Churchill wird gegen ihn als englischer Premierminister Krieg führen.


    Nachdem ich offen gestanden auch etwas auf den (schwarzen) Hund gekommen war, bin ich auf dieses Buch gestoßen. Was mich anfänglich total fasziniert hat, ist die Verschränkung der Ebenen Fiktion und Geschichte. Das Buch liest sich eher wie eine Biografie als ein Roman. Aber ohne dass ich die geschichtlichen Hintergründe kenne, hat man doch den Eindruck, dass der Autor auch einiges an Imagination und erdachtem Personal in das Buch hineinschmuggelt, ohne dass man - mangels Überprüfung - immer wüsste, wo die Grenzlinien zwischen Dichtung und Wahrheit verlaufen. Dieses Spiel mit Fakt und Fiktion finde ich ziemlich brillant und außerdem sehr inspirierend.


    Etwas schwierig fand ich im weiteren Verlauf allerdings, dass durch die zwei Protagonisten sehr viel Zeitgeschichtliches in das Buch Eingang gefunden hat: Politik, Hollywood, Chaplins Scheidung, Churchills Familie samt Kindern und Vorfahren, dazu der private Hintergrund des Erzählers, dessen Vater auch Berührungspunkte mit C & C aufweist. Das war mir mitunter etwas zu viel, und ich hatte das Gefühl, dass der Roman durch die Last dieser vielen disparaten Versatzstücke mitunter etwas inkohärent wirkt. Hie und da ging die Fabulierlust des Autors, auch wenn sie insgesamt sehr gefällig ist, mir auch etwas zu weit.


    Dennoch fand ich die Lektüre sehr kurzweilig und die Idee hinter dem Buch sehr gut.


    Tja, kann ich über irgendetwas meckern? Nur dass es eben Erzählungen sind, die schnell wieder aufhören. Ein Genre, das ich nicht so schätze, weil einen der Autor aus der gerade aufgebauten Welt so schnell wieder rausschmeißt.


    So kann man es auch sehen. Ich mag an Erzählungen und Kurzgeschichten gerade, dass man in die gerade aufgebauten Welten so schnell hineingesogen wird - wenn sie gut gemacht sind. :smile:


    Danke für die Rezension. Die "Aufzeichnungen eines Jägers" liegen bei mir schon länger auf dem SuB. Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch den Film "Barbara" von Christian Petzold, in dem auf eine bestimmte Erzählung angespielt wird.


    [...]der 6. Band [...], den Proust selber nicht vollenden konnte


    Bedeutet das demnach, "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" ist ein Fragment? Ich bin immer von der (vermutlich falschen) Darstellung ausgegangen, Proust habe die "Recherche" noch gerade beenden können und sei kurze Zeit darauf gestorben.



    Vielleicht wäre Proust ein geeignetes Weihnachtsprojekt für mich?


    Ich habe mir den Proust für die Herbst- und Winterzeit vorgenommen. Mal schauen, obs was wird. :smile:


    George Orwell war nicht nur ein scharfsinniger Pathologe der Systeme, er war auch ein verdammt guter Visionär - was er mit 1984 bewiesen hat. 1984 ist Zeitlos! Es Entstand nach dem Nationalsozialismus und wurde sicher dadurch inspiriert - Aber es ist aktuell wie nie zuvor. Wir sind bereit uns freiwillig überwachen zu lassen. Immer mehr Kameras an öffentlichen Plätzen, die ganzen Organisationen ala NSA, jeder hat mindestens so einen Kasten bei sich - der PC (mit Web Cam) und ein Smartphone und und und. Da könnte man jetzt eine endlose Liste aufzählen. Gesetze ändern sich im Namen der Sicherheit auf kosten der Freiheit...


    Bzgl. des "Visionärs": 1984 ist zweifelsohne ein eindrückliches Werk und Orwell hat sicherlich seine diagnostischen Verdienste, die ich ihm nicht streitig machen will. Aber seine Dystopie als Vision gegenwärtiger westlicher Gesellschaften anzuwenden, funktioniert m.E. nur bedingt.


    Zum einen hat Orwell für 1984 zeitgenössische Phänomene aufgegriffen (Stalinismus, NS sicherlich auch sowie seine Erfahrungen beim BBC) und sie ins Extrem gesteigert. D. h. einiges, was in dem Roman beschrieben wird: die ideologische Verfälschung von Tatsachen, die Korrumpierung der Sprache, die Unterdrückung des Einzelnen zugunsten der Gesellschaft oder einer charismatischen Führergestalt, hat es damals bereits gegeben. Orwell hat es dann nochmals zugespitzt.


    Zum andern basiert Macht in 1984 vornehmlich auf Unterdrückung - anders als in den modernen Gesellschaften des Westens. Zwar hat jeder "mindestens so einen Kasten bei sich", wie du schreibst, aber das mehr oder minder aus freien Stücken und nicht, weil es staatlicherseits aufgezwungen wird. Wenn ich es richtig erinnere, hält Winston sich in einem toten Winkel seiner Wohnung auf, wo das Kameraauge nicht hinreicht und er unbemerkt sein Tagebuch schreiben kann. Überspitzt gesagt, ist es heute doch eher so, dass die heutigen Winstons sich aus der Ecke hervorwagen, um mitten in die Kamera hinein (nenn' es Facebook, Twitter oder wie auch immer) ihr Tagebuch zu schreiben: was habe ich heute gemacht, gegessen, gelesen etc. Sie tun dies, so steht zu vermuten :breitgrins:, weil es ihnen Spaß macht und nicht, weil sie jemand dazu zwingt. Also statt reiner Unterdrückung/Kontrolle eher eine Verschränkung von Macht und Lust, wie sie der Philosoph Michel Foucault in einigen seiner Schriften beschrieben hat. Übrigens hat er auch über Überwachung geschrieben und dafür das Modell des "Panoptismus" entworfen. Sehr lesenswert!

    Da fällt mir die Anekdote mit Valdas Ivanauskas ein, der damals nach dem Aufstieg des VfL Wolfsburg in die 1. Bundesliga vom Hamburger SV in die Autostadt wechseln sollte. Der Transfer scheiterte letztlich daran, dass der Spielerfrau die Stadt nicht gefiel.
    Heutzutage wimmelt es in Wolfsburg vor Nationalspielern und der Name Ivanauskas ist nur noch wenigen ein Begriff. :breitgrins:

    Hm, bestätigt die Vorbehalte, die ich gegen diesen Spieler hatte.


    Ein paar Kaffeebohnenritzereien muss ich noch loswerden (nicht böse sein :peace::( Der Trainer heißt Falko Götz, Boatengs Halbbruder Jérôme und das Ballack-Foul ereignete sich nicht vor dem "Sommermärchen" 2006, sondern vor der WM 2010.


    Und ist es heute wirklich noch so, dass man als Schalke-Spieler angehalten ist, im Ruhrgebiet wohnen zu müssen (die "verbotene Stadt" mal ausgenommen)? Raúl lebte während seiner Zeit bei S04 meines Wissens auch in Düsseldorf, ließ im Gegensatz zum "Prince" aber Leistung sprechen und wird bis heute verehrt. Da bestätigt sich mal wieder die Fußballer-Weisheit: Wichtig is aufm Platz!

    In Bezug auf Thomas Mann war "Tristan" mein Aha-Erlebnis. Zuvor hatte ich - ohne größere literarische Vorkenntnisse - den "Zauberberg" und den "Tod in Venedig" gelesen, aber erst bei "Tristan" ging mir die vielzitierte Ironie Thomas Manns richtig auf. Ich habe die Novelle mit ihren schrägen Antagonisten sehr genossen.

    Ich habe mich jetzt einmal durch den gesamten Thread geklickt. Solche Diskussionen mag ich an einem Literaturforum:
    kontrovers, meinungsstark, manchmal polemisch, aber immer leidenschaftlich. :daumen:


    Hmm, also für mich war das auch immer ein Käfer. Naja gut, liegt sicher auch daran, dass die ausgeliehene Ausgabe einen Käfer auf dem Cover hatte.


    Was das Tier und auch die Covergestaltung angeht, hatte Kafka seine eigenen Vorstellungen, die er seinem Verlag eindringlich darlegte:


    Zitat

    Sie schrieben letzthin, daß Ottomar Starke ein Titelblatt zur Verwandlung zeichnen wird. Nun habe ich einen kleinen, [...] wahrscheinlich sehr überflüssigen Schrecken bekommen. Es ist mir nämlich, da Starke doch tatsächlich illustriert, eingefallen, er könnte etwa das Insekt selbst zeichnen wollen. Das nicht, bitte das nicht! Ich will seinen Machtkreis nicht einschränken, sondern nur aus meiner natürlicherweise bessern Kenntnis der Geschichte heraus bitten. Das Insekt kann selbst kann nicht gezeichnet werden. Es kann aber nicht einmal von der Ferne aus gezeigt werden.


    Franz Kafka an G. H. Meyer, Brief v. 25.10.1915

    Den Törleß nochmal zu lesen, würde mich auch reizen.



    An die Stelle kann ich mich noch erinnern (es ging doch da um Kant, oder?) Eine andere war, wo Törleß enthusiastisch Gedichte schreibt und anderntags feststellt, dass seine poetischen Ergüsse doch nicht so toll waren und er sie verwirft. Kommt mir irgendwie bekannt vor. :breitgrins:


    Wie war denn der Schluss der Theatervorstellung bzw. wich sie auch vom Bühnentext ab?


    Puh, ist schon ein bisschen länger her und ehrlich gesagt, kann ich mich an den genauen Schluss gar nicht mehr erinnern. :redface: In der Inszenierung sah man auf jeden Fall nur die beiden Elternteile, die Kinder kamen nicht vor.


    Hab jetzt wikipedia bemüht. Da steht bezüglich des Schlusses:

    Zitat

    Einzig Alain fühlt sich letztlich in seiner Weltanschauung bestätigt. Er habe immer an den Gott des Gemetzels geglaubt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Gott_des_Gemetzels
    Das klingt fast so, als ob das Stück tendenziell der Position Alains zuneigt und doch nicht so un- oder überparteiisch ist, wie ich einst glaubte.

    Zugegeben, die Handlung ist relativ simpel, aber das würde ich dem Film nicht zum Vorwurf machen. Ich denke auch, dass die besten Geschichten sich auf einfache Elemente und Motive runterbrechen lassen. Mir ist sowas allemal lieber als eine Story, die zwanghaft originell und clever sein will, aber letztlich nur pseudo ist.


    Zum Realismus: Der Film wie auch das Buch basieren auf der wahren Geschichte des Trappers Hugh Glass, der während einer Expedition von einem Bären angefallen, von seinen Begleitern züruckgelassen wurde und mit seinen Verletzungen (inkl. gebrochenem Bein) den Weg in das 300 Kilometer entfernte Basislager nach sechs Wochen zurückgefunden hatte.
    Der halbindianische Sohn, dessen Ermordung sowie die anschließende Rache sind dagegen Hinzufügungen der Filmemacher.


    Die Verfilmung ist freilich nicht besonders realistisch, aber wenn man sich darauf einlässt, kommt man durchaus auf seine Kosten.
    Ich fand "The Revenant" ungeheuer wuchtig, emotional nachwirkend, klasse inszeniert, gefilmt und gespielt. Mein bisheriges Highlight des Kino-Jahres 2015.


    Den oben beschriebenen Schluss des Films gab es in der Theateraufführung, die ich mal gesehen habe, nicht. (Ich denke mal, im Bühnentext ist es ebenso?)
    Die spielenden Kinder sind einerseits eine nette Pointe. Andererseits fand ich aber, dass der Film damit indirekt Partei ergreift für eine der Figuren (ich glaube, die eine Hälfte des Yuppi-Paares), die den Vorfall herunterspielt und sagt: na ja, das war ja nur 'ne kleine Rauferei, die vertragen sich schon wieder. Das Stück dagegen ist meiner Erinnerung nach wunderbar neutral. Alle bekommen ihr Fett ab, niemand wird positiv hervorgehoben oder negativ herausgestellt.