Welch eine Überraschung hier eine Besprechung von "The Quartet" zu finden, Juva. Dass du von dem Buch nicht so recht begeistert bist, kann ich gut verstehen. Mich hat es auch eher enttäuscht, auch wenn manches interessant ist. Interessant ist, wie du selbst schreibst, dass man einen Einblick bekommt, wie es war, während des Krieges als Frau in Oxford zu studieren. Frauen durften in Oxford seit 1920 studieren. Die Damen des Quartetts begannen ihr Philosophiestudium 1938. Störend finde ich, dass das Buch zu viel Klatsch enthält, das könnte ja geradezu einige Vorurteile gegen weibliche Autoren befördern. Also welche Klamotten sie trugen, was sie am liebsten wo gegessen und getrunken haben, Murdochs Liebschaften, etc. , das war nicht unbedingt interessant. Wenn die vier Damen (Das Quartett) sich schon einen Ruf als "Philosophinnen" erworben hatten, dann wohl vor allem durch ihre Leistungen als Studentinnen. In "Lehre und Forschung" wurden sie, Murdoch ausgenommen, erst nach dem Krieg aktiv. Lustig, dass die Dozentinnen keine Hosen tragen durften. Elizabeth Anscombe kam, nachdem sie eine Rüge des Dekans erhalten hatte, zwar immer noch mit Hosen, zog sich aber um, wenn sie unterrichtete.
Die philosophischen Aspekte des Buchs finde ich nicht immer überzeugend. Der grosse Buhmann in dem Buch ist Alfred Jules Ayer und es ist gewiss richtig, dass Ayers Ideen zur Moralphilosophie wenig taugten. Moralische Urteile waren nach seiner Meinung emotionale Haltungen, sie sagten nicht mehr, als dass jemand etwas subjektiv gut oder schlecht fand (= Emotivismus). Nun war Ayer in Oxford aber keineswegs so dominant, dass es der vier Philosophinnen bedurfte um auf andere Ideen zu kommen. Das Buch übertreibt m.E. die Bedeutung Ayers in Oxford (wo ja auch der viel wichtigere Gilbert Ryle lehrte). Schwerwiegender scheint mir folgendes zu sein. Die beiden Autorinnen behaupten, das "Quartett" habe sich vor allem an der metaphysikfeindlichen Haltung der Oxforder Philosophen gestört. Diese feindliche Haltung findet man gewiss bei Ayer. Aber man findet sie vor allem auch bei Wittgenstein. Nun wird aber Wittgenstein im Buch sehr gepriesen (ohne viel über ihn zu sagen). Aber wie ist es möglich, dass die Damen des Quartetts Ayer wegen seiner metaphysikkritischen Haltung verurteilen, aber gleichzeitig in Wittgenstein ein bewunderungswürdiges Vorbild sehen, obwohl es gerade Wittgenstein ist, der für die Metaphysikkritik vor allem verantwortlich ist (nämlich durch seinen "Tractatus" der ja Ayer so stark beeinflusst hatte). Über Wittgensteins Philosophie findet sich in dem Buch kaum etwas, obwohl die zweifellos Bedeutendste der vier, G.E. Anscombe, Wittgenstein zweifellos bewunderte. Sie sass an seinem Sterbebett, war u.a. seine Nachlassverwalterin und Übersetzerin.
Es könnte der Anschein geweckt werden, dass die drei Philosophinnen des Quartetts (Murdoch war nie professionelle Philosophin) ihre Karrieren dem Umstand zu danken hatten, dass während ihrer Studienzeit im 2. Weltkrieg viele Männer dienstpflichtig waren. Aber als sie nach dem Krieg "Karriere machten" gab es genug männliche Konkurrenten. Und eine wirklich bedeutende Karriere machte nur Elizabeth Anscombe, die in Cambridge (nicht in Oxford) zu höchsten Würden kam.
Sehr interessant fand ich in dem Buch, was man zu Anscombes Religiosität lesen konnte. Sie war, in England eher selten, Katholikin (wie auch ihr Ehemann, der Logiker Peter Geach). Sie glaubte an die katholische Transsubstantionslehre (die Präsenz Christi in der Hostie) und hat, wenn ich mich recht erinnere, auch einen Artikel geschrieben, wie man das Kindern beibringen kann. Sie war eine Gegnerin der Empfängnisverhütung und Proteste vor Abtreibungskliniken brachten sie, glaube ich, sogar in Konflikt mit dem Gesetzgeber. (Aber)sie war (muss hier ein "dennoch" kommen?) eine der intelligentesten und charakterstärksten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts.